Monthly Archives: January 2013

Häxan

Anders als bei diesem Film, bei dem nicht wirklich erkennbar ist, warum seine Uraufführung im Jahr 1948 durch die Zensurbehörde von New York verboten wurde, kann man beim Stummfilm Häxan recht schnell darauf kommen, warum es nach seiner Premiere im Jahr 1922 in praktisch jedem Land, in dem er gezeigt wurde, zu Protesten und/oder Aufführungsverboten kam: Die detailverliebte Darstellung von Folter, Nacktheit und sexuellen Praktiken, insbesondere im Rahmen von Schwarzen Messen und Blasphemie zieht auch heute noch in vielen Teilen der Welt ähnliche Reaktionen nach sich.

Dabei war es dem dänischen Filmemacher Benjamin Christensen doch nur um eine historisch fundierte, filmische Dokumentation des Hexenwesens gegangen, allerdings, nachdem sämtliche Historiker, deren Expertise und Beratung er angefragt hatte, die Zusammenarbeit ablehnten, weil sie mit seinem Film nicht Verbindung gebracht werden wollten, machte er sich höchst selbst ans Werk, las einen ganzen Stapel Bücher zum Thema, vor allem den berüchtigten Hexenhammer, und ging dann daran, das Gelesene möglichst anschaulich, mit viel Aufwand und sich selbst in der Rolle des Satans, in Szene zu setzen.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf seinen Film – immerhin der teuerste Stummfilm, der je in Skandinavien produziert wurde – recht gemischt ausfielen, aber während die einen ihn verbieten lassen wollten, feierten ihn die anderen: in Deutschland wurde Christensen wegen dieses Werkes als Regisseur zur UFA geholt und auch seiner späteren Karriere als Filmemacher in den USA stand Häxan nicht im Wege, obwohl er dort lange Zeit gar nicht aufgeführt werden durfte.

Mittlerweile ist Häxan – wie könnte es anders sein? – zum Kultfilm avanciert. 1968 erschien eine mit Jazz und William S. Burroughs unterlegte, wenn auch gekürzte und zu schnell ablaufende Fassung und 2001 brachte The Criterion Collection eine restaurierte, allerdings auch gekürzte Version auf DVD heraus.

Die ungekürzte, volle 104 Minuten lange, Originalfassung von Häxan gibt es aber bei archive.org: zur Ansicht und zum Download – inklusive aller der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen.

(Häxan, Dänemark 1922; Regie: Benjamin Christensen.)

 

The Private Life of a Cat

Subversion, ebenso wie Anstand und Moral, mögen ja, wie so Vieles andere, im Auge des Betrachters liegen. Dass es aber die New Yorker Zensurbehörde tatsächlich schaffte, diesen Film des Avantgarde-Regisseurs Alexander Hammid und seiner damaligen Frau, Maya Deren, die bis heute als eine der wichtigsten amerikanischen Avantgarde-Künstlerinnen gilt, als „unanständig“ einzustufen und gleichzeitig ein Verbot der öffentlichen Aufführung verhängte, ist doch noch immer erstaunlich.

Aber, so berichtet es Amos Vogel sowohl in diesem Film, als auch in seinem Buch, eben dieses war der Fall, als The Private Life of a Cat im Jahr 1948 im Rahmen von Cinema 16 zum ersten Mal aufgeführt werden sollte. Begründet wurde die Entscheidung der Zensurbeamten damit, dass im Film eine Geburt gezeigt wird. Da es sich um einen Stummfilm handelt ohne Ton und in schwarz-weiß, aber von sehr nah.

Allerdings war es nicht nur so, dass der zu diesem glücklichen Ereignis führende, vorherige Zeugungsakt von den Filmemachern schamhaft weggelassen, weder gezeigt oder auch nur erwähnt wurde, sondern es handelt sich darüber hinaus, wie der Titel schon sagt: um Katzen.

Nun, immerhin in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten geändert: Katzencontent ist heutzutage im Internet an der einen oder anderen Stelle zu finden und auch The Private Live of a Cat ist bei archive.org zu Ansicht und Download bereitgestellt. Und so steht es jedem frei, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob die gezeigten Bilder tatsächlich so unanständig sind, dass ihre Aufführung verboten gehörte, oder einfach nur unfassbar putzig.

(The Private Life of a Cat, USA 1944; Regie: Alexander Hammid.)

 

Film as a subversive Art:

L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat

Was den Herrn, von dem dieser Film handelt, weit über die Grenzen New Yorks hinaus bekannt machte, war aber nicht sein Avantgarde-Filmclub, sondern das Buch, das 1974 unter dem Titel Film as a subversive Art in der amerikanischen Originalausgabe erschien und einige Jahre später auf Französisch, Niederländisch und Deutsch.

Mehr als 600 Filme wurden hier von Amos Vogel besprochen, viele davon mit einem Szenenfoto illustriert, und obwohl es mittlerweile längst die technischen Möglichkeiten gäbe, diese Filme allen zugänglich zu machen, ist der bei weitem größte Teil damals wie heute kaum öffentlich zugänglich. Einige wenige sind heute Klassiker, die gelegentlich Gegenstand von Retrospektiven sind, oder neu aufgelegt wurden und manche sind sogar im Internet zu finden.

Einer dieser Filme, und der älteste, auf der Liste von Amos Vogel, ist L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat von 1896. Ein früher Film der Brüder Auguste und Louis Lumière, dessen Aufführung zwar entgegen der schön erfundenen Legende wohl doch nicht dazu führte, dass die Zuschauer in Panik den Vorführraum, in diesem Falle ein Café verließen, der aber wohl auch ohne diese Geschichte als Klassiker der Filmgeschichte gelten darf und den man zur Zeit tatsächlich auch auf Youtube ansehen kann.

Um dies zu würdigen ist das Movie of the Week diesmal nur etwa 50 Sekunden lang, allerdings mit Hinweis darauf, dass einige andere der von Amos Vogel als subversiv empfohlenen Filme an dieser Stelle bereits besprochen wurden: zum Beispiel hier, oder hier, und hier, sowie hier und hier, oder auch hier und hier

Diese, und alle weiteren, die noch hinzukommen, werden von nun an hier zu finden sein.

(L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat, Frankreich 1896; Regie: Auguste und Louis Lumière.)

 

Film as a subversive Art:

Amos Vogel and Cinema 16

You know there is something I call visual sensibility. A sensibility for form, shape, abstract images. And this is really what made me love these very art films. I mean surrealist-films, abstract films and many other types. All kinds of avantgarde films. I was very taken by them. I always felt that if I have this sensibility – obvioulsly I‘m not unique – and I would think that there would be other people who would like to see these films, too.“

…eine Annahme, mit der Amos Vogel unbedingt recht behalten sollte, denn als er im Jahr 1947 mit Cinema 16 den ersten New Yorker Avantgarde Film Club gründete, fand dieser rasch Interesse und brachte es bis 1963 – so lange betrieb Amos Vogel Cinema 16 gemeinsam mit seiner Frau Marcia – auf stolze 7000 Mitglieder, mit regelmäßigen Filmvorführungen in einem Kino, das 1600 Plätze hatte. Und weil dies nicht reichte, fanden die meisten Veranstaltungen zweimal am selben Tag statt.

Fast 40 Jahre nach dem Ende von Cinema 16, im Jahr 2004 zog Paul Cronin, ein britischer Dokumentar-Filmer los, um über den damals 82jährigen Amos Vogel einen Interview-Film zu drehen und mehr muss man dazu eigentlich auch gar nicht sagen, das erzählt Amos Vogel hier alles schon selbst. Bleibt also nur noch darauf hinzuweisen, dass Paul Cronin so freundlich war, seinen Film an dieser Stelle legal und kostenfrei zur Ansicht zur Verfügung zu stellen und dreimal den Buzzer zu betätigen: „Look at the screen immediatelty!”

(Film as a subversive Art: Amos Vogel and Cinema 16, Großbritannien 2004; Regie: Paul Cronin.)

 

Ordinary Heroes

This is a story about political activism in 1980s Hong Kong. Many of the events are based on real historical incidents and most of the main characters are based on real people…“ was zum Beispiel auch, wie der Vorspann weiter mitteilt, für das Straßentheater gilt, mit dem der Film beginnt und zu dem er wiederholt zurückkehrt, denn dieses erzählt die Geschichte des mittlerweile verstorbenen Aktivisten Ng Chung Yin.

Aber es geht hier keinesweg nur um ihn, sondern um eine ganze Gruppe politisch engagierter Menschen, die sich über Jahre hinweg hauptsächlich für die Rechte der sogenannten „Boat People“ einsetzen, oft mit mehr Ausdauer als Erfolg, da sie mit ihren Bemühungen regelmäßig an den strikten Gesetzen der damals noch britischen Regierung scheitern. (Vielleicht kann man dieses Thema bei einem Film aus dem Jahr 1999, zwei Jahre nach dem Ende eben dieser Regierungszeit, auch als kleine Erinnerung daran verstehen, dass unter britischer Herrschaft in Hong Kong ebenfalls nicht immer alles ideal geregelt war?)

Wobei einem der Hauptdarsteller durchaus bekannt vorkommen kann, was mal wieder zeigt, dass der Anspruch auf Exklusivität nicht immer auf Gegenseitigkeit beruhen muss, denn nur weil Tsai Ming-liang keinen Film ohne ihn drehen kann, heißt das noch lange nicht, dass dies umgekehrt ebenso der Fall ist: im Anschluss an diesen Film jedenfalls, nahm sich auch Lee Kang-sheng mal eine Auszeit, um unter anderer Regie zu spielen, aber es war ja auch der beste Regisseur von Hong Kong, der da gerufen hatte…

(Ordinary Heroes, Hong Kong 1999; Regie: Ann Hui.)