„Horror-Movies come in two styles, visually: One of them in your face and the other at the corner of the retina.“
Novelle, Theaterstück, Oper und Film: „The Turn of the Screw“ von Henry James erschien im Jahr 1898 zunächst als Fortsetzungsgeschichte in einem amerikanischen Magazin, bevor sie 1908 als Novelle publiziert wurde. Ungefähr ein halbes Jahrhundert später machte William Archibald daraus ein Theaterstück, das seine Premiere 1950 am Broadway feierte, und 1954 hatte Benjamin Brittens gleichnamige Oper in zwei Akten in Venedig ihre Uraufführung. – Reichlich Vorlagen, also mit denen sich Regisseur Jack Clayton auseinander zu setzen hatte, als er wenige Jahre später daran ging, auch noch einen Film aus der Geschichte zu machen. Gleich mehrere professionelle Drehbuchschreiber wurden herangezogen, wobei Clayton später betonte, dass 90% der im Film enthaltenen Ideen auf Truman Capote zurückgehen, der nicht nur Untertöne á la Freud in die Handlung einbrachte, sondern in zahlreichen Bildern auch eines seiner Lieblingsthemen – die Dekadenz, den Zerfall hinter der Schönheit – unterbringen konnte.
Eine größere Schwierigkeit ergab sich daraus, dass – wie damals bei allen Filmen des Studio Fox – in Cinemascope gedreht werden musste, in eben jenem Format, von dem Fritz Lang bei Godard sagt, es sei nur für Schlangen und Beerdigungen geeignet. Hier aber war es der Kameramann Freddy Francis, der Mittel fand, um das ungeliebte Format in den Griff zu kriegen: z. B. indem er viel Licht einsetzte, um entweder ganze Szenen durchgehend strahlend hell zu erleuchten, oder andererseits einen Tunnel-Effekt erzielte, indem er das Licht auf die handelnden Personen in der Mitte konzentrierte, während die Ränder dunkel blieben. Darüber hinaus fügte er zahlreiche vertikale Linien ein, die den weiten Cinemascope-Rahmen unterteilten: z. B. Bettpfosten, Säulen und Statuen.
Beides konnte allerdings auch missverstanden werden, denn wenn des nächtens Frauen in langen weißen Nachthemden mit tropfenden Kandelabern in der Hand durch die dunklen Flure großer, düsterer Schlösser laufen, erwartet man heute wie damals unwillkürlich, dass Dracula oder einer seiner Genossen auftaucht, da dieses Klischee, ebenso wie wehende Vorhänge, tickende Großvateruhren und grimmig blickende pseudo-antike Statuen, zum Stil-Katalog der damals sehr populären Hammer Film Productions gehörte, die auch heute noch, nicht zuletzt dank zahlreicher Fernseh-Wiederholungen, fest im Bewusstsein der Zuschauer verankert sind.
Dies war allerdings eine Parallele, die Clayton gar nicht recht war, denn anders als Freddie Francis, der nach „The Innocents“ einige Jahre als Regisseur für die Hammer Film Productions arbeitete, wollte Clayton seinen Film keineswegs in dieser Ecke angesiedelt wissen, sondern suchte vielmehr die Nähe zu den deutlich subtileren Horrorfilmen der 30er und 40er Jahre, was sich unter anderem auch darin äußerte, dass er auf Technicolor verzichtete und seinen Film in schwarz-weiß drehte. Was wiederum bei Kritikern wie Publikum oft nicht richtig ankam: während die Anhänger der Hammer-Filme sich langweilten und die Schockeffekte vermissten, sahen die Vertreter der anderen Richtung wiederum für ihren Geschmack entschieden zu viel Hammer-Style. (Wobei es natürlich auch andere Meinungen gab – Francois Truffaut z. B., soll Jack Clayton, als sie sich zufällig in einem Restaurant begegneten, die seine schriftlich auf einer Serviette überreicht haben: dies sei der beste britische Film, seit Alfred Hitchcocks Übersiedlung in die USA – was vermutlich das höchste Lob war, das Truffaut überhaupt zu vergeben hatte.)
Den bleibenden Eindruck, den „The Innocents“ im Genre der Horror-Filme hinterlassen hat, sieht man aber vor allem daran, dass er über die Jahrzehnte immer wieder von anderen zitiert wurde. Stanley Kubricks „Shining“ z. B. zeigt einige Parallelen: das große Haus mit den vielen Zimmern im Kontrast zum labyrinthisch angelegten Garten, die Geistererscheinung und vor allem bei der Schluss-Szene. Alejandro Amenábar hingegen scheint hier nicht nur reichlich Anregung, sondern auch den Titel für seinen Film gefunden zu haben: „We‘ve got the whole house to ourselves. – More or less. There are still… the others.“ Und in der amerikanischen Verfilmung von „Ring“ ist sogar eine kleine Hommage versteckt, denn das singende Kind, dass auf dem Video zu hören ist, stammt ebenfalls aus „The Innocents“ .
Überhaupt kann man Ideen und Motive aus „The Innocents“ in vielen späteren Filmen entdecken, möglicherweise in sehr vielen Filmen, wobei natürlich nicht ganz auszuschließen ist, dass man hier Verbindungen sieht, die gar nicht da sind, denn: „Sometimes you can‘t help imagining things…“
(The Innocents, Großbritannien 1961; Regie: Jack Clayton.)