Monthly Archives: March 2013

The Seaside Village

So fleißig Shin Sang-ok auch gewesen sein mag – in der ImdB wird er mit 101 Titeln als Produzent und 72 als Regisseur gelistet – unter den Regisseuren Südkoreas mit den meisten Filmen schaffte er es nicht einmal unter die ersten drei.

Auf Platz eins ist bislang Go yeong-nam, von dem allerdings selbst das Koreanische Film Archiv schreibt:

„Usually concentrating on action and melodramatic films, director Go Yeong-nam did not make the so-called masterpieces of Korean film history, but he was recognized among producers for making commercially stable films.“

Was vielleicht auch der Grund ist, weshalb auf dem youtube channel des KoFA keiner seiner Filme präsentiert wird.

Anders sieht es schon bei Platz zwei aus: Regisseur Kim Soo-yong ist mit immerhin drei seiner insgesamt 106 Filme vertreten: Kinship (1963), Flame in the Valley (1967) und The Seaside Village (1965), von denen letzterer als einer seiner besten gilt. Anders als bei Shin Sang-ok sind die Menschen hier, insbesondere die Frauen, nicht entweder grundgut oder verrucht, sondern vielschichtiger angelegt und teilweise sogar mit genug Selbstbewusstsein ausgestattet, das bei allen nicht eben rosigen Umständen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit sich bringt.

Bei einigen von ihnen gilt dies auch in sexueller Hinsicht, was angesichts der damals in Südkorea herrschenden Zensurgesetze zwar nur angedeutet oder in Metaphern gezeigt wird, aber dennoch nur schwer misszuverstehen ist.

Gedreht wurde The Seaside Village in Cinemascope, aber schwarz-weiß, denn, nur weil Cinemascope und Farbe möglich sind, heißt das ja nicht unbedingt, dass man auch beides einsetzen muss. Dies mag zwar zum einen eine Frage des Budgets sein, kann aber durchaus auch ästhetische Vorteile haben, wie hier zu sehen ist.

(The Seaside Village, Südkorea 1965; Regie: Kim Soo-yong.)

 

Seong Chun-hyang

Auf das insgesamt umfangreiche Schaffen von Shin Sang-ok wurde hier bereits an anderer Stelle eingegangen, aber einer seiner Filme soll noch zusätzlich gewürdigt werden.

Es handelt sich um eine in Korea mehrfach verfilmte klassische Sage, und im Jahr 1961 waren gleich zwei Regisseure angetreten, um jeweils ihre Version davon in die koreanischen Kinos zu bringen. Der eine war Hong Seong-ki, damals bereits ein etablierter Filmemacher, dessen Werke zuverlässig die Kinos füllten und der andere war Shin Sang-ok, der zwar auch schon eine ganze Reihen von Filmen gedreht hatte, aber an Hong Seong-ki reichte er damit nicht heran und konnte nach allgemeiner Ansicht bei diesem Wettstreit nur verlieren.

Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte, denn zum einen hatte Shin Sang-ok mit Choi Eun-hee als Hauptdarstellerin einen bereits bewährten Publikumsliebling, während die wesentlich jüngere Kim Jee-mi in der konkurrierenden Fassung noch am Anfang ihrer Karriere stand, zum anderen waren es die ersten koreanischen Filme in Cinemascope und Farbe und wenn schon die Geschichte eigentlich jedem Kind in Korea bekannt war und von daher nicht viel Spannung bieten konnte, so sollte es doch wenigstens schön bunt auf der Leinwand werden.

Und hier trug Shin Sang-ok in jeder Hinsicht möglichst dick auf. Schon die eigentlich tragische Geschichte wurde derart übertrieben, und zusätzlich mit komödiantischen Elementen angereichert, dass sie über weite Teile eher fröhlich wirkt, aber vor allem bei Cinemascope und Farbe legte er sich richtig ins Zeug: knallbunte Kleidung bei Damen wie Herren, kaum weniger farbenfrohe Architektur und Requisiten, ergänzt um kleine Theater- und Schwertkampf-Einlagen und selbst tragische Szenen in Gefängnissen wurden durch den Einsatz farbiger Scheinwerfer bunt ausgeleuchtet. Gedreht auf Kodak Film und weiterverarbeitet in Tokyo, bei der darauf spezialisierten japanischen Post-Production Firma Imagica.

Dagegen sah die Version von Hong Seong-ki pastellfarben und blass aus.

Somit hatte Korea seinen ersten offiziellen und dokumentierten box office hit, dessen Zuschauerrekord erst sieben Jahre später von diesem Film geschlagen werden sollte (und aktuell seit vielen Jahren völlig zurecht von diesem Film gehalten wird), Shin-Song-ok hatte seinen endgültigen Durchbruch und wir haben mit der vom Koreanischen Filmarchiv auf youtube zur Verfügung gestellten Fassung, für deren Restaurierung offenbar mehrere unterschiedlich gut erhaltene Kopien zusammengefügt wurden, die Möglichkeit uns einen abwechslungsreich bunten koreanischen Abend zu machen.

(Seong Chun-hyang, Südkorea 1961; Regie: Shin Sang-ok.)

The Flower in Hell

Unter den drei Regisseuren, die auf dem vom Korean Film Archive eingerichteten youtube channel eine eigene Playlist erhalten haben, musste Shin Sang-ok schon deshalb vertreten sein, weil man an der schieren Menge an Filmen, die er als Regisseur und Produzent hinterlassen hat, einfach nicht vorbeikommt. Wobei der bei weitem größte Teil seiner Filme in Südkorea entstand, ein paar wenige allerdings auch in Nordkorea – wenn auch nicht ganz freiwillig.

Geboren wurde er 1926 in Chongjin, das heute zu Nordkorea gehört und sich damals, wie ganz Korea, unter japanischer Herrschaft befand. Sein Studium absolvierte er an der Hochschule der Künste in Tokyo und kehrte anschließend nach Korea zurück, diesmal in den südlichen Teil des Landes, wo er bei der Produktion von Viva Freedom! (1946) mitwirkte, dem ersten Film, der nach Abzug der Japaner in Korea gedreht wurde.

Bald danach eröffnete er ein eigenes Filmstudio und wurde für die nächsten 20 Jahre der fleißigste Filmemacher (Süd-)Koreas. Dabei bediente er nahezu alle Genres, von Historienfilmen, über Familienkomödien und Liebesdramen, bis zu Fantasy-Horror-Filmen, wobei Letztere zwar gerne vorführten, was an Tricktechnik damals in Südkorea möglich war, inhaltlich aber mitunter etwas wirr ausfielen. Überhaupt litt die Qualität der einzelnen Filme bisweilen unter der Menge an Produktionen, dennoch blieben Preise und Ehrungen nicht aus, denn als 1962 zum ersten Mal der koreanische Filmpreis Grand Bell Award verliehen wurde, erhielt Shin Sang-ok nicht nur als erster die Auszeichnung Bester Film für Prince Yeonsan (1961), sondern auch als Bester Regisseur für Mother and a Guest (1961).

Stets mit von der Partie war dabei Choi Eun-hee, eine in Südkorea gefeierte Filmschauspielerin, die bereits in diesem frühen koreanischen Film eine Hauptrolle hatte. Im Privatleben war sie mit Shin Sang-ok verheiratet, leitete gemeinsam mit ihm das Studio und spielte in den meisten seiner Filme eine führende Rolle, wobei sie meist sittsame, leidensfähige und durch und durch gute Frauen gab, ein Stereotyp, aus dem sie nur gelegentlich ausbrach.

Erst in den 1970er Jahren ließ der Erfolg des Studios nach, das Paar trennte sich und Shin Sang-ok bekam zunehmend Probleme mit der Zensurpolitik seines Landes, bis er sich schließlich 1978 mit dem damaligen Militärdiktator Südkoreas, Park Chung-hee, überwarf, was die Schließung seines Studios zur Folge hatte.

Im selben Jahr wurde Choi Eun-hee unter dem Vorwand eines Filmangebotes nach Hong Kong gelockt, wo sie im Auftrag von Kim Jong Il entführt wurde, der mit ihrer Hilfe und der ihres Ex-Gatten, den er wenige Monate später ebenfalls entführen ließ, eine ebenso prosperierende Filmindustrie in Nordkorea aufbauen wollte, wie die beiden sie viele Jahre in Südkorea betrieben hatten.

Ein Plan, der vermutlich besser aufgegangen wäre, hätte man Shin Sang-ok nicht nach einem gescheiterten Fluchtversuch für vier Jahre in ein nordkoreanisches Gefängnislager gesteckt. Nach seiner Freilassung drehte er zwar noch sechs Filme in Nordkorea, wieder mit Choi Eun-hee in den Hauptrollen, aber an der Premiere des letzten – Pulgasari (1985) , einer nordkoreanischen Variante dieses japanischen Films – nahmen sie schon nicht mehr teil, da ihnen vorher in Wien die Flucht gelungen war.

Auch Pulgasari findet sich auf youtube, wenn auch nicht beim Korean Film Archive, wo aber acht andere Filme von Shin Sang-ok zu sehen sind, unter ihnen The Flower in Hell (1958) und Mother and a Guest (1961), beide mit Choi Eun-hee in der Hauptrolle, die hier zwei sehr unterschiedliche Frauenbilder verkörpert.

(The Flower in Hell, Südkorea 1958; Regie: Shin Sang-ok.)

 

A Hometown in Heart

Von Filmen aus Korea war hier an der einen oder anderen Stelle bereits die Rede, wobei es sich bislang stets um Produktionen der Republik Korea, also Südkorea handelte, schon weil diese sich in Europa, nachdem sie einige Jahre als Geheimtipps auf Festivals gehandelt wurden, mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen und sowohl in Videotheken als auch im Kino keine Seltenheit mehr darstellen. Die Filme der Demokratischen Volksrepublik Korea, aka Nordkorea, sind hingegen sowohl hierzulande, als auch im Internet generell eher schwer zu finden, vor allem, wenn man auf Fassungen mit englischen Untertiteln angewiesen ist.

Entsprechend wird sich die Zahl der hier aufgeführten südkoreanischen Filme sicher noch um einiges erhöhen, zudem vor einigen Monaten das in der Hauptstadt von Südkorea, Seoul, ansässige Korean Film Archive so freundlich war, bei youtube einen eigenen Kanal einzurichten, auf dem man zur Zeit über 70 koreanische Filme, sieben davon in HD Qualität, legal, kostenlos und bei Bedarf auch mit englischen Untertiteln anschauen kann, was zumindest im Augenblick für nordkoreanische Produktionen so wohl eher nicht abzusehen ist.

Wenn wir aber der Einfachheit halber beim chronologisch ältesten der dort zur Verfügung stehenden Filme beginnen, dann ist dies mit A Hometown in Heart ein Film aus dem Jahr 1949, also aus der Zeit vor dem Koreakrieg und damit der Teilung in eine Republik und eine Demokratische Volksrepublik Korea.

Wobei der Regisseur selbst in beiden Koreas tätig war, denn nicht allzu lange nach der Premiere von A Hometown in Heart, verließ Yoon Yong-Kyu, so steht es auf der diesem Film gewidmeten website des Korean Film Archive, den südlichen Teil des Landes, um nach Nordkorea zu gehen, wo er nach dem Krieg noch viele Jahre weiter Filme drehte, die allerdings, wie oben bereits angedeutet, nicht ganz so einfach zu erreichen sind, wie A Hometown in Heart.

(A Hometown in Heart, Korea 1949; Regie: Yoon Yong-Kyu.)