„Verehrter Wladimir Klawdijewitsch, Ihr Buch las ich mit großem Genuss. Abgesehen von seinem wissenschaftlichen Wert, der, selbstverständlich, ohne Zweifel auch wichtig ist, war ich begeistert und hingerissen von seiner Darstellungskraft. Ihnen ist es gelungen, Brehm mit Fenimore Cooper zu vereinen – das ist, glauben Sie mir, kein geringes Lob. Der Golde wurde von Ihnen ausgezeichnet geschildert, für mich ist er eine lebendigere ‚künstlerisch vollendetere‘ Gestalt als der ‚Pfadfinder‘. Ich gratuliere Ihnen aufrichtig.“
So schrieb es Maxim Gorki in einem Brief am 24.1.1928 an Wladimir Arsenjew, Geograph und Offizier der zaristischen Armee Russlands. Arsenjew (1872–1930) hatte zwischen 1902 und 1930 zwölf Expeditionen in das damals noch unerforschte Gebiet des Ussuri geleitet und mehr als sechzig Publikationen über seine Forschungen und Vermessungsarbeit verfasst, aber das Buch, das ihn bekannt machte und von dem Maxim Gorki in seinem Brief schrieb, waren Arsenjews autobiographische Erinnerungen an seine gemeinsamen Expeditionen und seine Freundschaft mit dem Taigajäger Dersu Uzala.
Ebenfalls beeindruckt von Arsenjews Schilderungen war wohl auch Akira Kurosawa, der seinerseits zwar bereits 1957 ein Theaterstück von Maxim Gorki verfilmt hatte, aber in Europa und den USA lange Zeit in erster Linie für seine Samurai-Filme bekannt war. Filme wie zum Beispiel Rashomon, für den er 1950 den Goldenen Löwen von Venedig erhielt, und die unter Einsatz von zahlreichen Statisten oft zu Monumentalfilmen gerieten, oder Yojimbo, der, ebenso wie einige andere seiner Filme dem westlichen Publikum zunächst dadurch bekannt wurde, dass er europäischen oder amerikanischen Filmemachern als Vorbild diente, bzw. detailgenau kopiert wurde.
Ende der 1960er Jahre machte Kurosawa aber trotz aller bisherigen Erfolge eine schlimme Phase durch. Mit seinem letzten Film, Dodesukaden, der sein erster Farbfilm war, hatte er eine ganz neue Richtung eingeschlagen, was aber in Japan nicht gut ankam und zu einem finanziellen Misserfolg führte. Kurosawa fühlte sich wohl nicht nur missverstanden, sondern sah auch wenig Chancen, ausreichend Geld für einen neuen Film zusammenzubringen, was besonders bitter sein musste für einen Menschen, der von sich sagte: „I believe that what pertains only to myself is not interesting enough to record and leave behind me. More important is my conviction that if I were to write anything at all, it would turn out to be nothing but talk about movies. In other words, take ‘myself’, subtract ‘movies’, and the result is zero.“
Seine Krise erreichte ihren Tiefpunkt mit einem Selbstmordversuch im Dezember 1971. Kurosawa überlebte und erholte sich, schien aber lange Zeit keine Filme mehr drehen zu wollen oder zu können, auch nicht, als Dodesukaden 1972 in den USA bei den Academy Awards für den besten fremdsprachigen Film nominiert wurde. Selbst, als ihm Anfang 1973 das Studio Mosfilm ein Angebot zur Zusammenarbeit machte, eben jenes Moskauer Filmstudio, das nicht nur schon 1925 Sergei Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin, sondern auch Andrej Tarkovskys Filme produzierte, die beide von Kurosawa hoch geschätzt wurden, dauerte es noch viele Monate, bis Kurosawa im Dezember desselben Jahres mit seinen vier engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Sowjetunion ging, um dort Arsenjews Buch zu verfilmen.
Die Dreharbeiten waren lang und anstrengend, nicht zuletzt wegen der monatelangen Außenaufnahmen in der sibirischen Taiga und als Kurosawa nach anderthalb Jahren im Juni 1975 nach Hause zurückkehrte, soll er einigermaßen erschöpft gewesen sein. Aber die Strapazen war es wohl wert: Als japanisch-russische Koproduktion feierte Dersu Uzala am 2. August 1975 seine offizielle Weltpremiere in Japan, nachdem er bereits im July 1975 auf dem Moskauer Internationalen Filmfestival mit dem Goldenen Preis ausgezeichnet worden war. Die Kritiken in Japan waren zwar erneut verhalten, aber finanziell wurde der Film ein Erfolg und während es bei Dodesukaden im Jahr 1970 noch bei der Nominierung geblieben war, wurde Dersu Uzala 1976 in den USA mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Wobei es sich bei der „Fremdsprache“, auch wenn es ein ‚Kurosawa-Film‘ war, natürlich um Russisch handelte.
(Dersu Uzala, Russland und Japan 1975; Regie: Akira Kurosawa.)