Monthly Archives: May 2011

Die Verachtung (Le Mépris)

Als Jean-Luc Godard im Februar 2011 mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden sollte, reiste er nicht zur Verleihung nach Hollywood und auf die Frage, was ihm dieser Preis bedeute, antwortete er: „Nichts.“ Und weiter: „Wenn das der Academy gefällt, soll sie es tun. Aber ich finde es seltsam. Welche Filme von mir haben die gesehen?, fragte ich mich. Kennen die meine Filme überhaupt?”. Eine durchaus berechtigte Frage, sollte man meinen, denn vermutlich haben auch außerhalb der Academy of Motion Picture, Arts and Science sehr viel mehr Menschen vom Filmregisseur Godard irgendwie mal gehört, dass er sehr bedeutend ist, als tatsächlich seine Filme gesehen. Und auch wenn er von anderen Regisseuren gerne als großes Vorbild bezeichnet wird, hat man bisweilen den Eindruck, es gehe diesen in erster Linie darum, ihre eigene Intellektualität durch solche gut zitierbaren Äußerungen zu unterstreichen.

Doch Jean-Luc Godard, der Filmkritiker, -Theoretiker und Regisseur, macht es einem auch nicht immer leicht. Man kann seine Filme unverständlich finden, langweilig oder aufgeblasen, aber man kann sich auch darauf einlassen und mit etwas gutem Willen lernt man nicht nur erstaunlich viel über das Kino, sondern kriegt mitunter auch einen überraschend schönen Film zu sehen, wie z.B. diesen: Le Mépris (Die Verachtung) von 1963. Zwar wird auch hier, wie überhaupt gerne bei Godard, das Ende des Kinos schon bei Minute 6:40 ausgerufen, doch tatsächlich hat er wieder sehr viel zum Thema beizutragen – in Form von Zitaten, Allegorien und Doppeldeutigkeiten, ebenso wie durch wunderschöne Bilder.

Mehr Sinn für die Schönheit der Hauptdarstellerin Brigit Bardot, als für den Film hatten allerdings seine Produzenten. Denn während Godard noch in den 1950ern einer der engagiertesten Vertreter des ‚Autorenkinos‘ war, dem französischen Gegenentwurf zum ‚Produzentenkino‘ a la Hollywood, wollte er Anfang der 1960er Jahre auch einmal einen Film mit einem großen Budget drehen. Und einem richtigen Star. So kam er an die Produzenten George de Beauregard, Carlo Ponti und an das Geld des amerikanischen Produzenten Joseph E. Levine. Es sollte seine einzige Produktion dieser Art bleiben und nicht zuletzt der Film selbst zeigt auf anschauliche Weise warum.

Zwar gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Michel Piccoli in seiner ersten Hauptrolle, durchaus harmonisch und vor allem bekam Godard auf diese Weise die Gelegenheit, mit Fritz Lang zu arbeiten, der, damals 73 Jahre alt, ganz einfach sich selbst darstellte und offensichtlich großen Spaß dabei hatte. Auf der anderen Seite versuchten die Produzenten allerdings massiv in Godards Arbeit einzugreifen, was für ihn sicherlich enervierend war, für das Publikum aber ausgesprochen unterhaltsam ist, da er seine Erfahrungen mehr oder minder ungebremst in den Film einfließen ließ. So wurde er z.B. genötigt in Cinemascope zu drehen, was er im Film entsprechend kommentieren lässt (Paul: I like Cinemascope very much. – Fritz Lang: Oh, it wasn‘t meant for human beings. Just for snakes – and funerals.). Zudem bestanden die Produzenten auf Nacktszenen mit Brigitte Bardot, die Godard schließlich ebenso unwillig wie demonstrativ einbaute, während er zugleich die Darstellung des fiesen Produzenten im Film um weitere authentische Details bereicherte.

Immerhin, das Kinopublikum hatte 1963 wohl doch andere Vorlieben als die Produzenten, denn auf der Liste der erfolgreichsten Filme seines Erscheinungsjahres schaffte es Le Mépris selbst in Frankreich nur auf Platz sieben, trotz Brigit Bardot in nackig, und war damit offiziell ein Kassen-Flop, für Jean-Luc Godard allerdings ist es bis heute, wenn auch nur in finanzieller Hinsicht, sein größter Erfolg.

(Le Mépris, Frankreich, Italien 1963; Regie: Jean-Luc Godard.)

The Host (Gwoemul)

Seit vielen Jahren schon sind Regisseure aus Südkorea regelmäßig mit ihren Filmen zu Gast auf europäischen und internationalen Filmfestivals, wo sie ebenso regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet werden, so zum Beispiel Lee Chang-dong, Park Chan-wook, Kim Ki-duk, und Hong Sang-soo.

Einer der vergleichsweise jüngeren von ihnen ist Bong Joon-ho. Angefangen hat er mit Kurzfilmen, sein erster längerer Spielfilm, Barking dogs never bite (Flandersui gae) feierte seine Premiere im Jahr 2000 und schon sein zweiter, Memories of Murder (Salinui chueok) von 2003, für den er auch das Drehbuch schrieb, war nicht nur in Südkorea, sondern auch international einer der erfolgreichsten koreanischen Filme überhaupt. 2006 übertraf er dies noch mit The Host: ausgezeichnet mit 18 Preisen und weiteren 10 Nominierungen ist er in Südkorea noch immer der Besucher stärkste Film aller Zeiten, mit immerhin über 13 Millionen verkauften Tickets bei 48 Millionen Einwohnern.

Zumindest die Eingangsszene basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit, was wir vom Rest des Films allerdings lieber nicht hoffen wollen. Der englische Titel The Host bedeutet sowohl Gastgeber, als auch Wirt und zwar durchaus auch im Sinne von Parasiten oder Viren, während der koreanische Originaltitel Gwoemul lautet, was ganz einfach Monster heißt, und ebenfalls ganz passend ist, denn es handelt sich hier zweifellos um einen Monsterfilm. Darüber hinaus aber auch um eine Familiengeschichte und ein verdrehtes Heldenepos, wobei hier jeder der Helden und Heldinnen spezielle Fähigkeiten mitbringt oder entwickelt, ganz besonders aber auch der Titelheld, denn was Laufen, Springen, Schwimmen und seinen anderen artistischen Fähigkeiten angeht, ist er in der Kategorie „Monster und fiese Kreaturen“ eigentlich kaum noch zu übertreffen.

(The Host, Südkorea 2006, Regie: Bong Joon-ho.)

Schwarze Katze, Weißer Kater

Emir Kusturica ist ein eigenwilliger Mann. Der 1954 in Sarajevo geborene Filmregisseur hat die serbische und französische Staatsbürgerschaft, eine eigene Band (The No Smoking Orchestra), und gründete nebenher ein seltsames Dorf inklusive eigenem Filmfestival. Seine politische Haltung ist äußerst umstritten und auch sein Umgang mit Kritik ist in dieser Hinsicht nicht eben entspannt.

Dennoch wird er als Filmemacher in Europa viel geehrt: Schon sein erster Film Sjecaš li se Dolly Bell? (Erinnerst Du Dich an Dolly Bell?) erhielt 1981 in Venedig den Goldenen Löwen für das gelungenste Filmdebüt. Gleich sein nächster Film, Otac na službenom putu (Papa ist auf Dienstreise), wurde 1985 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, ebenso wie sein Film Podzemlje, Bila jednom jedna zemlja (Underground) im Jahr 1995. Wiederum 10 Jahre später, 2005, war er Präsident der Jury in Cannes und bei den gerade angelaufenen diesjährigen Filmfestspielen von Cannes leitet er die Sektion ‚Un Certain Regard‘.

Für Crna Macka Beli Makor (Schwarze Katze, Weißer Kater) erhielt Emir Kusturica 1998 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig den Silbernen Löwen als bester Regisseur und mindestens dieser ist auf alle Fälle verdient, schon weil es nur schwer vorstellbar ist, wie er bei diesem Spektakel den Überblick behalten konnte: die meisten Bilder sind bis zum Rand vollgestopft mit allem möglichen Plunder und Seltsamem, Buntem und Schrägem, ständig ist irgendetwas in Bewegung und fährt, schwimmt, stolpert, fällt oder fliegt durch die Szene.

Musikalisch unterlegt ist das Ganze zudem mit ausgelassenen Balkan Beats, und so lärmt es hier nur so vor Lebensfreude und Energie vor sich hin, was über weite Strecken den Eindruck einer einzigen wilden Party vermittelt: mit viel schräger Musik, ziemlich üblen Witzen, noch gruseligeren Geschenken und ebenso sehenswerten, wenn auch keineswegs ungefährlichen Gästen!

(Crna Macka Beli Makor, Deutschland, Frankreich, Jugoslawien 1998; Regie: Emir Kusturica.)

The Mummy

How could you do that?“ – „Had to! Science, you know!“

Wenn man im Lexikon des Internationalen Films das Zitat „Vom deutschen Expressionismus beeinflusster Horrorfilm mit einer schauspielerischen Glanzleistung von Boris Karloff“ in Zusammenhang mit einem Mumienfilm liest, kann man sich schon fragen, wie bitteschön denn eine „schauspielerische Glanzleistung“ darin liegen kann, wenn ein bis zur völligen Unkenntlichkeit komplett in Binden eingewickelter Darsteller mit ausgestreckten Armen langsam hinter seinen Opfern her schlürft und vielleicht hin und wieder ein Grunzen von sich gibt. Mimik? Gestik? Überzeugende Dialoge???

Aber anders als in vielen späteren Mumienfilmen, wo Mumien sich tatsächlich überwiegend durch die Szenen schleppen, um sich im Auftrag altägyptischer Götter, Priester oder Flüche an Jenen zu rächen, die ihre Gräber plündern, ist im Film The Mummy von 1932 die Mumie nur einmal, und zwar ganz am Anfang, in der klassischen Bandagenoptik zu sehen. Danach wird sie stets als Ardath Bey in menschlicher, wenn auch mit viel Aufwand und stundenlanger Maske auf sehr, sehr alt getrimmter, Gestalt erscheinen.

Und Boris Karloff ist tatsächlich großartig. Ebenso wie die expressionistischen Aufnahmen von Karl Freund, der, bevor er als Regisseur zu arbeiten begann, als einer der besten Kameramänner der Stummfilmzeit galt. Vor seinem Weggang nach Amerika hatte er in Deutschland für Friedrich Wilhelm Murnau 1924 Der letzte Mann gedreht und zwei Jahre später Metropolis für Fritz Lang. Und wenn man sich dann von der gruseligen aber ohne große Schock-Effekte souverän erzählten Geschichte nicht allzu sehr ablenken lässt, kann man zudem auch noch einiges über Archäologie lernen:

Method is everything in archeology, my boy. We always deal with our finds of the day in order. We didn‘t come to dig in Egypt for medals. Much more is to learn from studying bits of broken pottery, than from all the sensational finds. Our job is to increase the human knowledge of the past, not to satisfy our own curiosity!“

Der komplette Film kann bei Archive.org kostenlos angeschaut und heruntergeladen werden.

(The Mummy, USA 1932; Regie: Karl Freund.)