Monthly Archives: June 2013

Secret Sunshine

Nach Theaterstücken und Drehbüchern, nach drei Filmen als Regisseur und Drehbuchautor in einer Person, nach viel Anerkennung und Auszeichnungen, zuletzt 2002 in Venedig mit dem Preis für die Beste Regie, legte Lee Chang-dong eine mehrjährige Pause als Filmemacher ein, da er im Jahr 2003 vom neu gewählten Präsidenten Südkoreas, Roh Moo-hyun, zum Minister für Kultur berufen wurde.

Zwar hatte er wohl nicht lange den Eindruck, der Richtige für diesen Posten zu sein, jedenfalls legte er das Amt bereits Mitte 2004 nieder, doch bis sein nächster Film seine Premiere hatte, dauerte es trotzdem noch bis zum Festival in Cannes im Jahre 2007.

Dass es Lee Chang-dong nicht wirklich um Kassenschlager und angenehme Unterhaltung für sein Publikum geht, hatte er ja schon mit seinen vorherigen Filmen überzeugend vermittelt, und auch Secret Sunshine bildet da keine Ausnahme, obwohl er zunächst so leicht und fröhlich anfängt, als habe man es mit einer freundlichen Liebeskomödie zu tun, aber so wird es nicht bleiben.

Doch neben der eigentlichen, tragischen Geschichte beeindrucken vor allem die vielen kleinen wirklichkeitsnahen Szenen, die mit geradezu unheimlichen Realismus das Leben in einer Kleinstadt Südkoreas („not much goes unnoticed around here“) abbilden. Da wird auf begrenzter Fläche hinter dem Laden gewohnt, oder gleich im Chaos in der Werkstatt, Elternabende finden nach erfolgreich absolviertem Rhetorik-Kurs der Sprößlinge beim Essen im Restaurant statt, während die ortsansässigen Geschäftsfrauen sich beim Friseur oder in der Disco treffen und die Herren Chi beim Bergsteigen sammeln, oder doch zumindest in der gemeinsamen Zigarettenpause davon erzählen.

Dass Regisseur Lee den Ruf hat, es seinen Schauspielern nicht leicht zu machen, und sie bei der Interpretation ihrer Rollen weitgehend sich selbst zu überlassen, bereitete anscheinend weder den Nebendarstellern, noch Song Kang-ho Probleme, wobei dieser bereits eine kleinere Rolle in Green Fish spielte, und überhaupt schon reichlich Erfahrung in den unterschiedlichsten Genres gesammelt hatte. Anders empfand es wohl Hauptdarstellerin Jeon Do-yeon, deren Arbeit aber immerhin reichlich belohnt wurde.

(Secret Sunshine, Südkorea 2007; Regie: Lee Chang-dong.)

Peppermint Candy

Nachdem Park Kwang-su einmal festgestellt hatte, dass sich politische Themen auch im südkoreanischen Kino mitunter erfolgreicher darstellen lassen, wenn man sie nicht in eine Komödie verpackt, sondern auf möglichst direktem Wege vermittelt, blieb er bei dieser Methode, gründete, nachdem die Dreharbeiten zu Berlin Report wohl eher chaotisch verlaufen waren, als erster koreanischer Filmregisseur 1993 seine eigene Produktionsfirma und brachte mit dieser noch im selben Jahr To The Starry Island heraus, zwei Jahre später gefolgt von A Single Spark.

Beides waren politisch engagierte und erfolgreiche Filme, und: beide Filme entstanden nach Drehbüchern von Lee Chang-dong. Dieser wiederum hatte als Autor von Theaterstücken angefangen und entschied sich, nach der Zusammenarbeit mit Park Kwang-su, selbst ins Regiefach zu wechseln. Schon sein erster Film, Green Fish, kam 1997 sowohl beim Publikum, als auch auf Filmfestivals gut an, nicht zuletzt bei jenen, die Preise zu vergeben haben.

Sein zweiter Film in eigener Regie und nach selbst verfasstem Drehbuch, Peppermint Candy, hatte seine Premiere dann 1999 als Eröffnungsfilm auf dem Internationalen Film-Festival in Busan, und so kam es, dass die dortigen Zuschauer sich mit ihrer Festlaune ziemlich bald nach Beginn des Films bei einem Mann wiederfanden, der mit ausgebreiteten Armen auf den Gleisen einer Eisenbahnbrücke steht und dem auf ihn zu rasenden Zug „Ich will zurück!“ entgegen schreit.

Mit diesem Moment beginnend wird chronologisch rückwärts in sieben, insgesamt 20 Jahre umfassenden, Episoden erzählt, wie der Mann an diesen Punkt kam, wobei seine Geschichte eng verknüpft wird mit der Geschichte Südkoreas: der Finanzkrise in den späten 1990ern, der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs davor, der Militärdiktatur und der Niederschlagung der Studentenbewegung.

Damit sich die Geschichte erschließt, muss man mit einiger Konzentration dabei bleiben, denn Peppermint Candy ist kein einfacher Film: manches wird nur angedeutet oder durch wiederkehrende Metaphern – Züge, die titelgebenden Pfefferminz-Bon Bons, eine Photokamera – vermittelt, andere Szenen sind unmissverständlich und teilweise drastisch in ihrer Darstellung von körperlicher Gewalt und emotionaler Grausamkeit. Aber wenn man Filmen zugesteht, dass sie zur Aufarbeitung von gesellschaftlich verdrängten, traumatischen historischen Ereignissen beitragen können, dann ist dies auch ein wichtiger Film.

(Peppermint Candy, Südkorea 1999; Regie: Lee Chang-dong.)

Black Republic

In 1945, there was no prosecution of war criminals in Korea – unlike France and Germany. The Koreans who had served the Japanese remained in power and became the new ruling class. They are still there today. I think this is one of the fundamental problems in Korean society.“

Dies dürfte wohl ein zentraler Teil der Botschaft gewesen sein, die der Mann auf dem Hochhaus in diesem Film, beziehungsweise sein Regisseur, eigentlich hatten vermitteln wollten, aber irgendwie kam sie beim ersten Versuch wohl noch nicht richtig an.

Park Kwang-su hatte zunächst Bildhauerei an der Seoul National University studiert, wo er auch Mitglied der Yallasung Filmgruppe wurde und damit begann, Super 8 Filme zu drehen. Da es im Südkorea der frühen 80er Jahre aber kaum möglich war, kritische politische Filme öffentlich aufzuführen, blieben diese meist ohne Publikum.

Nach seinem Abschluss gründete er die Seoul Film Group, die weiterhin Beziehungen zur studentischen Protest-Bewegung unterhielt, aber im Hinblick auf Film war er wohl nicht wirklich überzeugt von deren Tun: „Myself, I was never too comfortable with agit-prop film-making. I tended to think that the films made by underground groups like Changsan-Gotmae were simply the other side of the coin of government propaganda films.“

Erst als er nach Paris ging, um an der ESEC Film zu studieren, änderte sich seine Einstellung: „..in Paris my own sense of the possibilities changed. In France I saw a lot of features and documentaries from Third World countries and realised that they weren’t being made underground but quite openly. Some of Lino Brocka’s films, for instance. I found myself thinking that similar film-making should be possible in Korea.“

Als er aber nach seiner Rückkehr nach Korea seinen ersten Film drehte, und es ihm trotz vieler Zugeständnisse an die Produzenten nicht gelang, ein großes Publikum zu erreichen, änderte er seine Strategie erneut („I’d made quite a lot of compromises in the hope of reaching the mass audience; since I failed, I thought that I should forget about trying to please people and make a more personal film.“), schrieb das Drehbuch selbst, ließ alle Komödien-Aspekte weg und griff lieber auf eigene Erfahrungen zurück: „it expressed a lot of my feelings about Korea and Korean politics in the years since Kwangju.“

Seinen zweiten Film durch die Zensur zu kriegen, war dann zwar leichter, als er erwartet hatte, aber einige Szenen mussten dennoch geschnitten werden, hauptsächlich jene, in denen die Geschichte der studentischen Widerstandsorganisation, der der Protagonist angehörte, in Rückblicken erzählt wurde. Trotzdem wurde der Inhalt dadurch nicht weniger verständlich, und diesmal wurde die Botschaft offensichtlich auch gehört.

Das vollständige Interview von 1993, aus dem die obigen Zitate stammen, kann bei Archive.org nachgelesen werden, während Black Republic auf dem Youtube-Kanal des Korean Film Archive zur Verfügung steht.

(Black Republic, Südkorea 1990; Regie: Park Kwang-su.)