Anfang der 1990er, ungefähr zur gleichen Zeit, als in Beijing auf die „Fünfte Generation“ Filmemacher die sechste folgte, gab es in Taiwan ebenfalls nach der ersten Welle des New Taiwanese Cinema, eine zweite und bereits fünf Jahre nachdem überhaupt zum ersten Mal ein Film in chinesischer Sprache in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, konnte nach Hou Hsiao-hsien schon der zweite Filmemacher aus Taiwan diesen Preis entgegen nehmen.
Denn auch wenn Tsai Ming-liang genau genommen in Kuching, Malaysia, geboren und aufgewachsen war, und sich einige Jahre als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur bei TV-Produktionen in Hong Kong betätigte, so drehte er doch bislang die meisten seiner Filme in Taipeh, wo er bis 1982 an der Chinese Culture University Drama und Film studiert hatte.
In diesen, seinen Filmen verzichtet Tsai Ming-liang weitgehend auf Dialoge, setzt aber mit schöner Regelmäßigkeit Räume, am liebsten Küchen, unter Wasser, oder lässt es doch wenigstens draußen ständig regnen, was den praktischen Nebeneffekt hat, dass das Geräusch des ständig strömenden Wassers auch gleich den Soundtrack ersetzt.
Ähnlich wie seine Kollegen von der ersten Welle des Neuen Taiwanesischen Kinos schätzt Tsai Ming-liang auch sehr, sehr lange Einstellungen, in denen zum Beispiel Flure oder Durchgänge gezeigt werden: Menschen bleiben darin stehen, gehen hinein und hinaus, bisweilen pinkeln sie auch, aber die Kamera bewegt sich nicht – manchmal passiert auch gar nichts, oder es wird dunkel, weil eine Frau gerade das Fenster mit Paketband zugeklebt hat.
Damit das Ganze nicht zu symbolisch aufgeladen wirkt, wird es ab und zu durch absurde Sexszenen aufgelockert, in einem seiner bekanntesten Filme zum Beispiel, spielen dabei Wassermelonen eine wichtige Rolle, die allerdings, wie er bereits vorher in einem anderen Film anschaulich vorgeführt hatte, auch gut zum Bowling geeignet sind. Überhaupt zitiert Tsai Ming-liang sich ganz gerne selbst, oder ist doch zumindest darum bemüht, seine eigene Bildsprache zu entwickeln und wiederholt einzusetzen.
Eine weiterer fester Bestandteil seiner Filme ist Lee Kang-sheng, der in allen Filmen von Tsai Ming-liang die Hauptrolle spielt, so auch in The Hole, unterstützt von Yang Kuei-Mei, die man zwar auch aus diesem Film kennen kann, aber eben auch aus zahlreichen anderen Tsai Ming-liang-Produktionen. Überhaupt sind hier viele der typischen Elemente vertreten, aber die langen Einstellungen werden in The Hole zum ersten Mal so konsequent wie abwechslungsreich eingesetzt: apokalyptisches Wasserrauschen in der baufälligen Sperrzone contra 30er Jahre Mandarin-Popsongs mit Federn und Pailletten.
(The Hole, Taiwan und Frankreich 1998; Regie: Tsai Ming-liang.)