Tag Archives: USA

And Then There Were None

Wenn man einen allseits bekannten Buch-Klassiker als Grundlage eines Films nimmt, ist einem das Interesse mindestens all derer, die das Original zu einem Bestseller gemacht haben, wohl sicher. Wenn es sich dabei aber um ein Buch von Agatha Christie handelt, das schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1939, zu einem Bestseller wurde und bis heute mit mehr als 100 Millionen Exemplaren eines der meist verkauften Bücher überhaupt ist, und überdies ebenfalls sehr erfolgreich als Theaterstück in London und am Broadway lief, dann steht man vor dem Problem, einen Krimi zu verfilmen, dessen komplette Handlung und Auflösung hinlänglich bekannt sind und dann, ja, dann muss man sich schon ein bisschen was einfallen lassen.

Einige Abweichungen von Christies Buch schienen der Produktionsfirma 20th Century Fox ohnehin notwendig, denn kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges meinte man das amerikanische Publikum wohl mit so krassen Themen wie Kindsmord und Teenager-Schwangerschaften nicht verstören zu dürfen. Während man aber den Film zunächst in Großbritannien unter demselben Titel in die Kinos brachte, den auch das Buch von Agatha Christie im Original hatte: Ten little Niggers, wurde er in den USA umbenannt in And Then There Were None.

Aber um die bei einem Krimi nötige Spannung zu erzeugen, reichen solche kleinen Veränderungen mit Sicherheit nicht aus, schließlich wird hier aus einem ursprünglichen ‘Whodunit’ ein ‘Howdidtheymakeit’, nicht im Hinblick auf die Protagonisten der Geschichte, sondern auf die Art und Weise der Inszenierung.

Gut, man kann das Ende anders gestalten, aber dies war ja für die Theaterfassung bereits geschehen, und überdies: wie schafft man es, dass die Zuschauer überhaupt solange dabei bleiben?

Auf alle Fälle sollte man natürlich die Schauspieler sorgfältig auswählen. Hervorragende Darsteller gibt es allerdings auch am Theater – beim Schauplatz der Handlung hingegen, hat ein Film schon viel mehr Spielraum und um dies gleich von Anfang an klar zu machen, geht es zu Beginn mit den Protagonisten erst mal aufs Wasser, in ein kleines Boot, wo wir Zuschauer während der Überfahrt dann auch genügend Zeit haben, zu erraten, wer denn nun gleich wen darstellen wird.

Vor allem aber ist es sicherlich klug, zu den Tricks zu greifen, die der Literatur und auch dem Theater eben nicht zu Verfügung stehen: lange Einstellungen auf dunkle Korridore zum Beispiel, in denen sich Türen langsam öffnen, um… und genau dies wird hier ausgiebig getan. Aber mit eben dem abwechslungsreichen Tempo, dass schnell vergessen lässt, dass die Geschichte ja eigentlich keine Überraschungen mehr zu bieten hat, oder doch?

Da der Film sich mittlerweile in der Public Domain befindet, ist davon auszugehen, dass der Mensch, der so freundlich war, ihn bei Youtube komplett einzustellen, sich damit nicht strafbar macht und so kann man, ganz nach Belieben, eigentlich gleich losschauen.

(And Then There Were None, USA 1945; Regie: René Clair.)

The Cat and the Canary

Hier haben wir den Beweis, dass das Grusel-Horror-Geister-Film Genre sein stilgerechtes Medium nicht nur im schwarz/weiß, sondern auch im Stummfilm hat.

Zunächst einmal ist alles vorhanden, was man von dieser Art Film und einem Regisseur, der gerade erst vom deutschen Expressionismus in die USA übergesiedelt war, erwarten darf: ein einsam gelegenes, unheilvolles Haus mit vielen dunklen Schatten, finsteren Ecken und langen düsteren Korridoren (mit wehenden Vorhängen!) und natürlich Treppen, Geheimtüren, -fächer und -gänge und nicht zu vergessen, das überdimensionierte Mobiliar, welches seinerseits wieder schöne, lange, schwarze Schatten wirft und alles zusammen bildet einen effektvollen Kontrast zu den Gesichtern der Menschen, die sich darin bewegen – hell und weiß und meist mit weit aufgerissenen Augen

Überdies spielt die Geschichte natürlich bei Nacht und spätestens hier ist vollkommen klar: in Farbe sähe all dies bei weitem nicht so eindrucksvoll aus (oder schlimmer noch, so albern, wie in der Neuverfilmung von 1978).

Aber auch, dass es sich um einen Stummfilm handelt, ist unbedingt von Vorteil, denn an den Stellen, wo es sinnvoll war, zeigte sich Regisseur Paul Leni ausgesprochen kreativ darin, Ton in Bilder umzusetzen, sei es zum Beispiel beim Schlagen einer Uhr oder auch bei der Gestaltung von Zwischentiteln, die es in ihrer Aussagekraft teilweise durchaus mit Comic-Sprache aufnehmen könnten, während die Tatsache, dass man die ganze Schreierei nur sieht und nicht hört, wiederum recht angenehm ist.

Und wer nun Laune bekommen hat, sich einen Klassiker des Grusel-Genres anzuschauen, kann dies ohne Umstände tun, denn wie so vieles Schöne und Spannende steht auch The Cat and the Canary bei archive.org zu Ansicht und Download bereit. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen, denn die von Hugo Riesenfeld komponierte ist nicht dabei, aber vielleicht wird man ja hier fündig, oder hier…?

(The Cat and the Canary, USA 1927; Regie: Paul Leni.)

 

The Private Life of a Cat

Subversion, ebenso wie Anstand und Moral, mögen ja, wie so Vieles andere, im Auge des Betrachters liegen. Dass es aber die New Yorker Zensurbehörde tatsächlich schaffte, diesen Film des Avantgarde-Regisseurs Alexander Hammid und seiner damaligen Frau, Maya Deren, die bis heute als eine der wichtigsten amerikanischen Avantgarde-Künstlerinnen gilt, als „unanständig“ einzustufen und gleichzeitig ein Verbot der öffentlichen Aufführung verhängte, ist doch noch immer erstaunlich.

Aber, so berichtet es Amos Vogel sowohl in diesem Film, als auch in seinem Buch, eben dieses war der Fall, als The Private Life of a Cat im Jahr 1948 im Rahmen von Cinema 16 zum ersten Mal aufgeführt werden sollte. Begründet wurde die Entscheidung der Zensurbeamten damit, dass im Film eine Geburt gezeigt wird. Da es sich um einen Stummfilm handelt ohne Ton und in schwarz-weiß, aber von sehr nah.

Allerdings war es nicht nur so, dass der zu diesem glücklichen Ereignis führende, vorherige Zeugungsakt von den Filmemachern schamhaft weggelassen, weder gezeigt oder auch nur erwähnt wurde, sondern es handelt sich darüber hinaus, wie der Titel schon sagt: um Katzen.

Nun, immerhin in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten geändert: Katzencontent ist heutzutage im Internet an der einen oder anderen Stelle zu finden und auch The Private Live of a Cat ist bei archive.org zu Ansicht und Download bereitgestellt. Und so steht es jedem frei, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob die gezeigten Bilder tatsächlich so unanständig sind, dass ihre Aufführung verboten gehörte, oder einfach nur unfassbar putzig.

(The Private Life of a Cat, USA 1944; Regie: Alexander Hammid.)

 

Film as a subversive Art:

Amos Vogel and Cinema 16

You know there is something I call visual sensibility. A sensibility for form, shape, abstract images. And this is really what made me love these very art films. I mean surrealist-films, abstract films and many other types. All kinds of avantgarde films. I was very taken by them. I always felt that if I have this sensibility – obvioulsly I‘m not unique – and I would think that there would be other people who would like to see these films, too.“

…eine Annahme, mit der Amos Vogel unbedingt recht behalten sollte, denn als er im Jahr 1947 mit Cinema 16 den ersten New Yorker Avantgarde Film Club gründete, fand dieser rasch Interesse und brachte es bis 1963 – so lange betrieb Amos Vogel Cinema 16 gemeinsam mit seiner Frau Marcia – auf stolze 7000 Mitglieder, mit regelmäßigen Filmvorführungen in einem Kino, das 1600 Plätze hatte. Und weil dies nicht reichte, fanden die meisten Veranstaltungen zweimal am selben Tag statt.

Fast 40 Jahre nach dem Ende von Cinema 16, im Jahr 2004 zog Paul Cronin, ein britischer Dokumentar-Filmer los, um über den damals 82jährigen Amos Vogel einen Interview-Film zu drehen und mehr muss man dazu eigentlich auch gar nicht sagen, das erzählt Amos Vogel hier alles schon selbst. Bleibt also nur noch darauf hinzuweisen, dass Paul Cronin so freundlich war, seinen Film an dieser Stelle legal und kostenfrei zur Ansicht zur Verfügung zu stellen und dreimal den Buzzer zu betätigen: „Look at the screen immediatelty!”

(Film as a subversive Art: Amos Vogel and Cinema 16, Großbritannien 2004; Regie: Paul Cronin.)

 

Hollywood Chinese

… wie gut Bernardo Bertolucci mit seinem Film den Geschmack Hollywoods getroffen hatte, zeigte sich bei der Verleihung der Academy Awards im Jahr 1988, wo er mit neun Oscars ausgezeichnet wurde – inklusive als „Best Picture“ und „Best Director“.

Wobei Hollywood zu diesem Zeitpunkt bereits eine recht klar definierte Vorstellung von China und seinen Einwohnern hatte, waren diese doch schon seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der dortigen Produktionen, sei es als Erzbösewicht, als Detektiv, als devote Ehefrau oder als Prostituierte, die allerdings anfangs eher selten von Schauspielern chinesischer Herkunft dargestellt wurden, und falls doch, so sah man es ihnen bisweilen nicht allzu sehr an. Stattdessen wurden fröhlich die Klischees verbreitet: Hollywoods Chinesinnen waren von exotischer Schönheit und unterwürfig den weißen Männern ergeben, ihre männlichen Pendants hingegen sprachen gerne eine alberne Sprache, mit der sie pseudo-asiatische Weisheiten verbreiteten.

Diese Stereotypen waren derart hartnäckig, dass auch später, als man in Hollywood immerhin schon soweit war, Rollen, die für Asiaten vorgesehen waren, auch mit Asiaten zu besetzen, diese wiederum vor dem Problem standen, möglichst exakt den Erwartungen der Produzenten entsprechen zu müssen, was in den meisten Fällen bedeutete, das Klischee wieder zu kopieren. Dies ging schließlich so weit, dass Schauspielerinnen wie Joan Chen für ihre Rollen mit Sprechtrainern das spezielle Pidgin einüben mussten, das zwar außerhalb von Hollywood-Filmen niemand sprach, hier aber Pflicht war.

Diese und andere Geschichten erzählen Schauspielerinnen und Schauspieler, Drehbuchautoren, Schriftstellerinnen und viele andere, in der Dokumentation von Arthur Dong Hollywood Chinese – The Chinese in American Feature Film von 2007. Zu Wort kommt hier zum Beispiel auch Lisa Liu, die immerhin den Mut besaß, gelegentlich ihre Regisseure darauf hinzuweisen, wenn sie sich ihrer Ansicht nach allzu weit von den China üblichen Gepflogenheiten entfernten, worüber die jeweiligen Regisseure stets höflich aber konsequent hinweg sahen. Und auch, wenn Bernardo Bertolucci sich die Mühe gemacht hatte, Drehgenehmigungen für Originalschauplätze zu erhalten, so bildete er in dieser Hinsicht keine Ausnahme, denn über ihre Rolle als Kaiserinwitwe Cixi erzählt sie: „Just like when I was working with Mr. Bertolucci. He wanted the Eunuchen to move the bed and I said ‚you know, the empress dowagers bed should be very stable‘. That the Stability is a symbol for her health and if you move the bed, it‘s an hurt of – in China you cannot do that. So he said: ‚Oh I understand what you are saying, but you know I‘m making an artistic film.“ Oder, wie Joan Chen es zusammenfasst: „Bernardo Bertolucci is just a fantastic filmmaker and he is so in love with this China, that‘s in his fantasy.“

Aber dass Filme bisweilen mehr über die Menschen aussagen, die sie gemacht haben, als über die Themen, die sie behandeln, ist ja nichts Neues und darum, wie sehr oder wenig sich einzelne Regisseure um realistische Darstellung bemühten, geht es in dieser Dokumentation eigentlich auch gar nicht, sondern darum, die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen: sowohl jene, die die Klischees verkörperten, als auch die, die damit aufwuchsen und zurechtkommen mussten, denn, so sagt es Regisseur Arthur Dong: „Through their stories, we learn about history, and through what they went through, what happened in Hollywood.” Und Hollywood war weit verbreitet.

(Hollywood Chinese, USA 2007; Regie: Arthur Dong.)

Mimic

„Can I eat it or will it eat me?“ diese Frage stand nicht nur im Drehbuch zu Mimic, sondern sie stellte sich Regisseur Guillermo del Toro bei den Dreharbeiten möglicherweise auch selbst, denn einer der Produzenten, Bob Weinstein, tauchte angeblich regelmäßig am Set auf, um zusätzliche Szenen einzufordern, seine vielfältigen kreativen Ideen einzubringen und überhaupt allen Beteiligten so gut wie möglich auf die Nerven zu fallen. Da Bob Weinstein der Bruder von Harvey ist (die andere Hälfte der Produktionsfirma Miramax), dem es ungefähr zur gleichen Zeit sogar gelang, Hayao Miyazaki so weit zu treiben, dass er zur Waffe griff, kann man sich gut vorstellen, was del Toro zu leiden hatte.

Ob er dann ebenfalls zu drastischen Maßnahmen griff, um sich die Weinsteins vom Leibe zu halten, ist zwar nicht überliefert, wohl aber, dass er es später ablehnte, noch einmal mit den Brüdern zusammenzuarbeiten und schließlich sogar so weit ging, sich vom ganzen Projekt zu distanzieren. Als allerdings sein eigener, Jahre lang angekündigter, Directors Cut 2011 endlich erschien, kam so mancher nach eingehendem Vergleich beider Fassungen durchaus zu dem Ergebnis, dass er den Film damit nun auch nicht wirklich aufgewertet hatte.

Das alles ist sehr schade, denn Mimic, zumindest in der Fassung von 1997, ist eigentlich ein gelungener Beitrag zum Genre, mit Anspielungen und Verweisen, aber auch neuen Ideen, die stilvoll in Szene gesetzt wurden. Zwischen ihm und dem ersten Big Bug-Film liegen 43 Jahre und eine ganze Menge Filme, die das Kino mit Krabbel-Getier aller möglichen Spezies belebten, und eine lange Zeit, in der natürlich auch die Special Effects, Animations- und Pyrotechnik, zum Beispiel, weiterentwickelt wurden.

Aber auch die Bugs hatten ausreichend Zeit, ihre Fähigkeiten auszubauen. Und auch, wenn sie es an Eleganz und Behändigkeit mit diesem Einzelgänger, aber Spitzenreiter ihrer Zunft nicht wirklich aufnehmen können, setzen sie hier sehr effektiv auf Zusammenarbeit und Strategie. Denn längst geben sie ihre Absichten nicht mehr gleich zu erkennen und tragen ihre Kämpfe auch nicht offen und draußen aus, sondern es geht gleich hinein und hinunter, ins Dunkle, wo sie gelernt haben, sich anzupassen und den richtigen Moment abzuwarten, denn auch sie scheinen zu wissen: „Evolution has a way of keeping things alive.“

(Mimic, USA 1997; Regie: Guillermo del Toro.)

Tarantula

Hatten wir es in diesem Film noch mit recht groß gewachsenen Ameisen zu tun, so handelt Tarantula, wie der Name schon andeutet, von einer anderen Gattung achtbeiniger Krabbler, allerdings wurde im vorliegenden Fall die Bescherung nicht durch Nuklear-Waffen-Tests verursacht, sondern ist vielmehr auf beste Absichten, nicht zur Vernichtung, sondern zur Rettung der Menschheit zurückzuführen.

Allein, gut gemeint ist, wie so oft, auch hier wieder das Gegenteil von gut gemacht, denn es stimmt zwar, dass anders als die Wüste, die wieder Schauplatz des Geschehens ist, manche Bereiche unseres schönen Planeten bekanntlich nicht so weitgehend menschenleer vor sich hin existieren dürfen, sondern, um es mit den Worten von Professor Gerald Deemer zu sagen: „There are 2 billion people in the world today. In 1975 there’ll be 3 billion. In the year 2000, there’ll be 3,625,000,000!“

Und auch, wenn sich der Professor im Hinblick auf das Jahr 2000 etwas verrechnet hat, denn tatsächlich waren es damals schon fast doppelt so viele Menschen, als in seiner Hochrechnung, Tendenz weiter steigend, so ist die Frage, die sich daraus ergibt – Wie sollen die alle ernährt werden? – natürlich durchaus berechtigt, und der Ansatz: Warum machen wir nicht einfach die vorhandenen Nahrungsmittel etwas größer? – vielleicht grundsätzlich auch gar nicht so falsch. Dumm nur, wenn eben andere Dinge ebenfalls größer werden, zum Beispiel solche, die, wie ja bereits an anderer Stelle anschaulich vorgeführt wurde, schon in relativ kleinem Zustand auf die meisten Menschen ausgesprochen beunruhigend wirken.

Damit dieser Effekt nicht etwa mit zunehmender Größe verloren ging, setzte man hier nicht auf Stop-Motion-Tricktechnik oder steckte Menschen in Monster-Anzüge, und baute auch keine großen, flauschigen, ferngesteuerten Tiere, sondern ließ für die meisten Szenen eine echte Spinne über eine Miniatur-Landschaft krabbeln, womit sicher gestellt war, dass alles, was diese Tiere im richtigen Leben so vielen Menschen extrem unsympathisch macht, auch auf der Leinwand in vollem Umfang erhalten blieb.

Verantwortlich für Idee und Umsetzung des Ganzen war Jack Arnold, der vollkommen zu Unrecht, immer noch gelegentlich als Trash-Filmemacher diffamiert wird, und dass, obwohl selbst in der IMDb über ihn zu lesen ist: „Jack Arnold reigns supreme as one of the great directors of 50s science fiction features. His films are distinguished by moody black and white cinematography, solid acting, smart, thoughtful scripts, snappy pacing, a genuine heartfelt enthusiasm for the genre, and plenty of eerie atmosphere.“

Oder, wie es Dr. Matt Hastings ausdrücken würde: „Well, not many of us look that far in the future, Sir.“

(Tarantula, USA 1955; Regie: Jack Arnold.)

Them!

„And I thought today was the end of them.“ – „No. We haven’t seen the end of them. We’ve only had a close view of the beginning of what may be the end of us…“

Der sogenannte „Wilhelm Scream“ ist ein vorgefertigter Sound-Effekt, der als Bestandteil einer Soundlibrary käuflich erworben und beliebig oft eingesetzt werden konnte. Zum ersten Mal war er 1951 in dem Film Distant Drums (Die Teufelsbrigade) zu hören, und dort auch gleich mehrfach, was auch andere Sounddesigner anscheinend ebenso überzeugend wie praktisch fanden, denn seitdem wurde er oft und gerne in zahlreichen Filmen eingesetzt (217 titles, and counting!). Dabei erfreute er sich auch einer gewissen Beliebtheit in Horrorfilmen, wo es naturgemäß einiges zu schreien gibt.

So auch hier, denn was als herkömmlicher Polizei-ermittelt-in-seltsamen-Todesfällen-Krimi beginnt, entwickelt sich schließlich weiter zum ersten aller „Big Bug“-Filme, womit das Genre bezeichnet wird, in dem es um kleine, achtbeinige Krabbeltiere geht, die normalerweise relativ harmlos sind, sich nun aber weiterentwickelt haben zu etwas, das zuerst einzelne Menschen, aber schließlich auch die Menschheit als Ganzes angreift und zu vernichten droht.

Wobei es manchmal ihre schiere Masse in Kombination mit einer beunruhigend entwickelten Intelligenz ist, die sie gefährlich macht, bisweilen legen sie aber auch in beeindruckender Weise an Umfang und Größe zu, was bei der einzigen Spezies außer den Menschen, die willens und in der Lage ist, einen organisierten Krieg zu führen (wie uns in Them! erklärt wird), ebenfalls eine schlechte Prognose für den Fortbestand der Menschheit als ‚Krone der Schöpfung‘ ergibt.

Insbesondere für letzteres Phänomen wird oft, so wie schon bei Großgetier anderer Gattungen, Mutation infolge atomarer Strahlung als Ursache ermittelt, was die Frage aufwirft: „…if these monsters got started as a result of the first atomic bomb in 1945, what about all the others that have been exploded since then?“, die hier auch gleich beantwortet wird: „Nobody knows. When Man entered the atomic age, he opened a door into a new world. What we’ll eventually find in that new world, nobody can predict.“

Grund genug also, neben einigen verbal artikulierten Schreien („AHHH! THEM! THEM! THEM!“) auch den beliebten Wilhelm Scream einzusetzen, und zwar gleich dreimal an verschiedenen Stellen (und wem das nicht reicht, der kann sich bei Youtube auch einen zwölfminütigen Zusammenschnitt von Wilhelm-Scream-Filmszenen ansehen, bzw. hören).

Gut, vielleicht sind die Monster hier ein klein wenig… plüschig geraten, aber ursprünglich sollte das Ganze ja auch in Farbe und 3-D gedreht werden, was sie wahrscheinlich viel Angst einflößender gemacht hätte, allerdings entschied sich das Studio kurz vor Drehbeginn, doch noch dagegen und so wurde es Schwarz-Weiß und zweidimensional. Dem Publikum, das 1954 in großer Menge in die Kinos strömte und den Film zu einem Erfolg machte, waren sie offensichtlich gruselig genug, selbst von den Kritikern wurde er gut aufgenommen, und in all den vielen, vielen, vielen Nachahmer-Filmen, die in den folgenden Jahren gedreht wurden, sind die Arthropoden oft deutlich weniger liebevoll in Szene gesetzt worden, wenn sie auch stets das selbe biblische Ziel verfolgten: „…and the beasts shall reign over the earth!“

(Them! USA 1954; Regie: Gordon Douglas.)

All the Presidents Men

„Forget the myths the media’s created about the White House. The truth is, these are not very bright guys, and things got out of hand.“ Mit anderen Worten: Sie denken, die Leute im Weißen Haus wüssten, was sie tun – aber das ist nicht der Fall.

Von all den vielen anderen großen und wichtigen Institutionen weltweit, bei denen der Verdacht ebenfalls angebracht ist, die dortigen Verantwortlichen seien weder die Klügsten, noch hätten sie Ahnung von dem, was sie tun, fangen wir hier gar nicht erst an. Allerdings war es zum Zeitpunkt, als dieser Film gedreht wurde, eher umgekehrt: die ganze Watergate-Affäre war von den Medien Jahre lang wieder und wieder durchgekaut worden, allseits bekannt und eigentlich wollte niemand mehr etwas davon hören.

Wenn man aber den Mythen glauben darf, die Medien und Beteiligte in Form von Interviews, Promotionmaterial, Making ofs, etc. um den Film kreiert haben, dann war es der Produzent Robert Redford, der die beiden Hauptakteure, Carl Bernstein und Bob Woodward, erst auf die Idee brachte, in dem Buch, an dem sie gerade schrieben, nicht erneut die Fakten des politischen Skandals, sondern viel mehr ihre eigene Rolle und ihr Vorgehen zu behandeln, was dann gleichzeitig auch die Grundidee des Drehbuchs wurde. Denn die Zuschauer wissen ja vorher bereits, wie die Geschichte ausgeht, kennen sogar die meisten Details, wie also Spannung erzeugen? Ein Problem, das alle Beiträge der hiermit vorerst abgeschlossenen Reihe von ‚Movie of the week‘-Filmen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, zu lösen hatten. Vielleicht mit einer Ausnahme, da die Geschichte dieses Mannes zur Entstehungszeit des Films schon weitgehend in Vergessenheit geraten war. Anders als bei diesen Personen, die, zumindest in dem Land, in dem gedreht wurde, zur Entstehungszeit des Films ziemlich bekannt waren, was man von dem Mann, um den es hier geht, wohl bis heute sagen kann. Und während diese Filmemacher ihre eigene Interpretation historisch bekannter Gründungsmythen umsetzten: entweder mit erkennbarer politischer Absicht oder völlig abstrakt, ist es bei diesem Film gerade der hohe Bekanntheitsgrad der Geschichte, der die Leute immer wieder ins Kino zieht.

Bei All the Presidents Men entschied man sich hingegen für einen anderen Ansatz: die gesamte Watergate-Affäre wurde einfach vorausgesetzt, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen, nämlich die, von zwei sehr unterschiedlichen Männern, die es von der untersten Hierarchiestufe ihres eigenen Berufes aus schafften, den höchsten Mann im Staate zu stürzen, und das nicht, weil sie so herausragend, clever und abgebrüht waren, sondern eher durch Eigenschaften, die grundsätzlich den meisten Menschen zur Verfügung stehen: Hartnäckigkeit, Naivität und die völlige Unfähigkeit, die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns richtig einzuschätzen.

Und so kreierte dieser Film seinen eigenen Mythos, nämlich den vom ‚Investigativen Journalismus‘, der davon handelt, dass aufrechte Journalisten in aller Welt Verschwörungen aufdecken und all dem Bösen, das in Politik und Wirtschaft so vor sich geht, damit ein Ende setzen ( …und davon, dass dies manchmal auch ganz anders sein kann, handelt dieser Film).

(All the Presidents Men, USA 1976; Regie: Alan J. Pakula.)

The Fountain

Als das Kronos Quartet im Jahr 1973 von David Harrington in Seattle gegründet wurde, war Darren Aronofsky gerade einmal 4 Jahre alt. Und während die Musiker des Streichquartetts in den vergangenen fast 40 Jahren in teilweise wechselnder Zusammensetzung weltweit tausende von Konzerten gegeben haben, mehr als 45 Platten einspielten und dafür mit zahlreichen Preisen bedacht wurden, hat es Aronofsky als Filmregisseur bisher auf gerade einmal drei kurze und fünf lange Filme gebracht, für die er allerdings auch schon eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten hat. Von Anfang an widmete sich das Kronos Quartet hauptsächlich der zeitgenössischen Musik und hier besonders gerne den Komponisten der Minimal Music, wie Terry Riley, Steve Reich und Philipp Glass, was sie auch schon früh in den Bereich Filmmusik führte: 1985 und 1999 spielten sie für Philipp Glass die Soundtracks zu „Mishima“ und „Dracula“ ein, worauf in den Jahren 2000 und 2006 die Zusammenarbeit mit Clint Mansell folgte, der für seinen Freund Aronofsky die Musik zu den Filmen „Requiem for a Dream“ und „The Fountain“ komponiert hatte. Bei der Musik zu The Fountain stieß dann auch noch die schottische Postrock Band Mogwai hinzu und alles in allem konnte bei derart eingespielten Profis praktisch nichts mehr schief gehen.

Allerdings war die Filmmusik auch so ziemlich das Einzige, was an The Fountain auf Anhieb und reibungslos funktionierte. Denn ansonsten musste Aronofsky das Skript mehrfach umschreiben und kürzen und die ursprünglich vorgesehenen Hauptdarsteller sprangen kurz vor dem geplanten Drehbeginn ab, um sich anderen Projekten zu widmen, was wiederum zur Folge hatte, dass der Film von der Produktionsfirma Warner Brothers zunächst auf Eis gelegt und erst nach weiteren zwei Jahren und nur mit einem um die Hälfte reduzierten Budget realisiert wurde.

Während dies alles Aronofsky wahrscheinlich einiges an Kraft und Nerven gekostet hat, tat es dem Film selbst aber in mancher Hinsicht gut: das ursprüngliche Skript war nicht verloren, sondern wurde vom Zeichner Kent Williams in ein Comic umgesetzt und man mag sich auch lieber nicht vorstellen, was es für ein Film geworden wäre, hätten tatsächlich Brad Pitt und Cate Blanchet statt Hugh Jackman und Rachel Weisz die Hauptrollen gespielt. Nicht zuletzt die Budget-Kürzung trug aber auch dazu bei, dass Aronofsky statt teure CGI-Technik bei den Spezialeffekten einzusetzen, auf solides Handwerk, zum Beispiel die Petrischalen des Peter Parks, zurückgriff. Dieser hatte sich nämlich darauf spezialisiert, von ihm herbeigeführte chemische Reaktionen abzufilmen, die, auf das Großformat einer Kinoleinwand projiziert, überwältigend schöne Bilder schaffen – die perfekte Ergänzung zu einem Film, in dem ansonsten Krankenhäuser aussehen, wie Raumschiffe und Raumschiffe wie fliegende Gärten. Wem also die Handlung zu pathetisch erscheinen sollte, dem bleibt noch immer die Möglichkeit, ganz einfach Bilder und Musik auf sich wirken zu lassen, was in diesem Falle auch schon völlig ausreichend ist, für großes Kino.

(The Fountain, USA 2006; Regie: Darren Aronofsky.)