Category Archives: Schwarz/Weiß

And Then There Were None

Wenn man einen allseits bekannten Buch-Klassiker als Grundlage eines Films nimmt, ist einem das Interesse mindestens all derer, die das Original zu einem Bestseller gemacht haben, wohl sicher. Wenn es sich dabei aber um ein Buch von Agatha Christie handelt, das schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1939, zu einem Bestseller wurde und bis heute mit mehr als 100 Millionen Exemplaren eines der meist verkauften Bücher überhaupt ist, und überdies ebenfalls sehr erfolgreich als Theaterstück in London und am Broadway lief, dann steht man vor dem Problem, einen Krimi zu verfilmen, dessen komplette Handlung und Auflösung hinlänglich bekannt sind und dann, ja, dann muss man sich schon ein bisschen was einfallen lassen.

Einige Abweichungen von Christies Buch schienen der Produktionsfirma 20th Century Fox ohnehin notwendig, denn kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges meinte man das amerikanische Publikum wohl mit so krassen Themen wie Kindsmord und Teenager-Schwangerschaften nicht verstören zu dürfen. Während man aber den Film zunächst in Großbritannien unter demselben Titel in die Kinos brachte, den auch das Buch von Agatha Christie im Original hatte: Ten little Niggers, wurde er in den USA umbenannt in And Then There Were None.

Aber um die bei einem Krimi nötige Spannung zu erzeugen, reichen solche kleinen Veränderungen mit Sicherheit nicht aus, schließlich wird hier aus einem ursprünglichen ‘Whodunit’ ein ‘Howdidtheymakeit’, nicht im Hinblick auf die Protagonisten der Geschichte, sondern auf die Art und Weise der Inszenierung.

Gut, man kann das Ende anders gestalten, aber dies war ja für die Theaterfassung bereits geschehen, und überdies: wie schafft man es, dass die Zuschauer überhaupt solange dabei bleiben?

Auf alle Fälle sollte man natürlich die Schauspieler sorgfältig auswählen. Hervorragende Darsteller gibt es allerdings auch am Theater – beim Schauplatz der Handlung hingegen, hat ein Film schon viel mehr Spielraum und um dies gleich von Anfang an klar zu machen, geht es zu Beginn mit den Protagonisten erst mal aufs Wasser, in ein kleines Boot, wo wir Zuschauer während der Überfahrt dann auch genügend Zeit haben, zu erraten, wer denn nun gleich wen darstellen wird.

Vor allem aber ist es sicherlich klug, zu den Tricks zu greifen, die der Literatur und auch dem Theater eben nicht zu Verfügung stehen: lange Einstellungen auf dunkle Korridore zum Beispiel, in denen sich Türen langsam öffnen, um… und genau dies wird hier ausgiebig getan. Aber mit eben dem abwechslungsreichen Tempo, dass schnell vergessen lässt, dass die Geschichte ja eigentlich keine Überraschungen mehr zu bieten hat, oder doch?

Da der Film sich mittlerweile in der Public Domain befindet, ist davon auszugehen, dass der Mensch, der so freundlich war, ihn bei Youtube komplett einzustellen, sich damit nicht strafbar macht und so kann man, ganz nach Belieben, eigentlich gleich losschauen.

(And Then There Were None, USA 1945; Regie: René Clair.)

The Housemaid

In den 1950ern und 1960ern war die südkoreanische Filmindustrie überwiegend in Studios organisiert und, wie wir gesehen haben, fleißig damit beschäftigt, die ab 1963 dann auch staatlich vorgegebene Quote koreanischer Filme pro Jahr zu erfüllen. Dies geschah, indem in Akkordarbeit produziert wurde, zum großen Teil entweder Kostümfilme, Familienkomödien bzw. -meldodramen, oder aber, in den 1960er auch sehr beliebt, Filme wie The Barefooted Young, in denen Koreas Jugend, ähnlich wie die amerikanische von James Dean, Coolness lernen konnte und welche Leder- bzw. Jeansjacken dazu unbedingt notwendig waren.

Und dann gab es noch Kim Ki-young. Dieser hatte eigentlich Medizin studiert, war als Zahnarzt tätig gewesen und erst nach Ausbruch des Korea-Krieges über Umwege zum professionellen Filme machen gekommen, wobei er sich von den etablierten Studios weitgehend fern hielt und früh seinen ganz eignen Stil entwickelte, was er sich allerdings auch leisten konnte, da seine Frau Kim Yu-bong, die ebenfalls Zahnärztin war, mit ihrer Praxis für ausreichend Einkommen sorgte.

Aber auch, wenn Kim Ki-young von inhaltlichen wie finanziellen Vorgaben der Studios weitgehend unbelastet seine Filme verwirklichen konnte, so galten die staatlichen Zensurgesetze für ihn natürlich in gleichem Maße. Allerdings wurden auch diese mal mehr oder weniger streng gehandhabt und so muss 1960 ein gutes Jahr für Kim Ki-young gewesen sein, denn entweder waren die Gesetze gerade besonders lasch, oder sie wurden von niemandem ernsthaft kontrolliert, denn anders ist kaum zu erklären, wie The Housemaid es in die Kinos schaffen konnte. – Schon ein Jahr später, nach dem Militärputsch von General Park Chung-hee, wäre dies wohl so nicht mehr möglich gewesen.

Wobei man The Housemaid auf den ersten Blick fast mit einem der sonstigen, damals beliebten südkoreanischen Familienfilme verwechseln könnte, die Darstellerinnen und Darsteller waren zum Beispiel überwiegend viel beschäftigte und bekannte Schauspieler, die man in Südkorea aus zahlreichen, ganz anderen Rollen kannte, immerhin hatten drei von ihnen, Kim Jin-kyu, Joo Jeung-Nyeo und Um Aing-ran gerade erst gemeinsam in diesem Film von Shin Sang-ok sehr überzeugend eine heile Familie gegeben, aber es gelingt Kim Ki-young doch recht schnell, deutlich zu machen, dass seine Interpretation von koreanischem Familienleben, nun ja, eben anders ist.

Während aber Kim Jin-kyu kurze Zeit später wieder mit Filmen wie diesem ins übliche Rollenschema zurück wechselte, ebenso wie Joo Jeung-Nyeo und Um Aing-ran, und Ahn Sung-ki, der hier einen seiner frühen Auftritte hat, zu einem der meist beschäftigten Schauspieler Südkoreas werden sollte, verlief die Karriere von Lee Eun-sim ganz anders: ihre Darstellung hinterließ beim Publikum einen derart nachhaltigen Eindruck, dass sie im Anschluss an diesem Film in keiner anderen Rolle mehr besetzt wurde… (auch nicht in einer der beiden anderen Varianten des Themas, die Kim Ki-young zehn, bzw. 20 Jahre später drehte).

(The Housemaid, Korea 1960; Regie: Kim Ki-young.)

The Seaside Village

So fleißig Shin Sang-ok auch gewesen sein mag – in der ImdB wird er mit 101 Titeln als Produzent und 72 als Regisseur gelistet – unter den Regisseuren Südkoreas mit den meisten Filmen schaffte er es nicht einmal unter die ersten drei.

Auf Platz eins ist bislang Go yeong-nam, von dem allerdings selbst das Koreanische Film Archiv schreibt:

„Usually concentrating on action and melodramatic films, director Go Yeong-nam did not make the so-called masterpieces of Korean film history, but he was recognized among producers for making commercially stable films.“

Was vielleicht auch der Grund ist, weshalb auf dem youtube channel des KoFA keiner seiner Filme präsentiert wird.

Anders sieht es schon bei Platz zwei aus: Regisseur Kim Soo-yong ist mit immerhin drei seiner insgesamt 106 Filme vertreten: Kinship (1963), Flame in the Valley (1967) und The Seaside Village (1965), von denen letzterer als einer seiner besten gilt. Anders als bei Shin Sang-ok sind die Menschen hier, insbesondere die Frauen, nicht entweder grundgut oder verrucht, sondern vielschichtiger angelegt und teilweise sogar mit genug Selbstbewusstsein ausgestattet, das bei allen nicht eben rosigen Umständen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit sich bringt.

Bei einigen von ihnen gilt dies auch in sexueller Hinsicht, was angesichts der damals in Südkorea herrschenden Zensurgesetze zwar nur angedeutet oder in Metaphern gezeigt wird, aber dennoch nur schwer misszuverstehen ist.

Gedreht wurde The Seaside Village in Cinemascope, aber schwarz-weiß, denn, nur weil Cinemascope und Farbe möglich sind, heißt das ja nicht unbedingt, dass man auch beides einsetzen muss. Dies mag zwar zum einen eine Frage des Budgets sein, kann aber durchaus auch ästhetische Vorteile haben, wie hier zu sehen ist.

(The Seaside Village, Südkorea 1965; Regie: Kim Soo-yong.)

 

The Flower in Hell

Unter den drei Regisseuren, die auf dem vom Korean Film Archive eingerichteten youtube channel eine eigene Playlist erhalten haben, musste Shin Sang-ok schon deshalb vertreten sein, weil man an der schieren Menge an Filmen, die er als Regisseur und Produzent hinterlassen hat, einfach nicht vorbeikommt. Wobei der bei weitem größte Teil seiner Filme in Südkorea entstand, ein paar wenige allerdings auch in Nordkorea – wenn auch nicht ganz freiwillig.

Geboren wurde er 1926 in Chongjin, das heute zu Nordkorea gehört und sich damals, wie ganz Korea, unter japanischer Herrschaft befand. Sein Studium absolvierte er an der Hochschule der Künste in Tokyo und kehrte anschließend nach Korea zurück, diesmal in den südlichen Teil des Landes, wo er bei der Produktion von Viva Freedom! (1946) mitwirkte, dem ersten Film, der nach Abzug der Japaner in Korea gedreht wurde.

Bald danach eröffnete er ein eigenes Filmstudio und wurde für die nächsten 20 Jahre der fleißigste Filmemacher (Süd-)Koreas. Dabei bediente er nahezu alle Genres, von Historienfilmen, über Familienkomödien und Liebesdramen, bis zu Fantasy-Horror-Filmen, wobei Letztere zwar gerne vorführten, was an Tricktechnik damals in Südkorea möglich war, inhaltlich aber mitunter etwas wirr ausfielen. Überhaupt litt die Qualität der einzelnen Filme bisweilen unter der Menge an Produktionen, dennoch blieben Preise und Ehrungen nicht aus, denn als 1962 zum ersten Mal der koreanische Filmpreis Grand Bell Award verliehen wurde, erhielt Shin Sang-ok nicht nur als erster die Auszeichnung Bester Film für Prince Yeonsan (1961), sondern auch als Bester Regisseur für Mother and a Guest (1961).

Stets mit von der Partie war dabei Choi Eun-hee, eine in Südkorea gefeierte Filmschauspielerin, die bereits in diesem frühen koreanischen Film eine Hauptrolle hatte. Im Privatleben war sie mit Shin Sang-ok verheiratet, leitete gemeinsam mit ihm das Studio und spielte in den meisten seiner Filme eine führende Rolle, wobei sie meist sittsame, leidensfähige und durch und durch gute Frauen gab, ein Stereotyp, aus dem sie nur gelegentlich ausbrach.

Erst in den 1970er Jahren ließ der Erfolg des Studios nach, das Paar trennte sich und Shin Sang-ok bekam zunehmend Probleme mit der Zensurpolitik seines Landes, bis er sich schließlich 1978 mit dem damaligen Militärdiktator Südkoreas, Park Chung-hee, überwarf, was die Schließung seines Studios zur Folge hatte.

Im selben Jahr wurde Choi Eun-hee unter dem Vorwand eines Filmangebotes nach Hong Kong gelockt, wo sie im Auftrag von Kim Jong Il entführt wurde, der mit ihrer Hilfe und der ihres Ex-Gatten, den er wenige Monate später ebenfalls entführen ließ, eine ebenso prosperierende Filmindustrie in Nordkorea aufbauen wollte, wie die beiden sie viele Jahre in Südkorea betrieben hatten.

Ein Plan, der vermutlich besser aufgegangen wäre, hätte man Shin Sang-ok nicht nach einem gescheiterten Fluchtversuch für vier Jahre in ein nordkoreanisches Gefängnislager gesteckt. Nach seiner Freilassung drehte er zwar noch sechs Filme in Nordkorea, wieder mit Choi Eun-hee in den Hauptrollen, aber an der Premiere des letzten – Pulgasari (1985) , einer nordkoreanischen Variante dieses japanischen Films – nahmen sie schon nicht mehr teil, da ihnen vorher in Wien die Flucht gelungen war.

Auch Pulgasari findet sich auf youtube, wenn auch nicht beim Korean Film Archive, wo aber acht andere Filme von Shin Sang-ok zu sehen sind, unter ihnen The Flower in Hell (1958) und Mother and a Guest (1961), beide mit Choi Eun-hee in der Hauptrolle, die hier zwei sehr unterschiedliche Frauenbilder verkörpert.

(The Flower in Hell, Südkorea 1958; Regie: Shin Sang-ok.)

 

A Hometown in Heart

Von Filmen aus Korea war hier an der einen oder anderen Stelle bereits die Rede, wobei es sich bislang stets um Produktionen der Republik Korea, also Südkorea handelte, schon weil diese sich in Europa, nachdem sie einige Jahre als Geheimtipps auf Festivals gehandelt wurden, mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen und sowohl in Videotheken als auch im Kino keine Seltenheit mehr darstellen. Die Filme der Demokratischen Volksrepublik Korea, aka Nordkorea, sind hingegen sowohl hierzulande, als auch im Internet generell eher schwer zu finden, vor allem, wenn man auf Fassungen mit englischen Untertiteln angewiesen ist.

Entsprechend wird sich die Zahl der hier aufgeführten südkoreanischen Filme sicher noch um einiges erhöhen, zudem vor einigen Monaten das in der Hauptstadt von Südkorea, Seoul, ansässige Korean Film Archive so freundlich war, bei youtube einen eigenen Kanal einzurichten, auf dem man zur Zeit über 70 koreanische Filme, sieben davon in HD Qualität, legal, kostenlos und bei Bedarf auch mit englischen Untertiteln anschauen kann, was zumindest im Augenblick für nordkoreanische Produktionen so wohl eher nicht abzusehen ist.

Wenn wir aber der Einfachheit halber beim chronologisch ältesten der dort zur Verfügung stehenden Filme beginnen, dann ist dies mit A Hometown in Heart ein Film aus dem Jahr 1949, also aus der Zeit vor dem Koreakrieg und damit der Teilung in eine Republik und eine Demokratische Volksrepublik Korea.

Wobei der Regisseur selbst in beiden Koreas tätig war, denn nicht allzu lange nach der Premiere von A Hometown in Heart, verließ Yoon Yong-Kyu, so steht es auf der diesem Film gewidmeten website des Korean Film Archive, den südlichen Teil des Landes, um nach Nordkorea zu gehen, wo er nach dem Krieg noch viele Jahre weiter Filme drehte, die allerdings, wie oben bereits angedeutet, nicht ganz so einfach zu erreichen sind, wie A Hometown in Heart.

(A Hometown in Heart, Korea 1949; Regie: Yoon Yong-Kyu.)

The Cat and the Canary

Hier haben wir den Beweis, dass das Grusel-Horror-Geister-Film Genre sein stilgerechtes Medium nicht nur im schwarz/weiß, sondern auch im Stummfilm hat.

Zunächst einmal ist alles vorhanden, was man von dieser Art Film und einem Regisseur, der gerade erst vom deutschen Expressionismus in die USA übergesiedelt war, erwarten darf: ein einsam gelegenes, unheilvolles Haus mit vielen dunklen Schatten, finsteren Ecken und langen düsteren Korridoren (mit wehenden Vorhängen!) und natürlich Treppen, Geheimtüren, -fächer und -gänge und nicht zu vergessen, das überdimensionierte Mobiliar, welches seinerseits wieder schöne, lange, schwarze Schatten wirft und alles zusammen bildet einen effektvollen Kontrast zu den Gesichtern der Menschen, die sich darin bewegen – hell und weiß und meist mit weit aufgerissenen Augen

Überdies spielt die Geschichte natürlich bei Nacht und spätestens hier ist vollkommen klar: in Farbe sähe all dies bei weitem nicht so eindrucksvoll aus (oder schlimmer noch, so albern, wie in der Neuverfilmung von 1978).

Aber auch, dass es sich um einen Stummfilm handelt, ist unbedingt von Vorteil, denn an den Stellen, wo es sinnvoll war, zeigte sich Regisseur Paul Leni ausgesprochen kreativ darin, Ton in Bilder umzusetzen, sei es zum Beispiel beim Schlagen einer Uhr oder auch bei der Gestaltung von Zwischentiteln, die es in ihrer Aussagekraft teilweise durchaus mit Comic-Sprache aufnehmen könnten, während die Tatsache, dass man die ganze Schreierei nur sieht und nicht hört, wiederum recht angenehm ist.

Und wer nun Laune bekommen hat, sich einen Klassiker des Grusel-Genres anzuschauen, kann dies ohne Umstände tun, denn wie so vieles Schöne und Spannende steht auch The Cat and the Canary bei archive.org zu Ansicht und Download bereit. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen, denn die von Hugo Riesenfeld komponierte ist nicht dabei, aber vielleicht wird man ja hier fündig, oder hier…?

(The Cat and the Canary, USA 1927; Regie: Paul Leni.)

 

Vredens Dag

Nichts ist so still, wie ein Herz, das aufgehört hat zu schlagen…“

Noch einmal Hexen in schwarz/weiß, aber diesmal völlig anders: Ungefähr 20 Jahre nachdem Benjamin Christensen das Thema ebenso einsatzfreudig wie skurril in Szene gesetzt hatte, drehte Carl Theodor Dreyer seinen Vredens Dag (Tag der Rache oder Day of Wrath).

Christensen und Dreyer stammten beide aus Dänemark, sie kannten sich und hatten bereits 1924 zusammengearbeitet, als Christensen in Dreyers Film Michael die Hauptrolle spielte, aber hier hören die Gemeinsamkeiten dann auch schon auf, denn Carl Theodor Dreyers Filme unterscheiden sich im Allgemeinen, wie auch in diesem speziellen Fall, fundamental von denen Benjamin Christensens.

Und so werden in Dreyers Film weder Folterinstrumente noch schwarze Messen erschöpfend behandelt, niemand fliegt auf Besen zum Blocksberg und kein lüsterner Satan hüpft gut gelaunt durch die Kulissen. Stattdessen basiert das Drehbuch auf dem Theaterstück Anne Pedersdotter von Hans Wiers-Jenssen, der sich wiederum auf einen authentischen und gut dokumentierten Fall von Hexenverbrennung im Jahr 1590 in Bergen bezieht.

Für Dreyer selbst war es der erste Film, den er nach seinem bis heute ungleich berühmteren Vampyr von 1932 verwirklichen konnte – zwischen beiden lagen allerdings 11 Jahre, in denen Dreyer als Kritiker und Journalist arbeitete, da es ihm nicht gelang, ausreichend Geld für weitere Produktionen aufzutreiben.

Ebenso wie Vampyr wurde auch Vredens Dag ein finanzieller Misserfolg und von den zeitgenössischen Kritikern zurückhaltend bis negativ aufgenommen, aber ebenso wie dieser gilt Vredens Dag heute als Meisterwerk, sogar beim Publikum und Amos Vogel ging sogar so weit, über ihn zu schreiben, Stil und erzählerische Mittel Dreyers nähmen hier „…den modernen Film voraus und setzten eine Norm, die selten übertroffen worden ist.“

(Vredens Dag, Dänemark 1943; Regie: Carl Theodor Dreyer.)

 

Häxan

Anders als bei diesem Film, bei dem nicht wirklich erkennbar ist, warum seine Uraufführung im Jahr 1948 durch die Zensurbehörde von New York verboten wurde, kann man beim Stummfilm Häxan recht schnell darauf kommen, warum es nach seiner Premiere im Jahr 1922 in praktisch jedem Land, in dem er gezeigt wurde, zu Protesten und/oder Aufführungsverboten kam: Die detailverliebte Darstellung von Folter, Nacktheit und sexuellen Praktiken, insbesondere im Rahmen von Schwarzen Messen und Blasphemie zieht auch heute noch in vielen Teilen der Welt ähnliche Reaktionen nach sich.

Dabei war es dem dänischen Filmemacher Benjamin Christensen doch nur um eine historisch fundierte, filmische Dokumentation des Hexenwesens gegangen, allerdings, nachdem sämtliche Historiker, deren Expertise und Beratung er angefragt hatte, die Zusammenarbeit ablehnten, weil sie mit seinem Film nicht Verbindung gebracht werden wollten, machte er sich höchst selbst ans Werk, las einen ganzen Stapel Bücher zum Thema, vor allem den berüchtigten Hexenhammer, und ging dann daran, das Gelesene möglichst anschaulich, mit viel Aufwand und sich selbst in der Rolle des Satans, in Szene zu setzen.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf seinen Film – immerhin der teuerste Stummfilm, der je in Skandinavien produziert wurde – recht gemischt ausfielen, aber während die einen ihn verbieten lassen wollten, feierten ihn die anderen: in Deutschland wurde Christensen wegen dieses Werkes als Regisseur zur UFA geholt und auch seiner späteren Karriere als Filmemacher in den USA stand Häxan nicht im Wege, obwohl er dort lange Zeit gar nicht aufgeführt werden durfte.

Mittlerweile ist Häxan – wie könnte es anders sein? – zum Kultfilm avanciert. 1968 erschien eine mit Jazz und William S. Burroughs unterlegte, wenn auch gekürzte und zu schnell ablaufende Fassung und 2001 brachte The Criterion Collection eine restaurierte, allerdings auch gekürzte Version auf DVD heraus.

Die ungekürzte, volle 104 Minuten lange, Originalfassung von Häxan gibt es aber bei archive.org: zur Ansicht und zum Download – inklusive aller der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen.

(Häxan, Dänemark 1922; Regie: Benjamin Christensen.)

 

The Private Life of a Cat

Subversion, ebenso wie Anstand und Moral, mögen ja, wie so Vieles andere, im Auge des Betrachters liegen. Dass es aber die New Yorker Zensurbehörde tatsächlich schaffte, diesen Film des Avantgarde-Regisseurs Alexander Hammid und seiner damaligen Frau, Maya Deren, die bis heute als eine der wichtigsten amerikanischen Avantgarde-Künstlerinnen gilt, als „unanständig“ einzustufen und gleichzeitig ein Verbot der öffentlichen Aufführung verhängte, ist doch noch immer erstaunlich.

Aber, so berichtet es Amos Vogel sowohl in diesem Film, als auch in seinem Buch, eben dieses war der Fall, als The Private Life of a Cat im Jahr 1948 im Rahmen von Cinema 16 zum ersten Mal aufgeführt werden sollte. Begründet wurde die Entscheidung der Zensurbeamten damit, dass im Film eine Geburt gezeigt wird. Da es sich um einen Stummfilm handelt ohne Ton und in schwarz-weiß, aber von sehr nah.

Allerdings war es nicht nur so, dass der zu diesem glücklichen Ereignis führende, vorherige Zeugungsakt von den Filmemachern schamhaft weggelassen, weder gezeigt oder auch nur erwähnt wurde, sondern es handelt sich darüber hinaus, wie der Titel schon sagt: um Katzen.

Nun, immerhin in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten geändert: Katzencontent ist heutzutage im Internet an der einen oder anderen Stelle zu finden und auch The Private Live of a Cat ist bei archive.org zu Ansicht und Download bereitgestellt. Und so steht es jedem frei, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob die gezeigten Bilder tatsächlich so unanständig sind, dass ihre Aufführung verboten gehörte, oder einfach nur unfassbar putzig.

(The Private Life of a Cat, USA 1944; Regie: Alexander Hammid.)

 

Film as a subversive Art:

L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat

Was den Herrn, von dem dieser Film handelt, weit über die Grenzen New Yorks hinaus bekannt machte, war aber nicht sein Avantgarde-Filmclub, sondern das Buch, das 1974 unter dem Titel Film as a subversive Art in der amerikanischen Originalausgabe erschien und einige Jahre später auf Französisch, Niederländisch und Deutsch.

Mehr als 600 Filme wurden hier von Amos Vogel besprochen, viele davon mit einem Szenenfoto illustriert, und obwohl es mittlerweile längst die technischen Möglichkeiten gäbe, diese Filme allen zugänglich zu machen, ist der bei weitem größte Teil damals wie heute kaum öffentlich zugänglich. Einige wenige sind heute Klassiker, die gelegentlich Gegenstand von Retrospektiven sind, oder neu aufgelegt wurden und manche sind sogar im Internet zu finden.

Einer dieser Filme, und der älteste, auf der Liste von Amos Vogel, ist L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat von 1896. Ein früher Film der Brüder Auguste und Louis Lumière, dessen Aufführung zwar entgegen der schön erfundenen Legende wohl doch nicht dazu führte, dass die Zuschauer in Panik den Vorführraum, in diesem Falle ein Café verließen, der aber wohl auch ohne diese Geschichte als Klassiker der Filmgeschichte gelten darf und den man zur Zeit tatsächlich auch auf Youtube ansehen kann.

Um dies zu würdigen ist das Movie of the Week diesmal nur etwa 50 Sekunden lang, allerdings mit Hinweis darauf, dass einige andere der von Amos Vogel als subversiv empfohlenen Filme an dieser Stelle bereits besprochen wurden: zum Beispiel hier, oder hier, und hier, sowie hier und hier, oder auch hier und hier

Diese, und alle weiteren, die noch hinzukommen, werden von nun an hier zu finden sein.

(L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat, Frankreich 1896; Regie: Auguste und Louis Lumière.)