And Then There Were None

Wenn man einen allseits bekannten Buch-Klassiker als Grundlage eines Films nimmt, ist einem das Interesse mindestens all derer, die das Original zu einem Bestseller gemacht haben, wohl sicher. Wenn es sich dabei aber um ein Buch von Agatha Christie handelt, das schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1939, zu einem Bestseller wurde und bis heute mit mehr als 100 Millionen Exemplaren eines der meist verkauften Bücher überhaupt ist, und überdies ebenfalls sehr erfolgreich als Theaterstück in London und am Broadway lief, dann steht man vor dem Problem, einen Krimi zu verfilmen, dessen komplette Handlung und Auflösung hinlänglich bekannt sind und dann, ja, dann muss man sich schon ein bisschen was einfallen lassen.

Einige Abweichungen von Christies Buch schienen der Produktionsfirma 20th Century Fox ohnehin notwendig, denn kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges meinte man das amerikanische Publikum wohl mit so krassen Themen wie Kindsmord und Teenager-Schwangerschaften nicht verstören zu dürfen. Während man aber den Film zunächst in Großbritannien unter demselben Titel in die Kinos brachte, den auch das Buch von Agatha Christie im Original hatte: Ten little Niggers, wurde er in den USA umbenannt in And Then There Were None.

Aber um die bei einem Krimi nötige Spannung zu erzeugen, reichen solche kleinen Veränderungen mit Sicherheit nicht aus, schließlich wird hier aus einem ursprünglichen ‘Whodunit’ ein ‘Howdidtheymakeit’, nicht im Hinblick auf die Protagonisten der Geschichte, sondern auf die Art und Weise der Inszenierung.

Gut, man kann das Ende anders gestalten, aber dies war ja für die Theaterfassung bereits geschehen, und überdies: wie schafft man es, dass die Zuschauer überhaupt solange dabei bleiben?

Auf alle Fälle sollte man natürlich die Schauspieler sorgfältig auswählen. Hervorragende Darsteller gibt es allerdings auch am Theater – beim Schauplatz der Handlung hingegen, hat ein Film schon viel mehr Spielraum und um dies gleich von Anfang an klar zu machen, geht es zu Beginn mit den Protagonisten erst mal aufs Wasser, in ein kleines Boot, wo wir Zuschauer während der Überfahrt dann auch genügend Zeit haben, zu erraten, wer denn nun gleich wen darstellen wird.

Vor allem aber ist es sicherlich klug, zu den Tricks zu greifen, die der Literatur und auch dem Theater eben nicht zu Verfügung stehen: lange Einstellungen auf dunkle Korridore zum Beispiel, in denen sich Türen langsam öffnen, um… und genau dies wird hier ausgiebig getan. Aber mit eben dem abwechslungsreichen Tempo, dass schnell vergessen lässt, dass die Geschichte ja eigentlich keine Überraschungen mehr zu bieten hat, oder doch?

Da der Film sich mittlerweile in der Public Domain befindet, ist davon auszugehen, dass der Mensch, der so freundlich war, ihn bei Youtube komplett einzustellen, sich damit nicht strafbar macht und so kann man, ganz nach Belieben, eigentlich gleich losschauen.

(And Then There Were None, USA 1945; Regie: René Clair.)

The Bird People in China

Dies ist nun der dritte Teil der kleinen „Takashi Miike Filme, die nicht nach Takashii Miike aussehen“-Serie. Schon sein Beitrag im zweiten Teil dieser Episoden-Sammlung kam ohne Yakuza aus und war – gemessen an jenen Filmen, mit denen Miike für gewöhnlich Aufmerksamkeit erregt – geradezu harmlos, auch seine Version dieses koreanischen Films, den er in ein Miike-Musical verwandelte, fällt sichtbar aus dem Rahmen seines übrigen Schaffens.

Nun ist es tatsächlich ein bisschen unfair, Takashi Miike nur auf Yakuza, Horror und Gewalt festlegen zu wollen, denn in der schieren Masse der Filme, die er bisher gedreht hat, findet sich neben Bizarrem, auch Familienfreundliches, neben Western, Manga-Verfilmungen und Superhelden-TV-Serien, auch Musikvideos, Komödien, Cyber-Teen-Lovestories und Kinderfilme.

Und The Bird People in China, der in keine der genannten Kategorien passt.

(The Bird People in China, Japan 1998; Regie: Takashi Miike.)

The Good, the Bad, the Weird

Comedy, Horror, Drama, gerne auch mal alles zusammen, Wrestling, Vampire, problematische Ehen, Geistergeschichten, Gangster, Serienmörder, Science Fiction und selbst Arnold Schwarzenegger verhalf er zu einem Comeback: in Kurz- wie in Langfilmen hat sich Kim Jee-Woon durch alle nur denkbaren Genres gearbeitet und meistens kam er damit bei Publikum wie Kritik gut an. Was wohl nicht zuletzt auch an den Schauspielern lag, mit denen er immer wieder zusammen arbeitete.

Ganz außerordentlich gut kam A Bittersweet Life an. Sein eigenwilliger visueller Stil wurde gelobt und die rasante Choreographie, während die Geschichte spannend und mit interessanten Wendungen erzählt wird, aber, dem Thema entsprechend, auch voller Gewalt ist: der Film nimmt sein Motto offensichtlich ernst, wobei einige Szenen selbst für dieses Genre ziemlich drastisch ausfallen, was auch dadurch nicht gemildert wird, dass zu Beginn und zum Schluss des Films buddhistische Parabeln erzählt werden.

Auch nicht unbedingt friedfertig mögen zwar die Protagonisten des darauf folgenden Films von Kim Jee-woon sein, aber es geht hier im Ganzen weniger brutal zu, insbesondere in der britischen Version des Films, die um zusätzliche fünf Sekunden wegen real animal cruelty gekürzt wurde. Außerdem wird es nun bunt und turbulent, pathetisch und manchmal auch ein wenig albern, denn diesmal hatte sich Kim Jee-Woon unübersehbar Sergio Leone zum Vorbild genommen, was er, um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen, gleich im Titel des Films klar macht, der auch im deutschen Verleih auf englisch erschien, und nicht, wie seinerzeit das Vorbild, falsch eingedeutscht wurde.

Und so, wie Sergio Leone damals dem Spaghetti-Western zum endgültigen Durchbruch verhalf, fügt Kim Jee-Woon nun dieser Film-Gattung sein eigenes Sub-Genre hinzu: den Kim-Chee-Western.

(The Good, the Bad, the Weird, Südkorea 2008; Regie: Kim Jee-Woon.)

A Tale of Two Sisters

As much as you hate it, I’m the only one in this world you can call mother, got it?“

Nachdem der Zusammenhang zwischen klassischen Geistergeschichten, vor allem der in Asien sehr beliebten Geschichten von besonders unglücklich zu Tode gekommenen jungen Frauen und den auch in unserer Zeit mitunter recht komplizierten Lebensumständen weiblicher Teenager, schon 1998 von Park Ki-hyeong recht plausibel hergestellt und an einen passenden Ort verlegt wurde, nahm sich Kim Jee-Woon, nach seinem erfrischenden Ausflug in die Berge, mit seinem dritten Film dieses Themas ebenfalls an.

Anders aber als bei Park Ki-hyeong, der mit seiner recht modernen Umsetzung erst den Boom auslöste, der eine vielteilige Serie schuf und die auch in anderer Form oft kopiert wurde, bediente sich Kim Jee-Woon eines in aller Welt schon seit Jahrhunderten sehr beliebten Stereotyps: der bösen Stiefmutter.

Selbstverständlich gibt es zu diesem Thema auch in Korea mindestens ein Volksmärchen, das jedem Kind bekannt ist: Im Falle von A Tale of Two Sisters trägt es den Titel Janghwa Hongryeon jeon, und ist die Geschichte zweier unglücklicher Schwestern, die man in Korea wohl genauso als bekannt voraussetzen darf, wie bei uns Schneewittchen oder Hänsel und Gretel.

Mit der daraus resultierenden Erwartungshaltung wird im Film zwar gelegentlich gespielt, aber auch wenn man die spezielle Böse-Stiefmutter-Variante des zu Grunde liegende Märchens nicht kennt, ist es durchaus möglich, den Film zu verstehen, spätestens, wenn man ihn ein zweites Mal anschaut. Sollte man aber tatsächlich auch nach dem dritten und vierten Mal der Lösung inhaltlich noch immer nicht näher gekommen sein, so hat es sich schon deshalb gelohnt, weil sowohl das Timing, als auch der ganze Stil des Films unbedingt überzeugend wirken.

(A Tale of Two Sisters, Südkorea 2003; Regie: Kim Jee-Woon.)

The Quiet Family

Im selben Jahr, als Park Ki-hyeong den unerbittlichen Horror südkoreanischer Mädchenschulen auslotete, fand ihn Kim Jee-Woon in seinem Debüt-Film an ganz anderer Stelle: in den idyllischen, wenn auch etwas abgelegenen Bergen Südkoreas.

Dorthin verschlägt es eine eigenwillige Familie, deren gut gemeinte Absicht, hier ein Gasthaus für Wanderer zu betreiben, durch ungünstige Umstände wie die Tatsache, dass eine schwer zugängliche Einöde nicht automatisch ein Paradies für Naturfreunde sein muss, vor allem aber das unangemessene Benehmen ihrer nicht eben zahlreich eintreffenden Gäste, ständig durchkreuzt wird.

Die innen wie außen stilgerecht gestaltete Herberge wurde komplett und in original Größe extra für den Film errichtet, und die Schauspieler, unter ihnen Choi Min-sik und Song Kang-ho in relativ frühen Rollen, scheinen vom Ambiente derart mitgerissen worden zu sein, dass sie allesamt und miteinander so souverän wie überzeugend agieren.

Sichtbar weniger Aufwand betrieb wenige Jahre später Takashi Miike, als er sich mit The Happiness of the Katakuris daran machte, dieselbe Geschichte auf seine Weise zu inszenieren. Er, der bekannt dafür ist, den ultimativen Horror ohnehin mühelos an praktisch jeder Stelle finden zu können, verlegte das Ganze nach Japan und machte daraus, nun ja, einen Miike-Film. Aber als Musical mit Tanzeinlagen. Und Karaoke. Und Knetfiguren…

(The Quiet Family, Südkorea 1998; Regie: Kim Jee-Woon & The Happiness of the Katakuris, Japan 2001; Regie: Takashi Miike.)

Memento Mori

…dass es sich bei südkoreanischen Mädchenschulen, egal wie harmlos sie von außen scheinen mögen, in Wahrheit um Orte des Horrors handelt, wurde in diesem Film offensichtlich so überzeugend dargestellt, dass er schon kurze Zeit später ein Sequel erhielt, und noch eins, und noch eins, und noch eins

Abgesehen von der Grundidee, ‚Mädchenschulen, die von Geistern heimgesucht werden‘, bauen die einzelnen Teile allerdings inhaltlich nicht wirklich aufeinander auf: erzählt werden jeweils unabhängige Geschichten mit wechselnden Personen, Handlungsorten und Schulen. Einige Elemente bleiben jedoch gleich, denn auch wenn Grad und Detailfreude bei der Darstellung von Gewalt durchaus variieren, so bleibt doch die grundsätzliche Aussage erhalten, dass der eigentliche Horror zumeist darin besteht, sich als Teenager im Leben und dann auch noch in einem autoritären Schulsystem zurecht finden zu müssen.

In dieser Hinsicht bildet Memento Mori keine Ausnahme. Ähnlich wie bei seinem Vorgänger wird auch hier weitgehend auf die explizite Darstellung von Gewalt verzichtet, wobei die beiden Regisseure ursprünglich zudem wohl vorhatten, auch auf die Darstellung von Geistern gänzlich zu verzichten, dies aber sahen die Produzenten anscheinend anders, und so mussten einige entsprechende Szenen hinzugefügt werden.

Aber auch, wenn die nachfolgenden Teile der Whispering CorridorsReihe, Whishing Stairs (2003), Voice (2005) und A Blood Pledge (2009), ebenfalls durchaus sehenswert sind, so fällt Memento Mori doch sichtlich aus dem Rahmen der Serie: zum einen wegen seiner ungewöhnlichen Erzählstruktur, die wiederum durch ein an sich schon sehr kreativ gestaltetes Tagebuch gegliedert wird, vor allem aber durch seinen wunderschönen, poetischen visuellen Stil.

(Memento Mori, Südkorea 1999; Regie: Kim Tae-yong and Min Kyu-dong.)

Whispering Corridors

Zu den altehrwürdigen, überlieferten Künsten Koreas – wie wohl der meisten Kulturen – gehört das Erzählen von Geister-Geschichten. Über die Jahrhunderte hinweg dürften es unzählige gewesen sein, grausame und gruselige, melancholische und traurige und bisweilen sicher auch komische, wobei die meisten wohl in Vergessenheit gerieten, manche aber zu Klassikern wurden und sich bis heute immer wieder aufmerksam gespannter Zuhörerschaft erfreuen.

Auch blieben gewisse Grundstrukturen der Erzählungen gleich, oder kehrten immer wieder – wohl, weil sie so glaubhaft waren – und auch im Zeitalter von Computern, Internet und Mobile Phones gibt es eigentlich keinen Grund, diese schöne Tradition aufzugeben. Vielleicht werden hier und da ein paar Details modernisiert, oder, wie im Falle der beliebten Geschichten von Personen, die unter besonders dramatischen Umständen ums Leben kamen und deshalb immer wieder die Stelle heimsuchen, an der sie den Tod fanden: man passt den Ort des Geschehens einfach der heutigen Zeit an.

Eine besonders geignete Stätte fanden die Macher von Whispering Corridors, dessen Original-Titel 여고괴담, bzw. in Umschrift Yeogogoedam lautet, was übersetzt soviel bedeutet wie Mädchen-Schulen-Gespenster-Geschichte und das Genre damit würdig weiterführt, denn schließlich soll ja in jeder guten (Gespenster-)Geschichte auch stets ein Funken Wahrheit enthalten sein, und bei allem, was man bis heute vom anspruchsvollen südkoreanischen Schulsystem hört, das im Ruf steht, seinen Zöglingen einiges abzuverlangen, herrschen dort nicht unbedingt entspannte paradiesische Zustände.

Ob es andererseits in südkoreanischen (Mädchen-)Schulen tatsächlich so zugeht, wie in Whispering Corridors, der 1998 (und damit im selben Jahr wie im Nachbarland Japan dieser Film) erschien, kann derart pauschal natürlich nicht beantwortet werden, aber dass es durchaus in der Absicht des Regisseurs lag, die gerade erst vollzogene Lockerung der Zensurgesetze in Südkorea zu nutzen, um auch gleich ein wenig Kritik am heimischen Schulsystem unterzubringen, dürfte wohl offensichtlich sein.

(Whispering Corridors, Südkorea 1998; Regie: Park Ki-hyeong.)

301/302

Mitte der 1990er, während Im Kwon-taek noch auf den Spuren eher traditioneller koreanischer Kultur und entsprechender Frauenbilder unterwegs war, und Park Kwang-su gerade seine beiden Filme nach Drehbüchern von Lee Chang-dong drehte, die ebenfalls mehr der Aufarbeitung von Koreas Vergangenheit gewidmet waren, war Regisseur Park Chul-soo schon lange in der Gegenwart Südkoreas angekommen.

Seine ersten Filme hatte er bereits Ende der 70er gedreht und in den darauf folgenden beiden Jahrzehnten wurde er zu einem der fleißigsten koreanischen Filmemacher, wobei seine Filme wohl von Anfang an den einen oder anderen Aufreger lieferten, im Großen und Ganzen aber ganz einfach die damals in Südkorea populären Genres bedienten, entweder in Form von sentimentalen Melodramen, oder, indem sie von Frauen, Sex und Gewalt handelten.

Erst mit 301/302 sollte sich dies ändern, denn zwar dreht sich auch dieser Film hauptsächlich um die letzteren drei der oben genannten Themenbereiche, aber er entsprach keinem gängigen Genre. Tatsächlich geht es um zwei recht moderne koreanische Frauen, die für die sehr zeitgenössischen Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben, eine eigenwillige, aber konsequente Lösung finden.

Und selbst wenn die Geschichte stellenweise ein wenig drastisch sein mag, sie war immerhin originell genug und leuchtete ausreichend vielen Menschen ein, um im Jahr 1995 beim Grand Bell Award als bester koreanischer Film ausgezeichnet zu werden – überdies ist es wohl kein Zufall, dass 301/301 einer der ersten, wenn nicht der erste südkoreanische Film war, der auch außerhalb von Festivals in us-amerikanischen Kinos lief.

(301/302, Südkorea 1995; Regie: Park Chul-soo.)

Poetry

Gleich in der ersten Szene wird klar, dass es sich auch bei diesem Film von Lee Chang-dong keineswegs um etwas so unbelastet Reines und Schönes handelt, wie der Titel es verspricht. Aber bei Peppermint Candy, Oasis und Secret Sunshine entsprachen die Filme ja auch nicht unbedingt den warmen, freundlichen Assoziationen, die ihre Namen zunächst hervorrufen.

Für die Hauptrolle hatte Regisseur und Drehbuchautor Lee Chang- dong wohl von Anfang an Yoon Jeong-hee eingeplant, die von den späten 1960ern bis zum Ende der 80er eine der berühmtesten Schauspielerinnen Südkoreas war, viel beschäftigt und ausgezeichnet, und die hier nun zum ersten Mal nach 16 Jahren wieder in einem Film mitspielte.

Noch bei Peppermint Candy hatte sich Lee Chang-dong vorwerfen lassen müssen, dass die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive des männlichen Protagonisten erzählt wurde, während Gedanken und Gefühlen der weiblichen Figuren keinerlei Raum erhielten. Dies hatte sich zwar schon bei Secret Sunshine grundlegend geändert, aber anders als in jenem Film, wo auch die südkoreanische Kleinstadt mit ihren vielen Bewohnern eine wesentliche Rolle spielte, konzentriert sich Poetry nun nahezu völlig auf seine weibliche Hauptdarstellerin und damit auf das, was ihr und anderen Frauen in der Gesellschaft in der sie lebt, widerfährt – und welche Konsequenzen, oder eben auch nicht, dies für die Betroffenen hat.

Allein, ihre Art damit umzugehen, mitfühlend, freundlich und scheinbar zurückhaltend, aber hartnäckig darin, das umzusetzen, was sie einmal für richtig erkannt hat, macht sie auf ihre Weise viel selbständiger und unabhängiger als es Figuren in Lee Chang-dong Filmen normalerweise sind, und während Lee Shin-ae in Secret Sunshine eigentlich nur wenig Spielraum für eigene Entscheidungen blieb, hat Yang Mija in Poetry ihn nicht nur – sie nutzt ihn auch.

(Poetry, Südkorea 2010; Regie: Lee Chang-dong.)

Secret Sunshine

Nach Theaterstücken und Drehbüchern, nach drei Filmen als Regisseur und Drehbuchautor in einer Person, nach viel Anerkennung und Auszeichnungen, zuletzt 2002 in Venedig mit dem Preis für die Beste Regie, legte Lee Chang-dong eine mehrjährige Pause als Filmemacher ein, da er im Jahr 2003 vom neu gewählten Präsidenten Südkoreas, Roh Moo-hyun, zum Minister für Kultur berufen wurde.

Zwar hatte er wohl nicht lange den Eindruck, der Richtige für diesen Posten zu sein, jedenfalls legte er das Amt bereits Mitte 2004 nieder, doch bis sein nächster Film seine Premiere hatte, dauerte es trotzdem noch bis zum Festival in Cannes im Jahre 2007.

Dass es Lee Chang-dong nicht wirklich um Kassenschlager und angenehme Unterhaltung für sein Publikum geht, hatte er ja schon mit seinen vorherigen Filmen überzeugend vermittelt, und auch Secret Sunshine bildet da keine Ausnahme, obwohl er zunächst so leicht und fröhlich anfängt, als habe man es mit einer freundlichen Liebeskomödie zu tun, aber so wird es nicht bleiben.

Doch neben der eigentlichen, tragischen Geschichte beeindrucken vor allem die vielen kleinen wirklichkeitsnahen Szenen, die mit geradezu unheimlichen Realismus das Leben in einer Kleinstadt Südkoreas („not much goes unnoticed around here“) abbilden. Da wird auf begrenzter Fläche hinter dem Laden gewohnt, oder gleich im Chaos in der Werkstatt, Elternabende finden nach erfolgreich absolviertem Rhetorik-Kurs der Sprößlinge beim Essen im Restaurant statt, während die ortsansässigen Geschäftsfrauen sich beim Friseur oder in der Disco treffen und die Herren Chi beim Bergsteigen sammeln, oder doch zumindest in der gemeinsamen Zigarettenpause davon erzählen.

Dass Regisseur Lee den Ruf hat, es seinen Schauspielern nicht leicht zu machen, und sie bei der Interpretation ihrer Rollen weitgehend sich selbst zu überlassen, bereitete anscheinend weder den Nebendarstellern, noch Song Kang-ho Probleme, wobei dieser bereits eine kleinere Rolle in Green Fish spielte, und überhaupt schon reichlich Erfahrung in den unterschiedlichsten Genres gesammelt hatte. Anders empfand es wohl Hauptdarstellerin Jeon Do-yeon, deren Arbeit aber immerhin reichlich belohnt wurde.

(Secret Sunshine, Südkorea 2007; Regie: Lee Chang-dong.)