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The World

„See the world in one day without ever leaving Beijing!“

Manchmal ist Die Welt ein Themenpark. In diesem Falle kann man ihn per Bahn umrunden („Good day dear visitors, welcome onboard the monorail. It circles the park completely. The ride takes 15 minutes.“) oder auch zu Fuß besichtigen: ein japanisches Teehaus mit Garten zum Beispiel, den Eiffel-Turm, das Taj Mahal, den schiefen Turm von Pisa, den Petersplatz und die Pyramiden, die Tower Bridge, Big Ben und einige mehr, alles in miniatur nachgebaut versteht sich, aber dafür stehen hier auch solche Sehenswürdigkeiten, die es an ihrem eigentlichen Standort nicht mehr zu besichtigen gibt („These are the Twin Towers, they were bombed on 11th September, we still have them.“ – „Great!“).

Vorbild und Drehort waren der reale Beijing World Park und ein etwas älterer, aber ähnlicher Themenpark in Shenzhen, vor allem aber geht es hier um die Menschen, die dort arbeiten, bescheiden entlohnt und noch bescheidener untergebracht, als Wachpersonal, in der Gastronomie oder mit wechselnden Kostümen als Darsteller/innen an den Attraktionen des Parks oder in den dazugehörigen Shows.

Und angefangen hatte es ja schon mit diesem Film, aber irgendwann muss es zwischen den Kritikern und Jia Zhang-ke so richtig gefunkt haben, denn ab dann begannen ihn fast alle zu lieben, wobei ihm sein Ruf als chinesischer Underground- oder Independent-Filmemacher wohl ganz hilfreich gewesen sein dürfte.

Obwohl er dies genau genommen mit The World schon nicht mehr war. Denn zwar hatte Jia Zhang-ke mittlerweile eine eigene Produktionsfirma gegründet, und wurde weiterhin hauptsächlich von japanischen Filmstudios, allen voran Office Kitano, und mit Geld aus Frankreich finanziert, aber diesmal erhielt er auch Unterstützung aus Shanghai und vor allem: die offizielle Erlaubnis der chinesischen Filmaufsichtsbehörde in Beijing, diesen und bislang auch alle seine folgenden Filme ohne Änderungen im In- und Ausland zu zeigen und bei internationalen Wettbewerben einzureichen.

Letzteres mit Erfolg, denn auch wenn seine Filme weder in China noch im Rest der Welt das Publikum in Scharen in die Kinos zogen, Kritiker und Jurys internationaler Filmfestivals waren offensichtlich beeindruckt: auch für The World, der bei den Filmfestspielen in Venedig seine Premiere feierte, gab es neben einigen anderen Auszeichnungen wieder eine Nominierung und zwei Jahre später, mit seinem nächsten Film, erhielt er dann schließlich auch seinen ersten Goldenen Löwen, ganz zu schweigen von all dem Kritiker-Lob, das er seitdem ebenfalls erhält

(The World, China 2004; Regie: Jia Zhang-ke.)

 

Platform

Auf die fünfte Generation folgt die sechste, so ist es auch bei den Absolventen der Beijing Filmakademie und mit dem Generationswechsel kommt meist auch eine neue Art die Welt zu sehen, respektive zu filmen.

Hatten Mitglieder der fünften Generation, wie Chen Kaige und Zhang Yimou, es mitunter, wenn auch mit wechselndem Erfolg, geschafft, sich mit den Zensurbehörden zu arrangieren und teilweise erhebliche Budgets für die Umsetzung ihrer bisweilen monumental geratenen Filme aufzutreiben, die gerne historisch-mythische Themen behandelten, so sieht dies nun mit der jüngeren Generation chinesischer Regisseure in Beijing zunächst einmal ganz anders aus: das meist geringe Budget kommt oft von japanischen oder europäischen Produzenten, gerne wird zur Handkamera gegriffen und statt großer Schauspieler-Stars besetzt man die Hauptrollen mit Kollegen und Freundinnen und arbeitet mit Laien, die ganz einfach das darstellen, was sie auch in ihrem sonstigen Leben sind. Und damit haben sich auch die Themen geändert: nun geht es um das zeitgenössische China, dessen ebenso zeitgenössischen Probleme meist gänzlich unpittoresk behandelt werden.

Ein in dieser Hinsicht typischer Vertreter seiner Generation ist Jia Zhang-Ke. Auch bei ihm ist Schluss mit Heldentum, Wuxia und Lustig, vielmehr schlägt hier die Realität mit all ihrer Härte zu, manchmal allerdings auch nur mit Perspektivlosigkeit und frustrierender Eintönigkeit und so ist es auch bei Platform (Zhantai), seinem zweiten langen, sehr langen Film nach drei Kurzfilmen, die er während seines Studiums drehte.

Eine Plattform kann bekanntermaßen einerseits eine Bühne sein, andererseits aber auch ein Ort, an dem Menschen darauf warten, dass der Zug endlich kommt, „Lonely we can only wait..“, wie es im namengebenden Popsong heißt und vielleicht muss man auch diesen Film in voller Länge gesehen haben, um Platform wirklich würdigen zu können, aber auf alle Fälle zementierte er den Ruf seines Regisseurs als experimenteller Underground-Filmemacher, was sich schon daran zeigte, dass er überwiegend mit Geld aus Hong Kong, Frankreich und vor allem vom japanischen Produktionsstudio Takeshi Kitanos finanziert wurde.

Und es war der Film, mit dem Jia Zhang-ke international bekannt wurde und der, ein Jahr, nachdem sein Generationsvorgänger Zhang Yimou ihn bereits zum zweiten Mal erhalten hatte, es immerhin auch schon zu einer Nominierung für den Goldenen Löwen von Venedig brachte.

(Platform, China 2000; Regie: Jia Zhang-ke.)

 

Hana Bi

Angeblich wollte Takeshi Kitano diesem Film den Namen „Kitano Opus Nr. 7“ geben, als unübersehbaren Hinweis darauf, dass es sich hier bereits um seinen siebten Film handelt – er hatte wohl den Eindruck, die sechs davor seien in Japan nicht ausreichend gewürdigt worden. Da aber außer ihm niemand diesen Titel mochte, wurde er schließlich „Hana Bi“ genannt, so wie die Feuerwerk-Festivals, die im Sommer in vielen Städten Japans stattfinden. Zusammengesetzt aus den Schriftzeichen für Blume und Feuer, welche, so schreibt es Takeshi Kitano im Presseheft zu Hana Bi, die beiden Leitmotive des Films symbolisieren sollen: „flower for life and fire for death“. Immerhin ein Zeichen, dass er sich mit dem Titel wohl doch noch anfreunden konnte und auch ganz zutreffend, denn gelebt, und vor allem gestorben wird hier ausgiebig. Aber, auch wenn wir lernen, dass man mit Ess-Stäbchen hässliche Dinge tun kann, ist es doch eigentlich weniger die Gewalt selbst, die gezeigt wird, sondern vielmehr die Konsequenzen, die diese nach sich zieht.

Vielleicht war das mit dem ursprünglichen Opus-Titel auch nur ein Scherz von Kitano Takeshi, wie er in der japanischen Reihenfolge der Namen heißt, was man bei ihm nicht so genau wissen kann, denn auch wenn seine Filme in Japan vielleicht nicht so gefeiert wurden, wie z. B. in Europa, so ist er dort aber unter dem Namen Beat Takeshi seit mittlerweile Jahrzehnten ein sehr beliebter Comedian. Eine seiner Fernseh-Serien, Takeshis Castle, wurde in mindestens 25 Ländern ausgestrahlt, auch in Deutschland, aber das ist noch immer kein Vergleich zum japanischen Fernsehen, wo über viele Jahre hinweg kaum etwas ohne ihn lief, und als er 1994 infolge eines schweren Motorradunfalls einige Wochen im Krankenhaus lag, brach gleich bei mehreren japanischen Fernsehsendern Panik aus, wie man die nun entstandenen Lücken füllen solle. Aus dem Unfall resultierte die Beschränkung auf etwas weniger wöchentliche Fernsehauftritte sowie ein teilweise gelähmtes Gesicht, das er allerdings ebenso gekonnt einsetzt, wie sein damals neu entdecktes Hobby, das Malen seltsamer Bilder, die auch im Film zu sehen sind.

Über mangelnde Aufmerksamkeit für seinen Film konnte sich Kitano jedenfalls nicht beschweren, auch nicht in Japan, wo Hana Bi im Jahr 1999 in fast allen existierenden Kategorien des Japanese Awards immerhin nominiert, wenn auch nur in einer davon ausgezeichnet wurde. – Massenhaft Preise gab es zum Ausgleich dann eben wieder im Rest der Welt.

(Hana Bi, Japan 1997; Regie: Takeshi Kitano.)