Monthly Archives: August 2011

Monsoon Wedding

Tropisches Wetter in Neu-Delhi, Temperaturen um die 43°C im Schatten und nur 30 Drehtage sind nicht unbedingt die optimalen Bedingungen um einen Spielfilm von knapp 2 Stunden Dauer zu drehen. Schon gar nicht, wenn es sich um einen Film mit zahlreichen Darstellern in Haupt- wie Nebenrollen, vielen verschiedenen Drehorten und noch dazu Gesang- und Tanzeinlagen handelt. Wenn dann auch noch wesentliche der frisch gedrehten Szenen den Röntgen-Strahlen der Flughafen-Kontrolle zum Opfer fallen, wird die Situation auch nicht gerade entspannter.

Dabei war die Idee einen Film zu drehen, der einerseits typische Bollywood-Elemente enthält, aber andererseits Hand-Kameras einzusetzen und ihn so in weiten Teilen eher wie eine Dokumentation wirken zu lassen, tatsächlich gut.

Also wird einer von sechs Handlungssträngen gestrichen, es muss wieder Geld aufgetrieben werden (was Monate dauert), um die verlorenen Szenen nachdrehen zu können (in zehn Drehtagen, für mehr reicht das Geld nicht), und… die gesamte Familie wird eingespannt. Gut, wenn diese dann auch zahlreich zur Verfügung steht und ebenso willig wie einsetzbar ist und so ist es dann in jeder Hinsicht ein Familienunternehmen geworden: inhaltlich, wie in der Umsetzung, und ein erfolgreiches zudem, denn 44 Jahre nach Aparajito von Satyajit Ray war Monsoon Wedding erst der zweite indische Film, der in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde und darüber hinaus war die Regisseurin Mira Nair im Jahr 2001 die erste Frau überhaupt, die den Goldenen Löwen erhielt.

(Monsoon Wedding, Indien 2001; Regie: Mira Nair.)

Hana Bi

Angeblich wollte Takeshi Kitano diesem Film den Namen „Kitano Opus Nr. 7“ geben, als unübersehbaren Hinweis darauf, dass es sich hier bereits um seinen siebten Film handelt – er hatte wohl den Eindruck, die sechs davor seien in Japan nicht ausreichend gewürdigt worden. Da aber außer ihm niemand diesen Titel mochte, wurde er schließlich „Hana Bi“ genannt, so wie die Feuerwerk-Festivals, die im Sommer in vielen Städten Japans stattfinden. Zusammengesetzt aus den Schriftzeichen für Blume und Feuer, welche, so schreibt es Takeshi Kitano im Presseheft zu Hana Bi, die beiden Leitmotive des Films symbolisieren sollen: „flower for life and fire for death“. Immerhin ein Zeichen, dass er sich mit dem Titel wohl doch noch anfreunden konnte und auch ganz zutreffend, denn gelebt, und vor allem gestorben wird hier ausgiebig. Aber, auch wenn wir lernen, dass man mit Ess-Stäbchen hässliche Dinge tun kann, ist es doch eigentlich weniger die Gewalt selbst, die gezeigt wird, sondern vielmehr die Konsequenzen, die diese nach sich zieht.

Vielleicht war das mit dem ursprünglichen Opus-Titel auch nur ein Scherz von Kitano Takeshi, wie er in der japanischen Reihenfolge der Namen heißt, was man bei ihm nicht so genau wissen kann, denn auch wenn seine Filme in Japan vielleicht nicht so gefeiert wurden, wie z. B. in Europa, so ist er dort aber unter dem Namen Beat Takeshi seit mittlerweile Jahrzehnten ein sehr beliebter Comedian. Eine seiner Fernseh-Serien, Takeshis Castle, wurde in mindestens 25 Ländern ausgestrahlt, auch in Deutschland, aber das ist noch immer kein Vergleich zum japanischen Fernsehen, wo über viele Jahre hinweg kaum etwas ohne ihn lief, und als er 1994 infolge eines schweren Motorradunfalls einige Wochen im Krankenhaus lag, brach gleich bei mehreren japanischen Fernsehsendern Panik aus, wie man die nun entstandenen Lücken füllen solle. Aus dem Unfall resultierte die Beschränkung auf etwas weniger wöchentliche Fernsehauftritte sowie ein teilweise gelähmtes Gesicht, das er allerdings ebenso gekonnt einsetzt, wie sein damals neu entdecktes Hobby, das Malen seltsamer Bilder, die auch im Film zu sehen sind.

Über mangelnde Aufmerksamkeit für seinen Film konnte sich Kitano jedenfalls nicht beschweren, auch nicht in Japan, wo Hana Bi im Jahr 1999 in fast allen existierenden Kategorien des Japanese Awards immerhin nominiert, wenn auch nur in einer davon ausgezeichnet wurde. – Massenhaft Preise gab es zum Ausgleich dann eben wieder im Rest der Welt.

(Hana Bi, Japan 1997; Regie: Takeshi Kitano.)

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Der Bechdel-Test, auch Bechdel/Wallace-Test genannt, geht auf die us-amerikanische Comic-Autorin und -Zeichnerin Alison Bechdel zurück, genauer gesagt, auf eine Folge ihrer Comic-Serie „DTWOF – Dykes To Watch Out For“, mit dem Titel „The Rule“. Dort sagt eine der Frauen, sie schaue sich nur Filme an, die drei grundsätzliche Anforderungen erfüllen:

1. Es müssen mindestens zwei Frau mitspielen, die

2. (auch) miteinander sprechen, und zwar

3. (auch) über etwas anderes als einen Mann.

Wohlgemerkt, es geht keineswegs darum, die grundsätzliche Qualität eines Filmes auf diese Weise zu bewerten, auch nicht um die Frage, ob der Film politisch bzw. gesellschaftlich korrekt ist, es geht lediglich darum, ob Frauen überhaupt als handelnde Personen vorkommen und ob ihre Anwesenheit zumindest in Ansätzen über bloße Dekoration hinausgeht. Und es ist schon erstaunlich, bei wie vielen Filmen dies nicht der Fall ist.

Hier gibt es das Prinzip nochmal in Wort und Bild erklärt. Und hier geht es zur Bechtel Test Movie List mit zahlreichen Positiv- und Negativ-Beispielen in chronologischer Reihenfolge.

Der Film von Pedro Almodovar aus dem Jahr 1988, der den schönen Titel „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ trägt, hat den Bechdel-Test übrigens lässig bestanden.

(Mujeres al borde de un ataque de nervios, Spanien 1988; Regie: Pedro Almodóvar.)

Les Vacances de Monsieur Hulot

… ist ein Film von Jacques Tati, und Jacques Tati ist Monsieur Hulot: ein gutmütiger, höflicher Herr, stets hilfsbereit, mit etwas altmodischen Manieren und einer charakteristischen Silhuette, der, meist unbeabsichtigt, aber sehr wirkungsvoll, Chaos in geordnete Verhältnisse bringt.

In diesem, dem zweiten Spielfilm von Jacques Tati und dem ersten von Monsieur Hulot, bringt er einen beschaulichen kleinen französischen Urlaubsort und seine zahlreich dort angereisten Gäste durcheinander, denn während er mit Kindern und Hunden prächtig auskommt, gestaltet sich sein Umgang sowohl mit Erwachsenen als auch mit unbelebten Gegenständen bisweilen eher kompliziert, obwohl er eigentlich immer freundlich und gut aufgelegt sein Bestes gibt.

Eher ungewöhnlich für einen Urlaubsfilm, brachte Tati ihn in Schwarzweiß in die Kinos, obwohl er in Farbe gedreht wurde. Auch gibt es kaum Dialoge, es wird zwar gelegentlich gesprochen, die Worte selbst bleiben aber meist im Hintergrund, während die entspannte Musik von Alain Romans und akustische Effekte dem Film seine Atmosphäre geben.

Gedreht wurde im bretonischen Saint-Marc-sur-Mer, Saint-Nazaire, an der französischen Atlantikküste, wo der Strand in Anerkennung seiner Verdienste heute „Plage de Monsieur Hulot“ heißt und man ihn selbst in Bronze gegossen findet: charakteristisch mit Hut und langer Pfeife, steht er da auf langen Beinen, den Oberkörper nach vorne gelehnt, die Hände in den Rücken gestützt, blickt er auf das Meer, und kein Zweifel, gleich wird er losgehen, ständig den Hut anhebend, um gewissenhaft nach rechts und links Feriengäste, Strandmöwen und leere Boote zu grüßen und dann wird irgendetwas schief gehen. Nichts wirklich Schlimmes, aber es wird wohl ein wenig Aufregung geben.

(Les Vacances de Monsieur Hulot, Frankreich 1953; Regie: Jaques Tati.)