Category Archives: Original und Neuverfilmung

The Quiet Family

Im selben Jahr, als Park Ki-hyeong den unerbittlichen Horror südkoreanischer Mädchenschulen auslotete, fand ihn Kim Jee-Woon in seinem Debüt-Film an ganz anderer Stelle: in den idyllischen, wenn auch etwas abgelegenen Bergen Südkoreas.

Dorthin verschlägt es eine eigenwillige Familie, deren gut gemeinte Absicht, hier ein Gasthaus für Wanderer zu betreiben, durch ungünstige Umstände wie die Tatsache, dass eine schwer zugängliche Einöde nicht automatisch ein Paradies für Naturfreunde sein muss, vor allem aber das unangemessene Benehmen ihrer nicht eben zahlreich eintreffenden Gäste, ständig durchkreuzt wird.

Die innen wie außen stilgerecht gestaltete Herberge wurde komplett und in original Größe extra für den Film errichtet, und die Schauspieler, unter ihnen Choi Min-sik und Song Kang-ho in relativ frühen Rollen, scheinen vom Ambiente derart mitgerissen worden zu sein, dass sie allesamt und miteinander so souverän wie überzeugend agieren.

Sichtbar weniger Aufwand betrieb wenige Jahre später Takashi Miike, als er sich mit The Happiness of the Katakuris daran machte, dieselbe Geschichte auf seine Weise zu inszenieren. Er, der bekannt dafür ist, den ultimativen Horror ohnehin mühelos an praktisch jeder Stelle finden zu können, verlegte das Ganze nach Japan und machte daraus, nun ja, einen Miike-Film. Aber als Musical mit Tanzeinlagen. Und Karaoke. Und Knetfiguren…

(The Quiet Family, Südkorea 1998; Regie: Kim Jee-Woon & The Happiness of the Katakuris, Japan 2001; Regie: Takashi Miike.)

Chunhyang

Die Geschichte von der treuen Chunhyang ist Jahrhunderte alt und wurde in Korea gerne als Theater aufgeführt und viele Male verfilmt. Letzteres auch schon mal von zwei Regisseuren gleichzeitig, deren Versionen sich dann im Kino einen Wettkampf um die Zuschauer lieferten, bei dem es schließlich auch einen klaren Gewinner gab.

Ursprünglich handelte es sich aber um ein Pansori. Genau genommen vielleicht sogar das Pansori, da es als das berühmteste und erzählerisch wie musikalisch Beste seiner Art gilt. Und natürlich waren schon in diesem Film, mit dem Im-Kwon-taek 1993 in Südkorea dem Pansori zu einem Revival verhalf, ebenfalls Auszüge aus Chunhyang zu hören.

Einige Jahre später ging er das Thema noch einmal an und präsentierte nun die ganze Geschichte: parallel als Verfilmung mit historischen Kostümen und Kulissen einerseits, und gleichzeitig vorgetragen von einem Pansori-Sänger, auf einer Bühne und vor Publikum, das, wie es beim Pansori vorgesehen ist, sich mitreißen lässt und den Sänger angemessen unterstützt.

Vielleicht geriet Im Kwon-taeks Fassung nicht ganz so bon-bon-farben, wie die oben erwähnten Versionen, aber sie ist immer noch schön bunt und als sie im Jahr 2000 in Cannes lief, gab sie dem mittlerweile ganz allgemein auf europäischen Film-Festivals sehr beliebten Regisseur die Gelegenheit, auch gleich ein bisschen Werbung für Korea und seine Traditionen zu machen.

(Chunhyang, Südkorea 2000; Regie: Im Kwon-taek.)

Sopyonje

Nachdem Im Kwon-taek sich in den 1980ern von seinen vorherigen Themen, überwiegend Action- und Kriegsfilmen, Komödien und Melodramen, die ein möglichst großes Publikum ansprechen und unterhalten sollten, abgewandt und sich mit eher speziellen Fragen der koreanischen Kultur und Gesellschaft befasst hatte, drehte er 1990 mit General‘s Son doch noch einmal einen Gangster-Actionfilm mit vielen Kampfszenen und reichlich Pathos, der beim Publikum dann auch gleich so gut ankam, dass er sowohl 1990 als auch 1991 der meistbesuchte Kinofilm Südkoreas wurde.

Einen solchen Erfolg konnte man natürlich nicht alleine für sich stehen lassen und so wurde in den Jahren 1991 und 1992 mit General‘s Son II und III eine Trilogie daraus, die insgesamt gut besucht wurde und Im Kwon-taek eine ganze Menge Geld einbrachte.

Genug Kapital auf alle Fälle, um sich mal ein richtig ausgefallenes Thema leisten zu können, eines, das viel zu speziell wäre, um ein kommerzieller Erfolg zu werden. Zum Beispiel eine traditionelle Form epischen Gesangs, die es so nur in Korea gab, bei der eine Sängerin oder ein Sänger bis zu mehrere Stunden lange Erzählungen in Liedform vortrugen, unterstützt nur von der eigenen Gestik und Mimik, einem Fächer und einem Trommler.

Da man tatsächlich nicht mit allzu vielen Zuschauern rechnete, lief Sopyonje 1993 nur in einem einzigen Kino in Seoul an, wo ihn anfangs auch nur wenige Menschen sehen wollten. Aber, Mundpropaganda muss wohl ein Teil des Phänomens gewesen sein, dies sollte sich bald ändern und nach sechs Monaten war Sopyonje der erste Film, für den alleine in Seoul mehr als eine Million Tickets verkauft wurden, und der darüber hinaus dazu führte, dass Pansori zumindest eine ganze Weile lang eine echte Alternative zu K-Pop wurde.

Beide Filme, General‘s Son und Sopyonje, kann man sich auf dem Youtube-Channel des Koreanischen Film Archivs vollkommen legal und kostenlos anschauen und anhören.

(Sopyonje, Südkorea 1993; Regie: Im Kwon-taek.)

Woman of Fire (82)

My wife’s support has been unflagging over the years, even if, at times, she has seen one of my films and cried ‘What have you done with my money?’“

Wenn auch sein bekanntester Film nicht unter den vom Koreanischen Film Archiv bei youtube zur Verfügung gestellten ist, so finden sich dort immerhin die beiden anderen Teile der Trilogie, denn offensichtlich hat ihn das Thema derart fasziniert, dass Kim Ki-young noch zwei weitere Varianten davon drehte: Woman of Fire von 1971 und Woman of Fire 82, die allerdings beide völlig anders sind, als ihr Vorläufer, und das nicht nur, weil es hier nun sehr bunt, bizarr und psychedelisch wird.

Ebenfalls auf der Kim Ki-young Film-Liste des KoFA ist Yang san Province von 1955, der einzige von acht Filmen, die Kim Ki-young vor The Housemaid gedreht hat, der wenigstens zum größten Teil erhalten ist. Anders als seine nachfolgenden Filme kam er allerdings weder bei Publikum, noch Kritik gut an. Ein viel diskutierter Erfolg hingegen wurde The Sea Knows 1961 in Südkorea, Kim Ki-youngs erster Film nach The Housemaid, den man wohl, auch wenn es hier speziell die japanische Armee ist, die schlecht wegkommt, als einen Film betrachten darf, der sich ganz grundsätzlich gegen Krieg und Militarismus richtet.

Weiterhin finden sich dort Ieoh Island von 1977, der selbst für einen Kim Ki-young-Film drastisch ausfällt, sowie A Woman chasing a Killerbutterfly (1978) und Carnivorous Animal (1985).

Ausreichend Material also, um sich selbst ein Bild davon machen zu können, ob Kim Ki-young zu recht nicht nur in Südkorea Kultstatus genießt, sondern seit Ende der 1990er auch in Japan, den USA, Deutschland und Frankreich mit Retrospektiven auf internationalen Filmfestivals geehrt wurde, und weshalb so viele Regisseure der nachfolgenden Generation in Südkorea ihn als maßgeblichen Einfluss und Vorbild nennen, unter ihnen Park Chan-wook, Bong Joon-ho, Park Ki-hyeong und Kim Ki-duk.

Immerhin soviel dürfte wohl sicher sein, Kim Ki-youngs Filme gehören zu den eigenwilligsten und ausgefallensten Werken des südkoreanischen Kinos, oder, wie es beim Koreanischen Film Archiv zu lesen ist: „Although his movies seem to lack rational and logical reason and though his works cannot be pinned down or easily classified, Kim Ki-young is one of the most significant directors in the history of Korean cinema.“

(Woman of Fire, Südkorea 1971 und Woman of Fire 82, Südkorea 1982; Regie: Kim Ki-young.)

Seong Chun-hyang

Auf das insgesamt umfangreiche Schaffen von Shin Sang-ok wurde hier bereits an anderer Stelle eingegangen, aber einer seiner Filme soll noch zusätzlich gewürdigt werden.

Es handelt sich um eine in Korea mehrfach verfilmte klassische Sage, und im Jahr 1961 waren gleich zwei Regisseure angetreten, um jeweils ihre Version davon in die koreanischen Kinos zu bringen. Der eine war Hong Seong-ki, damals bereits ein etablierter Filmemacher, dessen Werke zuverlässig die Kinos füllten und der andere war Shin Sang-ok, der zwar auch schon eine ganze Reihen von Filmen gedreht hatte, aber an Hong Seong-ki reichte er damit nicht heran und konnte nach allgemeiner Ansicht bei diesem Wettstreit nur verlieren.

Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte, denn zum einen hatte Shin Sang-ok mit Choi Eun-hee als Hauptdarstellerin einen bereits bewährten Publikumsliebling, während die wesentlich jüngere Kim Jee-mi in der konkurrierenden Fassung noch am Anfang ihrer Karriere stand, zum anderen waren es die ersten koreanischen Filme in Cinemascope und Farbe und wenn schon die Geschichte eigentlich jedem Kind in Korea bekannt war und von daher nicht viel Spannung bieten konnte, so sollte es doch wenigstens schön bunt auf der Leinwand werden.

Und hier trug Shin Sang-ok in jeder Hinsicht möglichst dick auf. Schon die eigentlich tragische Geschichte wurde derart übertrieben, und zusätzlich mit komödiantischen Elementen angereichert, dass sie über weite Teile eher fröhlich wirkt, aber vor allem bei Cinemascope und Farbe legte er sich richtig ins Zeug: knallbunte Kleidung bei Damen wie Herren, kaum weniger farbenfrohe Architektur und Requisiten, ergänzt um kleine Theater- und Schwertkampf-Einlagen und selbst tragische Szenen in Gefängnissen wurden durch den Einsatz farbiger Scheinwerfer bunt ausgeleuchtet. Gedreht auf Kodak Film und weiterverarbeitet in Tokyo, bei der darauf spezialisierten japanischen Post-Production Firma Imagica.

Dagegen sah die Version von Hong Seong-ki pastellfarben und blass aus.

Somit hatte Korea seinen ersten offiziellen und dokumentierten box office hit, dessen Zuschauerrekord erst sieben Jahre später von diesem Film geschlagen werden sollte (und aktuell seit vielen Jahren völlig zurecht von diesem Film gehalten wird), Shin-Song-ok hatte seinen endgültigen Durchbruch und wir haben mit der vom Koreanischen Filmarchiv auf youtube zur Verfügung gestellten Fassung, für deren Restaurierung offenbar mehrere unterschiedlich gut erhaltene Kopien zusammengefügt wurden, die Möglichkeit uns einen abwechslungsreich bunten koreanischen Abend zu machen.

(Seong Chun-hyang, Südkorea 1961; Regie: Shin Sang-ok.)

And Now for Something Completely Different

Wenn ist das Nurnstuck git und Slotermeyer? Ja! Feierhund das oder die Flipperwaldt gersput!“

Auch wenn das Lesen oder Hören dieser Zeilen gewisse Gesundheitsrisiken birgt, so ist es nun, spätestens nach dem an dieser Stelle bereits gewisse Parallelen zu erkennen waren, an der Zeit, auch Monty Pythons Schaffen zu würdigen.

Dies soll exemplarisch mit „And Now for Something Completely Different“ geschehen, ihrem ersten Kino-Film, der zwischen der ersten und zweiten Staffel ihrer TV-Serie Monty Pythons Flying Circus gedreht wurde, und der eigentlich dazu gedacht war, sie dem amerikanischen Publikum bekannt zu machen. Finanziert und produziert wurde das Ganze vom Playboy Magazin und der einen oder anderen Episode sieht man auch an, dass Monty Python sich der daraus resultierenden Verantwortung durchaus bewusst waren. Vor allem John Cleese scheute sich nicht, sich ganz im Geiste des damals populären Magazins zu präsentieren.

Dennoch war man in den USA zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht reif für diese spezielle Form von Humor, andererseits wurden Film und Fernsehserie in Großbritannien und Deutschland dafür umso freudiger aufgenommen, wo sie rasch zu eben jenen Klassikern avancierten, die sie bis heute sind. Bleibt nur noch, darauf hinzuweisen, dass einige der Sketche des Films ganz offiziell im Monty Python Channel auf youtube zu sehen sind, zum Beispiel hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier… und natürlich auch andere, die ebenfalls (wieder-)sehenswert sind und bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

(And Now for Something Completely Different, Großbritannien 1971; Regie: Ian MacNaughton.)

 

The Cat and the Canary

Hier haben wir den Beweis, dass das Grusel-Horror-Geister-Film Genre sein stilgerechtes Medium nicht nur im schwarz/weiß, sondern auch im Stummfilm hat.

Zunächst einmal ist alles vorhanden, was man von dieser Art Film und einem Regisseur, der gerade erst vom deutschen Expressionismus in die USA übergesiedelt war, erwarten darf: ein einsam gelegenes, unheilvolles Haus mit vielen dunklen Schatten, finsteren Ecken und langen düsteren Korridoren (mit wehenden Vorhängen!) und natürlich Treppen, Geheimtüren, -fächer und -gänge und nicht zu vergessen, das überdimensionierte Mobiliar, welches seinerseits wieder schöne, lange, schwarze Schatten wirft und alles zusammen bildet einen effektvollen Kontrast zu den Gesichtern der Menschen, die sich darin bewegen – hell und weiß und meist mit weit aufgerissenen Augen

Überdies spielt die Geschichte natürlich bei Nacht und spätestens hier ist vollkommen klar: in Farbe sähe all dies bei weitem nicht so eindrucksvoll aus (oder schlimmer noch, so albern, wie in der Neuverfilmung von 1978).

Aber auch, dass es sich um einen Stummfilm handelt, ist unbedingt von Vorteil, denn an den Stellen, wo es sinnvoll war, zeigte sich Regisseur Paul Leni ausgesprochen kreativ darin, Ton in Bilder umzusetzen, sei es zum Beispiel beim Schlagen einer Uhr oder auch bei der Gestaltung von Zwischentiteln, die es in ihrer Aussagekraft teilweise durchaus mit Comic-Sprache aufnehmen könnten, während die Tatsache, dass man die ganze Schreierei nur sieht und nicht hört, wiederum recht angenehm ist.

Und wer nun Laune bekommen hat, sich einen Klassiker des Grusel-Genres anzuschauen, kann dies ohne Umstände tun, denn wie so vieles Schöne und Spannende steht auch The Cat and the Canary bei archive.org zu Ansicht und Download bereit. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen, denn die von Hugo Riesenfeld komponierte ist nicht dabei, aber vielleicht wird man ja hier fündig, oder hier…?

(The Cat and the Canary, USA 1927; Regie: Paul Leni.)

 

Godzilla

Nuklearwaffen-Tests wecken in den Tiefen des Ozeans einen riesigen Dinosaurier, der sich prompt auf den Weg Richtung New York macht, um dort Wolkenkratzer umzuwerfen, Züge und Autos platt zu treten und die in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung vor sich her zu treiben… New York?! Ja, New York, denn ein Jahr bevor Godzilla bzw. Gojira sich anschickte, Japans Hauptstadt nieder zu trampeln, hatte das „Beast from 20.000 Fathoms“ bereits sehr erfolgreich „Panik in New York“ verbreitet.

Die Idee war schon damals nicht völlig neu gewesen – auch King Kong hatte 1933, vom Stop-Motion-Pionier Willis H. O‘Brien animiert, die weiße Frau Fay Wray auf seiner Heimatinsel Skull Island gegen gigantische Urzeitechsen verteidigt – und bekanntlich hatte auch er es ja bis nach New York und auf das Empire State Building geschafft. Zudem war King Kong nach seiner Premiere immer wieder erfolgreich in den amerikanischen Kinos gelaufen und als er 1952 erneut beim Publikum gut ankam, fragten sich die Produzenten in Hollywood wohl, welche Arten von Getier man denn noch so auf New York loslassen könnte, zudem Willis H. O‘Brien mit Ray Harryhausen einen Meisterschüler in Sachen Tricktechnik herangezogen hatte, der mittlerweile ausreichend Ideen für ein eigenes Großprojekt beisammen hatte.

Aber während King Kong und seine Mitmonster noch als zwar außergewöhnlich große, aber dennoch auf natürlichem Wege entstandene Geschöpfe auftraten, kam nun, aus aktuellem Anlass, ein neuer Aspekt hinzu: die gefährlichen Kreaturen wurden durch den Einsatz von Nuklearwaffen erweckt oder entstanden gar erst qua Mutation – entsprechend größer war ihre Zerstörungskraft, und die Verantwortung dafür lag jetzt nicht mehr bei Mutter Natur, sondern der Menschheit.

Ein Gedanke, dessen filmische Umsetzung in Japan auch bereits in Planung war, wo man im Studio Toho einen Film vorbereitete, in dem ebenfalls nach einem schief gegangenen Nuklearwaffen-Experiment ein Monster aus dem Meer kommen sollte, irgendetwas zwischen Gorilla und Wal (daher der Name Gojira bzw. Godzilla), auch ein gigantischer Oktopus oder ein riesiges Meereswesen mit einem Pilz-Kopf wurden in Betracht gezogen. Nachdem aber Tomoyuki Tanaka, einer der Produzenten von Toho, den Dinosaurier in New York gesehen hatte, fand man das Szenario offensichtlich so einleuchtend, dass die Gestalt des Monsters und Teile der Handlung weitgehend übernommen, nach Tokyo verlegt und im Toho-Studio neu verfilmt wurden.

Einer, der gerne die Regie für diesen bzw. einen der folgenden Godzilla-Filme übernommen hätte, war Akira Kurosawa, der aber bei Studio Toho schon für seinen Perfektionismus berüchtigt war, welcher ihn angeblich auch schon mal Ströme umleiten und Hausdächer ab- und wieder aufdecken ließ, wenn es seinen Vorstellungen besser entsprach. Und so kam es wohl, dass die Produzenten bei Toho Co., Ltd. lieber nicht herausfinden wollten, wie aufwendig ein Film, in dem eine gigantische Echse die größte Stadt Japans in Schutt und Asche legt, in den Händen Kurosawas werden würde – und wie teuer.

Stattdessen drehte Kurosawa seine Sieben Samurai, während sein enger Freund Ishiro Honda für Drehbuch und Regie bei Godzilla verantwortlich war. Beide Projekte liefen parallel und gerieten in jeder Hinsicht derart aufwendig, dass sie das Studio Toho fast ruiniert hätten. Beide Filme waren aber auch sehr erfolgreich und wurden zum Beispiel für den Japanese Academy Award als Bester Film nominiert, wobei Sieben Samurai gewann; Godzilla aber war der erste japanische Film, der es nach Jahren ernster politischer Probleme zwischen beiden Ländern, in die Kinos von Korea schaffte, was vielleicht ein noch größerer Erfolg war.

Mit der Tricktechnik von Ray Harryhausen konnte man es in Japan allerdings noch nicht aufnehmen, weshalb man einen Anzug konstruierte, in dem ein Mensch steckte, in diesem Falle der Schauspieler Haruo Nakajima, der keine leichte Aufgabe hatte, denn das Ding war so schwer und wenig luftdurchlässig, dass er immer nur ein paar Minuten darin agieren konnte. So hält sich auch hartnäckig das Gerücht, ein Großteil der Zerstörung des Miniatur-Tokyos sei auf Ohnmachtsanfälle von Godzilla bzw. Nakajima zurückzuführen.

Dennoch war es Godzilla, der auf lange Sicht wesentlich erfolgreicher war, als das namenlose Beast von New York, was schließlich auch Hollywood anerkennen musste und der zahlreiche Nachfolger hervorbrachte, die dann auch gegen King Kong, diverse Außerirdische oder Meeresmonster und viele andere mehr antreten durften. So viele, dass eigentlich nur aufrichtige Fans des Genres hier noch den Überblick behalten können.

(Godzilla, Japan 1954; Regie: Ishiro Honda.)

A Night to Remember

„Too many people from this shipyard lost their lives that night and too many others as well. Why should we help to make an entertainment out of it.“

Auch wenn man wohl annehmen darf, dass es nicht alleine Pietät war, die große Schiffsreedereien wie Harland and Wolff und Shaw Savill Shipping davon abhielt, die Dreharbeiten zu „A Night to Remember“ zu unterstützen, denn auch in wirtschaftlicher Hinsicht lag es kaum in ihrem Interesse, dass die Geschichte der RMS Titanic Jahrzehnte nach ihrem Untergang durch eine erneute Verfilmung wieder ins Bewusstsein der Menschen gebracht wurde, so ist diese Haltung angesichts von nur etwas über 700 Überlebenden und um die 1500 Toten wohl durchaus nachvollziehbar.

Der Verdacht, dass es bei diesem Film in erster Linie um Spannung und Unterhaltung gehen würde, lag auch schon deshalb nahe, weil das britische Produktionsstudio Rank mit Roy Ward Baker einen ehemaligen Regieassistenten von Alfred Hitchock als Regisseur verpflichtet hatte (der im Anschluss an dieses Projekt eine ganze Reihe von Horrorfilmen für das Hammer Studio drehen sollte), und mit dem Drehbuch Eric Ambler beauftragt wurde, der damals bereits als Schriftsteller und Filmproduzent von Thrillern und Krimis bekannt war. Beide, Ambler und Ward, hatten in diesem Genre auch schon gemeinsame Filme vorzuweisen.

Andererseits basierte das Skript zu „A Night to Remember“ auf dem gleichnamigen Sachbuch von Walter Lord, der im Zuge seiner Recherche 64 Überlebende zu den Ereignissen befragt hatte. Darüber hinaus war es dem Filmstudio gelungen, noch eine ganze Reihe weiterer Augenzeugen zu finden und zur Mitarbeit zu bewegen. Dennoch, zwischen dem historischen Ereignis und dem Erscheinen des Buches, bzw. dem Drehbeginn des Films lagen immerhin 43 bzw. 46 Jahre.

Entsprechend Vieles im Film stimmte dann auch nachweislich nicht mit den historischen Gegebenheiten überein. So wird zum Beispiel in einer der frühen Szenen des Films die Schiffstaufe der Titanic gezeigt: ganz klassisch mit Ansprache und Sektflasche, die so aber nie stattgefunden hat. Auch werden im letzten Drittel des Films Szenen von Chaos und Panik während des Untergangs mit einem verlassenen Kinderspielzimmer gegengeschnitten, das es ebenfalls nicht an Bord gegeben hatte. Überhaupt sind in der IMDb im Kapitel „Goofs“ eine ganze Reihe von sachlichen Irrtümern und Anachronismen aufgelistet, während man andere Details zur Entstehungszeit des Films noch gar nicht kennen konnte, da sich manche der Vorgänge beim Versinken des Schiffes erst nach der Entdeckung und Untersuchung des Wracks im Jahre 1985 rekonstruieren ließen.

Dennoch gilt „A Night to Remember“ bis heute von allen Titanic-Verfilmungen als jene, bei der man sich am erfolgreichsten um Realitätsnähe bemühte und dabei vergleichsweise wenig auf inszeniertes Drama und emotionsgeladene Szenen setzte. Ganz anders, als der bis heute beim Publikum und finanziell erfolgreichste Film zum selben Thema, auch wenn dessen Regisseur betonte, dass „A Night to Remember“ als Vorbild für seinen eigenen Film diente, wobei seine Fehlerliste in der IMDb allerdings zehnmal so viele Einträge aufweist.

Sollten sich aber in Zukunft tatsächlich noch einmal Filmemacher an dieses Thema begeben, so ist – egal ob es sich um eine möglichst exakte Darstellung des Geschehens, oder hemmungsloses Schwelgen im Kitsch handelt – nicht mehr mit allzu viel Erkenntniszuwachs zu rechnen, denn heute, 100 Jahre nach den Ereignissen, ist mit Sicherheit keiner der Augenzeugen mehr am Leben.

(A Night to Remember, Großbritannien 1958; Regie: Roy Ward Baker.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)