Monthly Archives: September 2012

Yellow Earth

Als dieser Film 1964 in China seine Uraufführung hatte, war Chen Kaige 12 Jahre alt und nur wenige Jahre später sollte er im Rahmen der damals in China üblichen Erziehungsmaßnahmen, die ganz besonders die Kinder von ehemals Kulturschaffenden und Akademikern betrafen, seine Schulzeit beenden, um in einem von seinem Zuhause und der Familie weit entfernt gelegenen Teil des Landes zum Arbeitseinsatz geschickt zu werden.

Ebenfalls 12 Jahre alt war damals auch Zhang Yimou, dessen Kindheit in dieser Hinsicht ganz ähnlich verlief. Aber als die Zeit, die in China von offizieller Seite als Kulturrevolution bezeichnet wurde, vorbei war und 1978 in Beijing die Filmakademie wieder eröffnet wurde, gehörten beide zum ersten Jahrgang und erhielten vier Jahre später dort ihren Abschluss. Nur kurze Zeit danach war es dann wohl Zhang Yimou, der es Chen Kaige nahelegte, Beijing zu verlassen und es in einem kleineren Filmstudio, dem Guangxi, zu versuchen, wo sie gemeinsam den Film huáng tǔdì (Gelbe Erde) drehten, mit Chen Kaige als Drehbuchautor und Regisseur, während Zhang Yimou die Kameraarbeit übernahm.

Und die Idee, weit weg von der Hauptstadt und damit auch vom Fokus der Zensurbehörde, vielleicht etwas ungestörter arbeiten zu können, bewährte sich: denn auch wenn er sein Publikum in China teilweise erst mit etwas Verspätung fand, so war er doch der erste chinesische Film seit Beginn der Mao-Zeit, der auch in anderen Teilen der Welt aufgeführt wurde und dort viel Lob fand. Zudem zeigte er 20 Jahre nach eben diesem Film, dass man von nun an, auch international, mit einer neuen Art Filme aus der Volksrepublik China rechnen durfte. Was wiederum 21 Jahre später in Hong Kong dadurch honoriert wurde, dass Yellow Earth auf der bereits mehrfach erwähnten Liste der Best 100 Chinese Motion Pictures auf den vierten Platz gewählt wurde, hinter zwei Filmen aus Hong Kong und mit diesem Film auf Platz Eins.

(Yellow Earth, China 1984; Regie: Chen Kaige.)

 

Dōngfāng hóng

Der erste Farbfilm in chinesischer Sprache erschien im Jahr 1965 in Beijing, nur ein Jahr bevor in Hong Kong dieser Film, ebenfalls in Farbe, anlief. Seine Uraufführung hatte er bereits im Jahr zuvor, am 2. Oktober 1964, zur Feier des 15. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China in der Großen Halle des Volkes am historisch bedeutsamen Tian’anmen-Platz und beides, Entstehungszeit wie Anlass, sind dem Film auch unschwer anzusehen.

Wie sehr sich die Zeiten und damit, ganz unabhängig von Farbe oder Schwarz/Weiß, auch die Filme geändert hatten, wird ganz besonders deutlich, wenn man ihn zum Beispiel mit einem Film vergleicht, der in Shanghai mehr als 15 Jahre früher, also kurz vor der Gründung der Volksrepublik China gedreht und dann für lange Zeit nicht mehr aufgeführt wurde.

Aber da sich seither die Zeiten weiter geändert haben, stehen heute beide Filme, sowohl Spring in a Small Town, als auch Dōngfāng hóng, bzw. The East is Red bei Archive.org zur Ansicht und zum Download zur Verfügung.

(Dōngfāng hóng, China 1965; Regie: Ping Wang.)

 

Chungking Express

Irgendwann bin ich ein vorsichtiger Mensch geworden, wenn ich einen Regenmantel trage, trage ich auch eine Sonnenbrille – wer weiß schon, ob es regnet oder die Sonne scheinen wird?“

Die Dame, die dies sagt, trägt darüber hinaus auch eine etwas sperrige blonde Perücke, die sie gemeinsam mit Trenchcoat und Sonnenbrille bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, was in diesem Falle aber nicht weiter schlimm ist, da von der Schauspielerin Brigitte Lin, die in eben dieser Aufmachung steckt, Mitte der 1990er zumindest in China ohnehin so ziemlich jeder Kinobesucher wusste, wie sie aussieht.

Nur wenige Tage vorher hatte sie noch, ebenfalls unter der Regie von Wong Kar-wei, in einer völlig anderen Art von Kostümierung gesteckt, da es aber mit diesem Film gerade absolut nicht voran gehen wollte, wurden zwei Monate Drehpause ausgerufen und irgendwie schaffte es Wong Kar-wei tatsächlich, einen großen Teil seiner Crew dazu zu überreden, mit ihm nach Hong Kong zu gehen und in dieser Zeit einen anderen Film zu drehen. An Hauptdarstellern war neben Brigitte Lin auch Tony Leung mit von der Partie, während Takeshi Kaneshiro und die Sängerin Faye Wong neu hinzu kamen.

Der Film wurde in 23 Tagen gedreht. Ein fertiges Drehbuch existierte nicht, vielmehr schrieb Wong Kar-wei die meisten Szenen jeweils in der Nacht oder am Morgen bevor sie gedreht wurden – immerhin war er darin so fleißig, dass aus dem Überhang, der eigentlich als dritte Episode vorgesehen war, ein eigener, weiterer Film wurde.

Das Ungeregelte und der Zeitdruck, der Wechsel von der Wüste nach Hong Kong und von Wuxia in die Gegenwart, wirkten sich offensichtlich inspirierend aus. Inhaltlich wie methodisch wurde fröhlich alles durcheinander gemischt: wackelige Handkamera, Zeitraffer und Zeitlupe, Krimi im Drogenmilieu, Polizisten mit Liebeskummer, zu laut aufgedrehte Musik und emotionale Handtücher, nicht zu vergessen die beiden realen, namengebenden Schauplätze, Chungking Mansions und der Fast Food Imbiss Midnight Express.

Aber während es bei Ashes of Time noch mehr als 15 Jahre dauern sollte, bis Wong Kar-wei ihn offiziell fertig stellte, feierte Chungking Express schon 1994 in Hong Kong Premiere, war der erste Wong Kar-wei Film, der auch in amerikanischen und europäischen Kinos gezeigt wurde und gehört bis heute zum festen Programm von Filmhochschulen in aller Welt: „Where do you want to go?“ – „Wherever you want to take me.“

(Chungking Express, Hong Kong 1994, Regie: Wong Kar-wei.)