Tonari no Totoro

Ein Katana ist ein japanisches Langschwert mit einer sehr scharfen, leicht gebogenen Klinge, eine gefährliche Waffe und fester Bestandteil der Ausrüstung der japanischen Samurai. Wenn man ein solches Schwert zugeschickt bekommt, ist dies nicht unbedingt als Freundschaftsgabe zu verstehen, auch dann nicht, wenn der Empfänger es Ende der 1990er in den USA erhält, sein Name Harvey Weinstein lautet und er einer der einflussreichsten amerikanischen Filmproduzenten ist. Aber dass der Absender zu derart eindringlichen Argumenten griff, hatte durchaus seinen Grund, denn Toshio Suzuki, der Chefproduzent des japanischen Studio Ghibli, ebenso wie die beiden Gründer Hayao Miyazaki und Isao Takahata waren es leid, mitansehen zu müssen, wie ihre Filme in kaum wieder erkennbaren Fassungen, gekürzt, umgeschnitten und mit völlig verfremdeter Handlung, in die Kinos der USA kamen, nur weil die dortigen Produzenten dies für publikumsverträglicher hielten.

Dabei wussten Hayao Miyazaki und Isao Takahata ganz genau, wie ihre Filme aussehen sollten und es konnte auch niemand besser wissen als sie, waren sie doch beide schon seit vielen Jahren als Autoren, Zeichner und Regisseure von japanischen Zeichentrickfilmen/Animes, sehr erfolgreich. Beide hatten Erfahrungen in verschiedenen japanischen Zeichentrickstudios gesammelt, schon bevor sie sich im Studio Toei Animation in Tokyo kennenlernten, welches seine Anime-Serien und Filme schon damals weltweit verkaufte, u.a. auch an das deutsche Fernsehen. Bei Toei Animation stießen sie auch auf Toshio Suzuki und gründeten 1985 gemeinsam eine eigene Produktionsfirma, das Studio Ghibli. Die finanzielle Grundlage hierfür hatte der Erfolg von Miyazakis Film Nausikaä aus dem Tal der Winde begründet, und eben dieser kam unter dem Titel Warriors of the Wind in den USA in einer derart verstümmelten Version in die Kinos, das Toshio Suzuki sich stellvertretend für das Studio Ghibli dazu veranlasst fühlte, sich öffentlich von ihr zu distanzieren.

Zunächst beschloss man bei Ghibli keine Verträge mehr mit westlichen Verleihfirmen abzuschließen und konzentrierte sich jahrelang hauptsächlich auf den japanischen Markt. Mit großem Erfolg, was selbstverständlich erneut das Interesse amerikanischer Film-Vermarkter weckte. 1996 gingen sowohl die Kino- als auch alle weiteren Vermarktungs- und Vertriebsrechte an die Walt Disney Company bzw. Miramax, aber nicht ohne eine spezielle Klausel, die jede Art von ungenehmigten Eingriffen in die Filme von vornherein ausschloss. Als aber dennoch Miramax in Person von Harvey Weinstein bei einem Treffen mit Hayao Miyazaki aggressiv auf Änderungen bei ihrem damals gerade fertiggestellten Film, Prinzessin Monoke, insistierte, da war es Zeit für das oben erwähnte Packet. Immerhin scheint die Botschaft angekommen zu sein, die da lautete: „No cuts!“ Keine Kürzungen!

Denn sowohl Prinzessin Mononoke als auch alle folgenden Produktionen des Studio Ghibli kamen in den USA und Europa in ungeschnittenen Fassungen auf den Markt, mehrheitlich hatte man auf den DVDs die Wahl zwischen dem Original mit Untertiteln oder aufwendig gemachten Synchronisationen mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern. Man darf wohl auch bezweifeln, dass andernfalls Prinzessin Monoke in seinem Erscheinungsjahr 1997 zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten geworden wäre, und das Gleiche gilt wohl auch für Chihiros Reise ins Zauberland von 2001, der Prinzession Monoke nicht nur als erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten weltweit ablöste, sondern 2002 auch mit dem Goldenen Bären in Berlin sowie 2003 in Los Angeles mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Tonari no Totoro, zu deutsch: Mein Nachbar Totoro, ist einer der frühesten Filme des Studio Ghibli, Hayao Miyazaki und viele andere haben unter seiner Leitung zwei Jahre lang daran gearbeitet, ohne Computer-Einsatz, mit von Hand gezeichneten Folien und gemalten Hintergründen in Aquarell-Technik. Als er 1988 in die Kinos kam, befürchtete Hayao Miyazaki einen Flop und damit das Ende des Ghibli-Studios, aber hier irrte er sich, Totoro ist vielmehr bis heute das Markenzeichen von Studio Ghibli.

(Tonari no Totoro, Japan 1988; Regie: Hayao Miyazaki.)