Category Archives: Stummfilm

The Cat and the Canary

Hier haben wir den Beweis, dass das Grusel-Horror-Geister-Film Genre sein stilgerechtes Medium nicht nur im schwarz/weiß, sondern auch im Stummfilm hat.

Zunächst einmal ist alles vorhanden, was man von dieser Art Film und einem Regisseur, der gerade erst vom deutschen Expressionismus in die USA übergesiedelt war, erwarten darf: ein einsam gelegenes, unheilvolles Haus mit vielen dunklen Schatten, finsteren Ecken und langen düsteren Korridoren (mit wehenden Vorhängen!) und natürlich Treppen, Geheimtüren, -fächer und -gänge und nicht zu vergessen, das überdimensionierte Mobiliar, welches seinerseits wieder schöne, lange, schwarze Schatten wirft und alles zusammen bildet einen effektvollen Kontrast zu den Gesichtern der Menschen, die sich darin bewegen – hell und weiß und meist mit weit aufgerissenen Augen

Überdies spielt die Geschichte natürlich bei Nacht und spätestens hier ist vollkommen klar: in Farbe sähe all dies bei weitem nicht so eindrucksvoll aus (oder schlimmer noch, so albern, wie in der Neuverfilmung von 1978).

Aber auch, dass es sich um einen Stummfilm handelt, ist unbedingt von Vorteil, denn an den Stellen, wo es sinnvoll war, zeigte sich Regisseur Paul Leni ausgesprochen kreativ darin, Ton in Bilder umzusetzen, sei es zum Beispiel beim Schlagen einer Uhr oder auch bei der Gestaltung von Zwischentiteln, die es in ihrer Aussagekraft teilweise durchaus mit Comic-Sprache aufnehmen könnten, während die Tatsache, dass man die ganze Schreierei nur sieht und nicht hört, wiederum recht angenehm ist.

Und wer nun Laune bekommen hat, sich einen Klassiker des Grusel-Genres anzuschauen, kann dies ohne Umstände tun, denn wie so vieles Schöne und Spannende steht auch The Cat and the Canary bei archive.org zu Ansicht und Download bereit. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen, denn die von Hugo Riesenfeld komponierte ist nicht dabei, aber vielleicht wird man ja hier fündig, oder hier…?

(The Cat and the Canary, USA 1927; Regie: Paul Leni.)

 

Häxan

Anders als bei diesem Film, bei dem nicht wirklich erkennbar ist, warum seine Uraufführung im Jahr 1948 durch die Zensurbehörde von New York verboten wurde, kann man beim Stummfilm Häxan recht schnell darauf kommen, warum es nach seiner Premiere im Jahr 1922 in praktisch jedem Land, in dem er gezeigt wurde, zu Protesten und/oder Aufführungsverboten kam: Die detailverliebte Darstellung von Folter, Nacktheit und sexuellen Praktiken, insbesondere im Rahmen von Schwarzen Messen und Blasphemie zieht auch heute noch in vielen Teilen der Welt ähnliche Reaktionen nach sich.

Dabei war es dem dänischen Filmemacher Benjamin Christensen doch nur um eine historisch fundierte, filmische Dokumentation des Hexenwesens gegangen, allerdings, nachdem sämtliche Historiker, deren Expertise und Beratung er angefragt hatte, die Zusammenarbeit ablehnten, weil sie mit seinem Film nicht Verbindung gebracht werden wollten, machte er sich höchst selbst ans Werk, las einen ganzen Stapel Bücher zum Thema, vor allem den berüchtigten Hexenhammer, und ging dann daran, das Gelesene möglichst anschaulich, mit viel Aufwand und sich selbst in der Rolle des Satans, in Szene zu setzen.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf seinen Film – immerhin der teuerste Stummfilm, der je in Skandinavien produziert wurde – recht gemischt ausfielen, aber während die einen ihn verbieten lassen wollten, feierten ihn die anderen: in Deutschland wurde Christensen wegen dieses Werkes als Regisseur zur UFA geholt und auch seiner späteren Karriere als Filmemacher in den USA stand Häxan nicht im Wege, obwohl er dort lange Zeit gar nicht aufgeführt werden durfte.

Mittlerweile ist Häxan – wie könnte es anders sein? – zum Kultfilm avanciert. 1968 erschien eine mit Jazz und William S. Burroughs unterlegte, wenn auch gekürzte und zu schnell ablaufende Fassung und 2001 brachte The Criterion Collection eine restaurierte, allerdings auch gekürzte Version auf DVD heraus.

Die ungekürzte, volle 104 Minuten lange, Originalfassung von Häxan gibt es aber bei archive.org: zur Ansicht und zum Download – inklusive aller der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen.

(Häxan, Dänemark 1922; Regie: Benjamin Christensen.)

 

The Private Life of a Cat

Subversion, ebenso wie Anstand und Moral, mögen ja, wie so Vieles andere, im Auge des Betrachters liegen. Dass es aber die New Yorker Zensurbehörde tatsächlich schaffte, diesen Film des Avantgarde-Regisseurs Alexander Hammid und seiner damaligen Frau, Maya Deren, die bis heute als eine der wichtigsten amerikanischen Avantgarde-Künstlerinnen gilt, als „unanständig“ einzustufen und gleichzeitig ein Verbot der öffentlichen Aufführung verhängte, ist doch noch immer erstaunlich.

Aber, so berichtet es Amos Vogel sowohl in diesem Film, als auch in seinem Buch, eben dieses war der Fall, als The Private Life of a Cat im Jahr 1948 im Rahmen von Cinema 16 zum ersten Mal aufgeführt werden sollte. Begründet wurde die Entscheidung der Zensurbeamten damit, dass im Film eine Geburt gezeigt wird. Da es sich um einen Stummfilm handelt ohne Ton und in schwarz-weiß, aber von sehr nah.

Allerdings war es nicht nur so, dass der zu diesem glücklichen Ereignis führende, vorherige Zeugungsakt von den Filmemachern schamhaft weggelassen, weder gezeigt oder auch nur erwähnt wurde, sondern es handelt sich darüber hinaus, wie der Titel schon sagt: um Katzen.

Nun, immerhin in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten geändert: Katzencontent ist heutzutage im Internet an der einen oder anderen Stelle zu finden und auch The Private Live of a Cat ist bei archive.org zu Ansicht und Download bereitgestellt. Und so steht es jedem frei, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob die gezeigten Bilder tatsächlich so unanständig sind, dass ihre Aufführung verboten gehörte, oder einfach nur unfassbar putzig.

(The Private Life of a Cat, USA 1944; Regie: Alexander Hammid.)

 

Film as a subversive Art:

L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat

Was den Herrn, von dem dieser Film handelt, weit über die Grenzen New Yorks hinaus bekannt machte, war aber nicht sein Avantgarde-Filmclub, sondern das Buch, das 1974 unter dem Titel Film as a subversive Art in der amerikanischen Originalausgabe erschien und einige Jahre später auf Französisch, Niederländisch und Deutsch.

Mehr als 600 Filme wurden hier von Amos Vogel besprochen, viele davon mit einem Szenenfoto illustriert, und obwohl es mittlerweile längst die technischen Möglichkeiten gäbe, diese Filme allen zugänglich zu machen, ist der bei weitem größte Teil damals wie heute kaum öffentlich zugänglich. Einige wenige sind heute Klassiker, die gelegentlich Gegenstand von Retrospektiven sind, oder neu aufgelegt wurden und manche sind sogar im Internet zu finden.

Einer dieser Filme, und der älteste, auf der Liste von Amos Vogel, ist L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat von 1896. Ein früher Film der Brüder Auguste und Louis Lumière, dessen Aufführung zwar entgegen der schön erfundenen Legende wohl doch nicht dazu führte, dass die Zuschauer in Panik den Vorführraum, in diesem Falle ein Café verließen, der aber wohl auch ohne diese Geschichte als Klassiker der Filmgeschichte gelten darf und den man zur Zeit tatsächlich auch auf Youtube ansehen kann.

Um dies zu würdigen ist das Movie of the Week diesmal nur etwa 50 Sekunden lang, allerdings mit Hinweis darauf, dass einige andere der von Amos Vogel als subversiv empfohlenen Filme an dieser Stelle bereits besprochen wurden: zum Beispiel hier, oder hier, und hier, sowie hier und hier, oder auch hier und hier

Diese, und alle weiteren, die noch hinzukommen, werden von nun an hier zu finden sein.

(L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat, Frankreich 1896; Regie: Auguste und Louis Lumière.)

 

Lady Windermere‘s Fan

Nachdem Oscar Wilde bereits einige Jahre lang erfolgreich die viktorianische feine Gesellschaft seiner Zeit durch seine Texte, Reden und sein gesamtes öffentliches Auftreten, inklusive seiner Art sich zu kleiden, provoziert hatte, entdeckte er mit dem Theater eine ganz neue Möglichkeit, für Aufregung zu sorgen. Seine ersten Stücke, melodramatische Tragödien, zeigten zwar noch nicht den rechten Erfolg, aber dies änderte sich, als er einen anderen, subtileren Weg fand, indem er zu vorgeblich leichteren, aber ebenso gesellschaftskritischen Stücken wechselte. Romantische Salonkomödie nannte man so etwas und es war für Wilde genau die richtige Spielwiese, um die Eigenarten der Upper Class treffend zu karikieren und vorzuführen. Das erste Stück dieser Art und auch gleich eines seiner erfolgreichsten, hieß „Lady Windermere‘ s Fan – A play about a good woman“ und feierte 1892 in London seine Premiere. Wobei die Entscheidung darüber, wer, und nach welchem Maßstab, die gute, oder besser: anständige Frau in diesem Stück ist, dem Publikum überlassen blieb, das zugleich die Möglichkeit erhielt, sich über die moralischen Zustände ein wenig zu entrüsten.

Wildes Komödien sind durch Schlagfertigkeit und temporeiche Dialoge gekennzeichnet, ebenso wie die Filme von Ernst Lubitsch mit dem speziellen ‚Lubitsch-Touch‘, vom dem hier bereits an anderer Stelle die Rede war. Umso eigenwilliger war also eigentlich die Idee, ein Stück von Oscar Wilde ausgerechnet in einen Stummfilm zu verwandeln. (Wobei Ernst Lubitsch damit noch nicht einmal der erste war, schon 1916 hatte es eine britische Stummfilmfassung unter der Regie von Fred Paul gegeben.) Aber Lubitsch versuchte gar nicht erst, die Dialoge aus Wildes Theaterstück in Zwischentiteln unterzubringen, sondern wählte einen ganz anderen Ansatz, indem er auf Mimik und Gestik ebenso wie spezielle Bildkompositionen setzte: mal eingerahmt durch ein Labyrinth, mal aus verschiedenen Perspektiven, sieht das Publikum oft mehr als die handelnden Personen und kann die daraus resultierenden Missverständnisse und Verwicklungen so auch ohne ausführliche Erklärung nachvollziehen.

Wer aber nun die später oft persiflierte, übertriebene Stummfilm-Mimik und -Gestik mit rollenden Augen und ohnmächtig zu Boden sinkenden Damen vor sich sieht, irrt, denn nicht nur das Treffsichere, sondern auch das Subtile, das sowohl für Wilde als auch für Lubitsch typisch ist, blieb hier in vollem Umfang erhalten.

Lady Windermere‘s Fan steht bei Archive.org zum freien und kostenlosen Download zur Verfügung. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen.

(Lady Windermere‘s Fan, USA 1925; Regie: Ernst Lubitsch.)

Das Cabinet des Dr. Caligari

Wohl dem, der Englisch versteht: In den USA gibt es den Begriff „public domain“, der bedeutet, dass ein Werk nicht mehr unter das Copyright fällt und damit zur freien Nutzung zur Verfügung steht. Solche Werke darf man kopieren, weiterverbreiten und ganz oder in Teilen auch mit eigenen Ideen überarbeiten und das Ergebnis wiederum publizieren. Und um hier keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, gibt es zahlreiche Websites, die sich der Auflistung solcher Werke widmen, so findet man Filme, die unter public domain fallen, zum Beispiel auf der Wikipedia Website „List of Films in the public domain in the United States“, oder bei Open Culture, bei The Public Domain Review und vor allem im Internet Archiv, unter Archive.org (siehe auch hier).

In Deutschland, wie in der gesamten Europäischen Union, gilt hingegen das Urheberrecht, welches nicht mit dem englischen Begriff public domain identisch ist, grundsätzlich aber vorsieht, dass der Urheberrechtsschutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. – Eine entsprechende Website „Liste der gemeinfreien Werke in der BRD“ existiert, zumindest in der Wikipedia, allerdings nicht. Sucht man danach auf der Seite des Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann unter dem Abschnitt Medien, so findet man dort das Thema Urheberrecht in der Digitalen Welt, wo man einiges darüber lesen kann, wie wichtig der Schutz des Urheberrechts auch im Internet ist, und wer mit diesem beauftragt ist, etc., aber leider nichts darüber, welche Werke denn nun nicht mehr darunter fallen, bzw. der Allgemeinheit zur freien Weiterverwertung zur Verfügung stehen. Stattdessen liest man dort:

“Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich künftig per Mausklick kulturelle Schätze auf den heimischen Bildschirm holen. Damit werden Kultur und Wissen in früher nicht vorstellbarem Maße für jedermann zugänglich, unabhängig von Ort und Zeit“

gefolgt von einem Link auf die Deutsche Digitale Bibliothek, wo es wiederum heißt:

„Das kulturelle Erbe der Nation wird weitgehend kostenfrei für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht. Dieses Angebot wird 2012 zur Verfügung gestellt.“

Unabhängig davon, wann das Angebot denn nun tatsächlich zur Verfügung steht, gibt es aber auch hier keine Hinweise darauf, welche Werke denn nun tatsächlich aktuell nicht mehr unter den Urheberschutz fallen.

Also zurück zum Urheberrecht, wo zu lesen ist:

„(1) Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern (§8) zu, so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers.

(2) Bei Filmwerken und Werken, die ähnlich wie Filmwerke hergestellt werden, erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik.“

Dementsprechend müsste der deutsche Klassiker des Expressionismus von 1920, „Das Cabinet des Dr. Caligari“ eigentlich mittlerweile gemeinfrei sein. Dies sieht allerdings die Website „Filmportal.de“ ganz anders: dort ist als Rechteinhaber die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung eingetragen, welche das genauso sieht, und den Film ebenfalls nicht zum freien Download zur Verfügung stellt:

„Die Filme der Murnau-Stiftung sind in einer Auswahl repräsentativer Titel als Home-Videos oder DVDs allgemein im Handel erhältlich. Verzeichnis der lieferbaren Filmtitel sowie Händlerverzeichnis erhalten Sie bei BMG-Video/Universum sowie BlackHill. Video-Kopierung und Versand von Filmen unseres Bestandes, die nicht im freien Handel erhältlich sind, ist aus lizenzrechtlichen Gründen leider nicht möglich.“

Und so kommt es, dass man einen der wichtigsten Filme der deutschen Filmgeschichte zwar auf englischen Websites, mit englischen Zwischentiteln anschauen und herunterladen kann (zum Beispiel hier), aber eben nicht auf deutsch. (Ausführliche Hinweise zum Thema ‚Urheberrecht im Internet‘ finden sich zum Beispiel bei iRights.info.)

(Das Cabinet des Dr. Caligari, Deutschland 1920; Regie: Robert Wiene.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)

Un Chien Andalou

„Dieser Film ging aus einer Begegnung zweier Träume hervor. Dalí hatte mich eingeladen, ein paar Tage bei ihm in Figueras zu verbringen, und als ich dort ankam, erzählte ich ihm, dass ich kurz vorher geträumt hätte, wie eine langgezogene Wolke den Mond durchschnitt und wie eine Rasierklinge ein Auge aufschlitzte. Er erzählte mir seinerseits, dass er in der voraufgehenden Nacht im Traum eine Hand voller Ameisen gesehen habe, und fügte hinzu: ‚Und wenn wir daraus einen Film machten?‘“

So erzählt es Luis Buñuel im Kapitel Un Chien Andalou seiner Erinnerungen „Mein letzter Seufzer“. Dort erfährt man auch, dass das Drehbuch „in weniger als einer Woche nach einer sehr einfachen Regel“ geschrieben wurde: „keine Idee, kein Bild zuzulassen, zu dem es eine rationale, psychologische oder kulturelle Erklärung gäbe; die Tore des Irrationalen weit zu öffnen; nur Bilder zuzulassen, die sich aufdrängen, ohne in Erfahrung bringen zu wollen, warum.“ Kein Wunder also, dass Buñuel nach Abschluss des Drehbuchs feststellte, „dass es sich um einen höchst ungewöhnlichen, provozierenden Film handeln würde, den kein normales Produktionssystem akzeptierte.“ Also leiht er sich Geld von seiner Mutter, und nachdem er die Hälfte davon in verschiedenen Bars in Paris durchgebracht hat, macht er sich an die Dreharbeiten, welche 14 Tage dauern, von denen Dali allerdings die meisten in seinem Atelier damit verbringt, „Pech in die Augen der ausgestopften Eselsköpfe zu gießen“.

Dennoch kam es auf Betreiben von Man Ray 1929 sogar zu einer öffentlichen Premiere, bei der nicht nur die Gruppe der Surrealisten, u. a. Max Ernst, Hans Arp und René Magritte vollständig vertreten waren, sondern auch nahezu die gesamte intellektuelle und kreative Szene von Paris, inklusive Picasso, Le Corbusier, und Cocteau. Buñuel selbst war natürlich einigermaßen aufgeregt und hatte, so behauptet er, sich Steine in die Taschen gelegt, um im Falle eines Misserfolgs das Publikum damit zu bewerfen. Dazu kam es glücklicherweise nicht, der Film war ein Erfolg und zudem noch ein derart dauerhafter, dass er über acht Monate im Kino lief und ständig ausverkauft war, was Buñuel nicht nur Geld einbrachte, sondern auch eine Menge Ärger, denn während die Einen forderten, man solle Un Chien Andalou verbieten, verlangten die Surrealisten eine Erklärung von Buñuel, wie es passieren konnte, dass der als Skandal gedachte Film plötzlich so erfolgreich – noch dazu auch kommerziell! – sein konnte…?

Seither wurde er von vielen Regisseuren zitiert, darunter so unterschiedliche wie Hitchcock (Spellbound 1945 und North by Northwest 1959), Henri-Georges Clouzot (Les Diaboliques 1955), James Cameron (The Terminator 1984), David Lynch (Blue Velvet 1986), Pedro Almodóvar (Mujeres al Borde de un ataque de nervios 1988), Jonathan Demme (The silence of the lambs 1991), Krzysztof Kieslowski (La double vie de Véronique 1991), Andy und Lana Wachowsky (Matrix 1999), Gore Verbinsky (Ring 2002) und Chan-wok Park (Oldboy 2003), um nur einige wenige zu nennen, eine ausführliche, aber vermutlich immer noch nicht vollständige Liste findet sich z. B. hier.

Man sieht also, es lohnt sich durchaus, die 16 Minuten Zeit zu investieren, die Un Chien Andalou dauert, zudem man ihn ganz einfach und legal im Netz anschauen kann, z. B. hier oder hier.

(Un Chien Andalou, Frankreich 1929; Regie: Luis Buñuel.)

Der Mann mit der Kamera

Es beginnt mit viel Text in russischen Buchstaben (und im Falle der hier besprochenen Version, auch mit der Übersetzung ins Englische, die da lautet):

„Man with a Movie Camera/A6 reel record on film/Produced by VUFKU in 1929/ATTENTION VIEWER:/This film is an experiment/in cinematic communication of real events/Without the help of Intertitels/Without the help of a story/Without the help of theatre/This experimental work aims at creating a truly international language/of cinema based on its absolute separation/from the language of theatre and literature“

Man sieht, der Regisseur Dziga Vertov meint es ernst, mit dem Film und dem Kino. Was dann aber kommt, ist eine schnelle und abwechslungsreiche Abfolge von durchaus unterhaltsamen Bildern und Szenen, eingefangen mit nahezu allen damals zur Verfügung stehenden Aufnahmetechniken plus noch ein paar mehr, die der Filmemacher bei dieser Gelegenheit einführte. Nicht nur deshalb gilt er bis heute als wegweisend, darüber hinaus ist er ein schönes Dokument seiner Zeit, nichts wurde von Schauspielern gestellt, versicherte der Regisseur, alle sind echt und stellen nur sich selbst und ihre tatsächliche jeweilige Tätigkeit dar.

Das alles ist zudem so gut gelungen, dass es über die Jahre hinweg zahlreiche Musiker veranlasst hat, eine Filmmusik zu komponieren. Wie damals üblich, wurde der Stummfilm bei seiner Premiere 1929 ebenso, wie bei den späteren Aufführungen im Kino, zunächst von einem Klavierspieler begleitet. Die Anweisungen, die Dziga Vertov dazu geschrieben hatte, nahm z. B. der norwegische Ambient-Musiker Geir Jenssen, Künstlername Biosphere, als Grundlage seiner Version, die 1996 beim norwegischen Tromsö International Festival uraufgeführt wurde und als Musik-CD erschienen ist. Ein paar Jahre später erhielt die britische Jazz/Electronica Band The Cinematic Orchestra den Auftrag, zum Festival der Kulturhauptstadt Porto 2000 ebenfalls eine Filmmusik zu komponieren, die sowohl als Musik-CD, aber auch als DVD mit Film erschien, und im Jahr 2002 gab das British Film Institute eine DVD des Films mit Musik von Michael Nyman heraus. Und dies sind nur drei von vielen weiteren Filmmusiken.

Man kann sich Man with a Movie Camera aber auch ohne musikalische Untermalung bei archive.org ansehen und herunterladen. Vielleicht findet man ja eine passende Musik von entsprechender Länge in der eigenen Sammlung, oder man macht sich eben selbst ans Komponieren.

(Chelovek s kino-apparatom, UdSSR 1929; Regie: Dziga Vertov.)