Wenn man auch am Beispiel dieses Films sehen kann, dass es zur Zeit ganz hilfreich ist, englisch zu verstehen, um deutsche Klassiker im Internet anzuschauen, so soll dies natürlich keineswegs bedeuten, dass die in den USA geltenden Copyright-Regelungen es den Filmschaffenden einfacher machen würden. Denn auch, wenn man den Film komplett selbst macht, die Musik bei Freunden in Auftrag gibt und sich versichert, dass auf die Lieder, die man zusätzlich verwenden möchte, kein Copyright mehr besteht, so heißt das noch lange nicht, dass niemand in den USA Forderungen stellen kann, von der deutschen GEMA mal ganz zu schweigen…
Aber fangen wir von vorne an: Das Ramayana ist eine der großen epischen Erzählungen der indischen Mythologie. Es handelt von den Prüfungen und Erlebnissen des Prinzen Rama und seiner Frau Sita und wurde, nachdem es Jahrhunderte lang überwiegend mündlich überliefert worden war, vor etwa 2000 Jahren in seiner heute bekannten Fassung schriftlich niedergelegt, was es ausgesprochen schwierig macht, darauf ein wie auch immer geartetes Copyright anzumelden. Wenn nun die Amerikanerin Nina Paley dieses mit sehr zeitgemäßen eigenen Erlebnissen verknüpft und in fünf Jahre langer Arbeit am heimischen Computer daraus einen Animations-Film macht, dann sollte man eigentlich davon ausgehen, dass alle daraus resultierenden Rechte ausschließlich bei ihr liegen.
Auch dann noch, wenn sie ihren Film mit Liedern der in den 1920ern und frühen 30er Jahre populären Jazz-Sängerin Annette Hanshaw unterlegt, da sie sich vorher versichert hatte, dass auf diese kein Copyright besteht. Was Annette Hanshaw anging, so lag Nina Paley damit auch richtig, allerdings gibt es in den USA noch eine ganze Reihe darüber hinaus gehender Copyrights, zum Beispiel Rechte auf die Aufnahmen, auf die Komposition und den Liedtext sowie das Recht, die Aufnahmen mit Bildern zu unterlegen (mehr dazu hier), welche sie nicht eingeholt hatte, was dazu führte, dass mit der Publikation ihres Filmes Forderungen von annähernd 220.000 Dollar auf sie zukamen. Nach langen Verhandlung einigte man sich darauf, die Rechte gegen eine Gebühr von immer noch 50.000 Dollar an Nina Paley zu vermieten und ‚Sita sings the Blues‘ konnte seine Premiere im Jahr 2008 auf der Berlinale feiern.
Da die Künstlerin selbst eine engagierte Vertreterin der Free Culture Idee ist, hat sie ihren Film zudem unter eine Creative Commons Lizenz gestellt, weshalb er legal und kostenlos sowohl auf ihrer eigenen Website, als auch bei Archive.org angeschaut und heruntergeladen werden kann. Und weil es ein wirklich schöner und origineller Film ist, wurde er verdientermaßen in den letzten Jahren mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.
Soweit hätten nun also eigentlich alle Beteiligten zufrieden sein können, hätte nicht eines Tages die GEMA ‚Sita sings the Blues‘ bei Youtube entdeckt, einen Urheberrechtsverstoß gewähnt und den Film für Deutschland kurzerhand und ohne bei der Urheberin nachzufragen, bei Youtube sperren lassen. Was wiederum dazu führte, dass Nina Paley selbst einen Film bei Youtube einstellte, in welchem sie die ganze Rechtelage erneut erklärte und zusätzlich den Lizenzvertrag in die Kamera hielt: „…it does say: ‚Licensed Territory: The world‘ – it does not say, the world except Germany, where GEMA can block whatever they want.“
Es scheint gewirkt zu haben, denn auch, wenn die GEMA ihrerseits weder einen Film bei Youtube einstellen ließ, in welchem sie ihr Vorgehen erklärt, noch einen, in dem sie sich offiziell für den Fehler entschuldigt, so ist ‚Sita sings the Blues‘ – zumindest bis auf Weiteres – auch dort wieder abrufbar. Den Download und weitere Hinweise sowie Links auf andere Websites und Formate findet man aber übersichtlicher zusammengestellt auf der von Nina Paley selbst eingerichteten Website: sitasingstheblues.com.
(Sita sings the Blues, USA 2008; Regie: Nina Paley.)