Monthly Archives: May 2013

Chil-su und Man-su

Listen up, all you powerful, educated, proud, rich bastards! Listen to what I have to say. I want to tell you something!“ … der Mann, der diese Worte vom Dach eines Hochhauses der Stadt Seoul und ihren Bewohnern entgegen schreit, hat allen Grund frustriert und zornig zu sein und anders als im Film, wo nur sein Freund neben ihm steht, war er damit nicht alleine.

Denn Ende der 1980er Jahre befand sich Südkorea im Umbruch: aus den Massenprotesten des Juni 1987 hatte sich eine landesweite politische Bewegung, das June Democracy Movement entwickelt, deren Forderungen nach dem Ende der Militärherrschaft und politischen Reformen im Dezember 1987 mit den ersten demokratischen Wahlen in Südkorea zumindest ansatzweise erfüllt wurden.

Gerade noch rechtzeitig, denn im folgenden Jahr sollten die Olympischen Sommerspiele in Seoul stattfinden und die von der Regierung beabsichtigte Präsentation Südkoreas als modernes und weltoffenes Wirtschaftswunderland wäre durch Massen-Demonstrantionen in den Straßen doch empfindlich gestört worden.

Ein guter Zeitpunkt für Park Kwang-su also, um mit seinem Debüt einen Film in die Kinos zu bringen, der wohl noch ein Jahr früher an der Zensur gescheitert wäre, basierend zudem auf der Kurzgeschichte des taiwanischen Autors Huang Chunming, dessen Schriften zu jener Zeit in Südkorea verboten waren (weshalb er in den Credits auch nicht genannt wurde), inszeniert als Tragik-Komödie, um an den Zensoren leichter vorbei und beim Publikum besser anzukommen.

Denn in Chil-su und Man-su, der ebenfalls vom Koreanischen Film Archiv bei Youtube eingestellt wurde, wird weder das historische Korea noch seine traditionelle Kultur in prachtvollen Kostümen vorgeführt, und auch keine zeitgenössische wirtschaftliche Erfolgsgeschichte erzählt, sondern die zweier Männer, bei denen weder Vergangenheit, noch Zukunft Anlass zu allzu viel Optimismus geben.

Dargestellt von Park Joong-hoon und Ahn Sung-ki, die miteinander so überzeugend wirkten, dass sie noch in einigen späteren Filmen zusammen engagiert wurden, von denen Ersterer hier noch am Anfang seiner Karriere stand, während Ahn Sung-ki zu diesem Zeitpunkt eigentlich selbst schon ein Klassiker war.

Umso passender also, dass er es ist, von dem die eingangs zitierten Sätze kommen, die in gewisser Weise nicht nur als Beginn, sondern auch als programmatisch für jenes Phänomen angesehen werden können, an dem in den folgenden Jahren noch viele Filmemacher arbeiten sollten und das dem südkoreanischen Kino eine neue Perspektive bescherte, eben die des New Korean Cinema.

(Chil-su und Man-su, Südkorea 1988; Regie: Park Kwang-su.)

Why has Bodhidharma left for the East?

His name is Hyegok. Although he is far away from us in the mountains, he is like a beacon lamp. To be effective, mustn’t a beacon be situated high up and far away?“

Das Thema ‚Kleine Mönche‘, Waisenjungen, die in buddhistischen Klöstern aufgezogen werden und je nach persönlicher Veranlagung mehr oder minder empfänglich für die dort gelehrten Weisheiten und praktizierte Lebensweise sind, wurde bereits in einem der ältesten, erhaltenen koreanischen Filme behandelt, der aus dem Jahr 1949 und damit noch aus der Zeit vor der heutigen Teilung Koreas in Nord- und Süd stammt.

Mehr als 50 Jahre später wurde die Geschichte in Südkorea erneut verfilmt und im Jahr danach zeigte sich, dass selbst der sonst für eine ganz andere Art von Filmen bekannte Kim Ki-duk mit Frühling, Sommer, Herbst, Winter …und wieder Frühling das Motiv ebenfalls aufgenommen und einen für seine Verhältnisse relativ gewaltfreien Film gedreht hatte. Sein Ansatz unterschied sich allerdings grundlegend von den beiden zuvor aufgeführten, da er sich offensichtlich von einen ganz anderen Film hatte inspirieren lassen.

Und nicht nur er, denn Why has Bodhidharma left for the East? war in den 1990ern alles andere als ein Geheimtipp: in Korea und Japan von den Kritikern hoch gelobt, lief er 1989 in Cannes in der Reihe Un Certain Regard und wurde im selben Jahr beim Filmfest von Locarno als Bester Film ausgezeichnet.

Insgesamt acht Jahre lang hatte Bae Yong-kyun an diesem Film gearbeitet, wobei er von Drehbuch und Regie, über Kamera, Beleuchtung und Ton, bis hin zum Schnitt von Hand alle Arbeiten daran selbst ausführte, unterstützt nur von vier Laien-Schauspielern und der Musik von Chin Kyu-Young. Entsprechend heißt es von ihm, der Film handele nicht nur von Zen-Buddhismus, sondern er sei selbst eine Zen-Lektion und schon seine Herstellung sei eine praktische Übung in Zen gewesen.

Um so bedauerlicher eigentlich, dass die ursprüngliche, fast drei Stunden lange Fassung für die Kino-Version um mehr als eine halbe Stunde gekürzt wurde.

(Why has Bodhidharma left for the East?, Südkorea 1989; Regie: Bae Yong-kyun.)

Chiwaseon

Jang Seung-eop, oder Owon, wie sein Künstlername lautete, lebte von 1843 bis ungefähr 1897, während der Choson-Dynastie, und war bereits zu seiner Zeit einer der berühmtesten Maler Koreas.

Einigermaßen berüchtigt war er, soweit überliefert, ebenfalls: für seine Unnachgiebigkeit, seinen mitunter zügellosen Alkoholkonsum und sein auch ansonsten wohl recht wildes Leben – aber dergleichen soll ja bei Malern, die es ernst mit der Kunst meinen, keine Seltenheit sein und gibt darüber hinaus erstklassigen Stoff für einen Film ab.

Und da Im Kwon-taek gerade erst im Vorjahr in Sachen Historienfilme zur koreanischen Kultur unter anderem auch in Europa gut angekommen war, nahm er sich des Themas an, was dann auch gleich wieder eine Einladung nach Cannes zur Folge hatte, wo er dieses Mal zwar auch nicht mit der Goldenen Palme, aber als bester Regisseur ausgezeichnet wurde.

Eigentlich hätte für Chiwaseon aber auch gut noch ein Preis für den besten Darsteller dabei sein dürfen, denn zum einen ist in einer Nebenrolle Ahn Sung-ki zu sehen, der schon in diesem, nicht ganz konventionellen Film ganze Arbeit geleistet hatte und zum anderen wird der eigenwillige Maler von Choi Min-sik gespielt, der sich hiermit wohl auch für seine nächste, nicht weniger ausgefallene Rolle qualifizierte…

(Chiwaseon, Südkorea 2002; Regie: Im Kwon-taek.)

Chunhyang

Die Geschichte von der treuen Chunhyang ist Jahrhunderte alt und wurde in Korea gerne als Theater aufgeführt und viele Male verfilmt. Letzteres auch schon mal von zwei Regisseuren gleichzeitig, deren Versionen sich dann im Kino einen Wettkampf um die Zuschauer lieferten, bei dem es schließlich auch einen klaren Gewinner gab.

Ursprünglich handelte es sich aber um ein Pansori. Genau genommen vielleicht sogar das Pansori, da es als das berühmteste und erzählerisch wie musikalisch Beste seiner Art gilt. Und natürlich waren schon in diesem Film, mit dem Im-Kwon-taek 1993 in Südkorea dem Pansori zu einem Revival verhalf, ebenfalls Auszüge aus Chunhyang zu hören.

Einige Jahre später ging er das Thema noch einmal an und präsentierte nun die ganze Geschichte: parallel als Verfilmung mit historischen Kostümen und Kulissen einerseits, und gleichzeitig vorgetragen von einem Pansori-Sänger, auf einer Bühne und vor Publikum, das, wie es beim Pansori vorgesehen ist, sich mitreißen lässt und den Sänger angemessen unterstützt.

Vielleicht geriet Im Kwon-taeks Fassung nicht ganz so bon-bon-farben, wie die oben erwähnten Versionen, aber sie ist immer noch schön bunt und als sie im Jahr 2000 in Cannes lief, gab sie dem mittlerweile ganz allgemein auf europäischen Film-Festivals sehr beliebten Regisseur die Gelegenheit, auch gleich ein bisschen Werbung für Korea und seine Traditionen zu machen.

(Chunhyang, Südkorea 2000; Regie: Im Kwon-taek.)

Festival

Auch Im Kwon-taek gehört zu den drei Regisseuren, denen das Koreanische Film Archiv bei youtube eine eigene Liste gewidmet hat, allerdings finden sich dort von den über hundert Filmen, die er (bisher) gedreht hat, lediglich vier: General‘s Son und Sopyonje, Taebaek Mountains und Festival.

Von den ersten beiden war an dieser Stelle bereits die Rede und zu Taebaek Mountains wäre zu sagen, dass er in nahezu epischer Läge den Korea-Krieg behandelt und 1995 im Wettbewerb der Berlinale lief, wo er aber keinen Preis erhielt, während er zuvor in Korea 1994 zwar die Auszeichnung als Bester Film der Blue Dragon Awards erhalten hatte, ansonsten aber auch dort weder von Publikum noch Kritik mit großer Begeisterung aufgenommen worden war.

Ähnlich sieht es mit Festival aus, auch dieser erhielt 1996 den Blue Dragon Award als Bester Film, wurde aber kein Publikumserfolg und die Kritiker in Korea scheinen sich weitgehend einig darin zu sein, dass es sich um einen von Im Kwon-taeks „kleineren“ Filmen handelt. Dies ist eigentlich schade, denn Festival ist kein Gangster-, Action- und/oder Historienfilm und es geht auch nicht um spezielle Gesangsformen mit Trommelbegleitung, sondern um andere, ebenfalls sehr eigene koreanische Traditionen, hier im angewandten Fall einer Beerdigung, aber anders als die zuvor genannten Filme handelt es sich um eine Komödie, und manche Szene scheint tatsächlich dem richtigen Leben direkt abgeschaut zu sein.

Was wohl nicht zuletzt dem Autor Lee Cheong-joon zuzuschreiben ist, der schon die literarische Vorlage zu Sopyonje geliefert hatte und dessen Stoffe überhaupt gerne in Korea verfilmt wurden, aber anders als zum Beispiel bei Ieoh Island in der Version von Kim Ki-young dürfte er seine Geschichte hier auch weitgehend wieder erkannt haben…

(Festival, Südkorea 1996; Regie: Im Kwon-taek.)