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Lady Windermere‘s Fan

Nachdem Oscar Wilde bereits einige Jahre lang erfolgreich die viktorianische feine Gesellschaft seiner Zeit durch seine Texte, Reden und sein gesamtes öffentliches Auftreten, inklusive seiner Art sich zu kleiden, provoziert hatte, entdeckte er mit dem Theater eine ganz neue Möglichkeit, für Aufregung zu sorgen. Seine ersten Stücke, melodramatische Tragödien, zeigten zwar noch nicht den rechten Erfolg, aber dies änderte sich, als er einen anderen, subtileren Weg fand, indem er zu vorgeblich leichteren, aber ebenso gesellschaftskritischen Stücken wechselte. Romantische Salonkomödie nannte man so etwas und es war für Wilde genau die richtige Spielwiese, um die Eigenarten der Upper Class treffend zu karikieren und vorzuführen. Das erste Stück dieser Art und auch gleich eines seiner erfolgreichsten, hieß „Lady Windermere‘ s Fan – A play about a good woman“ und feierte 1892 in London seine Premiere. Wobei die Entscheidung darüber, wer, und nach welchem Maßstab, die gute, oder besser: anständige Frau in diesem Stück ist, dem Publikum überlassen blieb, das zugleich die Möglichkeit erhielt, sich über die moralischen Zustände ein wenig zu entrüsten.

Wildes Komödien sind durch Schlagfertigkeit und temporeiche Dialoge gekennzeichnet, ebenso wie die Filme von Ernst Lubitsch mit dem speziellen ‚Lubitsch-Touch‘, vom dem hier bereits an anderer Stelle die Rede war. Umso eigenwilliger war also eigentlich die Idee, ein Stück von Oscar Wilde ausgerechnet in einen Stummfilm zu verwandeln. (Wobei Ernst Lubitsch damit noch nicht einmal der erste war, schon 1916 hatte es eine britische Stummfilmfassung unter der Regie von Fred Paul gegeben.) Aber Lubitsch versuchte gar nicht erst, die Dialoge aus Wildes Theaterstück in Zwischentiteln unterzubringen, sondern wählte einen ganz anderen Ansatz, indem er auf Mimik und Gestik ebenso wie spezielle Bildkompositionen setzte: mal eingerahmt durch ein Labyrinth, mal aus verschiedenen Perspektiven, sieht das Publikum oft mehr als die handelnden Personen und kann die daraus resultierenden Missverständnisse und Verwicklungen so auch ohne ausführliche Erklärung nachvollziehen.

Wer aber nun die später oft persiflierte, übertriebene Stummfilm-Mimik und -Gestik mit rollenden Augen und ohnmächtig zu Boden sinkenden Damen vor sich sieht, irrt, denn nicht nur das Treffsichere, sondern auch das Subtile, das sowohl für Wilde als auch für Lubitsch typisch ist, blieb hier in vollem Umfang erhalten.

Lady Windermere‘s Fan steht bei Archive.org zum freien und kostenlosen Download zur Verfügung. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen.

(Lady Windermere‘s Fan, USA 1925; Regie: Ernst Lubitsch.)

To be or not to be

„What would Lubitsch have done?“ soll auf einem Schild im Büro von Billy Wilder gestanden haben. Wilder, der selbst für einige der besten Komödien der Geschichte Hollywoods verantwortlich war, war nicht nur ein Freund und Bewunderer von Ernst Lubitsch, sondern hatte auch verschiedene Drehbücher für ihn verfasst. Beide waren in Berlin geboren, lernten sich aber erst nach ihrer Emigration in die USA kennen. Lubitsch hatte seine Karriere als Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin begonnen, wo er ab 1911 unter dem damaligen Intendanten Max Reinhardt engagiert war, ging aber nach ein paar Jahren dazu über, eigene Drehbücher zu verfassen und hauptsächlich als Regisseur zu arbeiten. 1922 siedelte er nach Hollywood über, das er auf einer früheren Reise kennengelernt hatte und dessen finanzielle wie technische Möglichkeiten er deutlich höher einschätzte, als jene, die ihm bisher zur Verfügung gestanden hatten.

Dort spezialisierte er sich bald auf Komödien, und entwickelte den damals schon viel gerühmten, sprichwörtlichen „Lubitsch-Touch“: einen speziellen Witz, der auf Timing und schlagfertigen, raschen Dialogen beruhte, angereichert mit Anzüglichkeiten, die gerne auch ein wenig deutlicher sein durften, aber nie vulgär.

To be or not to be war einer der letzten Filme von Ernst Lubitsch und ist bis heute einer seiner bekanntesten. Er war ebenfalls der größte Film-Erfolg in der Karriere von Hauptdarsteller Jack Benny, der später zu einem der beliebtesten amerikanischen Komiker des 20. Jahrhunderts werden sollte, und der letzte Film von Hauptdarstellerin Carol Lombard, die noch vor der Premiere bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Das Drehbuch wurde von Edwin Justus Mayer nach einer Geschichte von Lubitschs ungarischem Freund Menyhért Lengyel geschrieben und erzählt davon, wie eine Gruppe Theater-Schauspieler sich in Polen zu Beginn des zweiten Weltkrieges recht erfolgreich gegen die Nazi-Besatzer zur Wehr setzt. Als der Film 1942 und damit mitten im Krieg in die Kinos kam, waren einige Kritiker der Ansicht, dies sei keineswegs der richtige Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus, aber auch schon damals gab es viele andere, die meinten, Lubitsch habe mit seiner ganz speziellen Art und Weise durchaus den richtigen Ton getroffen. Ähnlich sah dies wohl nicht nur Mel Brooks, der 1983 seine Neuverfilmung in die Kinos brachte, sondern ganz offensichtlich auch die us-amerikanische Nationalbibliothek, die „Libary of Congress“, die ihn 1996 in das Verzeichnis besonders erhaltenswerter amerikanischer Filme, die „National Film Registry“ aufnahm.

(To be or not to be, USA 1942; Regie: Ernst Lubitsch.)