Monthly Archives: December 2011

The Fifth Element

„Sind Sie… von der Erde?“ versus „Are you Germans?“ – Nein, es sind die Mondoshawan.

Die Geschichte ist weder neu, noch besonders originell: die Erde ist mal wieder in Gefahr, von bösen Mächten zerstört zu werden, und nun wird dringend ein Held gebraucht, der den Planeten rettet. Dass der nun ausgerechnet von Bruce Willis (erster Vorname Walter, Geburtsort Ida-Oberstein) dargestellt wird, ist ebenfalls nicht wirklich ausgefallen und dass hinter kapitalistischem Großunternehmertum auf der Basis von Waffenhandel (und in diesem Falle: einer Taxi-Firma) nur das ultimative Erzböse stecken kann, hatten wir sowieso schon immer geahnt.

Gut und Böse sind hier jedenfalls klar aufgeteilt, der Angreifer ist selbstverständlich übermächtig, und eine sexy Heldin in knapper Bekleidung gibt es auch. Es ist also absolut glaubhaft, wenn Regisseur Luc Besson erzählt, er habe sich die Handlung zumindest in groben Zügen schon als Teenager in der High School ausgedacht. Was derselbe Teenager aber auch tat, war fleißig Comics (pardon: Graphic Novels) zu lesen und das ist es, was den Film wirklich zu etwas Besonderem macht, denn Besson heuerte seine persönlichen Favoriten, zwei der berühmtesten französischen Comic-Autoren an, um den visuellen Stil des Films zu erschaffen: Jean Giraud, alias Moebius und Jean-Claude Mézières. Moebius hatte schon vorher an Filmen mitgewirkt und beide hatten zahlreiche Filme inspiriert, wobei Letzteres aber keineswegs immer honoriert worden war. Die beiden Zeichner kannten sich vom Studium an der Académie des Beaux-Arts in Paris, hatten aber noch nie zusammen gearbeitet und machten sich nun gemeinsam daran, in zahlreichen detaillierten Zeichnungen und Storyboards die Optik der Zukunft zu entwerfen: von Straßenschluchten mit fliegenden Taxis und China-Imbissen über Raumschiffe und Vergnügungsplaneten bis zum Aussehen von Aliens und Menschen, der Apartments in denen sie leben und der Form der Zigaretten, die sie rauchen.

Und da es im Comic ja möglich ist, mit wenigen Strichen, Settings und Ereignisse zu schaffen, deren Umsetzung im Film (zumindest im Jahre 1996 noch), eine sehr teure Angelegenheit werden können, uferte das Ganze bisweilen ein wenig aus: eine der Szenen zeigt z. B. die größte „Indoor-Explosion“, die jemals gefilmt wurde und zudem beinahe außer Kontrolle geraten wäre. Überhaupt war er mit 80 Millionen Dollar allein für die Special-Effects, zu seiner Zeit der teuerste Film, der bis dahin in Europa produziert worden war. Aber auch dort, wo das Medium Comic an seine Grenzen stößt, und der Film seine Möglichkeiten entfaltet, waren Spezialisten am Werk: Mit Thierry Arbogast war jener Kameramann dabei, der bislang am häufigsten für den französischen Filmpreis César nominiert wurde, Jean Paul Gaultier höchstselbst entwarf 954 Kostüme und der Soundtrack stammt von Éric Serra, einem nicht nur von Luc Besson gerne gebuchten Filmkomponisten.

Bei dieser geballten Ansammlung französischer Kreativität konnte es natürlich nicht anders sein, dass „The Fifth Element“ 1997 als Eröffnungsfilm bei den Festspielen in Cannes lief, wo er überwiegend positiv aufgenommen wurde, während nämlich einige wenige Kritiker nach tieferem Sinn und Logik suchten, ließen die anderen sich schlichtweg unterhalten, denn das Ganze ist laut, hektisch, bunt und knallig, und macht einfach Spaß anzuschauen, vor allem Gary Oldman als Nietzsche zitierender („Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“) Ausbeuter-Kapitalist, der selbstgefällige Monologe über Zerstörung als Triebfeder der Ökonomie hält, was im Übrigen eine zwar immer noch beliebte, aber dennoch falsche Argumentation ist, wie schon Frédéric Bastiat wusste.

(The Fifth Element, Frankreich 1997; Regie: Luc Besson.)

Tokyo Godfathers

Und noch ein Weihnachtsfilm: Es ist Heiligabend, man singt „Stille Nacht“ auf Japanisch und in den Straßen Tokyos ist eine heilige Familie der besonderen Art unterwegs. Natürlich mit Kind.

(Es gab da wohl auch im Jahre 1948 mal einen Western von John Ford, mit dem Titel „Three Godfathers“, der hier irgendwie als Vorlage diente, aber dessen Geschichte ist eigentlich eine ganz andere, und er spielte natürlich auch nicht in Tokyo und war kein Anime, sondern mit John Wayne, weshalb er hier nicht weiter von Interesse ist.)

Die drei Paten in „Tokyo Godfathers“, hingegen wurden vom früh verstorbenen Satoshi Kon kreiert, der nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch für die Regie verantwortlich war und der von sich selbst sagte, er sei die üblichen Klischees der japanischen Animes in Massenproduktion – „robots and beautiful little girls“ – einfach leid, weshalb es hier konsequenterweise weder das eine noch das andere zu sehen gibt, denn Roboter sind in diesem Teil Tokyos ferne Luxusprodukte und kleine Mädchen kratzbürstig bis aggressiv.

Überhaupt sind die Heldinnen und Helden dieser Geschichte, ebenso wie ihre näheren Lebensumstände, eher ungewöhnlich, nicht nur für einen japanischen Zeichentrickfilm, den man übrigens, wie ja eigentlich alle Filme, unbedingt in der Originalfassung schauen sollte, denn die japanischen Sprecher machen ihre Sache unübertreffbar gut. Fürs Verständnis gibt es ja Untertitel und man kann auch gleich ein paar interessante japanische Redewendungen und Schimpfwörter mitnehmen. Von Letzteren einmal abgesehen: ja, dieser Film ist kitschig, aber das ist Weihnachten schließlich auch. Und wer das nicht aushalten kann, schaut sich zur Erholung einfach nochmal diesen Film hier an.

(Tokyo Godfathers, Japan 2003; Regie: Satoshi Kon.)

The Ice Harvest

Weihnachten: „what a wonderful season – so full of mutual understanding!“ Und welche Zeit könnte auch besser geeignet sein für das perfekte Verbrechen, als diese? Während die Einen das Fest der Liebe im trauten Kreise der Familie begehen, und die Anderen zu diesem Zweck Strip-Bars oder Bordelle aufsuchen, haben die Dritten freie Bahn um große Mengen Geldes an sich zu bringen.

Als „The Ice Harvest“ im November 2005 in die amerikanischen Kinos kam, war sein Einspiel-Ergebnis schon am ersten Wochenende dermaßen miserabel, dass er nach nur drei Wochen wieder aus selbigen verschwand; außerhalb der USA war er überhaupt fast nur im Rahmen von Film Festivals im Kino zu sehen und selbst die DVD findet sich – wenn überhaupt – dann oft nur sehr weit hinten und tief unten im Regal der Videotheken. Die bei weitem meisten Kritiker mochten den Film nicht, in der IMDB kommt er aktuell auf gerade einmal 6.2 Punkte und bei Rotten Tomatoes nur auf vernichtende 46%. Und das bei einem Film, der nicht nur mit John Cusack, Billy Bob Thornton und Oliver Platt in den Hauptrollen, sondern auch in nahezu jeder noch so kleinen Nebenrolle mehr als überzeugend besetzt ist, bei dem Harold Ramis Regie geführt hat (Ghostbusters: Schauspieler und Drehbuch; Groundhog Day: Regie und Drehbuch), und in dem man nebenbei auch noch allerlei Wissenswertes über die Vorzüge deutscher Autos gegenüber jenen amerikanischer Bauweise erfahren kann.

Vielleicht weckte die Vorweihnachtszeit als Starttermin aber auch die falschen Erwartungen, denn ein Weihnachtsfilm für die ganze Familie ist The Iceharvest wohl eher nicht. Oder, um es ausführlicher zu sagen, nämlich mit der amerikanischen Website, deren vielsagender Titel „commonsensemedia“ lautet und die Eltern Empfehlungen für kindgerechten Medienkonsum gibt („We are the nation’s leading independent non-profit advocating for kids“):

„Parents need to know that this movie isn’t for kids. (…) it shows repeated arguments among friends and family members: one man argues with his wife; a young boy yells at his father; another man shoots his wife (off screen); two best friends eventually bond over their mutual hatred of the woman they have both married, one after the other. Characters lie, cheat, fight, and vomit. They drink to drunkenness (one from a flask while driving), smoke cigarettes, and hang out in strip clubs. Acts of violence involve handguns, shotguns, knives, and cars.

Eben. Nicht geeignet also, um Besinnlichkeit an den Festtagen herbeizuführen, aber pure Therapie für alle, die genau das vermeiden möchten. Ho, ho, fucking ho!

(The Ice Harvest, USA 2005; Regie: Harold Ramis.)

A Chinese Ghost Story

Selbstverständlich haben weder Japan noch Großbritannien das Geisterfilmwesen in Serie alleine gepachtet – auch das Hong Kong Kino hat hier seinen Beitrag geleistet: A Chinese Ghost Story z. B. bringt es bisher auf zwei Fortsetzungen, ein Remake und eine Fernsehserie, wobei einige der hier wiederholt eingesetzten Motive auch in europäischen und amerikanischen Horrorfilmen sehr beliebt sind: allerdings wehen hier nicht nur Vorhänge, sondern große Mengen von Stoff durch die Nacht, ebenso wie bleiche Fräuleins mit Untertemperatur in langen weißen Gewändern. Es gibt verräterische Blutflecken und natürlich Kerzen, die im falschen Moment verlöschen, was wiederum außer Wölfen auch Zombie-Mumien und Geister in bester Stop-Motion Animation auf den Plan ruft, wie sie selbst von Ray Harryhausen kaum ansprechender hätten gestaltet werden können.

Auch die Figur des etwas naiven, aber anständigen jungen Mannes, der sich all dem beherzt entgegen stellt, fehlt ebenso wenig wie der erfahrene und mit allen notwendigen Mitteln und Techniken vertraute Geisterjäger, der ihm dabei zur Seite steht. Allerdings ist Letzterer hier ein mit allen Wassern gewaschener Tao-Priester, der nicht nur als Schwertkämpfer ein Virtuose ist, sondern auch durch Bäume hüpfen kann und sogar Feuerkugeln aus seinen Handinnenflächen schießt: das konnte Dr. van Helsing nie, egal in welcher Verfilmung.

Wir haben es hier also mit einem wilden Genremix zu tun, einer Fantasy-Horror-Liebes-Komödie mit reichlich Wuxia-Einlagen, deren Geschichte kurzzeitig auch schon mal etwas ins Wirre abgleitet, was aber bei dem Tempo, den der Film vorlegt, eigentlich nicht weiter auffällt. In China, Südkorea und Japan kam das Ende der 1980er Jahre beim Publikum gut an, wurde zudem beim Hong Kong Film Award mehrfach ausgezeichnet und machte den Regisseur und Martial Arts Choreographen Ching Siu-Tung bis heute zu einem vielbeschäftigten Mann.

(A Chinese Ghost Story, Hong Kong 1987; Regie: Ching Siu-Tung.)

The Mystery of the Marie Celeste

Von der Schauspielerin Paula Maxa heißt es, sie sei im Verlaufe ihrer Karriere von 1917 bis in die 1930er Jahre auf mehr als 60 verschiedene Arten und über 10.000 mal auf der Bühne ermordet worden. Diese jahrelange intensive Ausübung des Opferrollenfachs ergab sich zwangsläufig daraus, dass sie die berühmteste Darstellerin des Grand Guignol war, einem kleinen, aber sehr beliebten Theater in Paris, dass sich von 1897 bis 1962 in einer ehemaligen Kapelle im Vergnügungsviertel Pigalle auf drastische Horror- und Gruselstücke spezialisiert hatte. Bis weit über die Grenzen Frankreichs hinaus wurden sie damit derart bekannt, dass das Théâtre du Grand Guignol heute als Vorläufer und Inspirationsquelle zahlreicher späterer Horror- und Splatterfilme gilt. Allen voran jenen der legendären Hammer Productions, denen wir die schaurig-blutigen Film-Serien über Dracula und Frankenstein mit Christopher Lee und Peter Cushing sowie nahezu unzählige weitere Horrorfilme mit Mumien, Werwölfen und Zombies verdanken. Diese erfreuten sich nicht nur beim Publikum über viele Jahre andauernder Begeisterung, sondern wurden von jenen Kritikern, die schon früh etwas mit dem Wort Kultfilm anfangen konnten, auch für ihren einzigartigen visuellen Stil gelobt.

Einer der ersten Hammer Filme überhaupt, The Mystery of the Marie Celeste aus dem Jahr 1936, steht bei Archive.org zum Download bereit: Es ist die auf Tatsachen beruhende Geschichte des amerikanischen Segelschiffs Marie Celeste, das am 4. Dezember 1872 im Atlantischen Ozean, nahe der Meerenge von Gibraltar, führerlos treibend aufgefunden wurde. Trotz guten Wetters – die Segel waren aufgezogen und kein Notsignal gehisst – fehlte vom Kapitän Benjamin Briggs, seiner Ehefrau Sarah und seiner zweijährigen Tochter Sophia, die sich als Passagiere an Bord befunden hatten, ebenso wie von den sieben Mitgliedern der Besatzung, jede Spur. Einen knappen Monat zuvor hatte das Handelsschiff mit einer Fracht von 1701 Fässern Industriealkohol, den Hafen von New York City in Richtung Genua verlassen. Der Kapitän und seine Mannschaft waren erfahrene Seeleute, es gab keinerlei Anzeichen von Gewalt, vielmehr wurde das Schiff in segeltauglichem Zustand mit ausreichend Proviant für die nächsten sechs Monate an Bord angetroffen und auch im Logbuch fanden sich keine Hinweise auf die Vorkommnisse, die zum spurlosen Verschwinden der Besatzung geführt hatten.

Auch in den folgenden Jahren tauchte keiner der Vermissten wieder auf und so wurde das Rätsel trotz zahlreicher ausgefeilter Theorien, von Piraten über Tsunamis bis zur Entführung durch Außerirdische, nie befriedigend gelöst, was die Marie Celeste bis heute zu einem der berühmtesten Geisterschiffe der Geschichte macht. Ein idealer Plot also, für eine Verfilmung durch die Hammer Productions: hier fließt das Blut zwar noch in schwarzweiß und ohne Vampire und Monster, dafür aber spielt Bela Lugosi eine der Hauptrollen. Gut, der Film erhielt seinerzeit miserable Kritiken, aber jene Kritiker und Filmemacher, die sich und ihre Arbeit vielleicht manchmal ein bisschen zu ernst nehmen, konnten mit den Hammer Filmen ja noch nie etwas anfangen.

(The Mystery of the Marie Celeste, Großbritannien 1936; Regie: Denison Clift.)