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The Bird People in China

Dies ist nun der dritte Teil der kleinen „Takashi Miike Filme, die nicht nach Takashii Miike aussehen“-Serie. Schon sein Beitrag im zweiten Teil dieser Episoden-Sammlung kam ohne Yakuza aus und war – gemessen an jenen Filmen, mit denen Miike für gewöhnlich Aufmerksamkeit erregt – geradezu harmlos, auch seine Version dieses koreanischen Films, den er in ein Miike-Musical verwandelte, fällt sichtbar aus dem Rahmen seines übrigen Schaffens.

Nun ist es tatsächlich ein bisschen unfair, Takashi Miike nur auf Yakuza, Horror und Gewalt festlegen zu wollen, denn in der schieren Masse der Filme, die er bisher gedreht hat, findet sich neben Bizarrem, auch Familienfreundliches, neben Western, Manga-Verfilmungen und Superhelden-TV-Serien, auch Musikvideos, Komödien, Cyber-Teen-Lovestories und Kinderfilme.

Und The Bird People in China, der in keine der genannten Kategorien passt.

(The Bird People in China, Japan 1998; Regie: Takashi Miike.)

Song of the Exile

Nicht nur die Herren des Neuen Kinos in Taiwan nutzten ihre Arbeit als Filmemacher, um sich mit ihren Autobiographien und Familiengeschichten auseinander zu setzen, auch die große Dame der Hong Kong New Wave verarbeitete ihre eigene, private Geschichte.

Aber auch wenn die Geburtstage von Ann Hui und Hou Hsiao-hsien zum Beispiel, nur wenige Wochen im Frühjahr 1947 auseinander lagen, und ihre Geburtsorte in China mit nur etwas über 2600 km gemessen an der Gesamtgröße der Volksrepublik geradezu nahe beieinander liegen, so schlugen ihre Familien während des Bürgerkrieges verschiedene Richtungen ein: während Hou Hsiao-hsien in Taiwan aufwuchs, gingen Ann Huis chinesischer Vater und ihre japanische Mutter zuerst nach Macao und dann nach Hong Kong.

Und auch, wenn Hou Hsiao-hsien das Drehbuch zu seinem autobiographischen Film gemeinsam mit der Schriftstellerin Chu Tien-wen verfasste, während Ann Hui sich für das Drehbuch ihres Films Wu Nien-jen auslieh, der sich ja schon im Rahmen des New Taiwanese Cinemas auf Autobiographisches spezialisiert hatte, und ihr Film überhaupt in Hong Konger und Taiwanesischer Zusammenarbeit entstand, so liegt es wohl nicht nur an ihrer Hauptdarstellerin Maggie Cheung, dass Ann Huis Song of the Exile so vollkommen anders aussieht, als Hou Hsiao-hsiens The Time To Live, The Time to Die.

Man sieht vielmehr deutlich, dass hier zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten auf ihre Kindheit und Jugend zurückblicken: mit unterschiedlichen Perspektiven und Schwerpunkten – vor allem ist es die Darstellungsweise, mit der sie Welten auseinander liegen – aber es sind ja auch ganz andere Geschichten, die hier erzählt werden, und die beide Filme sehenswert machen.

(Song of the Exile, Hong Kong und Taiwan 1990; Regie: Ann Hui.)

 

Yi Yi

Auch den 1947 in Shanghai geborenen, in Taipeh aufgewachsenen und 2007 verstorbenen Regisseur Edward Yang zog es früh in die USA. Allerdings zunächst einmal, um sein in Taiwan begonnenes Studium des Computerdesigns abzuschließen und diesen Beruf auch für einige Jahre in Seattle auszuüben. Aufgewachsen in einer Zeit, als es in Taipeh durchaus möglich war, Klassiker des Europäischen Kinos in Retrospektiven zu sehen, hatte er schon seit seiner Kindheit eine Leidenschaft für Filme entwickelt, die ihn nach Abschluss seines Studiums dazu brachte, anstatt eines PhDs lieber ein Filmstudium in Angriff zu nehmen.

Allerdings reagierte er auf die amerikanische Filmindustrie völlig anders als zum Beispiel der Regisseur dieses Films, denn seine nach einem Semester wieder beendete Studienzeit an der USC School of Cinematic Arts in Los Angeles überzeugte ihn zunächst davon, mit dem Filmgeschäft, das ihm dort viel zu kommerziell orientiert war, lieber nichts zu tun haben zu wollen.

Edward Yang selbst erzählte später, dass es Aguirre, der Zorn Gottes, von Werner Herzog war, dem man wohl tatsächlich nicht unterstellen kann, dass er rein kommerzielle Absichten verfolgt, der ihn dazu veranlasste, sich schließlich doch noch selbst auf diesem Gebiet zu betätigen.

Allerdings verließ er zu diesem Zweck die USA und kehrte zurück nach Taiwan, wo er nach einigen kleineren Arbeiten fürs Fernsehen bald eigene Filme schrieb und drehte, für die er sowohl in Taiwan, als auch auf internationalen Festivals viel Anerkennung erhielt.

Sein letzter Film, Yi Yi, wurde im Jahr 2000 in Cannes für die Goldene Palme nominiert und mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet. Einen Oscar hat Edward Yang für keinen seiner Filme erhalten, aber man darf wohl annehmen, dass dies auch nicht in seiner Absicht lag.

(Yi Yi, Taiwan und Japan 2000; Regie: Edward Yang.)

 

Nora Inu

Es ist heiß in Tokyo, im Sommer 1949. Der Polizeialltag ist ohnehin mühsam genug und wird durch die Hitze nicht leichter. Der Tag war lang, der Weg nach Hause ist es auch, der Bus ist völlig überfüllt mit schwitzenden Menschen. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, jemand nutzt seine Chance und die Dienstwaffe ist gestohlen – eine gerade in dieser Zeit auf dem Schwarzmarkt besonders seltene und wertvolle Ware. Für den jungen Polizisten kann es das Ende seiner Karriere bedeuten, aber nicht nur dies, auch das Gefühl, dass es in seiner Verantwortung liegt, was nun mit der Pistole geschieht, treibt ihn an, sich auf die Suche nach Dieb und Waffe zu machen.

Fünf Jahre bevor Regisseur Ishiro Honda diesen Zeitgenossen auf Tokyo los ließ, war er noch hoch geschätzter Erster Regie-Assistent von Akira Kurosawa. Und als solcher lieferte er für Kurosawas Film Nora Inu (Stray Dog), ganz wesentliche Szenen: Gemeinsam mit Kameramann Kazuo Yamada war Honda in jene Viertel von Tokyo gegangen, die damals als gefährlich und teilweise von Yakuza beherrscht galten, um dort zu filmen. Größere Gruppen, womöglich noch mit Schauspielern wären hier nur unangenehm aufgefallen und so kam es, dass in jenen Szenen, die den Hauptcharakter Murakami, eigentlich dargestellt von Toshiro Mifune, von der Taille abwärts zeigen, tatsächlich meist Honda zu sehen ist.

Ebenfalls zu sehen ist das Tokyo der Nachkriegszeit, vor allem aber die Menschen, die dort leben und weiterhin versuchen klar zu kommen – die einen, indem sie erfüllen, was sie für ihre Pflicht halten, die anderen auf anderen Wegen. Bei seinen Ermittlungen wird unser Held von seinem älteren und erfahrenen Kollegen Sato begleitet und schon diese beiden, obwohl sie gut miteinander auskommen, haben völlig verschiedene Perspektiven auf das Geschehen und seine Ursachen – sind es in erster Linie die Umstände, die das Handeln der Menschen bestimmen, oder liegt eben doch das meiste in der persönlichen Verantwortung? – Themen, die so schon schwierig genug sind, wenn es nicht auch noch so unerträglich heiß wäre.

Und Themen, die fast fünfzig Jahre später in derselben Stadt von einem anderen japanischen Regisseur ganz anders behandelt werden.

(Nora Inu, Japan 1949; Regie: Akira Kurosawa.)

Godzilla

Nuklearwaffen-Tests wecken in den Tiefen des Ozeans einen riesigen Dinosaurier, der sich prompt auf den Weg Richtung New York macht, um dort Wolkenkratzer umzuwerfen, Züge und Autos platt zu treten und die in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung vor sich her zu treiben… New York?! Ja, New York, denn ein Jahr bevor Godzilla bzw. Gojira sich anschickte, Japans Hauptstadt nieder zu trampeln, hatte das „Beast from 20.000 Fathoms“ bereits sehr erfolgreich „Panik in New York“ verbreitet.

Die Idee war schon damals nicht völlig neu gewesen – auch King Kong hatte 1933, vom Stop-Motion-Pionier Willis H. O‘Brien animiert, die weiße Frau Fay Wray auf seiner Heimatinsel Skull Island gegen gigantische Urzeitechsen verteidigt – und bekanntlich hatte auch er es ja bis nach New York und auf das Empire State Building geschafft. Zudem war King Kong nach seiner Premiere immer wieder erfolgreich in den amerikanischen Kinos gelaufen und als er 1952 erneut beim Publikum gut ankam, fragten sich die Produzenten in Hollywood wohl, welche Arten von Getier man denn noch so auf New York loslassen könnte, zudem Willis H. O‘Brien mit Ray Harryhausen einen Meisterschüler in Sachen Tricktechnik herangezogen hatte, der mittlerweile ausreichend Ideen für ein eigenes Großprojekt beisammen hatte.

Aber während King Kong und seine Mitmonster noch als zwar außergewöhnlich große, aber dennoch auf natürlichem Wege entstandene Geschöpfe auftraten, kam nun, aus aktuellem Anlass, ein neuer Aspekt hinzu: die gefährlichen Kreaturen wurden durch den Einsatz von Nuklearwaffen erweckt oder entstanden gar erst qua Mutation – entsprechend größer war ihre Zerstörungskraft, und die Verantwortung dafür lag jetzt nicht mehr bei Mutter Natur, sondern der Menschheit.

Ein Gedanke, dessen filmische Umsetzung in Japan auch bereits in Planung war, wo man im Studio Toho einen Film vorbereitete, in dem ebenfalls nach einem schief gegangenen Nuklearwaffen-Experiment ein Monster aus dem Meer kommen sollte, irgendetwas zwischen Gorilla und Wal (daher der Name Gojira bzw. Godzilla), auch ein gigantischer Oktopus oder ein riesiges Meereswesen mit einem Pilz-Kopf wurden in Betracht gezogen. Nachdem aber Tomoyuki Tanaka, einer der Produzenten von Toho, den Dinosaurier in New York gesehen hatte, fand man das Szenario offensichtlich so einleuchtend, dass die Gestalt des Monsters und Teile der Handlung weitgehend übernommen, nach Tokyo verlegt und im Toho-Studio neu verfilmt wurden.

Einer, der gerne die Regie für diesen bzw. einen der folgenden Godzilla-Filme übernommen hätte, war Akira Kurosawa, der aber bei Studio Toho schon für seinen Perfektionismus berüchtigt war, welcher ihn angeblich auch schon mal Ströme umleiten und Hausdächer ab- und wieder aufdecken ließ, wenn es seinen Vorstellungen besser entsprach. Und so kam es wohl, dass die Produzenten bei Toho Co., Ltd. lieber nicht herausfinden wollten, wie aufwendig ein Film, in dem eine gigantische Echse die größte Stadt Japans in Schutt und Asche legt, in den Händen Kurosawas werden würde – und wie teuer.

Stattdessen drehte Kurosawa seine Sieben Samurai, während sein enger Freund Ishiro Honda für Drehbuch und Regie bei Godzilla verantwortlich war. Beide Projekte liefen parallel und gerieten in jeder Hinsicht derart aufwendig, dass sie das Studio Toho fast ruiniert hätten. Beide Filme waren aber auch sehr erfolgreich und wurden zum Beispiel für den Japanese Academy Award als Bester Film nominiert, wobei Sieben Samurai gewann; Godzilla aber war der erste japanische Film, der es nach Jahren ernster politischer Probleme zwischen beiden Ländern, in die Kinos von Korea schaffte, was vielleicht ein noch größerer Erfolg war.

Mit der Tricktechnik von Ray Harryhausen konnte man es in Japan allerdings noch nicht aufnehmen, weshalb man einen Anzug konstruierte, in dem ein Mensch steckte, in diesem Falle der Schauspieler Haruo Nakajima, der keine leichte Aufgabe hatte, denn das Ding war so schwer und wenig luftdurchlässig, dass er immer nur ein paar Minuten darin agieren konnte. So hält sich auch hartnäckig das Gerücht, ein Großteil der Zerstörung des Miniatur-Tokyos sei auf Ohnmachtsanfälle von Godzilla bzw. Nakajima zurückzuführen.

Dennoch war es Godzilla, der auf lange Sicht wesentlich erfolgreicher war, als das namenlose Beast von New York, was schließlich auch Hollywood anerkennen musste und der zahlreiche Nachfolger hervorbrachte, die dann auch gegen King Kong, diverse Außerirdische oder Meeresmonster und viele andere mehr antreten durften. So viele, dass eigentlich nur aufrichtige Fans des Genres hier noch den Überblick behalten können.

(Godzilla, Japan 1954; Regie: Ishiro Honda.)

Dersu Uzala

„Verehrter Wladimir Klawdijewitsch, Ihr Buch las ich mit großem Genuss. Abgesehen von seinem wissenschaftlichen Wert, der, selbstverständlich, ohne Zweifel auch wichtig ist, war ich begeistert und hingerissen von seiner Darstellungskraft. Ihnen ist es gelungen, Brehm mit Fenimore Cooper zu vereinen – das ist, glauben Sie mir, kein geringes Lob. Der Golde wurde von Ihnen ausgezeichnet geschildert, für mich ist er eine lebendigere ‚künstlerisch vollendetere‘ Gestalt als der ‚Pfadfinder‘. Ich gratuliere Ihnen aufrichtig.“

So schrieb es Maxim Gorki in einem Brief am 24.1.1928 an Wladimir Arsenjew, Geograph und Offizier der zaristischen Armee Russlands. Arsenjew (1872–1930) hatte zwischen 1902 und 1930 zwölf Expeditionen in das damals noch unerforschte Gebiet des Ussuri geleitet und mehr als sechzig Publikationen über seine Forschungen und Vermessungsarbeit verfasst, aber das Buch, das ihn bekannt machte und von dem Maxim Gorki in seinem Brief schrieb, waren Arsenjews autobiographische Erinnerungen an seine gemeinsamen Expeditionen und seine Freundschaft mit dem Taigajäger Dersu Uzala.

Ebenfalls beeindruckt von Arsenjews Schilderungen war wohl auch Akira Kurosawa, der seinerseits zwar bereits 1957 ein Theaterstück von Maxim Gorki verfilmt hatte, aber in Europa und den USA lange Zeit in erster Linie für seine Samurai-Filme bekannt war. Filme wie zum Beispiel Rashomon, für den er 1950 den Goldenen Löwen von Venedig erhielt, und die unter Einsatz von zahlreichen Statisten oft zu Monumentalfilmen gerieten, oder Yojimbo, der, ebenso wie einige andere seiner Filme dem westlichen Publikum zunächst dadurch bekannt wurde, dass er europäischen oder amerikanischen Filmemachern als Vorbild diente, bzw. detailgenau kopiert wurde.

Ende der 1960er Jahre machte Kurosawa aber trotz aller bisherigen Erfolge eine schlimme Phase durch. Mit seinem letzten Film, Dodesukaden, der sein erster Farbfilm war, hatte er eine ganz neue Richtung eingeschlagen, was aber in Japan nicht gut ankam und zu einem finanziellen Misserfolg führte. Kurosawa fühlte sich wohl nicht nur missverstanden, sondern sah auch wenig Chancen, ausreichend Geld für einen neuen Film zusammenzubringen, was besonders bitter sein musste für einen Menschen, der von sich sagte: „I believe that what pertains only to myself is not interesting enough to record and leave behind me. More important is my conviction that if I were to write anything at all, it would turn out to be nothing but talk about movies. In other words, take ‘myself’, subtract ‘movies’, and the result is zero.“

Seine Krise erreichte ihren Tiefpunkt mit einem Selbstmordversuch im Dezember 1971. Kurosawa überlebte und erholte sich, schien aber lange Zeit keine Filme mehr drehen zu wollen oder zu können, auch nicht, als Dodesukaden 1972 in den USA bei den Academy Awards für den besten fremdsprachigen Film nominiert wurde. Selbst, als ihm Anfang 1973 das Studio Mosfilm ein Angebot zur Zusammenarbeit machte, eben jenes Moskauer Filmstudio, das nicht nur schon 1925 Sergei Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin, sondern auch Andrej Tarkovskys Filme produzierte, die beide von Kurosawa hoch geschätzt wurden, dauerte es noch viele Monate, bis Kurosawa im Dezember desselben Jahres mit seinen vier engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Sowjetunion ging, um dort Arsenjews Buch zu verfilmen.

Die Dreharbeiten waren lang und anstrengend, nicht zuletzt wegen der monatelangen Außenaufnahmen in der sibirischen Taiga und als Kurosawa nach anderthalb Jahren im Juni 1975 nach Hause zurückkehrte, soll er einigermaßen erschöpft gewesen sein. Aber die Strapazen war es wohl wert: Als japanisch-russische Koproduktion feierte Dersu Uzala am 2. August 1975 seine offizielle Weltpremiere in Japan, nachdem er bereits im July 1975 auf dem Moskauer Internationalen Filmfestival mit dem Goldenen Preis ausgezeichnet worden war. Die Kritiken in Japan waren zwar erneut verhalten, aber finanziell wurde der Film ein Erfolg und während es bei Dodesukaden im Jahr 1970 noch bei der Nominierung geblieben war, wurde Dersu Uzala 1976 in den USA mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Wobei es sich bei der „Fremdsprache“, auch wenn es ein ‚Kurosawa-Film‘ war, natürlich um Russisch handelte.

(Dersu Uzala, Russland und Japan 1975; Regie: Akira Kurosawa.)

Mind Game

Vom japanischen Anime Studio 4°C war hier schon im Zusammenhang mit Genius Party die Rede. Einer der schönsten Beiträge dieser Kurzfilm-Anthologie ist „Happy Machine“, dessen Regisseur Masaaki Yuasa vier Jahre vorher ebenfalls für das Studio 4°C beim abendfüllenden Animefilm „Mind Game“ Regie geführt hatte. Unterstützt wurde er dabei von Koji Morimoto und Shinchiro Watanabe, die mit „Dimension Bomb“ und „Baby Blue“ später ebenfalls Beiträge zu Genius Party bzw. Genius Party Beyond lieferten.

Auch bei Mind Game sind, wie bei den zwei Genius Party Filmen, verschiedene Animations- und Zeichenstile in einem Film versammelt, allerdings nicht in mehreren in sich geschlossenen Episoden verschiedener Autoren, sondern um nur eine einzige, fortlaufende, in sich verschachtelte Geschichte zu erzählen, die auf der gleichnamigen Manga-Serie von Robin Nishi beruht. Zusätzlich kamen Schauspieler zum Einsatz, die teilweise überzeichnet oder mit Animationen kombiniert wurden. Überhaupt sind die verschiedenen Stile hier nicht fein säuberlich von einander getrennt, sondern wechseln sich in rascher Folge ab, fließen ineinander, überlagern und ergänzen sich, was ebenso bunt, einfallsreich und skurril ist, wie die Geschichte, die sie erzählen, und das, obwohl es doch eigentlich um sehr ernste Themen geht: um das Überwinden von Ängsten und Hindernissen, um Liebe, das Leben und den ganzen Rest. Und Gott kommt auch zu Wort.

(Mind Game, Japan 2004; Regie: Masaaki Yuasa.)

Genius Party

„Taken from the fact that water is at its densest at that temperature, 4°C represents STUDIO 4°C‘s creative manifesto to ‚create only works that are dense with substance and extreme quality‘.“ So ist es zu lesen auf der website des japanischen Anime-Studios 4°C und ein schönes Beispiel für die angestrebte ‚Dichte an Substanz‘ ist die Produktion des Studios mit dem auch nicht eben bescheidenen Titel „Genius Party“: insgesamt zwölf Anime-Kurzfilme von zwölf verschiedenen Regisseuren.

Einige der Beteiligten waren schon vorher als Anime-Regisseure erfolgreich, zum Beispiel Mahiro Maeda, der vorher für das Studio Ghibli tätig war und Koji Morimoto, der vorher ebenfalls für einen der ganz Großen des japanischen Animes, Katsuhiro Otomo, gearbeitet hatte und zudem u.a. für das Video zu „Extra“ von Ken Ishii verantwortlich war; auch hatten beide Segmente zum 2003 erschienenen Film „The Animatrix“ von Studio 4°C beigesteuert. Oder Masaaki Yuasa, der beim – ebenfalls von Studio 4°C produzierten – abendfüllenden Anime „Mind Game“ von 2004 die Regie führte und Kazuto Nakazawa, der für die Animation des auf MTV im Jahr 2004 ausgesprochen beliebten Musikvideos „Breaking the Habit“ von Linkin Park verantwortlich war. Andere, wie Shinji Kimura und Yoji Fukuyama hatten sich bereits als Zeichner oder künstlerische Leiter bei anderen Projekten einen guten Ruf erworben, gaben hier aber ihr Debüt als eigenverantwortliche Anime-Regisseure.

Ihnen allen – dies betonte man im Studio 4°C – ließ man, soweit wie möglich, freie Hand für ihre Ideen, es gab lediglich als Vorgabe das Thema „Energie“, aber wie dies zeichnerisch oder erzählerisch umzusetzen war, blieb den Künstlern überlassen. Und so sind zwölf in jeder Hinsicht sehr unterschiedliche Anime-Kurzfilme entstanden, von denen die ersten sieben im Jahr 2007 unter dem Titel „Genius Party“ erschienen und die nächsten fünf 2008 als „Genius Party Beyond“ folgten.

Welche von diesen nun auch das Prädikat „genial“ verdient haben, mag man beim Zuschauen für jeden einzeln entscheiden, aber sehenswert sind sie sicherlich alle.

(Genius Party, Japan 2007; Regie: Atsuko Fukushima, Shoji Kawamori, Shinji Kimura, Yoji Fukuyama, Hideki Futamura, Masaaki Yuasa, Shin’ichiro Watanabe und Genius Party Beyond, Japan 2008; Regie: Mahiro Maeda, Koji Morimoto, Kazuto Nakazawa, Shin’ya Ohira, Tatsuyuki Tanaka.)

Tokyo Godfathers

Und noch ein Weihnachtsfilm: Es ist Heiligabend, man singt „Stille Nacht“ auf Japanisch und in den Straßen Tokyos ist eine heilige Familie der besonderen Art unterwegs. Natürlich mit Kind.

(Es gab da wohl auch im Jahre 1948 mal einen Western von John Ford, mit dem Titel „Three Godfathers“, der hier irgendwie als Vorlage diente, aber dessen Geschichte ist eigentlich eine ganz andere, und er spielte natürlich auch nicht in Tokyo und war kein Anime, sondern mit John Wayne, weshalb er hier nicht weiter von Interesse ist.)

Die drei Paten in „Tokyo Godfathers“, hingegen wurden vom früh verstorbenen Satoshi Kon kreiert, der nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch für die Regie verantwortlich war und der von sich selbst sagte, er sei die üblichen Klischees der japanischen Animes in Massenproduktion – „robots and beautiful little girls“ – einfach leid, weshalb es hier konsequenterweise weder das eine noch das andere zu sehen gibt, denn Roboter sind in diesem Teil Tokyos ferne Luxusprodukte und kleine Mädchen kratzbürstig bis aggressiv.

Überhaupt sind die Heldinnen und Helden dieser Geschichte, ebenso wie ihre näheren Lebensumstände, eher ungewöhnlich, nicht nur für einen japanischen Zeichentrickfilm, den man übrigens, wie ja eigentlich alle Filme, unbedingt in der Originalfassung schauen sollte, denn die japanischen Sprecher machen ihre Sache unübertreffbar gut. Fürs Verständnis gibt es ja Untertitel und man kann auch gleich ein paar interessante japanische Redewendungen und Schimpfwörter mitnehmen. Von Letzteren einmal abgesehen: ja, dieser Film ist kitschig, aber das ist Weihnachten schließlich auch. Und wer das nicht aushalten kann, schaut sich zur Erholung einfach nochmal diesen Film hier an.

(Tokyo Godfathers, Japan 2003; Regie: Satoshi Kon.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)