Category Archives: Spezielle Fähigkeiten

The Bird People in China

Dies ist nun der dritte Teil der kleinen „Takashi Miike Filme, die nicht nach Takashii Miike aussehen“-Serie. Schon sein Beitrag im zweiten Teil dieser Episoden-Sammlung kam ohne Yakuza aus und war – gemessen an jenen Filmen, mit denen Miike für gewöhnlich Aufmerksamkeit erregt – geradezu harmlos, auch seine Version dieses koreanischen Films, den er in ein Miike-Musical verwandelte, fällt sichtbar aus dem Rahmen seines übrigen Schaffens.

Nun ist es tatsächlich ein bisschen unfair, Takashi Miike nur auf Yakuza, Horror und Gewalt festlegen zu wollen, denn in der schieren Masse der Filme, die er bisher gedreht hat, findet sich neben Bizarrem, auch Familienfreundliches, neben Western, Manga-Verfilmungen und Superhelden-TV-Serien, auch Musikvideos, Komödien, Cyber-Teen-Lovestories und Kinderfilme.

Und The Bird People in China, der in keine der genannten Kategorien passt.

(The Bird People in China, Japan 1998; Regie: Takashi Miike.)

Whispering Corridors

Zu den altehrwürdigen, überlieferten Künsten Koreas – wie wohl der meisten Kulturen – gehört das Erzählen von Geister-Geschichten. Über die Jahrhunderte hinweg dürften es unzählige gewesen sein, grausame und gruselige, melancholische und traurige und bisweilen sicher auch komische, wobei die meisten wohl in Vergessenheit gerieten, manche aber zu Klassikern wurden und sich bis heute immer wieder aufmerksam gespannter Zuhörerschaft erfreuen.

Auch blieben gewisse Grundstrukturen der Erzählungen gleich, oder kehrten immer wieder – wohl, weil sie so glaubhaft waren – und auch im Zeitalter von Computern, Internet und Mobile Phones gibt es eigentlich keinen Grund, diese schöne Tradition aufzugeben. Vielleicht werden hier und da ein paar Details modernisiert, oder, wie im Falle der beliebten Geschichten von Personen, die unter besonders dramatischen Umständen ums Leben kamen und deshalb immer wieder die Stelle heimsuchen, an der sie den Tod fanden: man passt den Ort des Geschehens einfach der heutigen Zeit an.

Eine besonders geignete Stätte fanden die Macher von Whispering Corridors, dessen Original-Titel 여고괴담, bzw. in Umschrift Yeogogoedam lautet, was übersetzt soviel bedeutet wie Mädchen-Schulen-Gespenster-Geschichte und das Genre damit würdig weiterführt, denn schließlich soll ja in jeder guten (Gespenster-)Geschichte auch stets ein Funken Wahrheit enthalten sein, und bei allem, was man bis heute vom anspruchsvollen südkoreanischen Schulsystem hört, das im Ruf steht, seinen Zöglingen einiges abzuverlangen, herrschen dort nicht unbedingt entspannte paradiesische Zustände.

Ob es andererseits in südkoreanischen (Mädchen-)Schulen tatsächlich so zugeht, wie in Whispering Corridors, der 1998 (und damit im selben Jahr wie im Nachbarland Japan dieser Film) erschien, kann derart pauschal natürlich nicht beantwortet werden, aber dass es durchaus in der Absicht des Regisseurs lag, die gerade erst vollzogene Lockerung der Zensurgesetze in Südkorea zu nutzen, um auch gleich ein wenig Kritik am heimischen Schulsystem unterzubringen, dürfte wohl offensichtlich sein.

(Whispering Corridors, Südkorea 1998; Regie: Park Ki-hyeong.)

And Now for Something Completely Different

Wenn ist das Nurnstuck git und Slotermeyer? Ja! Feierhund das oder die Flipperwaldt gersput!“

Auch wenn das Lesen oder Hören dieser Zeilen gewisse Gesundheitsrisiken birgt, so ist es nun, spätestens nach dem an dieser Stelle bereits gewisse Parallelen zu erkennen waren, an der Zeit, auch Monty Pythons Schaffen zu würdigen.

Dies soll exemplarisch mit „And Now for Something Completely Different“ geschehen, ihrem ersten Kino-Film, der zwischen der ersten und zweiten Staffel ihrer TV-Serie Monty Pythons Flying Circus gedreht wurde, und der eigentlich dazu gedacht war, sie dem amerikanischen Publikum bekannt zu machen. Finanziert und produziert wurde das Ganze vom Playboy Magazin und der einen oder anderen Episode sieht man auch an, dass Monty Python sich der daraus resultierenden Verantwortung durchaus bewusst waren. Vor allem John Cleese scheute sich nicht, sich ganz im Geiste des damals populären Magazins zu präsentieren.

Dennoch war man in den USA zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht reif für diese spezielle Form von Humor, andererseits wurden Film und Fernsehserie in Großbritannien und Deutschland dafür umso freudiger aufgenommen, wo sie rasch zu eben jenen Klassikern avancierten, die sie bis heute sind. Bleibt nur noch, darauf hinzuweisen, dass einige der Sketche des Films ganz offiziell im Monty Python Channel auf youtube zu sehen sind, zum Beispiel hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier… und natürlich auch andere, die ebenfalls (wieder-)sehenswert sind und bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

(And Now for Something Completely Different, Großbritannien 1971; Regie: Ian MacNaughton.)

 

The Falls

Über Alfred Hitchcocks The Birds ist schon so viel gesagt und geschrieben worden, dass es wohl kaum nötig ist, dem noch mehr hinzuzufügen. Was aber geschah danach? Hier liefert Peter Greenaways Film The Falls einige interessante Ideen.

Ein im Film als VUE (Violent Unknown Event) bezeichnetes Ereignis hat stattgefunden, das viele Tote, aber auch eine ganze Reihe an Überlebenden zurückgelassen hat, von denen letztere infolge dessen auffällige Symptome und Verhaltensweisen entwickeln. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wird mit all der Akribie, zu der nur wirkliche Bürokraten fähig sind, ein Verzeichnis aller Überlebenden, ihrer Symptome, ihres Bezugs zum VUE und ihres späteren Werdegangs angelegt. Der Film selbst stellt – als Auszug – die 92 Biographien jener Überlebenden vor, deren Name mit den Buchstaben FALL beginnt…

Es handelt sich hier, nach einigen Kurzfilmen, von denen zwei auch eingebaut wurden, um Peter Greenaways ersten langen (und mit 3 ½ Stunden dann gleich ziemlich langen), Film, von dem er allerdings selbst sagte, es sei ja niemand gezwungen, ihn am Stück zu schauen, vielmehr möge man die Biographien ganz nach eigenem Belieben durchstöbern. Und natürlich ist nicht zu übersehen, dass es eben kein Film von Alfred Hitchcock, sondern einer von Peter Greenaway ist, der herzlich wenig auf Suspense, dafür aber viel auf jene Form von Satire und Humor setzt, die man sonst eher bei Monty Python findet.

Und wer nun wissen möchte, was The Falls mit Theodor W. Adorno, Wittgenstein und Foucault zu tun hat, erfährt dies auf der recht umfangreich angelegten Website zum Film, auf der man auch sämtliche 92 Biographien in Textform findet – allerdings ist der Film selbst mit der Musik von Michael Nyman (und ein wenig Brian Eno) unterlegt, die auf der Website nicht zu hören ist und das macht einen großen Unterschied. Einen sehr großen.

(The Falls, Großbritannien 1980; Regie: Peter Greenaway.)

 

Häxan

Anders als bei diesem Film, bei dem nicht wirklich erkennbar ist, warum seine Uraufführung im Jahr 1948 durch die Zensurbehörde von New York verboten wurde, kann man beim Stummfilm Häxan recht schnell darauf kommen, warum es nach seiner Premiere im Jahr 1922 in praktisch jedem Land, in dem er gezeigt wurde, zu Protesten und/oder Aufführungsverboten kam: Die detailverliebte Darstellung von Folter, Nacktheit und sexuellen Praktiken, insbesondere im Rahmen von Schwarzen Messen und Blasphemie zieht auch heute noch in vielen Teilen der Welt ähnliche Reaktionen nach sich.

Dabei war es dem dänischen Filmemacher Benjamin Christensen doch nur um eine historisch fundierte, filmische Dokumentation des Hexenwesens gegangen, allerdings, nachdem sämtliche Historiker, deren Expertise und Beratung er angefragt hatte, die Zusammenarbeit ablehnten, weil sie mit seinem Film nicht Verbindung gebracht werden wollten, machte er sich höchst selbst ans Werk, las einen ganzen Stapel Bücher zum Thema, vor allem den berüchtigten Hexenhammer, und ging dann daran, das Gelesene möglichst anschaulich, mit viel Aufwand und sich selbst in der Rolle des Satans, in Szene zu setzen.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf seinen Film – immerhin der teuerste Stummfilm, der je in Skandinavien produziert wurde – recht gemischt ausfielen, aber während die einen ihn verbieten lassen wollten, feierten ihn die anderen: in Deutschland wurde Christensen wegen dieses Werkes als Regisseur zur UFA geholt und auch seiner späteren Karriere als Filmemacher in den USA stand Häxan nicht im Wege, obwohl er dort lange Zeit gar nicht aufgeführt werden durfte.

Mittlerweile ist Häxan – wie könnte es anders sein? – zum Kultfilm avanciert. 1968 erschien eine mit Jazz und William S. Burroughs unterlegte, wenn auch gekürzte und zu schnell ablaufende Fassung und 2001 brachte The Criterion Collection eine restaurierte, allerdings auch gekürzte Version auf DVD heraus.

Die ungekürzte, volle 104 Minuten lange, Originalfassung von Häxan gibt es aber bei archive.org: zur Ansicht und zum Download – inklusive aller der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen.

(Häxan, Dänemark 1922; Regie: Benjamin Christensen.)

 

Green Snake

Alle Dinge können wachsen und sich verändern: Ein Stein kann eine Pflanze werden, eine Pflanze kann ein Tier werden, ein Tier kann zum Menschen werden und Menschen können zu Göttern werden.“

Derlei gravierende Veränderungen finden allerdings auch in den buddhistisch geprägten Geschichten des alten China nicht einfach so über Nacht statt – es gehören vielmehr ausreichend Training, Selbstdisziplin und Fortbildung dazu, nicht zu vergessen Meditation und vor allem: viele gute Taten. Wechselt man die Richtung seines Tuns von gut nach böse, kann die eigene Entwicklung aber auch umgekehrt verlaufen und so kann es passieren, dass sich ein Mönch und erfolgreicher Dämonenjäger als Magen einer Krabbe wiederfindet und allein dessen orangene Farbe erinnert noch an seine vorherige Inkarnations-Stufe.

Hier allerdings geht es nicht um Krabben, sondern um Schlangen, eine weiße und eine grüne, denen es Jahrhunderte langes Training ermöglicht, die Gestalt von Frauen anzunehmen. Aber die Form zu erlangen, egal wie gut ihnen dies auch gelungen sein mag, war nicht das eigentliche Ziel, sondern der Inhalt, weshalb sich die Damen nun daran machen, die menschliche Gefühlswelt zu erkunden. Mönche, die ihnen das Leben schwer machen gibt es zwar auch hier in ausreichender Menge, aber anders, als in einer der älteren Versionen der Geschichte wird im Film keiner davon zu einem Magen, egal welchen Lebewesens.

Denn ebenso wie bei diesem und diesem Wuxia-Film gibt es auch hier eine literarische Vorlage, genau genommen sogar einige, die ihrerseits wiederum auf eine wesentlich ältere Legende zurückgehen, deren erste überlieferte schriftliche Version aus der Zeit der Ming Dynastie stammt. Im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden viele Varianten des Themas, auch wurde aus der ursprünglichen Horrorgeschichte eine Romanze, die Version aber, die dem Film letztlich als Grundlage diente, wurde von der zeitgenössischen Schriftstellerin Lilian Lee verfasst, deren Bücher schon häufiger verfilmt wurden, unter anderem von Chen Kaige (Farewell my Concubine) und Fruit Chan (Dumplings).

Ähnlich vielfältig wie ihre schriftliche Niederlegung sind auch ihre diversen Umsetzungen: in der chinesischen Oper war die Geschichte schon lange beliebt, 1956 brachte das hier bereits mehrfach gewürdigte japanische Toho Studio den Stoff in Zusammenarbeit mit dem Hong Konger Studio der Shaw Brothers als seinen ersten Farbfilm in die Kinos und bis heute folgten zahlreiche weitere Verfilmungen, für Kino wie TV, ebenso wie weitere Aufführungen als Oper, Theaterstück oder Musical.

Was Tsui Hark aber daraus gemacht hat, der nach der für alle Beteiligten wenig erfreulichen Teamarbeit dieses Films, bei Green Snake lieber gleich als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor fungierte, noch dazu unterstützt von Maggie Cheung und Joey Wang als Hauptdarstellerinnen, ist schon sehr eigen geraten: bunt, schräg und anarchisch, quer durch die Geschlechter-Klischees gepflügt und mit einigen durchaus überzeugenden, handfesten Argumenten gegen Selbstgerechtigkeit und Zölibat: „Du hast verloren!“

(Green Snake, Hong Kong 1993, Regie: Tsui Hark.)

 

The Swordsman

Zum wahren Heldentum, so könnte man meinen, gehört in erster Linie die Unfähigkeit, sich vorab über die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns klar zu werden und auch von den Helden dieses Films kann man sagen, dass sie zumindest eine gewissen Sorglosigkeit auszeichnet: heiter und unbeschwert gehen sie ihrer Wege und wollen eigentlich niemandem etwas Böses. Es ist vielmehr die Gegenseite, die hier strategisch geplant und mit durchdachter Intrige vorgeht. Die Guten, so scheint es, gehen unbekümmert durch eine Welt voller Streit und Krieg, verlassen sich auf das, was sie können und gelernt haben und darauf, dass sie, wenn es doch einmal zu viele Gegner werden, Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten.

Nicht ganz so unbeschwert hingegen verliefen wohl die Dreharbeiten. Denn auch, wenn die Idee des Produzenten Tsui Hark, der an den Erfolg dieses ebenfalls von ihm produzierten Films anknüpfen wollte, den ‚Altmeister‘ des Wuxia-Films, King Hu, zu reaktivieren, durchaus ihren Charme hatte – sie funktionierte leider nicht.

Seit Mitte der 1970er hatte sich ein Großteil der Filmindustrie Hong Kongs zunehmend auf einfacher und billiger zu produzierende Kung Fu-Filme konzentriert, die (trotz seines frühen Todes) durch Bruce Lee und Jackie Chan auch in den USA populär wurden und damit ein größeres Publikum und mehr Einnahmen versprachen, während in Hong Kong der Regisseur Chang Cheh unermüdlich beide Genres bediente und im Verlauf seiner vielen, oft mit wenig Zeit und noch weniger Budget realisierten Produktionen, einen sehr eigenen Stil entwickelte, der ein eher spezielles Publikum fand. King Hu hingegen hatte seine Arbeit Ende der 70er weitgehend eingestellt und bereits viele Jahre an keiner größeren Produktion mehr teilgenommen, als Tsui Hark auf ihn zu kam.

Woran auch immer es gelegen haben mag, es gab Streit, man wurde sich nicht einig und King Hu verließ das halbfertige Projekt. Infolgedessen zogen sich die Dreharbeiten in die Länge, der Drehort, der ursprünglich für den gesamten Film ein Berg in Taiwan sein sollte, wurde nach Hong Kong verlegt, Mitarbeiter und Darsteller wurden ausgetauscht, das Drehbuch mehrfach umgeschrieben und entsprechend viele Szenen nachgedreht und wenn nicht ein ganzes Team aus Regisseuren eingesprungen wäre, unter anderen Ching Siu-Tung als Choreograph für die Action-Szenen, Tsui Hark selbst, vor allem aber Ann Hui, so wäre aus der ganzen Sache wohl nichts mehr geworden. Das aber kann man vom Ergebnis nun nicht behaupten, denn auch wenn die Handlung vielleicht hin und wieder etwas abrupt den Schauplatz wechselt und an manchen Stellen nicht allzu hartnäckig hinterfragt werden sollte, so werden die verschiedenen Stile doch recht gelungen vereint: Kämpfe werden im hohen Gras wie in Wäldern ausgetragen und Herbergen nach allen Regeln der Kunst zerlegt, was bisweilen kunterbunt und ein wenig überdreht wirkt, aber mit jener Selbstironie inszeniert wurde, die eben beiden, King Hu und Tsui Hark, nicht fremd war.

Und da passt es doch ganz gut, dass es im Film hauptsächlich um zwei Schriftrollen geht, von denen die eine ihrem Besitzer zu großer Macht verhelfen kann, während die andere ein Lied enthält, das die Läuterung von derart schädlichem Streben besingt: „The blue seas laugh, surging against both shores, we are carried by the waves, only concerned with the here and now. The azure skies laugh, at the disorders in the world. Only the heavens know, who will win and who will lose… The green earth laughs. Solitude is no more. Noble sentiments still make us laugh like we don‘t care.“

(The Swordsman, Hong Kong 1990; Regie: King Hu, Tsui Hark, Ching Siu-Tung, Raymond Lee, Andrew Kam und Ann Hui.)

 

Come Drink with Me

„Ich sagte es Dir schon einmal: Du solltest mehr beobachten und weniger kämpfen – aber Du musst ja unbedingt immer zeigen, wie gut Du in Martial Arts bist…“

Ein Vorwurf, der der hier angesprochenen jungen Dame gegenüber vielleicht ein klein wenig unfair ist, denn genau darum geht es ja schließlich in Martial Arts-Filmen. Wobei wir es hier mit einer besonderen Kategorie zu tun haben, dem Wuxia-Film, der sich von anderen Martial Arts- bzw. Kung Fu-Filmen in mancher Hinsicht unterscheidet: durch seine historisierenden und manchmal auch fantastischen Elemente zum Beispiel, denn ob die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Helden und Heldinnen noch mit Jahre langem diszipliniertem Training und Meditation zu erreichen sind, oder ob hier Übernatürliches mitspielt, bleibt meist offen und auch dadurch, dass die kämpfenden Herren es hier regelmäßig mit ihnen ebenbürtigen oder auch überlegenen, ebenfalls bewaffneten Damen zu tun kriegen.

Zudem hatte Wuxia, bevor es auf Film und Comic übertragen wurde, bereits eine lange Tradition in der Literatur und damit ausreichend Zeit, über die Jahrhunderte einen ganz eigenen Kosmos zu entwickeln. Einen wahren Kern haben die Geschichten ebenfalls, denn auch, wenn im China früherer Jahrhunderte fliegende Schwertkämpfer und -kämpferinnen wohl eher rar waren, so gab es doch ausreichend Kampf und Krieg und entsprechend viele daran Beteiligte, von denen manche wiederum den Umgang mit Waffen so weit professionalisierten, dass sie ihn hauptberuflich ausüben und mit viel Glück lange genug überleben konnten, um den Nährboden für Heldensagen zu liefern.

Doch anders als zum Beispiel in Japan, wo der Held dieses Films anfangs vielleicht ein wenig herunter gekommen wirkt, von dem wir aber dennoch annehmen dürfen, dass er als Samurai der Aristokratie angehört, entstammten ihre chinesischen Berufskollegen keineswegs nur der Oberschicht, sondern kamen aus allen Teilen der Bevölkerung.

Die historische Korrektheit darf an dieser Stelle bezweifelt werden, aber zumindest in den Wuxia-Geschichten folgen sie dabei stets ihrer eigenen, sehr individuellen Ethik und kämpfen selbstverständlich nur für das Gute – oder zumindest das, was sie dafür halten (auch Wuxia-Helden können irren), was gelegentlich miteinschließt, dass die Bevölkerung gegen eine ausbeuterische und korrupte Oberschicht verteidigt werden muss. Eine Haltung, die zwar beim Publikum immer gut ankommt, von Regierungen mit Hang zur Zensur aber meist weniger gerne gesehen wird, und dazu führte, dass Wuxia-Filme wegen ihres anscheinend subversiven Charakters in den Anfängen der chinesischen Republik zunächst einmal verboten wurden – was wiederum der in Hong Kong und Taiwan ansässigen Filmindustrie eine gerne genutzte Einnahmequelle bescherte.

Einer, der von eben dort aus das Genre mit seinen Filmen erfolgreich weiterentwickelte, war der Regisseur King Hu. Er sagte von sich, dass ihn die Bewegungen der Tänzer und Artisten der Peking Oper fasziniert hatten, er aber meinte, ihre Kunst würde durch die Bühne zu sehr begrenzt und könne im Film viel besser zur Entfaltung kommen. Folgerichtig engagierte er mit Cheng Pei-pei eine Tänzerin für die Hauptrolle seines zweiten Films Come drink with me. Ein Konzept, das aufging, denn dieser, ebenso wie seine nachfolgenden Filme, Dragon Gate Inn und besonders A Touch of Zen waren zu ihrer Zeit sehr erfolgreich und gelten heute ebenso als Klassiker des Genres, wie seine Hauptdarstellerin geradezu als Königin des Wuxia-Films.

Und wem nun die Szene, in der eine junge Dame sich gegen eine Reihe von Angreifern zur Wehr setzt und dabei eine renovierungsbedürftige Herberge hinterlässt, ebenso bekannt vor kommt, wie die Hauptdarstellerin selbst, der hat vermutlich diesen Film gesehen und liegt damit völlig richtig.

(Come Drink with Me, Hong Kong 1966; Regie: King Hu.)

Hero

„Wenn man sich nach einigen Jahren an Hero erinnert, dann wird man sich an die Farben erinnern. Man wird sich an zwei Frauen in einem Meer von goldenen Blättern erinnern, die in roter Kleidung durch die Luft tanzen. Man wird sich an zwei Männer erinnern, die auf einem spiegelglatten See ihre Schwerter nutzen, um ihre Traurigkeit auszudrücken.“

Vielleicht sollte man diesen Worten des Regisseurs Zhang Yimou der besseren Anschaulichkeit halber noch hinzufügen, dass allein die erwähnte See-Szene fast drei Wochen in Anspruch nahm, weil er darauf bestand, nur bei absolut ruhiger Wasseroberfläche zu drehen, was bei diesem speziellen See nur an zwei Stunden pro Tag der Fall war, und dass für die andere erwähnte Szene der goldenen Blätter, zunächst abgewartet werden musste, bis die tatsächlichen, in der Natur vorhandenen, nicht etwa am Computer digital eingefärbten, Blätter sich gelb färbten. Als es soweit war, wurden eigens Blattsammler angeheuert, deren alleinige Aufgabe darin bestand, ausreichend Blätter der richtigen Farbe einzusammeln, die dann in vier Kategorien sortiert wurden, um entsprechend ihrer Farbe, Frische und Sauberkeit, zum Einsatz zu kommen.

Für die, ebenfalls in dieser Szene zu sehende, rote Kleidung musste wiederum ein spezieller roter Farbstoff aus England importiert werden, nachdem zahlreiche, von der Kostümbildnerin Emi Wada vorgeschlagene Proben vom Regisseur verworfen worden waren, da sie nicht exakt seiner Vorstellung entsprachen – Emi Wada durfte sich also zusätzlich zur Auswahl der Stoffe und dem Design der Kleider auch mit dem Einfärben derselben befassen. Und es blieb nicht nur bei Stoffen: mehr als 300 Pferde wurden ebenfalls schwarz eingefärbt, da sie so angeblich eher den ‚historischen Vorgaben‘ (will meinen: den farblichen Vorstellungen des Regisseurs) entsprachen, während wir von den ungefähr 18000 eingesetzten Statisten zwar annehmen dürfen, dass sie nur eingekleidet und nicht auch umgefärbt wurden, aber auch hier waltete Perfektionismus: zum Beispiel wurden alle der unüberschaubar vielen Soldaten der Qin-Armee von tatsächlichen Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee dargestellt.

Man könnte immer so weitermachen: Mit Jet Li und Donnie Yen wurden zwei Martial-Arts-Legenden angeheuert, wobei nicht nur deren Action-Szenen vom eigens dafür hinzu geholten Martial-Arts-Action-Szenen-Guru Siu-Tung Ching choreographiert wurden, der von „A Chinese Ghost Story“ über diverse Jet Li-Filme bis zu „House of the Flying Daggers“ mittlerweile so ziemlich alle Varianten des Wuxia durchgespielt hat. Die bereits erwähnte japanische Kostümbildnerin Emi Wada hatte schon die Kostüme für Akira Kurosawas Ran entworfen und neben vielen anderen Auszeichnungen hierfür den Oscar erhalten, während sich Zhang Yimou von Wong Kar-Wai nicht nur den ebenfalls zigfach ausgezeichneten Kameramann Christopher Doyle auslieh, sondern auch Maggie Cheung Man-Yuk und Tony Leung Chiu-Wai, die zu den ganz großen Stars, nicht nur des chinesischen Kinos, zählen und hier auch nicht zum ersten Mal ein Liebespaar geben.

Kein Wunder also, dass Hero diesen Film hier als teuersten chinesischen Film aller Zeiten ablöste und den Titel bis heute verteidigen konnte. Nur, dass es eben bei aller Schönheit der Bilder in beiden Filmen, dem Regisseur Chen Kaige gelungen ist, seinem Film eine eindeutige politische Aussage mitzugeben, während die von Zhang Yimou gedrehte, deutlich abstraktere Behandlung desselben Themas zu vollkommen unterschiedlichen Interpretationen hinsichtlich der politischen Aussage führte.

(Hero, China 2002; Regie: Zhang Yimou.)

The Fountain

Als das Kronos Quartet im Jahr 1973 von David Harrington in Seattle gegründet wurde, war Darren Aronofsky gerade einmal 4 Jahre alt. Und während die Musiker des Streichquartetts in den vergangenen fast 40 Jahren in teilweise wechselnder Zusammensetzung weltweit tausende von Konzerten gegeben haben, mehr als 45 Platten einspielten und dafür mit zahlreichen Preisen bedacht wurden, hat es Aronofsky als Filmregisseur bisher auf gerade einmal drei kurze und fünf lange Filme gebracht, für die er allerdings auch schon eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten hat. Von Anfang an widmete sich das Kronos Quartet hauptsächlich der zeitgenössischen Musik und hier besonders gerne den Komponisten der Minimal Music, wie Terry Riley, Steve Reich und Philipp Glass, was sie auch schon früh in den Bereich Filmmusik führte: 1985 und 1999 spielten sie für Philipp Glass die Soundtracks zu „Mishima“ und „Dracula“ ein, worauf in den Jahren 2000 und 2006 die Zusammenarbeit mit Clint Mansell folgte, der für seinen Freund Aronofsky die Musik zu den Filmen „Requiem for a Dream“ und „The Fountain“ komponiert hatte. Bei der Musik zu The Fountain stieß dann auch noch die schottische Postrock Band Mogwai hinzu und alles in allem konnte bei derart eingespielten Profis praktisch nichts mehr schief gehen.

Allerdings war die Filmmusik auch so ziemlich das Einzige, was an The Fountain auf Anhieb und reibungslos funktionierte. Denn ansonsten musste Aronofsky das Skript mehrfach umschreiben und kürzen und die ursprünglich vorgesehenen Hauptdarsteller sprangen kurz vor dem geplanten Drehbeginn ab, um sich anderen Projekten zu widmen, was wiederum zur Folge hatte, dass der Film von der Produktionsfirma Warner Brothers zunächst auf Eis gelegt und erst nach weiteren zwei Jahren und nur mit einem um die Hälfte reduzierten Budget realisiert wurde.

Während dies alles Aronofsky wahrscheinlich einiges an Kraft und Nerven gekostet hat, tat es dem Film selbst aber in mancher Hinsicht gut: das ursprüngliche Skript war nicht verloren, sondern wurde vom Zeichner Kent Williams in ein Comic umgesetzt und man mag sich auch lieber nicht vorstellen, was es für ein Film geworden wäre, hätten tatsächlich Brad Pitt und Cate Blanchet statt Hugh Jackman und Rachel Weisz die Hauptrollen gespielt. Nicht zuletzt die Budget-Kürzung trug aber auch dazu bei, dass Aronofsky statt teure CGI-Technik bei den Spezialeffekten einzusetzen, auf solides Handwerk, zum Beispiel die Petrischalen des Peter Parks, zurückgriff. Dieser hatte sich nämlich darauf spezialisiert, von ihm herbeigeführte chemische Reaktionen abzufilmen, die, auf das Großformat einer Kinoleinwand projiziert, überwältigend schöne Bilder schaffen – die perfekte Ergänzung zu einem Film, in dem ansonsten Krankenhäuser aussehen, wie Raumschiffe und Raumschiffe wie fliegende Gärten. Wem also die Handlung zu pathetisch erscheinen sollte, dem bleibt noch immer die Möglichkeit, ganz einfach Bilder und Musik auf sich wirken zu lassen, was in diesem Falle auch schon völlig ausreichend ist, für großes Kino.

(The Fountain, USA 2006; Regie: Darren Aronofsky.)