Monthly Archives: March 2011

Ensayo de un crimen

… zu deutsch: Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz

Lange bevor es in Hollywood Mode wurde, einen wahnsinnigen Serienkiller nach dem anderen auf das Kino-Publikum loszulassen, jeder natürlich noch brutaler, noch grausamer und noch perverser, als seine Vorgänger, gab es in Mexiko, nun ja, Archibaldo de la Cruz. Ehemals verwöhntes Einzelkind reicher Eltern, nun ein freundlicher, wohlhabender, kreativ tätiger Erwachsener, der, ob in der Bar oder im Spielcasino, stets ein Glas Milch dem Alkohol vorzieht, nie aus der Rolle fällt, immer höflich und charmant bleibt, ein geachtetes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zudem, mit gutem Geschmack und besten Manieren, wenn man von seiner ungesunden Vorliebe für Frauenmord, am liebsten in Serie, einmal absieht.

Luis Bunuel wurde im Jahr 1900 in Calanda, Spanien geboren und freundete sich als Student der Universität Madrid mit dem Maler Salvador Dali und dem Schriftsteller Federico Garcia Lorca an. Irgendwann um das Jahr 1923 herum tauschte er die Bibel seiner katholischen Erziehung gegen die Schriften Sigmund Freuds, 1925 ging er nach Paris, wo er mit den französischen Surrealisten in Kontakt kam und 1929 gemeinsam mit Dali Un chien andalou, drehte, in seiner Zeit ein ebenso großer Skandal wie Erfolg und bis heute einer der bekanntesten surrealistischen Filme. Ein Jahr später, 1930, folgte L‘age d‘or, einer der ersten französischen Tonfilme überhaupt, und ebenfalls von den Einen gefeiert und von den Anderen mit Farbbeuteln beworfen.

In den folgenden Jahren ging Bunuel in die USA, wo er Charlie Chaplin kennen lernte, kehrte aber bald wieder nach Spanien zurück und blieb dort bis zum Ausbruch des Spanischen Bügerkrieges im Jahr 1936. Die Jahre des Bürgerkrieges verbrachte er in Frankreich, ab 1939 zog es ihn wieder in die USA. Insgesamt wurde Bunuels Schaffen in dieser Zeit, so er denn überhaupt Filme drehen konnte, wenig von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Erst ab 1946, mit dem Beginn seiner Arbeit im Mexico drehte er wieder Filme, die ein großes Publikum fanden. Allein hier entstanden 20 seiner Werke, denn, auch wenn Bunuel Zeit seines Lebens mit seinem mangelnden Ehrgeiz kokettierte, tatsächlich war er ein sehr fleißiger Filmemacher.

Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz entstand im Jahr 1955, fünf Jahre bevor er nach Spanien zurückkehrte, als einer seiner letzten in Mexico gedrehten Filme und ist ein typischer Bunuel: in freundlichem, leichtem Tonfall, witzig und mit Charme erzählt, aber auch hintergründig, surrealistisch, mit psychoanalytischen Verweisen und verschachtelten Traumsequenzen. Und mit dem Thema ‚Filme über Serienmörder‘ kann man danach getrost abschließen.

(Ensayo de un Crimen, Mexico 1955; Regie: Luis Bunuel.)

Fahrenheit 451

Well, it’s a job just like any other. Good work with lots of variety. Monday, we burn Miller; Tuesday, Tolstoy; Wednesday, Walt Whitman; Friday, Faulkner; and Saturday and Sunday, Schopenhauer and Sartre. We burn them to ashes and then burn the ashes. That’s our official motto.“

Die Kritiker mochten ihn nicht, das Publikum wollte ihn nicht sehen und der Regisseur hätte ihn später auch lieber nicht gedreht haben wollen. Tatsächlich ist es nicht der beste Film von Francois Truffaut und dass, obwohl es sein erster Farbfilm war und Farben hier sehr bewusst eingesetzt werden, und ihn die Geschichte von Ray Bradbury immerhin so fasziniert hatte, dass er entgegen seiner früheren Aussagen, er werde niemals einen Science Fiction Film drehen, es hiermit eben doch tat und zudem noch sechs Jahre lang Zeit und Nerven investierte, um die dazu nötigen Finanzen aufzutreiben.

Das Ensemble war zumindest vielversprechend: Mit Oskar Werner hatte Truffaut wenige Jahre zuvor bei seinem Film Jules und Jim erfolgreich zusammen gearbeitet, Julie Christie hatte gerade erst einen Oscar erhalten (nein, nicht für Doktor Schiwago), die Kamera führte Nicolas Roeg, der wenig später auch als Regisseur erfolgreich werden sollte (Wenn die Gondeln Trauer tragen, ebenfalls mit Julie Christie) und die Musik schrieb Bernard Herrmann, der Komponist zahlreicher Filme (u.a. Vertigo, Psycho) des von Truffaut so überaus verehrten Meisters Alfred Hitchcock.

Allein, es haperte schon an der Sprache. Um das Projekt finanzieren zu können, ließ Truffaut sich mit Hollywood ein – zum ersten und letzten Mal. Gedreht wurde in England, in den Pinewood Studios, von denen er nicht viel hielt, mit englischen Schauspielern, für die eigentlich dasselbe galt. Des Englischen selbst nicht mächtig, wollte Truffaut aber doch Drehbuch und Dialoge weitgehend selbst schreiben und dass, obwohl er schon für die tägliche Zusammenarbeit mit einem Großteil seiner Crew auf eine Dolmetscherin zurückgreifen musste. Außerhalb der Dreharbeiten zog er sich soweit wie möglich zurück, ja, er soll nach seiner Rückkehr Freunden auf die Frage, wie London denn sei, geantwortet haben, dass wisse er nicht, er habe in seiner Freizeit das Hilton nicht verlassen und sich sogar seine Mahlzeiten auf das Zimmer bringen lassen.

Schlussendlich war es dann aber wohl Oskar Werner, mit dem Truffaut bis zu diesem Film befreundet gewesen war, der ihn nahezu zur Verzweiflung trieb. Truffaut, der eher dafür bekannt war, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen und sein Hauptdarsteller Werner waren völlig unterschiedlicher Auffassung wie die Rolle Werners zu interpretieren sei, Truffaut wollte einen devoten Anti-Helden, einen Mitläufer, Werner stellte sich das genaue Gegenteil vor. Das Ganze ging dann angeblich soweit, dass Werner Truffauts Anweisungen schlicht ignorierte und ganze Szenen sabotierte, inklusive der Tatsache, dass er absichtlich einen Continuity-Fehler herbei führte, in dem er sich die Haare schneiden ließ.

Und doch. Schon die gesprochenen Eingangstitel, zu denen Antennen auf Hausdächern gezeigt werden, geben uns einen Eindruck, womit wir es hier zu tun haben: die ganze Welt ist eine einzige Kleinstadt, und wer nicht arbeitet, hängt vor der Glotze. Bücher sind verboten, Zigaretten und alle Arten von Drogen, am liebsten in Form bunter Pillen dafür erlaubt. Narzissmus und Passivität sind gesellschaftlich erwünscht, Individualität und Zurückgezogenheit erwecken Argwohn. Dementsprechend schwierig gestaltet sich das Privatleben unseres Helden: mal kommt er nach Hause, um seine völlig apathische Frau vor dem riesigen Fernsehschirm im Wohnzimmer anzutreffen, die auf seine Nachricht, er werde wohl befördert nur den Wunsch nach einem weiteren wandgroßen Fernsehschirm, zärtlich „family wall“ genannt, äußert, während sie sich beim nächsten Mal mit den Pillen, die ihr Entspannung und Gleichgültigkeit garantieren, vergiftet hat. – Kein Problem allerdings, in dieser Gesellschaft ist Abhilfe in solchen Fällen reine Routine und am nächsten Tag ist die Gattin wie neu.

Auch wie Truffaut sich über das Fernsehen lustig macht und nebenbei zeigt, wie man ganz einfach und bequem auch vom heimischen Wohnzimmer aus einen Auftritt in der eigenen Lieblingsserie bewerkstelligen kann, ist sehenswert.

Und immerhin einer war hochzufrieden mit Fahrenheit 451: Ray Bradbury, der Autor der zugrunde liegenden Science Fiction-Geschichte, dessen Werke oft verfilmt wurden, teilweise mit weit mehr Aufwand und Budget, war überdies der Ansicht, der Film werde von Jahr zu Jahr besser. Und er musste es ja eigentlich wissen.

(Fahrenheit 451, Großbritannien 1966; Regie: Francois Truffaut.)

What’s Up Doc?

Who is this dangerously unbalanced woman?“

Angeblich kann man bis heute an der großen Treppe im Alta Plaza Park in San Francisco die Spuren der Verfolgungsjagd aus What‘s up Doc? sehen. Und das, obwohl sie dort bereits vor über 38 Jahren gedreht wurde. Überhaupt haben Treppen in diesem Film einige Bedeutung, nicht nur die arg strapazierte im Alta Plaza Park, sondern z.B. auch diverse Rolltreppen. Konsequenterweise heißt denn auch die Hauptfigur Bannister, was soviel wie Treppengeländer bedeutet („Yeah, you know Bannister? As in “sliding down the -“?). In erster Linie geht es aber um Taschen bzw. deren Inhalt und ihre wechselnden Besitzer.

In den Hauptrollen Barbra Streisand und Ryan O‘Neal, noch sehenswerter sind aber die vielen Nebenrollen, u.a. Madeline Kahn als tapfere Verlobte („What else can they do to me?”), der aus der Endlos-TV-Serie Magnum bekannte John Hillerman (Good morning.“ ‒ „No… I don’t think so. I’m Mr Kaltenborn, the manager of what’s left of the hotel.“) und nicht zu vergessen Liam Dunn als Richter („Do you have any idea what it’s like to sit here night after night and watch this endless parade of human debris floating by?”).

1972 von Peter Bogdanovich im Stil einer Screwball-Komödie gedreht, produziert und mit zahlreichen Filmzitaten und Persiflagen ausgestattet erklärte und erkennbare Vorbilder sind z.B. Bringing up Baby (Leoparden küsst man nicht) und The Lady Eve (Die Falschspielerin) ‒ sowie Musik von Cole Porter. Der Titel geht auf Bugs Bunny zurück, und ebenso wie dieser belässt es auch Judy Maxwell alias Barbra Streisand keineswegs dabei, gelegentlich mit einem Möhrchen herum zu wedeln, auch an zerstörerischer Energie kann sie es durchaus mit dem Zeichentrick-Hasen aufnehmen. „Yes, Eunice!“

(What’s Up Doc?, USA 1972; Regie: Peter Bogdanovich.)