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And Then There Were None

Wenn man einen allseits bekannten Buch-Klassiker als Grundlage eines Films nimmt, ist einem das Interesse mindestens all derer, die das Original zu einem Bestseller gemacht haben, wohl sicher. Wenn es sich dabei aber um ein Buch von Agatha Christie handelt, das schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1939, zu einem Bestseller wurde und bis heute mit mehr als 100 Millionen Exemplaren eines der meist verkauften Bücher überhaupt ist, und überdies ebenfalls sehr erfolgreich als Theaterstück in London und am Broadway lief, dann steht man vor dem Problem, einen Krimi zu verfilmen, dessen komplette Handlung und Auflösung hinlänglich bekannt sind und dann, ja, dann muss man sich schon ein bisschen was einfallen lassen.

Einige Abweichungen von Christies Buch schienen der Produktionsfirma 20th Century Fox ohnehin notwendig, denn kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges meinte man das amerikanische Publikum wohl mit so krassen Themen wie Kindsmord und Teenager-Schwangerschaften nicht verstören zu dürfen. Während man aber den Film zunächst in Großbritannien unter demselben Titel in die Kinos brachte, den auch das Buch von Agatha Christie im Original hatte: Ten little Niggers, wurde er in den USA umbenannt in And Then There Were None.

Aber um die bei einem Krimi nötige Spannung zu erzeugen, reichen solche kleinen Veränderungen mit Sicherheit nicht aus, schließlich wird hier aus einem ursprünglichen ‘Whodunit’ ein ‘Howdidtheymakeit’, nicht im Hinblick auf die Protagonisten der Geschichte, sondern auf die Art und Weise der Inszenierung.

Gut, man kann das Ende anders gestalten, aber dies war ja für die Theaterfassung bereits geschehen, und überdies: wie schafft man es, dass die Zuschauer überhaupt solange dabei bleiben?

Auf alle Fälle sollte man natürlich die Schauspieler sorgfältig auswählen. Hervorragende Darsteller gibt es allerdings auch am Theater – beim Schauplatz der Handlung hingegen, hat ein Film schon viel mehr Spielraum und um dies gleich von Anfang an klar zu machen, geht es zu Beginn mit den Protagonisten erst mal aufs Wasser, in ein kleines Boot, wo wir Zuschauer während der Überfahrt dann auch genügend Zeit haben, zu erraten, wer denn nun gleich wen darstellen wird.

Vor allem aber ist es sicherlich klug, zu den Tricks zu greifen, die der Literatur und auch dem Theater eben nicht zu Verfügung stehen: lange Einstellungen auf dunkle Korridore zum Beispiel, in denen sich Türen langsam öffnen, um… und genau dies wird hier ausgiebig getan. Aber mit eben dem abwechslungsreichen Tempo, dass schnell vergessen lässt, dass die Geschichte ja eigentlich keine Überraschungen mehr zu bieten hat, oder doch?

Da der Film sich mittlerweile in der Public Domain befindet, ist davon auszugehen, dass der Mensch, der so freundlich war, ihn bei Youtube komplett einzustellen, sich damit nicht strafbar macht und so kann man, ganz nach Belieben, eigentlich gleich losschauen.

(And Then There Were None, USA 1945; Regie: René Clair.)

Black Republic

In 1945, there was no prosecution of war criminals in Korea – unlike France and Germany. The Koreans who had served the Japanese remained in power and became the new ruling class. They are still there today. I think this is one of the fundamental problems in Korean society.“

Dies dürfte wohl ein zentraler Teil der Botschaft gewesen sein, die der Mann auf dem Hochhaus in diesem Film, beziehungsweise sein Regisseur, eigentlich hatten vermitteln wollten, aber irgendwie kam sie beim ersten Versuch wohl noch nicht richtig an.

Park Kwang-su hatte zunächst Bildhauerei an der Seoul National University studiert, wo er auch Mitglied der Yallasung Filmgruppe wurde und damit begann, Super 8 Filme zu drehen. Da es im Südkorea der frühen 80er Jahre aber kaum möglich war, kritische politische Filme öffentlich aufzuführen, blieben diese meist ohne Publikum.

Nach seinem Abschluss gründete er die Seoul Film Group, die weiterhin Beziehungen zur studentischen Protest-Bewegung unterhielt, aber im Hinblick auf Film war er wohl nicht wirklich überzeugt von deren Tun: „Myself, I was never too comfortable with agit-prop film-making. I tended to think that the films made by underground groups like Changsan-Gotmae were simply the other side of the coin of government propaganda films.“

Erst als er nach Paris ging, um an der ESEC Film zu studieren, änderte sich seine Einstellung: „..in Paris my own sense of the possibilities changed. In France I saw a lot of features and documentaries from Third World countries and realised that they weren’t being made underground but quite openly. Some of Lino Brocka’s films, for instance. I found myself thinking that similar film-making should be possible in Korea.“

Als er aber nach seiner Rückkehr nach Korea seinen ersten Film drehte, und es ihm trotz vieler Zugeständnisse an die Produzenten nicht gelang, ein großes Publikum zu erreichen, änderte er seine Strategie erneut („I’d made quite a lot of compromises in the hope of reaching the mass audience; since I failed, I thought that I should forget about trying to please people and make a more personal film.“), schrieb das Drehbuch selbst, ließ alle Komödien-Aspekte weg und griff lieber auf eigene Erfahrungen zurück: „it expressed a lot of my feelings about Korea and Korean politics in the years since Kwangju.“

Seinen zweiten Film durch die Zensur zu kriegen, war dann zwar leichter, als er erwartet hatte, aber einige Szenen mussten dennoch geschnitten werden, hauptsächlich jene, in denen die Geschichte der studentischen Widerstandsorganisation, der der Protagonist angehörte, in Rückblicken erzählt wurde. Trotzdem wurde der Inhalt dadurch nicht weniger verständlich, und diesmal wurde die Botschaft offensichtlich auch gehört.

Das vollständige Interview von 1993, aus dem die obigen Zitate stammen, kann bei Archive.org nachgelesen werden, während Black Republic auf dem Youtube-Kanal des Korean Film Archive zur Verfügung steht.

(Black Republic, Südkorea 1990; Regie: Park Kwang-su.)

Chil-su und Man-su

Listen up, all you powerful, educated, proud, rich bastards! Listen to what I have to say. I want to tell you something!“ … der Mann, der diese Worte vom Dach eines Hochhauses der Stadt Seoul und ihren Bewohnern entgegen schreit, hat allen Grund frustriert und zornig zu sein und anders als im Film, wo nur sein Freund neben ihm steht, war er damit nicht alleine.

Denn Ende der 1980er Jahre befand sich Südkorea im Umbruch: aus den Massenprotesten des Juni 1987 hatte sich eine landesweite politische Bewegung, das June Democracy Movement entwickelt, deren Forderungen nach dem Ende der Militärherrschaft und politischen Reformen im Dezember 1987 mit den ersten demokratischen Wahlen in Südkorea zumindest ansatzweise erfüllt wurden.

Gerade noch rechtzeitig, denn im folgenden Jahr sollten die Olympischen Sommerspiele in Seoul stattfinden und die von der Regierung beabsichtigte Präsentation Südkoreas als modernes und weltoffenes Wirtschaftswunderland wäre durch Massen-Demonstrantionen in den Straßen doch empfindlich gestört worden.

Ein guter Zeitpunkt für Park Kwang-su also, um mit seinem Debüt einen Film in die Kinos zu bringen, der wohl noch ein Jahr früher an der Zensur gescheitert wäre, basierend zudem auf der Kurzgeschichte des taiwanischen Autors Huang Chunming, dessen Schriften zu jener Zeit in Südkorea verboten waren (weshalb er in den Credits auch nicht genannt wurde), inszeniert als Tragik-Komödie, um an den Zensoren leichter vorbei und beim Publikum besser anzukommen.

Denn in Chil-su und Man-su, der ebenfalls vom Koreanischen Film Archiv bei Youtube eingestellt wurde, wird weder das historische Korea noch seine traditionelle Kultur in prachtvollen Kostümen vorgeführt, und auch keine zeitgenössische wirtschaftliche Erfolgsgeschichte erzählt, sondern die zweier Männer, bei denen weder Vergangenheit, noch Zukunft Anlass zu allzu viel Optimismus geben.

Dargestellt von Park Joong-hoon und Ahn Sung-ki, die miteinander so überzeugend wirkten, dass sie noch in einigen späteren Filmen zusammen engagiert wurden, von denen Ersterer hier noch am Anfang seiner Karriere stand, während Ahn Sung-ki zu diesem Zeitpunkt eigentlich selbst schon ein Klassiker war.

Umso passender also, dass er es ist, von dem die eingangs zitierten Sätze kommen, die in gewisser Weise nicht nur als Beginn, sondern auch als programmatisch für jenes Phänomen angesehen werden können, an dem in den folgenden Jahren noch viele Filmemacher arbeiten sollten und das dem südkoreanischen Kino eine neue Perspektive bescherte, eben die des New Korean Cinema.

(Chil-su und Man-su, Südkorea 1988; Regie: Park Kwang-su.)

Festival

Auch Im Kwon-taek gehört zu den drei Regisseuren, denen das Koreanische Film Archiv bei youtube eine eigene Liste gewidmet hat, allerdings finden sich dort von den über hundert Filmen, die er (bisher) gedreht hat, lediglich vier: General‘s Son und Sopyonje, Taebaek Mountains und Festival.

Von den ersten beiden war an dieser Stelle bereits die Rede und zu Taebaek Mountains wäre zu sagen, dass er in nahezu epischer Läge den Korea-Krieg behandelt und 1995 im Wettbewerb der Berlinale lief, wo er aber keinen Preis erhielt, während er zuvor in Korea 1994 zwar die Auszeichnung als Bester Film der Blue Dragon Awards erhalten hatte, ansonsten aber auch dort weder von Publikum noch Kritik mit großer Begeisterung aufgenommen worden war.

Ähnlich sieht es mit Festival aus, auch dieser erhielt 1996 den Blue Dragon Award als Bester Film, wurde aber kein Publikumserfolg und die Kritiker in Korea scheinen sich weitgehend einig darin zu sein, dass es sich um einen von Im Kwon-taeks „kleineren“ Filmen handelt. Dies ist eigentlich schade, denn Festival ist kein Gangster-, Action- und/oder Historienfilm und es geht auch nicht um spezielle Gesangsformen mit Trommelbegleitung, sondern um andere, ebenfalls sehr eigene koreanische Traditionen, hier im angewandten Fall einer Beerdigung, aber anders als die zuvor genannten Filme handelt es sich um eine Komödie, und manche Szene scheint tatsächlich dem richtigen Leben direkt abgeschaut zu sein.

Was wohl nicht zuletzt dem Autor Lee Cheong-joon zuzuschreiben ist, der schon die literarische Vorlage zu Sopyonje geliefert hatte und dessen Stoffe überhaupt gerne in Korea verfilmt wurden, aber anders als zum Beispiel bei Ieoh Island in der Version von Kim Ki-young dürfte er seine Geschichte hier auch weitgehend wieder erkannt haben…

(Festival, Südkorea 1996; Regie: Im Kwon-taek.)

Sopyonje

Nachdem Im Kwon-taek sich in den 1980ern von seinen vorherigen Themen, überwiegend Action- und Kriegsfilmen, Komödien und Melodramen, die ein möglichst großes Publikum ansprechen und unterhalten sollten, abgewandt und sich mit eher speziellen Fragen der koreanischen Kultur und Gesellschaft befasst hatte, drehte er 1990 mit General‘s Son doch noch einmal einen Gangster-Actionfilm mit vielen Kampfszenen und reichlich Pathos, der beim Publikum dann auch gleich so gut ankam, dass er sowohl 1990 als auch 1991 der meistbesuchte Kinofilm Südkoreas wurde.

Einen solchen Erfolg konnte man natürlich nicht alleine für sich stehen lassen und so wurde in den Jahren 1991 und 1992 mit General‘s Son II und III eine Trilogie daraus, die insgesamt gut besucht wurde und Im Kwon-taek eine ganze Menge Geld einbrachte.

Genug Kapital auf alle Fälle, um sich mal ein richtig ausgefallenes Thema leisten zu können, eines, das viel zu speziell wäre, um ein kommerzieller Erfolg zu werden. Zum Beispiel eine traditionelle Form epischen Gesangs, die es so nur in Korea gab, bei der eine Sängerin oder ein Sänger bis zu mehrere Stunden lange Erzählungen in Liedform vortrugen, unterstützt nur von der eigenen Gestik und Mimik, einem Fächer und einem Trommler.

Da man tatsächlich nicht mit allzu vielen Zuschauern rechnete, lief Sopyonje 1993 nur in einem einzigen Kino in Seoul an, wo ihn anfangs auch nur wenige Menschen sehen wollten. Aber, Mundpropaganda muss wohl ein Teil des Phänomens gewesen sein, dies sollte sich bald ändern und nach sechs Monaten war Sopyonje der erste Film, für den alleine in Seoul mehr als eine Million Tickets verkauft wurden, und der darüber hinaus dazu führte, dass Pansori zumindest eine ganze Weile lang eine echte Alternative zu K-Pop wurde.

Beide Filme, General‘s Son und Sopyonje, kann man sich auf dem Youtube-Channel des Koreanischen Film Archivs vollkommen legal und kostenlos anschauen und anhören.

(Sopyonje, Südkorea 1993; Regie: Im Kwon-taek.)

Woman of Fire (82)

My wife’s support has been unflagging over the years, even if, at times, she has seen one of my films and cried ‘What have you done with my money?’“

Wenn auch sein bekanntester Film nicht unter den vom Koreanischen Film Archiv bei youtube zur Verfügung gestellten ist, so finden sich dort immerhin die beiden anderen Teile der Trilogie, denn offensichtlich hat ihn das Thema derart fasziniert, dass Kim Ki-young noch zwei weitere Varianten davon drehte: Woman of Fire von 1971 und Woman of Fire 82, die allerdings beide völlig anders sind, als ihr Vorläufer, und das nicht nur, weil es hier nun sehr bunt, bizarr und psychedelisch wird.

Ebenfalls auf der Kim Ki-young Film-Liste des KoFA ist Yang san Province von 1955, der einzige von acht Filmen, die Kim Ki-young vor The Housemaid gedreht hat, der wenigstens zum größten Teil erhalten ist. Anders als seine nachfolgenden Filme kam er allerdings weder bei Publikum, noch Kritik gut an. Ein viel diskutierter Erfolg hingegen wurde The Sea Knows 1961 in Südkorea, Kim Ki-youngs erster Film nach The Housemaid, den man wohl, auch wenn es hier speziell die japanische Armee ist, die schlecht wegkommt, als einen Film betrachten darf, der sich ganz grundsätzlich gegen Krieg und Militarismus richtet.

Weiterhin finden sich dort Ieoh Island von 1977, der selbst für einen Kim Ki-young-Film drastisch ausfällt, sowie A Woman chasing a Killerbutterfly (1978) und Carnivorous Animal (1985).

Ausreichend Material also, um sich selbst ein Bild davon machen zu können, ob Kim Ki-young zu recht nicht nur in Südkorea Kultstatus genießt, sondern seit Ende der 1990er auch in Japan, den USA, Deutschland und Frankreich mit Retrospektiven auf internationalen Filmfestivals geehrt wurde, und weshalb so viele Regisseure der nachfolgenden Generation in Südkorea ihn als maßgeblichen Einfluss und Vorbild nennen, unter ihnen Park Chan-wook, Bong Joon-ho, Park Ki-hyeong und Kim Ki-duk.

Immerhin soviel dürfte wohl sicher sein, Kim Ki-youngs Filme gehören zu den eigenwilligsten und ausgefallensten Werken des südkoreanischen Kinos, oder, wie es beim Koreanischen Film Archiv zu lesen ist: „Although his movies seem to lack rational and logical reason and though his works cannot be pinned down or easily classified, Kim Ki-young is one of the most significant directors in the history of Korean cinema.“

(Woman of Fire, Südkorea 1971 und Woman of Fire 82, Südkorea 1982; Regie: Kim Ki-young.)

The Seaside Village

So fleißig Shin Sang-ok auch gewesen sein mag – in der ImdB wird er mit 101 Titeln als Produzent und 72 als Regisseur gelistet – unter den Regisseuren Südkoreas mit den meisten Filmen schaffte er es nicht einmal unter die ersten drei.

Auf Platz eins ist bislang Go yeong-nam, von dem allerdings selbst das Koreanische Film Archiv schreibt:

„Usually concentrating on action and melodramatic films, director Go Yeong-nam did not make the so-called masterpieces of Korean film history, but he was recognized among producers for making commercially stable films.“

Was vielleicht auch der Grund ist, weshalb auf dem youtube channel des KoFA keiner seiner Filme präsentiert wird.

Anders sieht es schon bei Platz zwei aus: Regisseur Kim Soo-yong ist mit immerhin drei seiner insgesamt 106 Filme vertreten: Kinship (1963), Flame in the Valley (1967) und The Seaside Village (1965), von denen letzterer als einer seiner besten gilt. Anders als bei Shin Sang-ok sind die Menschen hier, insbesondere die Frauen, nicht entweder grundgut oder verrucht, sondern vielschichtiger angelegt und teilweise sogar mit genug Selbstbewusstsein ausgestattet, das bei allen nicht eben rosigen Umständen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit sich bringt.

Bei einigen von ihnen gilt dies auch in sexueller Hinsicht, was angesichts der damals in Südkorea herrschenden Zensurgesetze zwar nur angedeutet oder in Metaphern gezeigt wird, aber dennoch nur schwer misszuverstehen ist.

Gedreht wurde The Seaside Village in Cinemascope, aber schwarz-weiß, denn, nur weil Cinemascope und Farbe möglich sind, heißt das ja nicht unbedingt, dass man auch beides einsetzen muss. Dies mag zwar zum einen eine Frage des Budgets sein, kann aber durchaus auch ästhetische Vorteile haben, wie hier zu sehen ist.

(The Seaside Village, Südkorea 1965; Regie: Kim Soo-yong.)

 

Seong Chun-hyang

Auf das insgesamt umfangreiche Schaffen von Shin Sang-ok wurde hier bereits an anderer Stelle eingegangen, aber einer seiner Filme soll noch zusätzlich gewürdigt werden.

Es handelt sich um eine in Korea mehrfach verfilmte klassische Sage, und im Jahr 1961 waren gleich zwei Regisseure angetreten, um jeweils ihre Version davon in die koreanischen Kinos zu bringen. Der eine war Hong Seong-ki, damals bereits ein etablierter Filmemacher, dessen Werke zuverlässig die Kinos füllten und der andere war Shin Sang-ok, der zwar auch schon eine ganze Reihen von Filmen gedreht hatte, aber an Hong Seong-ki reichte er damit nicht heran und konnte nach allgemeiner Ansicht bei diesem Wettstreit nur verlieren.

Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte, denn zum einen hatte Shin Sang-ok mit Choi Eun-hee als Hauptdarstellerin einen bereits bewährten Publikumsliebling, während die wesentlich jüngere Kim Jee-mi in der konkurrierenden Fassung noch am Anfang ihrer Karriere stand, zum anderen waren es die ersten koreanischen Filme in Cinemascope und Farbe und wenn schon die Geschichte eigentlich jedem Kind in Korea bekannt war und von daher nicht viel Spannung bieten konnte, so sollte es doch wenigstens schön bunt auf der Leinwand werden.

Und hier trug Shin Sang-ok in jeder Hinsicht möglichst dick auf. Schon die eigentlich tragische Geschichte wurde derart übertrieben, und zusätzlich mit komödiantischen Elementen angereichert, dass sie über weite Teile eher fröhlich wirkt, aber vor allem bei Cinemascope und Farbe legte er sich richtig ins Zeug: knallbunte Kleidung bei Damen wie Herren, kaum weniger farbenfrohe Architektur und Requisiten, ergänzt um kleine Theater- und Schwertkampf-Einlagen und selbst tragische Szenen in Gefängnissen wurden durch den Einsatz farbiger Scheinwerfer bunt ausgeleuchtet. Gedreht auf Kodak Film und weiterverarbeitet in Tokyo, bei der darauf spezialisierten japanischen Post-Production Firma Imagica.

Dagegen sah die Version von Hong Seong-ki pastellfarben und blass aus.

Somit hatte Korea seinen ersten offiziellen und dokumentierten box office hit, dessen Zuschauerrekord erst sieben Jahre später von diesem Film geschlagen werden sollte (und aktuell seit vielen Jahren völlig zurecht von diesem Film gehalten wird), Shin-Song-ok hatte seinen endgültigen Durchbruch und wir haben mit der vom Koreanischen Filmarchiv auf youtube zur Verfügung gestellten Fassung, für deren Restaurierung offenbar mehrere unterschiedlich gut erhaltene Kopien zusammengefügt wurden, die Möglichkeit uns einen abwechslungsreich bunten koreanischen Abend zu machen.

(Seong Chun-hyang, Südkorea 1961; Regie: Shin Sang-ok.)

The Flower in Hell

Unter den drei Regisseuren, die auf dem vom Korean Film Archive eingerichteten youtube channel eine eigene Playlist erhalten haben, musste Shin Sang-ok schon deshalb vertreten sein, weil man an der schieren Menge an Filmen, die er als Regisseur und Produzent hinterlassen hat, einfach nicht vorbeikommt. Wobei der bei weitem größte Teil seiner Filme in Südkorea entstand, ein paar wenige allerdings auch in Nordkorea – wenn auch nicht ganz freiwillig.

Geboren wurde er 1926 in Chongjin, das heute zu Nordkorea gehört und sich damals, wie ganz Korea, unter japanischer Herrschaft befand. Sein Studium absolvierte er an der Hochschule der Künste in Tokyo und kehrte anschließend nach Korea zurück, diesmal in den südlichen Teil des Landes, wo er bei der Produktion von Viva Freedom! (1946) mitwirkte, dem ersten Film, der nach Abzug der Japaner in Korea gedreht wurde.

Bald danach eröffnete er ein eigenes Filmstudio und wurde für die nächsten 20 Jahre der fleißigste Filmemacher (Süd-)Koreas. Dabei bediente er nahezu alle Genres, von Historienfilmen, über Familienkomödien und Liebesdramen, bis zu Fantasy-Horror-Filmen, wobei Letztere zwar gerne vorführten, was an Tricktechnik damals in Südkorea möglich war, inhaltlich aber mitunter etwas wirr ausfielen. Überhaupt litt die Qualität der einzelnen Filme bisweilen unter der Menge an Produktionen, dennoch blieben Preise und Ehrungen nicht aus, denn als 1962 zum ersten Mal der koreanische Filmpreis Grand Bell Award verliehen wurde, erhielt Shin Sang-ok nicht nur als erster die Auszeichnung Bester Film für Prince Yeonsan (1961), sondern auch als Bester Regisseur für Mother and a Guest (1961).

Stets mit von der Partie war dabei Choi Eun-hee, eine in Südkorea gefeierte Filmschauspielerin, die bereits in diesem frühen koreanischen Film eine Hauptrolle hatte. Im Privatleben war sie mit Shin Sang-ok verheiratet, leitete gemeinsam mit ihm das Studio und spielte in den meisten seiner Filme eine führende Rolle, wobei sie meist sittsame, leidensfähige und durch und durch gute Frauen gab, ein Stereotyp, aus dem sie nur gelegentlich ausbrach.

Erst in den 1970er Jahren ließ der Erfolg des Studios nach, das Paar trennte sich und Shin Sang-ok bekam zunehmend Probleme mit der Zensurpolitik seines Landes, bis er sich schließlich 1978 mit dem damaligen Militärdiktator Südkoreas, Park Chung-hee, überwarf, was die Schließung seines Studios zur Folge hatte.

Im selben Jahr wurde Choi Eun-hee unter dem Vorwand eines Filmangebotes nach Hong Kong gelockt, wo sie im Auftrag von Kim Jong Il entführt wurde, der mit ihrer Hilfe und der ihres Ex-Gatten, den er wenige Monate später ebenfalls entführen ließ, eine ebenso prosperierende Filmindustrie in Nordkorea aufbauen wollte, wie die beiden sie viele Jahre in Südkorea betrieben hatten.

Ein Plan, der vermutlich besser aufgegangen wäre, hätte man Shin Sang-ok nicht nach einem gescheiterten Fluchtversuch für vier Jahre in ein nordkoreanisches Gefängnislager gesteckt. Nach seiner Freilassung drehte er zwar noch sechs Filme in Nordkorea, wieder mit Choi Eun-hee in den Hauptrollen, aber an der Premiere des letzten – Pulgasari (1985) , einer nordkoreanischen Variante dieses japanischen Films – nahmen sie schon nicht mehr teil, da ihnen vorher in Wien die Flucht gelungen war.

Auch Pulgasari findet sich auf youtube, wenn auch nicht beim Korean Film Archive, wo aber acht andere Filme von Shin Sang-ok zu sehen sind, unter ihnen The Flower in Hell (1958) und Mother and a Guest (1961), beide mit Choi Eun-hee in der Hauptrolle, die hier zwei sehr unterschiedliche Frauenbilder verkörpert.

(The Flower in Hell, Südkorea 1958; Regie: Shin Sang-ok.)

 

A Hometown in Heart

Von Filmen aus Korea war hier an der einen oder anderen Stelle bereits die Rede, wobei es sich bislang stets um Produktionen der Republik Korea, also Südkorea handelte, schon weil diese sich in Europa, nachdem sie einige Jahre als Geheimtipps auf Festivals gehandelt wurden, mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen und sowohl in Videotheken als auch im Kino keine Seltenheit mehr darstellen. Die Filme der Demokratischen Volksrepublik Korea, aka Nordkorea, sind hingegen sowohl hierzulande, als auch im Internet generell eher schwer zu finden, vor allem, wenn man auf Fassungen mit englischen Untertiteln angewiesen ist.

Entsprechend wird sich die Zahl der hier aufgeführten südkoreanischen Filme sicher noch um einiges erhöhen, zudem vor einigen Monaten das in der Hauptstadt von Südkorea, Seoul, ansässige Korean Film Archive so freundlich war, bei youtube einen eigenen Kanal einzurichten, auf dem man zur Zeit über 70 koreanische Filme, sieben davon in HD Qualität, legal, kostenlos und bei Bedarf auch mit englischen Untertiteln anschauen kann, was zumindest im Augenblick für nordkoreanische Produktionen so wohl eher nicht abzusehen ist.

Wenn wir aber der Einfachheit halber beim chronologisch ältesten der dort zur Verfügung stehenden Filme beginnen, dann ist dies mit A Hometown in Heart ein Film aus dem Jahr 1949, also aus der Zeit vor dem Koreakrieg und damit der Teilung in eine Republik und eine Demokratische Volksrepublik Korea.

Wobei der Regisseur selbst in beiden Koreas tätig war, denn nicht allzu lange nach der Premiere von A Hometown in Heart, verließ Yoon Yong-Kyu, so steht es auf der diesem Film gewidmeten website des Korean Film Archive, den südlichen Teil des Landes, um nach Nordkorea zu gehen, wo er nach dem Krieg noch viele Jahre weiter Filme drehte, die allerdings, wie oben bereits angedeutet, nicht ganz so einfach zu erreichen sind, wie A Hometown in Heart.

(A Hometown in Heart, Korea 1949; Regie: Yoon Yong-Kyu.)