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Ordinary Heroes

This is a story about political activism in 1980s Hong Kong. Many of the events are based on real historical incidents and most of the main characters are based on real people…“ was zum Beispiel auch, wie der Vorspann weiter mitteilt, für das Straßentheater gilt, mit dem der Film beginnt und zu dem er wiederholt zurückkehrt, denn dieses erzählt die Geschichte des mittlerweile verstorbenen Aktivisten Ng Chung Yin.

Aber es geht hier keinesweg nur um ihn, sondern um eine ganze Gruppe politisch engagierter Menschen, die sich über Jahre hinweg hauptsächlich für die Rechte der sogenannten „Boat People“ einsetzen, oft mit mehr Ausdauer als Erfolg, da sie mit ihren Bemühungen regelmäßig an den strikten Gesetzen der damals noch britischen Regierung scheitern. (Vielleicht kann man dieses Thema bei einem Film aus dem Jahr 1999, zwei Jahre nach dem Ende eben dieser Regierungszeit, auch als kleine Erinnerung daran verstehen, dass unter britischer Herrschaft in Hong Kong ebenfalls nicht immer alles ideal geregelt war?)

Wobei einem der Hauptdarsteller durchaus bekannt vorkommen kann, was mal wieder zeigt, dass der Anspruch auf Exklusivität nicht immer auf Gegenseitigkeit beruhen muss, denn nur weil Tsai Ming-liang keinen Film ohne ihn drehen kann, heißt das noch lange nicht, dass dies umgekehrt ebenso der Fall ist: im Anschluss an diesen Film jedenfalls, nahm sich auch Lee Kang-sheng mal eine Auszeit, um unter anderer Regie zu spielen, aber es war ja auch der beste Regisseur von Hong Kong, der da gerufen hatte…

(Ordinary Heroes, Hong Kong 1999; Regie: Ann Hui.)

Song of the Exile

Nicht nur die Herren des Neuen Kinos in Taiwan nutzten ihre Arbeit als Filmemacher, um sich mit ihren Autobiographien und Familiengeschichten auseinander zu setzen, auch die große Dame der Hong Kong New Wave verarbeitete ihre eigene, private Geschichte.

Aber auch wenn die Geburtstage von Ann Hui und Hou Hsiao-hsien zum Beispiel, nur wenige Wochen im Frühjahr 1947 auseinander lagen, und ihre Geburtsorte in China mit nur etwas über 2600 km gemessen an der Gesamtgröße der Volksrepublik geradezu nahe beieinander liegen, so schlugen ihre Familien während des Bürgerkrieges verschiedene Richtungen ein: während Hou Hsiao-hsien in Taiwan aufwuchs, gingen Ann Huis chinesischer Vater und ihre japanische Mutter zuerst nach Macao und dann nach Hong Kong.

Und auch, wenn Hou Hsiao-hsien das Drehbuch zu seinem autobiographischen Film gemeinsam mit der Schriftstellerin Chu Tien-wen verfasste, während Ann Hui sich für das Drehbuch ihres Films Wu Nien-jen auslieh, der sich ja schon im Rahmen des New Taiwanese Cinemas auf Autobiographisches spezialisiert hatte, und ihr Film überhaupt in Hong Konger und Taiwanesischer Zusammenarbeit entstand, so liegt es wohl nicht nur an ihrer Hauptdarstellerin Maggie Cheung, dass Ann Huis Song of the Exile so vollkommen anders aussieht, als Hou Hsiao-hsiens The Time To Live, The Time to Die.

Man sieht vielmehr deutlich, dass hier zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten auf ihre Kindheit und Jugend zurückblicken: mit unterschiedlichen Perspektiven und Schwerpunkten – vor allem ist es die Darstellungsweise, mit der sie Welten auseinander liegen – aber es sind ja auch ganz andere Geschichten, die hier erzählt werden, und die beide Filme sehenswert machen.

(Song of the Exile, Hong Kong und Taiwan 1990; Regie: Ann Hui.)

 

Chungking Express

Irgendwann bin ich ein vorsichtiger Mensch geworden, wenn ich einen Regenmantel trage, trage ich auch eine Sonnenbrille – wer weiß schon, ob es regnet oder die Sonne scheinen wird?“

Die Dame, die dies sagt, trägt darüber hinaus auch eine etwas sperrige blonde Perücke, die sie gemeinsam mit Trenchcoat und Sonnenbrille bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, was in diesem Falle aber nicht weiter schlimm ist, da von der Schauspielerin Brigitte Lin, die in eben dieser Aufmachung steckt, Mitte der 1990er zumindest in China ohnehin so ziemlich jeder Kinobesucher wusste, wie sie aussieht.

Nur wenige Tage vorher hatte sie noch, ebenfalls unter der Regie von Wong Kar-wei, in einer völlig anderen Art von Kostümierung gesteckt, da es aber mit diesem Film gerade absolut nicht voran gehen wollte, wurden zwei Monate Drehpause ausgerufen und irgendwie schaffte es Wong Kar-wei tatsächlich, einen großen Teil seiner Crew dazu zu überreden, mit ihm nach Hong Kong zu gehen und in dieser Zeit einen anderen Film zu drehen. An Hauptdarstellern war neben Brigitte Lin auch Tony Leung mit von der Partie, während Takeshi Kaneshiro und die Sängerin Faye Wong neu hinzu kamen.

Der Film wurde in 23 Tagen gedreht. Ein fertiges Drehbuch existierte nicht, vielmehr schrieb Wong Kar-wei die meisten Szenen jeweils in der Nacht oder am Morgen bevor sie gedreht wurden – immerhin war er darin so fleißig, dass aus dem Überhang, der eigentlich als dritte Episode vorgesehen war, ein eigener, weiterer Film wurde.

Das Ungeregelte und der Zeitdruck, der Wechsel von der Wüste nach Hong Kong und von Wuxia in die Gegenwart, wirkten sich offensichtlich inspirierend aus. Inhaltlich wie methodisch wurde fröhlich alles durcheinander gemischt: wackelige Handkamera, Zeitraffer und Zeitlupe, Krimi im Drogenmilieu, Polizisten mit Liebeskummer, zu laut aufgedrehte Musik und emotionale Handtücher, nicht zu vergessen die beiden realen, namengebenden Schauplätze, Chungking Mansions und der Fast Food Imbiss Midnight Express.

Aber während es bei Ashes of Time noch mehr als 15 Jahre dauern sollte, bis Wong Kar-wei ihn offiziell fertig stellte, feierte Chungking Express schon 1994 in Hong Kong Premiere, war der erste Wong Kar-wei Film, der auch in amerikanischen und europäischen Kinos gezeigt wurde und gehört bis heute zum festen Programm von Filmhochschulen in aller Welt: „Where do you want to go?“ – „Wherever you want to take me.“

(Chungking Express, Hong Kong 1994, Regie: Wong Kar-wei.)

 

Green Snake

Alle Dinge können wachsen und sich verändern: Ein Stein kann eine Pflanze werden, eine Pflanze kann ein Tier werden, ein Tier kann zum Menschen werden und Menschen können zu Göttern werden.“

Derlei gravierende Veränderungen finden allerdings auch in den buddhistisch geprägten Geschichten des alten China nicht einfach so über Nacht statt – es gehören vielmehr ausreichend Training, Selbstdisziplin und Fortbildung dazu, nicht zu vergessen Meditation und vor allem: viele gute Taten. Wechselt man die Richtung seines Tuns von gut nach böse, kann die eigene Entwicklung aber auch umgekehrt verlaufen und so kann es passieren, dass sich ein Mönch und erfolgreicher Dämonenjäger als Magen einer Krabbe wiederfindet und allein dessen orangene Farbe erinnert noch an seine vorherige Inkarnations-Stufe.

Hier allerdings geht es nicht um Krabben, sondern um Schlangen, eine weiße und eine grüne, denen es Jahrhunderte langes Training ermöglicht, die Gestalt von Frauen anzunehmen. Aber die Form zu erlangen, egal wie gut ihnen dies auch gelungen sein mag, war nicht das eigentliche Ziel, sondern der Inhalt, weshalb sich die Damen nun daran machen, die menschliche Gefühlswelt zu erkunden. Mönche, die ihnen das Leben schwer machen gibt es zwar auch hier in ausreichender Menge, aber anders, als in einer der älteren Versionen der Geschichte wird im Film keiner davon zu einem Magen, egal welchen Lebewesens.

Denn ebenso wie bei diesem und diesem Wuxia-Film gibt es auch hier eine literarische Vorlage, genau genommen sogar einige, die ihrerseits wiederum auf eine wesentlich ältere Legende zurückgehen, deren erste überlieferte schriftliche Version aus der Zeit der Ming Dynastie stammt. Im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden viele Varianten des Themas, auch wurde aus der ursprünglichen Horrorgeschichte eine Romanze, die Version aber, die dem Film letztlich als Grundlage diente, wurde von der zeitgenössischen Schriftstellerin Lilian Lee verfasst, deren Bücher schon häufiger verfilmt wurden, unter anderem von Chen Kaige (Farewell my Concubine) und Fruit Chan (Dumplings).

Ähnlich vielfältig wie ihre schriftliche Niederlegung sind auch ihre diversen Umsetzungen: in der chinesischen Oper war die Geschichte schon lange beliebt, 1956 brachte das hier bereits mehrfach gewürdigte japanische Toho Studio den Stoff in Zusammenarbeit mit dem Hong Konger Studio der Shaw Brothers als seinen ersten Farbfilm in die Kinos und bis heute folgten zahlreiche weitere Verfilmungen, für Kino wie TV, ebenso wie weitere Aufführungen als Oper, Theaterstück oder Musical.

Was Tsui Hark aber daraus gemacht hat, der nach der für alle Beteiligten wenig erfreulichen Teamarbeit dieses Films, bei Green Snake lieber gleich als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor fungierte, noch dazu unterstützt von Maggie Cheung und Joey Wang als Hauptdarstellerinnen, ist schon sehr eigen geraten: bunt, schräg und anarchisch, quer durch die Geschlechter-Klischees gepflügt und mit einigen durchaus überzeugenden, handfesten Argumenten gegen Selbstgerechtigkeit und Zölibat: „Du hast verloren!“

(Green Snake, Hong Kong 1993, Regie: Tsui Hark.)

 

The Swordsman

Zum wahren Heldentum, so könnte man meinen, gehört in erster Linie die Unfähigkeit, sich vorab über die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns klar zu werden und auch von den Helden dieses Films kann man sagen, dass sie zumindest eine gewissen Sorglosigkeit auszeichnet: heiter und unbeschwert gehen sie ihrer Wege und wollen eigentlich niemandem etwas Böses. Es ist vielmehr die Gegenseite, die hier strategisch geplant und mit durchdachter Intrige vorgeht. Die Guten, so scheint es, gehen unbekümmert durch eine Welt voller Streit und Krieg, verlassen sich auf das, was sie können und gelernt haben und darauf, dass sie, wenn es doch einmal zu viele Gegner werden, Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten.

Nicht ganz so unbeschwert hingegen verliefen wohl die Dreharbeiten. Denn auch, wenn die Idee des Produzenten Tsui Hark, der an den Erfolg dieses ebenfalls von ihm produzierten Films anknüpfen wollte, den ‚Altmeister‘ des Wuxia-Films, King Hu, zu reaktivieren, durchaus ihren Charme hatte – sie funktionierte leider nicht.

Seit Mitte der 1970er hatte sich ein Großteil der Filmindustrie Hong Kongs zunehmend auf einfacher und billiger zu produzierende Kung Fu-Filme konzentriert, die (trotz seines frühen Todes) durch Bruce Lee und Jackie Chan auch in den USA populär wurden und damit ein größeres Publikum und mehr Einnahmen versprachen, während in Hong Kong der Regisseur Chang Cheh unermüdlich beide Genres bediente und im Verlauf seiner vielen, oft mit wenig Zeit und noch weniger Budget realisierten Produktionen, einen sehr eigenen Stil entwickelte, der ein eher spezielles Publikum fand. King Hu hingegen hatte seine Arbeit Ende der 70er weitgehend eingestellt und bereits viele Jahre an keiner größeren Produktion mehr teilgenommen, als Tsui Hark auf ihn zu kam.

Woran auch immer es gelegen haben mag, es gab Streit, man wurde sich nicht einig und King Hu verließ das halbfertige Projekt. Infolgedessen zogen sich die Dreharbeiten in die Länge, der Drehort, der ursprünglich für den gesamten Film ein Berg in Taiwan sein sollte, wurde nach Hong Kong verlegt, Mitarbeiter und Darsteller wurden ausgetauscht, das Drehbuch mehrfach umgeschrieben und entsprechend viele Szenen nachgedreht und wenn nicht ein ganzes Team aus Regisseuren eingesprungen wäre, unter anderen Ching Siu-Tung als Choreograph für die Action-Szenen, Tsui Hark selbst, vor allem aber Ann Hui, so wäre aus der ganzen Sache wohl nichts mehr geworden. Das aber kann man vom Ergebnis nun nicht behaupten, denn auch wenn die Handlung vielleicht hin und wieder etwas abrupt den Schauplatz wechselt und an manchen Stellen nicht allzu hartnäckig hinterfragt werden sollte, so werden die verschiedenen Stile doch recht gelungen vereint: Kämpfe werden im hohen Gras wie in Wäldern ausgetragen und Herbergen nach allen Regeln der Kunst zerlegt, was bisweilen kunterbunt und ein wenig überdreht wirkt, aber mit jener Selbstironie inszeniert wurde, die eben beiden, King Hu und Tsui Hark, nicht fremd war.

Und da passt es doch ganz gut, dass es im Film hauptsächlich um zwei Schriftrollen geht, von denen die eine ihrem Besitzer zu großer Macht verhelfen kann, während die andere ein Lied enthält, das die Läuterung von derart schädlichem Streben besingt: „The blue seas laugh, surging against both shores, we are carried by the waves, only concerned with the here and now. The azure skies laugh, at the disorders in the world. Only the heavens know, who will win and who will lose… The green earth laughs. Solitude is no more. Noble sentiments still make us laugh like we don‘t care.“

(The Swordsman, Hong Kong 1990; Regie: King Hu, Tsui Hark, Ching Siu-Tung, Raymond Lee, Andrew Kam und Ann Hui.)

 

Come Drink with Me

„Ich sagte es Dir schon einmal: Du solltest mehr beobachten und weniger kämpfen – aber Du musst ja unbedingt immer zeigen, wie gut Du in Martial Arts bist…“

Ein Vorwurf, der der hier angesprochenen jungen Dame gegenüber vielleicht ein klein wenig unfair ist, denn genau darum geht es ja schließlich in Martial Arts-Filmen. Wobei wir es hier mit einer besonderen Kategorie zu tun haben, dem Wuxia-Film, der sich von anderen Martial Arts- bzw. Kung Fu-Filmen in mancher Hinsicht unterscheidet: durch seine historisierenden und manchmal auch fantastischen Elemente zum Beispiel, denn ob die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Helden und Heldinnen noch mit Jahre langem diszipliniertem Training und Meditation zu erreichen sind, oder ob hier Übernatürliches mitspielt, bleibt meist offen und auch dadurch, dass die kämpfenden Herren es hier regelmäßig mit ihnen ebenbürtigen oder auch überlegenen, ebenfalls bewaffneten Damen zu tun kriegen.

Zudem hatte Wuxia, bevor es auf Film und Comic übertragen wurde, bereits eine lange Tradition in der Literatur und damit ausreichend Zeit, über die Jahrhunderte einen ganz eigenen Kosmos zu entwickeln. Einen wahren Kern haben die Geschichten ebenfalls, denn auch, wenn im China früherer Jahrhunderte fliegende Schwertkämpfer und -kämpferinnen wohl eher rar waren, so gab es doch ausreichend Kampf und Krieg und entsprechend viele daran Beteiligte, von denen manche wiederum den Umgang mit Waffen so weit professionalisierten, dass sie ihn hauptberuflich ausüben und mit viel Glück lange genug überleben konnten, um den Nährboden für Heldensagen zu liefern.

Doch anders als zum Beispiel in Japan, wo der Held dieses Films anfangs vielleicht ein wenig herunter gekommen wirkt, von dem wir aber dennoch annehmen dürfen, dass er als Samurai der Aristokratie angehört, entstammten ihre chinesischen Berufskollegen keineswegs nur der Oberschicht, sondern kamen aus allen Teilen der Bevölkerung.

Die historische Korrektheit darf an dieser Stelle bezweifelt werden, aber zumindest in den Wuxia-Geschichten folgen sie dabei stets ihrer eigenen, sehr individuellen Ethik und kämpfen selbstverständlich nur für das Gute – oder zumindest das, was sie dafür halten (auch Wuxia-Helden können irren), was gelegentlich miteinschließt, dass die Bevölkerung gegen eine ausbeuterische und korrupte Oberschicht verteidigt werden muss. Eine Haltung, die zwar beim Publikum immer gut ankommt, von Regierungen mit Hang zur Zensur aber meist weniger gerne gesehen wird, und dazu führte, dass Wuxia-Filme wegen ihres anscheinend subversiven Charakters in den Anfängen der chinesischen Republik zunächst einmal verboten wurden – was wiederum der in Hong Kong und Taiwan ansässigen Filmindustrie eine gerne genutzte Einnahmequelle bescherte.

Einer, der von eben dort aus das Genre mit seinen Filmen erfolgreich weiterentwickelte, war der Regisseur King Hu. Er sagte von sich, dass ihn die Bewegungen der Tänzer und Artisten der Peking Oper fasziniert hatten, er aber meinte, ihre Kunst würde durch die Bühne zu sehr begrenzt und könne im Film viel besser zur Entfaltung kommen. Folgerichtig engagierte er mit Cheng Pei-pei eine Tänzerin für die Hauptrolle seines zweiten Films Come drink with me. Ein Konzept, das aufging, denn dieser, ebenso wie seine nachfolgenden Filme, Dragon Gate Inn und besonders A Touch of Zen waren zu ihrer Zeit sehr erfolgreich und gelten heute ebenso als Klassiker des Genres, wie seine Hauptdarstellerin geradezu als Königin des Wuxia-Films.

Und wem nun die Szene, in der eine junge Dame sich gegen eine Reihe von Angreifern zur Wehr setzt und dabei eine renovierungsbedürftige Herberge hinterlässt, ebenso bekannt vor kommt, wie die Hauptdarstellerin selbst, der hat vermutlich diesen Film gesehen und liegt damit völlig richtig.

(Come Drink with Me, Hong Kong 1966; Regie: King Hu.)

Summer Snow

Einer der drei Gründe, weshalb aus der bereits erwähnten Liste der Best 100 Chinese Motion Pictures, tatsächlich eine Liste der 103 besten chinesischen Filme wurde, ist Summer Snow von Ann Hui. Überhaupt ist Frau Hui auf dieser Liste mehrfach vertreten, insgesamt vier mal, von denen einer ihrer Filme es mit Platz 8 sogar unter die ersten zehn schaffte, eingerahmt auf den Plätzen 7 und 9 übrigens von Filmen von King Hu, als dessen Regie-Assistentin sie zu Beginn ihrer Karriere gearbeitet hatte.

Auch bei den Hong Kong Film Awards sind ihre Filme regelmäßig vertreten, so ist zum Beispiel der aktuelle Best Film, aus der diesjährigen Verleihung, ihr Film A simple Life, eine Auszeichnung, die sie schon bei der überhaupt erst zweiten Verleihung der Hong Kong Film Awards im Jahr 1983 für Boat People erhielt, des weiteren 1996 für Summer Snow und 2000 für Ordinary Heroes.

Vor allem aber kann man wohl feststellen, dass es sich beim besten Regisseur Hong Kongs um eine Frau handelt, zumindest ist Ann Hui diejenige, die den Hong Kong Award als Best Director bislang am häufigsten erhalten hat: ebenfalls vier Mal, damit kann keiner der wesentlich bekannteren Martial-Arts-, Wuxia- und Action-Filmregisseure mithalten (nur zum Vergleich: der nicht nur von Quentin Tarantino hoch geschätzte Regisseur Johnnie To war bislang zwar schon 16 mal in dieser Kategorie nominiert, erhielt die Auszeichnung aber erst dreimal).

Und selbst, wenn man berücksichtigt, dass sie eine sehr fleißige Filmemacherin ist, und ihre Werke regelmäßig auch auf internationalen Festivals laufen, werden die vielen Auszeichnungen für ihre Arbeit umso bemerkenswerter, wenn man sich die Themen der Mehrzahl ihrer Filme anschaut: denn obwohl sie 1982 mit Boat People einen politischen Film machte, so ist der Titel ihres aktuellen Films, A simple Life, keineswegs ironisch gemeint, und auch bei Summer Snow von 1995, dessen chinesischer Titel soviel wie ‚Eine Frau mit 40‘ bedeutet, handelt es sich um eine ganz alltägliche Geschichte. Vielleicht hätte er ebenso zutreffend auch ‚Ein Schwiegervater um die 70‘ heißen können, aber eigentlich drängt sich keine der Figuren, von denen hier sehr liebevoll erzählt wird, in den Vordergrund.

Und obwohl kämpferische Frauen im Kino Hong Kongs auf eine lange Tradition zurückblicken können, wird auf den Einsatz von Dolchen und Schwertern verzichtet. Um mit dem richtigen Leben klar zu kommen, sind andere Methoden einfach besser geeignet.

(Summer Snow, Hong Kong 1995; Regie: Ann Hui.)

 

Comrades – Almost a Love story

Nach den Eindrücken eines italienischen Filmemachers Anfang der 1970er von China, dem Spielfilm eines weiteren italienischen Filmemachers aus den 1980ern und der Doku über das Bild, das Hollywood Jahrzehnte lang von China und seinen Einwohnern verbreitete, wird es nun Zeit, einen Blick auf die Selbstdarstellung der chinesischen Filmindustrie zu werfen. So werden in Hong Kong zum Beispiel seit 1982 die Hong Kong Film Awards verliehen. Die Regeln sind relativ einfach, der Film sollte im Vorjahr in Hong Kong in den Verleih gegangen sein, er darf nicht weniger als eine Stunde dauern und wenn dann noch mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind, nämlich dass entweder der Regisseur bzw. die Regisseurin in Hong Kong ansässig ist, oder eine der Film-Gesellschaften oder doch wenigstens sechs Mitglieder der Crew, steht der Nominierung grundsätzlich nichts mehr im Wege. Und falls es mit der Ansässigkeit in Hong Kong so gar nicht klappen sollte, gibt es seit 2002 noch die Best Asian Film Kategorie. Ansonsten heißen die Kategorien Bester Film, Beste Regie, Beste Haupt- und Nebendarsteller und -darstellerinnen, weitere Auszeichnungen gibt es unter anderem auch für die Beste Filmproduktion, den Besten Nachwuchs, Drehbuch, Schnitt, Art Direction, Kostüm & Make Up Design, Filmmusik sowie Filmsong und Choreographie, Visual Effects und Sound Design.

Ähnlich wie bei den Academy Awards in Hollywood handelt es sich hier nicht um einen Publikumspreis, sondern professionelle Filmschaffende bestimmen sowohl die Nominierungen, als auch die Gewinner. In dem Jahr, in welchem zum Beispiel Bertolucci gerade an Originalschauplätzen seinen Last Emperor drehte, wurde in Hong Kong dieser Film gefeiert, der zwar in einer ganz anderen Epoche spielt, aber auch davon abgesehen ein völlig anderes Bild von China, wenn auch in diesem Falle speziell Hong Kongs, vermittelt.

Bislang führend in der Kategorie „Häufigste Nominierung ohne Gewinn“ ist übrigens der auch außerhalb von Hong Kong recht bekannte Jackie Chan, der zwischen 1985 und 2005 allein 10 mal als Bester Hauptdarsteller nominiert war, aber diese Auszeichnung kein einziges Mal erhielt (in anderen Kategorien wurden seine Filme aber durchaus in Hong Kong für preiswürdig befunden).

Andere waren da zwar erfolgreicher, aber in dem Maße, wie Bertolucci, der im Jahr 1988 neun Academy Awards in Hollywood abräumte, gelang dies bei den Hong Kong Awards bisher nur ein einziges Mal, als im Jahr 1997 Comrades – Almost a Lovestory ebenfalls mit neun Auszeichnungen bedacht wurde, unter anderen die für den Besten Film, die Beste Regie, das Beste Drehbuch und die Beste Hauptdarstellerin, wobei Letztere in Person von Maggie Cheung ohnehin sowohl die meisten Nominierungen als auch die meisten Auszeichnungen als Beste Hauptdarstellerin bei den Hong Kong Film Awards vorzuweisen hat.

Selbstverständlich vermittelt auch dieser Film ein sehr spezielles Bild von China, beziehungsweise von Hong Kong und seinen Zugezogenen, aber man darf wohl angesichts der vielen Preise annehmen, dass es weitgehend dem entspricht, das sich die in Hong Kong ansässigen Filmemacher in den 1990ern von ihrer Stadt und dem Leben darin machen, oder doch zumindest dem, wie sie im Kino gesehen werden wollten.

(Comrades – Amost a Love Story, Hong Kong 1996; Regie: Peter Chan.)

 

A Chinese Ghost Story

Selbstverständlich haben weder Japan noch Großbritannien das Geisterfilmwesen in Serie alleine gepachtet – auch das Hong Kong Kino hat hier seinen Beitrag geleistet: A Chinese Ghost Story z. B. bringt es bisher auf zwei Fortsetzungen, ein Remake und eine Fernsehserie, wobei einige der hier wiederholt eingesetzten Motive auch in europäischen und amerikanischen Horrorfilmen sehr beliebt sind: allerdings wehen hier nicht nur Vorhänge, sondern große Mengen von Stoff durch die Nacht, ebenso wie bleiche Fräuleins mit Untertemperatur in langen weißen Gewändern. Es gibt verräterische Blutflecken und natürlich Kerzen, die im falschen Moment verlöschen, was wiederum außer Wölfen auch Zombie-Mumien und Geister in bester Stop-Motion Animation auf den Plan ruft, wie sie selbst von Ray Harryhausen kaum ansprechender hätten gestaltet werden können.

Auch die Figur des etwas naiven, aber anständigen jungen Mannes, der sich all dem beherzt entgegen stellt, fehlt ebenso wenig wie der erfahrene und mit allen notwendigen Mitteln und Techniken vertraute Geisterjäger, der ihm dabei zur Seite steht. Allerdings ist Letzterer hier ein mit allen Wassern gewaschener Tao-Priester, der nicht nur als Schwertkämpfer ein Virtuose ist, sondern auch durch Bäume hüpfen kann und sogar Feuerkugeln aus seinen Handinnenflächen schießt: das konnte Dr. van Helsing nie, egal in welcher Verfilmung.

Wir haben es hier also mit einem wilden Genremix zu tun, einer Fantasy-Horror-Liebes-Komödie mit reichlich Wuxia-Einlagen, deren Geschichte kurzzeitig auch schon mal etwas ins Wirre abgleitet, was aber bei dem Tempo, den der Film vorlegt, eigentlich nicht weiter auffällt. In China, Südkorea und Japan kam das Ende der 1980er Jahre beim Publikum gut an, wurde zudem beim Hong Kong Film Award mehrfach ausgezeichnet und machte den Regisseur und Martial Arts Choreographen Ching Siu-Tung bis heute zu einem vielbeschäftigten Mann.

(A Chinese Ghost Story, Hong Kong 1987; Regie: Ching Siu-Tung.)

Three… (Nightmares & Extremes)

Vom südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook wissen wir ja schon, dass er nicht viel davon hält, Filme zur Entspannung zu drehen oder auch nur anzuschauen, aber ganz offensichtlich teilen eine ganze Reihe seiner asiatischen Kollegen diese Einstellung: Kim Jee-Woon zum Beispiel, ebenfalls aus Südkorea, Nonsi Nimibut aus Thailand sowie Peter Chan und Fruit Chan aus Hong Kong und, nicht zu vergessen, der beim Thema Horrorfilme nahezu unvermeidliche Japaner Miike Takashi. Jeder der sechs Regisseure hat jeweils einen Film von um die 40 Minuten Länge zum Thema beigetragen, die inhaltlich nicht zusammenhängen und die alle in technischer wie erzählerischer Hinsicht sehr verschieden geraten sind, aber für einen erholsamen, besinnlichen Abend ist keiner von ihnen wirklich geeignet.

Die beiden Episodenfilme Three… Extremes I und II bzw. Saam gang (2002) und Saam gang yi (2004)  sind vielmehr Horrorgeschichten für Erwachsene: weitgehend frei von Masken und Sägen, werden hier keine Teenager gemeuchelt, zumindest nicht reihenweise, überhaupt gibt es vergleichsweise wenig Geschrei und auch das Filmblut fließt nicht unbedingt literweise, aber das macht sie nicht unbedingt harmloser, sondern eher noch beunruhigender.

(Saam gang, Südkorea, Thailand, Hong Kong 2002; Regie: Kim Jee-Woon, Nonsi Nimibut und Peter Chan & Saam gang yi, Hong Kong, Südkorea, Japan 2004; Regie: Fruit Chan, Park Chan-wook und Miike Takashi.)