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Green Snake

Alle Dinge können wachsen und sich verändern: Ein Stein kann eine Pflanze werden, eine Pflanze kann ein Tier werden, ein Tier kann zum Menschen werden und Menschen können zu Göttern werden.“

Derlei gravierende Veränderungen finden allerdings auch in den buddhistisch geprägten Geschichten des alten China nicht einfach so über Nacht statt – es gehören vielmehr ausreichend Training, Selbstdisziplin und Fortbildung dazu, nicht zu vergessen Meditation und vor allem: viele gute Taten. Wechselt man die Richtung seines Tuns von gut nach böse, kann die eigene Entwicklung aber auch umgekehrt verlaufen und so kann es passieren, dass sich ein Mönch und erfolgreicher Dämonenjäger als Magen einer Krabbe wiederfindet und allein dessen orangene Farbe erinnert noch an seine vorherige Inkarnations-Stufe.

Hier allerdings geht es nicht um Krabben, sondern um Schlangen, eine weiße und eine grüne, denen es Jahrhunderte langes Training ermöglicht, die Gestalt von Frauen anzunehmen. Aber die Form zu erlangen, egal wie gut ihnen dies auch gelungen sein mag, war nicht das eigentliche Ziel, sondern der Inhalt, weshalb sich die Damen nun daran machen, die menschliche Gefühlswelt zu erkunden. Mönche, die ihnen das Leben schwer machen gibt es zwar auch hier in ausreichender Menge, aber anders, als in einer der älteren Versionen der Geschichte wird im Film keiner davon zu einem Magen, egal welchen Lebewesens.

Denn ebenso wie bei diesem und diesem Wuxia-Film gibt es auch hier eine literarische Vorlage, genau genommen sogar einige, die ihrerseits wiederum auf eine wesentlich ältere Legende zurückgehen, deren erste überlieferte schriftliche Version aus der Zeit der Ming Dynastie stammt. Im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden viele Varianten des Themas, auch wurde aus der ursprünglichen Horrorgeschichte eine Romanze, die Version aber, die dem Film letztlich als Grundlage diente, wurde von der zeitgenössischen Schriftstellerin Lilian Lee verfasst, deren Bücher schon häufiger verfilmt wurden, unter anderem von Chen Kaige (Farewell my Concubine) und Fruit Chan (Dumplings).

Ähnlich vielfältig wie ihre schriftliche Niederlegung sind auch ihre diversen Umsetzungen: in der chinesischen Oper war die Geschichte schon lange beliebt, 1956 brachte das hier bereits mehrfach gewürdigte japanische Toho Studio den Stoff in Zusammenarbeit mit dem Hong Konger Studio der Shaw Brothers als seinen ersten Farbfilm in die Kinos und bis heute folgten zahlreiche weitere Verfilmungen, für Kino wie TV, ebenso wie weitere Aufführungen als Oper, Theaterstück oder Musical.

Was Tsui Hark aber daraus gemacht hat, der nach der für alle Beteiligten wenig erfreulichen Teamarbeit dieses Films, bei Green Snake lieber gleich als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor fungierte, noch dazu unterstützt von Maggie Cheung und Joey Wang als Hauptdarstellerinnen, ist schon sehr eigen geraten: bunt, schräg und anarchisch, quer durch die Geschlechter-Klischees gepflügt und mit einigen durchaus überzeugenden, handfesten Argumenten gegen Selbstgerechtigkeit und Zölibat: „Du hast verloren!“

(Green Snake, Hong Kong 1993, Regie: Tsui Hark.)

 

The Swordsman

Zum wahren Heldentum, so könnte man meinen, gehört in erster Linie die Unfähigkeit, sich vorab über die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns klar zu werden und auch von den Helden dieses Films kann man sagen, dass sie zumindest eine gewissen Sorglosigkeit auszeichnet: heiter und unbeschwert gehen sie ihrer Wege und wollen eigentlich niemandem etwas Böses. Es ist vielmehr die Gegenseite, die hier strategisch geplant und mit durchdachter Intrige vorgeht. Die Guten, so scheint es, gehen unbekümmert durch eine Welt voller Streit und Krieg, verlassen sich auf das, was sie können und gelernt haben und darauf, dass sie, wenn es doch einmal zu viele Gegner werden, Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten.

Nicht ganz so unbeschwert hingegen verliefen wohl die Dreharbeiten. Denn auch, wenn die Idee des Produzenten Tsui Hark, der an den Erfolg dieses ebenfalls von ihm produzierten Films anknüpfen wollte, den ‚Altmeister‘ des Wuxia-Films, King Hu, zu reaktivieren, durchaus ihren Charme hatte – sie funktionierte leider nicht.

Seit Mitte der 1970er hatte sich ein Großteil der Filmindustrie Hong Kongs zunehmend auf einfacher und billiger zu produzierende Kung Fu-Filme konzentriert, die (trotz seines frühen Todes) durch Bruce Lee und Jackie Chan auch in den USA populär wurden und damit ein größeres Publikum und mehr Einnahmen versprachen, während in Hong Kong der Regisseur Chang Cheh unermüdlich beide Genres bediente und im Verlauf seiner vielen, oft mit wenig Zeit und noch weniger Budget realisierten Produktionen, einen sehr eigenen Stil entwickelte, der ein eher spezielles Publikum fand. King Hu hingegen hatte seine Arbeit Ende der 70er weitgehend eingestellt und bereits viele Jahre an keiner größeren Produktion mehr teilgenommen, als Tsui Hark auf ihn zu kam.

Woran auch immer es gelegen haben mag, es gab Streit, man wurde sich nicht einig und King Hu verließ das halbfertige Projekt. Infolgedessen zogen sich die Dreharbeiten in die Länge, der Drehort, der ursprünglich für den gesamten Film ein Berg in Taiwan sein sollte, wurde nach Hong Kong verlegt, Mitarbeiter und Darsteller wurden ausgetauscht, das Drehbuch mehrfach umgeschrieben und entsprechend viele Szenen nachgedreht und wenn nicht ein ganzes Team aus Regisseuren eingesprungen wäre, unter anderen Ching Siu-Tung als Choreograph für die Action-Szenen, Tsui Hark selbst, vor allem aber Ann Hui, so wäre aus der ganzen Sache wohl nichts mehr geworden. Das aber kann man vom Ergebnis nun nicht behaupten, denn auch wenn die Handlung vielleicht hin und wieder etwas abrupt den Schauplatz wechselt und an manchen Stellen nicht allzu hartnäckig hinterfragt werden sollte, so werden die verschiedenen Stile doch recht gelungen vereint: Kämpfe werden im hohen Gras wie in Wäldern ausgetragen und Herbergen nach allen Regeln der Kunst zerlegt, was bisweilen kunterbunt und ein wenig überdreht wirkt, aber mit jener Selbstironie inszeniert wurde, die eben beiden, King Hu und Tsui Hark, nicht fremd war.

Und da passt es doch ganz gut, dass es im Film hauptsächlich um zwei Schriftrollen geht, von denen die eine ihrem Besitzer zu großer Macht verhelfen kann, während die andere ein Lied enthält, das die Läuterung von derart schädlichem Streben besingt: „The blue seas laugh, surging against both shores, we are carried by the waves, only concerned with the here and now. The azure skies laugh, at the disorders in the world. Only the heavens know, who will win and who will lose… The green earth laughs. Solitude is no more. Noble sentiments still make us laugh like we don‘t care.“

(The Swordsman, Hong Kong 1990; Regie: King Hu, Tsui Hark, Ching Siu-Tung, Raymond Lee, Andrew Kam und Ann Hui.)

 

A Chinese Ghost Story

Selbstverständlich haben weder Japan noch Großbritannien das Geisterfilmwesen in Serie alleine gepachtet – auch das Hong Kong Kino hat hier seinen Beitrag geleistet: A Chinese Ghost Story z. B. bringt es bisher auf zwei Fortsetzungen, ein Remake und eine Fernsehserie, wobei einige der hier wiederholt eingesetzten Motive auch in europäischen und amerikanischen Horrorfilmen sehr beliebt sind: allerdings wehen hier nicht nur Vorhänge, sondern große Mengen von Stoff durch die Nacht, ebenso wie bleiche Fräuleins mit Untertemperatur in langen weißen Gewändern. Es gibt verräterische Blutflecken und natürlich Kerzen, die im falschen Moment verlöschen, was wiederum außer Wölfen auch Zombie-Mumien und Geister in bester Stop-Motion Animation auf den Plan ruft, wie sie selbst von Ray Harryhausen kaum ansprechender hätten gestaltet werden können.

Auch die Figur des etwas naiven, aber anständigen jungen Mannes, der sich all dem beherzt entgegen stellt, fehlt ebenso wenig wie der erfahrene und mit allen notwendigen Mitteln und Techniken vertraute Geisterjäger, der ihm dabei zur Seite steht. Allerdings ist Letzterer hier ein mit allen Wassern gewaschener Tao-Priester, der nicht nur als Schwertkämpfer ein Virtuose ist, sondern auch durch Bäume hüpfen kann und sogar Feuerkugeln aus seinen Handinnenflächen schießt: das konnte Dr. van Helsing nie, egal in welcher Verfilmung.

Wir haben es hier also mit einem wilden Genremix zu tun, einer Fantasy-Horror-Liebes-Komödie mit reichlich Wuxia-Einlagen, deren Geschichte kurzzeitig auch schon mal etwas ins Wirre abgleitet, was aber bei dem Tempo, den der Film vorlegt, eigentlich nicht weiter auffällt. In China, Südkorea und Japan kam das Ende der 1980er Jahre beim Publikum gut an, wurde zudem beim Hong Kong Film Award mehrfach ausgezeichnet und machte den Regisseur und Martial Arts Choreographen Ching Siu-Tung bis heute zu einem vielbeschäftigten Mann.

(A Chinese Ghost Story, Hong Kong 1987; Regie: Ching Siu-Tung.)