Tag Archives: Toho

Nora Inu

Es ist heiß in Tokyo, im Sommer 1949. Der Polizeialltag ist ohnehin mühsam genug und wird durch die Hitze nicht leichter. Der Tag war lang, der Weg nach Hause ist es auch, der Bus ist völlig überfüllt mit schwitzenden Menschen. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, jemand nutzt seine Chance und die Dienstwaffe ist gestohlen – eine gerade in dieser Zeit auf dem Schwarzmarkt besonders seltene und wertvolle Ware. Für den jungen Polizisten kann es das Ende seiner Karriere bedeuten, aber nicht nur dies, auch das Gefühl, dass es in seiner Verantwortung liegt, was nun mit der Pistole geschieht, treibt ihn an, sich auf die Suche nach Dieb und Waffe zu machen.

Fünf Jahre bevor Regisseur Ishiro Honda diesen Zeitgenossen auf Tokyo los ließ, war er noch hoch geschätzter Erster Regie-Assistent von Akira Kurosawa. Und als solcher lieferte er für Kurosawas Film Nora Inu (Stray Dog), ganz wesentliche Szenen: Gemeinsam mit Kameramann Kazuo Yamada war Honda in jene Viertel von Tokyo gegangen, die damals als gefährlich und teilweise von Yakuza beherrscht galten, um dort zu filmen. Größere Gruppen, womöglich noch mit Schauspielern wären hier nur unangenehm aufgefallen und so kam es, dass in jenen Szenen, die den Hauptcharakter Murakami, eigentlich dargestellt von Toshiro Mifune, von der Taille abwärts zeigen, tatsächlich meist Honda zu sehen ist.

Ebenfalls zu sehen ist das Tokyo der Nachkriegszeit, vor allem aber die Menschen, die dort leben und weiterhin versuchen klar zu kommen – die einen, indem sie erfüllen, was sie für ihre Pflicht halten, die anderen auf anderen Wegen. Bei seinen Ermittlungen wird unser Held von seinem älteren und erfahrenen Kollegen Sato begleitet und schon diese beiden, obwohl sie gut miteinander auskommen, haben völlig verschiedene Perspektiven auf das Geschehen und seine Ursachen – sind es in erster Linie die Umstände, die das Handeln der Menschen bestimmen, oder liegt eben doch das meiste in der persönlichen Verantwortung? – Themen, die so schon schwierig genug sind, wenn es nicht auch noch so unerträglich heiß wäre.

Und Themen, die fast fünfzig Jahre später in derselben Stadt von einem anderen japanischen Regisseur ganz anders behandelt werden.

(Nora Inu, Japan 1949; Regie: Akira Kurosawa.)

Godzilla

Nuklearwaffen-Tests wecken in den Tiefen des Ozeans einen riesigen Dinosaurier, der sich prompt auf den Weg Richtung New York macht, um dort Wolkenkratzer umzuwerfen, Züge und Autos platt zu treten und die in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung vor sich her zu treiben… New York?! Ja, New York, denn ein Jahr bevor Godzilla bzw. Gojira sich anschickte, Japans Hauptstadt nieder zu trampeln, hatte das „Beast from 20.000 Fathoms“ bereits sehr erfolgreich „Panik in New York“ verbreitet.

Die Idee war schon damals nicht völlig neu gewesen – auch King Kong hatte 1933, vom Stop-Motion-Pionier Willis H. O‘Brien animiert, die weiße Frau Fay Wray auf seiner Heimatinsel Skull Island gegen gigantische Urzeitechsen verteidigt – und bekanntlich hatte auch er es ja bis nach New York und auf das Empire State Building geschafft. Zudem war King Kong nach seiner Premiere immer wieder erfolgreich in den amerikanischen Kinos gelaufen und als er 1952 erneut beim Publikum gut ankam, fragten sich die Produzenten in Hollywood wohl, welche Arten von Getier man denn noch so auf New York loslassen könnte, zudem Willis H. O‘Brien mit Ray Harryhausen einen Meisterschüler in Sachen Tricktechnik herangezogen hatte, der mittlerweile ausreichend Ideen für ein eigenes Großprojekt beisammen hatte.

Aber während King Kong und seine Mitmonster noch als zwar außergewöhnlich große, aber dennoch auf natürlichem Wege entstandene Geschöpfe auftraten, kam nun, aus aktuellem Anlass, ein neuer Aspekt hinzu: die gefährlichen Kreaturen wurden durch den Einsatz von Nuklearwaffen erweckt oder entstanden gar erst qua Mutation – entsprechend größer war ihre Zerstörungskraft, und die Verantwortung dafür lag jetzt nicht mehr bei Mutter Natur, sondern der Menschheit.

Ein Gedanke, dessen filmische Umsetzung in Japan auch bereits in Planung war, wo man im Studio Toho einen Film vorbereitete, in dem ebenfalls nach einem schief gegangenen Nuklearwaffen-Experiment ein Monster aus dem Meer kommen sollte, irgendetwas zwischen Gorilla und Wal (daher der Name Gojira bzw. Godzilla), auch ein gigantischer Oktopus oder ein riesiges Meereswesen mit einem Pilz-Kopf wurden in Betracht gezogen. Nachdem aber Tomoyuki Tanaka, einer der Produzenten von Toho, den Dinosaurier in New York gesehen hatte, fand man das Szenario offensichtlich so einleuchtend, dass die Gestalt des Monsters und Teile der Handlung weitgehend übernommen, nach Tokyo verlegt und im Toho-Studio neu verfilmt wurden.

Einer, der gerne die Regie für diesen bzw. einen der folgenden Godzilla-Filme übernommen hätte, war Akira Kurosawa, der aber bei Studio Toho schon für seinen Perfektionismus berüchtigt war, welcher ihn angeblich auch schon mal Ströme umleiten und Hausdächer ab- und wieder aufdecken ließ, wenn es seinen Vorstellungen besser entsprach. Und so kam es wohl, dass die Produzenten bei Toho Co., Ltd. lieber nicht herausfinden wollten, wie aufwendig ein Film, in dem eine gigantische Echse die größte Stadt Japans in Schutt und Asche legt, in den Händen Kurosawas werden würde – und wie teuer.

Stattdessen drehte Kurosawa seine Sieben Samurai, während sein enger Freund Ishiro Honda für Drehbuch und Regie bei Godzilla verantwortlich war. Beide Projekte liefen parallel und gerieten in jeder Hinsicht derart aufwendig, dass sie das Studio Toho fast ruiniert hätten. Beide Filme waren aber auch sehr erfolgreich und wurden zum Beispiel für den Japanese Academy Award als Bester Film nominiert, wobei Sieben Samurai gewann; Godzilla aber war der erste japanische Film, der es nach Jahren ernster politischer Probleme zwischen beiden Ländern, in die Kinos von Korea schaffte, was vielleicht ein noch größerer Erfolg war.

Mit der Tricktechnik von Ray Harryhausen konnte man es in Japan allerdings noch nicht aufnehmen, weshalb man einen Anzug konstruierte, in dem ein Mensch steckte, in diesem Falle der Schauspieler Haruo Nakajima, der keine leichte Aufgabe hatte, denn das Ding war so schwer und wenig luftdurchlässig, dass er immer nur ein paar Minuten darin agieren konnte. So hält sich auch hartnäckig das Gerücht, ein Großteil der Zerstörung des Miniatur-Tokyos sei auf Ohnmachtsanfälle von Godzilla bzw. Nakajima zurückzuführen.

Dennoch war es Godzilla, der auf lange Sicht wesentlich erfolgreicher war, als das namenlose Beast von New York, was schließlich auch Hollywood anerkennen musste und der zahlreiche Nachfolger hervorbrachte, die dann auch gegen King Kong, diverse Außerirdische oder Meeresmonster und viele andere mehr antreten durften. So viele, dass eigentlich nur aufrichtige Fans des Genres hier noch den Überblick behalten können.

(Godzilla, Japan 1954; Regie: Ishiro Honda.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)

Tengoku to Jigoku

Akira Kurosawa hatte bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben, bevor er seinen ersten Film als Regisseur drehte, dementsprechend wichtig waren ihm diese auch von Anfang an bei seinen eigenen Filmen. In seinen 1975 durch die Toho Company, deren langjähriger Angestellter er war, veröffentlichten Ratschlägen an junge Aspiranten des Filmgewerbes, heißt es z. B.: „Mit einem guten Drehbuch kann ein guter Regisseur ein Meisterwerk produzieren; mit dem selben Drehbuch kann ein mittelmäßiger Regisseur einen passablen Film machen. Aber aus einem schlechten Drehbuch kann nicht einmal ein guter Regisseur einen guten Film machen.“

In seiner Autobiographie empfiehlt Kurosawa zudem, man solle Drehbücher stets in kleinen Gruppen von mindestens drei Leuten schreiben, um mehrere, verschiedene Perspektiven zu erhalten. Er selbst arbeitete regelmäßig mit denselben fünf Drehbuchautoren zusammen: Eijirō Hisaita, Ryuzo Kikushima, Shinobu Hashimoto, Hideo Oguni und Masato Ide, die auch schon mal gruppenweise so lange in einem japanischen Onsen versammelt und von jeglicher Ablenkung ferngehalten wurden, bis Kurosawa zufrieden war und ein verwertbares Script hatte.

Damit nicht genug, verfasste Kurosawa aber auch noch, so schreibt es zumindest Stuart Galbraith in seinem Buch The Emperor and the Wolf: The Lives and Films of Akira Kurosawa and Toshiro Mifune (2002) zu manchen seiner Filme umfangreiche, Detail versessene Ausführungen, die keine Fragen über die Umsetzung seiner Vorstellungen mehr offen ließen, bis hin zu ausführlichen Genealogien der Hauptfiguren und der Art und Weise, wie bestimmte Charaktere gehen, grüßen, oder sich ihre Schuhe zubinden sollten.

Auch wenn Kurosawa für seine Drehbücher auf literarische Vorlagen zurückgriff, war er wählerisch – und ausgesprochen vielseitig: es konnte sich dabei sowohl um zeitgenössische japanische Romane, als auch um Shakespeares Macbeth handeln, den er ins Japan der Feudalzeit verlegte, oder er verfilmte Maxims Gorkis Theaterstück Nachtasyl. Im Falle von Tengoku to Jigoku (zu deutsch: Himmel und Hölle), kam die Vorlage allerdings von dem amerikanischen Krimiautor Ed McBain, der im selben Jahr, als Akira Kurosawa auf der Grundlage seines Krimis „King‘s Ransom“ den Film Tengoku to Jigoku drehte, seinerseits wiederum nach einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier für Alfred Hitchcock das Drehbuch zu Die Vögel schrieb…

(Tengoku to Jigoku, Japan 1963; Regie: Akira Kurosawa.)

Tonari no Totoro

Ein Katana ist ein japanisches Langschwert mit einer sehr scharfen, leicht gebogenen Klinge, eine gefährliche Waffe und fester Bestandteil der Ausrüstung der japanischen Samurai. Wenn man ein solches Schwert zugeschickt bekommt, ist dies nicht unbedingt als Freundschaftsgabe zu verstehen, auch dann nicht, wenn der Empfänger es Ende der 1990er in den USA erhält, sein Name Harvey Weinstein lautet und er einer der einflussreichsten amerikanischen Filmproduzenten ist. Aber dass der Absender zu derart eindringlichen Argumenten griff, hatte durchaus seinen Grund, denn Toshio Suzuki, der Chefproduzent des japanischen Studio Ghibli, ebenso wie die beiden Gründer Hayao Miyazaki und Isao Takahata waren es leid, mitansehen zu müssen, wie ihre Filme in kaum wieder erkennbaren Fassungen, gekürzt, umgeschnitten und mit völlig verfremdeter Handlung, in die Kinos der USA kamen, nur weil die dortigen Produzenten dies für publikumsverträglicher hielten.

Dabei wussten Hayao Miyazaki und Isao Takahata ganz genau, wie ihre Filme aussehen sollten und es konnte auch niemand besser wissen als sie, waren sie doch beide schon seit vielen Jahren als Autoren, Zeichner und Regisseure von japanischen Zeichentrickfilmen/Animes, sehr erfolgreich. Beide hatten Erfahrungen in verschiedenen japanischen Zeichentrickstudios gesammelt, schon bevor sie sich im Studio Toei Animation in Tokyo kennenlernten, welches seine Anime-Serien und Filme schon damals weltweit verkaufte, u.a. auch an das deutsche Fernsehen. Bei Toei Animation stießen sie auch auf Toshio Suzuki und gründeten 1985 gemeinsam eine eigene Produktionsfirma, das Studio Ghibli. Die finanzielle Grundlage hierfür hatte der Erfolg von Miyazakis Film Nausikaä aus dem Tal der Winde begründet, und eben dieser kam unter dem Titel Warriors of the Wind in den USA in einer derart verstümmelten Version in die Kinos, das Toshio Suzuki sich stellvertretend für das Studio Ghibli dazu veranlasst fühlte, sich öffentlich von ihr zu distanzieren.

Zunächst beschloss man bei Ghibli keine Verträge mehr mit westlichen Verleihfirmen abzuschließen und konzentrierte sich jahrelang hauptsächlich auf den japanischen Markt. Mit großem Erfolg, was selbstverständlich erneut das Interesse amerikanischer Film-Vermarkter weckte. 1996 gingen sowohl die Kino- als auch alle weiteren Vermarktungs- und Vertriebsrechte an die Walt Disney Company bzw. Miramax, aber nicht ohne eine spezielle Klausel, die jede Art von ungenehmigten Eingriffen in die Filme von vornherein ausschloss. Als aber dennoch Miramax in Person von Harvey Weinstein bei einem Treffen mit Hayao Miyazaki aggressiv auf Änderungen bei ihrem damals gerade fertiggestellten Film, Prinzessin Monoke, insistierte, da war es Zeit für das oben erwähnte Packet. Immerhin scheint die Botschaft angekommen zu sein, die da lautete: „No cuts!“ Keine Kürzungen!

Denn sowohl Prinzessin Mononoke als auch alle folgenden Produktionen des Studio Ghibli kamen in den USA und Europa in ungeschnittenen Fassungen auf den Markt, mehrheitlich hatte man auf den DVDs die Wahl zwischen dem Original mit Untertiteln oder aufwendig gemachten Synchronisationen mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern. Man darf wohl auch bezweifeln, dass andernfalls Prinzessin Monoke in seinem Erscheinungsjahr 1997 zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten geworden wäre, und das Gleiche gilt wohl auch für Chihiros Reise ins Zauberland von 2001, der Prinzession Monoke nicht nur als erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten weltweit ablöste, sondern 2002 auch mit dem Goldenen Bären in Berlin sowie 2003 in Los Angeles mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Tonari no Totoro, zu deutsch: Mein Nachbar Totoro, ist einer der frühesten Filme des Studio Ghibli, Hayao Miyazaki und viele andere haben unter seiner Leitung zwei Jahre lang daran gearbeitet, ohne Computer-Einsatz, mit von Hand gezeichneten Folien und gemalten Hintergründen in Aquarell-Technik. Als er 1988 in die Kinos kam, befürchtete Hayao Miyazaki einen Flop und damit das Ende des Ghibli-Studios, aber hier irrte er sich, Totoro ist vielmehr bis heute das Markenzeichen von Studio Ghibli.

(Tonari no Totoro, Japan 1988; Regie: Hayao Miyazaki.)

Yojimbo

Im Jahr 1964 gelang es Sergio Leone mit Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar) den Western völlig neu zu erfinden. Die Coolness und Unabhängigkeit des namenlosen Helden, einer Spielernatur, die nur ihrer eigenen Moral folgt, aber auch die Brutalität und Grausamkeit des Gezeigten waren so in dem bislang von Hollywood dominierten Genre nicht zu sehen gewesen.

Dumm nur, dass Leones Film von der Verlegung des Schauplatzes einmal abgesehen, die geradezu Szenen genaue Kopie eines drei Jahre älteren japanischen Films war, und dass, sowohl Leone selbst, als auch seine Produzenten, es versäumt hatten, sich mit Fragen des Urheberrechtes zu befassen und eine Erlaubnis für das Remake einzuholen. Dumm auch, da der Regisseur des Originals Akira Kurosawa war, ein zu diesem Zeitpunkt bereits hochberühmter und von vielen anderen Filmemachern verehrter Regisseur, der schnell von der unauthorisierten Neuverfilmung erfuhr. Zuerst wandte er sich persönlich in einem Brief an Leone und als dieser das Vorbild einfach leugnete, zog Kurosawa in Italien vor Gericht. Mit Erfolg: nach jahrelangem Prozess einigte man sich außergerichtlich, und zwar durchaus im Sinne Kurosawas, der 15% der weltweiten Einnahmen und die Verwertungsrechte auf dem asiatischen Markt erhielt.

Leone war nicht der erste, der auf die Idee kam, einen von Kurosawas Samurai-Filmen ins Western-Genre zu übertragen: schon im Jahr 1960 hatte John Sturges mit seinem Film The Magnificent Seven (Die glorreichen Sieben) nach der Vorlage von Kurosawas Shichinin no samurai (Die sieben Samurai) aus dem Jahr 1954, einen Klassiker abgeliefert, während das Remake von Kurosawas Rashomon (1950) als The Outrage unter der Regie von Martin Ritt (und wie Leones Film aus dem Jahr 1964), trotz Edward G. Robinson und Paul Newman als Hauptdarsteller ein Flop wurde.

Aber Leone schaffte es, obwohl er sich in Handlung, Szenen-Abfolge und teilweise bis zu den Kamera-Einstellungen und dem Einsatz von Geräuschen und Filmmusik eng an Yojimbo hielt, doch etwas Neues zu schaffen und damit wiederum ein eigenes Genre, den so genannten „Spaghetti-“ oder „Italo-Western“ zu begründen, der nicht nur viele Fans fand, sondern seinerseits wieder stilbildend wirkte.

Selbstverständlich sind beide Filme sehenswert, Yojimbo wie auch Per un pugno di dollari, ganz besonders im direkten Vergleich: wie aus einem japanischen Dorf in der Mitte des 19. Jahrhunderts, ein zeitgleiches mexikanisches wird, aus einem namenlosen Samurai ein Revolverheld und aus einer Schale Reis ein Bohnensüppchen. Aber Kurosawas Yojimbo bleibt eben das Vorbild.

(Yojimbo, Japan 1961; Regie: Akira Kurosawa.)