Category Archives: Gut gekleidete Männer

The 39 Steps

Ein MacGuffin kann ein Koffer sein, eine Aktentasche oder ein Päckchen. In Agentenfilmen sehr beliebt sind auch Mikrofilme mit geheimen Informationen oder gleich der ‚Weltenformel‘, es kann sich aber auch um außerirdische Steine handeln, den Inhalt einer Flasche, einen Schlitten, einen Teppich oder den Heiligen Gral – eigentlich kann es alles sein, denn ein McGuffin ist nach Alfred Hitchcock ein Objekt, das die Handlung eines Films zwar auslöst und entwickelt, selbst dabei aber völlig bedeutungslos bleiben kann.

Stets aber ist es ein Objekt der Begierde, das die handelnden Personen veranlasst, ihm hinterher- oder es sich gegenseitig abzujagen, was zu kriminellen Handlungen, Flucht, Verfolgung und Verrat führt und wobei – je nach Drehbuch und/oder Budget – eine unterschiedliche Menge an Material, Autos und Protagonisten auf der Strecke bleiben.

In diesem Fall verbirgt sich der MacGuffin gleich im Titel und was es damit auf sich hat, kann oder auch nicht am Ende aufgeklärt werden, ist aber auf alle Fälle sehenswert, da es sich hier um einen frühen, aber typischen Hitchcock handelt, inklusive dem unschuldig verfolgten Helden und der eigenwilligen Blondine, die ihn mehr oder weniger unfreiwillig auf seiner Flucht begleitet sowie einem Cameo-Auftritt des Meisters bei Minute 7. Und das alles gibt es zum Download bei Archive.org.

(The 39 Steps, Großbritannien 1935; Regie: Alfred Hitchcock.)

The Fifth Element

„Sind Sie… von der Erde?“ versus „Are you Germans?“ – Nein, es sind die Mondoshawan.

Die Geschichte ist weder neu, noch besonders originell: die Erde ist mal wieder in Gefahr, von bösen Mächten zerstört zu werden, und nun wird dringend ein Held gebraucht, der den Planeten rettet. Dass der nun ausgerechnet von Bruce Willis (erster Vorname Walter, Geburtsort Ida-Oberstein) dargestellt wird, ist ebenfalls nicht wirklich ausgefallen und dass hinter kapitalistischem Großunternehmertum auf der Basis von Waffenhandel (und in diesem Falle: einer Taxi-Firma) nur das ultimative Erzböse stecken kann, hatten wir sowieso schon immer geahnt.

Gut und Böse sind hier jedenfalls klar aufgeteilt, der Angreifer ist selbstverständlich übermächtig, und eine sexy Heldin in knapper Bekleidung gibt es auch. Es ist also absolut glaubhaft, wenn Regisseur Luc Besson erzählt, er habe sich die Handlung zumindest in groben Zügen schon als Teenager in der High School ausgedacht. Was derselbe Teenager aber auch tat, war fleißig Comics (pardon: Graphic Novels) zu lesen und das ist es, was den Film wirklich zu etwas Besonderem macht, denn Besson heuerte seine persönlichen Favoriten, zwei der berühmtesten französischen Comic-Autoren an, um den visuellen Stil des Films zu erschaffen: Jean Giraud, alias Moebius und Jean-Claude Mézières. Moebius hatte schon vorher an Filmen mitgewirkt und beide hatten zahlreiche Filme inspiriert, wobei Letzteres aber keineswegs immer honoriert worden war. Die beiden Zeichner kannten sich vom Studium an der Académie des Beaux-Arts in Paris, hatten aber noch nie zusammen gearbeitet und machten sich nun gemeinsam daran, in zahlreichen detaillierten Zeichnungen und Storyboards die Optik der Zukunft zu entwerfen: von Straßenschluchten mit fliegenden Taxis und China-Imbissen über Raumschiffe und Vergnügungsplaneten bis zum Aussehen von Aliens und Menschen, der Apartments in denen sie leben und der Form der Zigaretten, die sie rauchen.

Und da es im Comic ja möglich ist, mit wenigen Strichen, Settings und Ereignisse zu schaffen, deren Umsetzung im Film (zumindest im Jahre 1996 noch), eine sehr teure Angelegenheit werden können, uferte das Ganze bisweilen ein wenig aus: eine der Szenen zeigt z. B. die größte „Indoor-Explosion“, die jemals gefilmt wurde und zudem beinahe außer Kontrolle geraten wäre. Überhaupt war er mit 80 Millionen Dollar allein für die Special-Effects, zu seiner Zeit der teuerste Film, der bis dahin in Europa produziert worden war. Aber auch dort, wo das Medium Comic an seine Grenzen stößt, und der Film seine Möglichkeiten entfaltet, waren Spezialisten am Werk: Mit Thierry Arbogast war jener Kameramann dabei, der bislang am häufigsten für den französischen Filmpreis César nominiert wurde, Jean Paul Gaultier höchstselbst entwarf 954 Kostüme und der Soundtrack stammt von Éric Serra, einem nicht nur von Luc Besson gerne gebuchten Filmkomponisten.

Bei dieser geballten Ansammlung französischer Kreativität konnte es natürlich nicht anders sein, dass „The Fifth Element“ 1997 als Eröffnungsfilm bei den Festspielen in Cannes lief, wo er überwiegend positiv aufgenommen wurde, während nämlich einige wenige Kritiker nach tieferem Sinn und Logik suchten, ließen die anderen sich schlichtweg unterhalten, denn das Ganze ist laut, hektisch, bunt und knallig, und macht einfach Spaß anzuschauen, vor allem Gary Oldman als Nietzsche zitierender („Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“) Ausbeuter-Kapitalist, der selbstgefällige Monologe über Zerstörung als Triebfeder der Ökonomie hält, was im Übrigen eine zwar immer noch beliebte, aber dennoch falsche Argumentation ist, wie schon Frédéric Bastiat wusste.

(The Fifth Element, Frankreich 1997; Regie: Luc Besson.)

The Ice Harvest

Weihnachten: „what a wonderful season – so full of mutual understanding!“ Und welche Zeit könnte auch besser geeignet sein für das perfekte Verbrechen, als diese? Während die Einen das Fest der Liebe im trauten Kreise der Familie begehen, und die Anderen zu diesem Zweck Strip-Bars oder Bordelle aufsuchen, haben die Dritten freie Bahn um große Mengen Geldes an sich zu bringen.

Als „The Ice Harvest“ im November 2005 in die amerikanischen Kinos kam, war sein Einspiel-Ergebnis schon am ersten Wochenende dermaßen miserabel, dass er nach nur drei Wochen wieder aus selbigen verschwand; außerhalb der USA war er überhaupt fast nur im Rahmen von Film Festivals im Kino zu sehen und selbst die DVD findet sich – wenn überhaupt – dann oft nur sehr weit hinten und tief unten im Regal der Videotheken. Die bei weitem meisten Kritiker mochten den Film nicht, in der IMDB kommt er aktuell auf gerade einmal 6.2 Punkte und bei Rotten Tomatoes nur auf vernichtende 46%. Und das bei einem Film, der nicht nur mit John Cusack, Billy Bob Thornton und Oliver Platt in den Hauptrollen, sondern auch in nahezu jeder noch so kleinen Nebenrolle mehr als überzeugend besetzt ist, bei dem Harold Ramis Regie geführt hat (Ghostbusters: Schauspieler und Drehbuch; Groundhog Day: Regie und Drehbuch), und in dem man nebenbei auch noch allerlei Wissenswertes über die Vorzüge deutscher Autos gegenüber jenen amerikanischer Bauweise erfahren kann.

Vielleicht weckte die Vorweihnachtszeit als Starttermin aber auch die falschen Erwartungen, denn ein Weihnachtsfilm für die ganze Familie ist The Iceharvest wohl eher nicht. Oder, um es ausführlicher zu sagen, nämlich mit der amerikanischen Website, deren vielsagender Titel „commonsensemedia“ lautet und die Eltern Empfehlungen für kindgerechten Medienkonsum gibt („We are the nation’s leading independent non-profit advocating for kids“):

„Parents need to know that this movie isn’t for kids. (…) it shows repeated arguments among friends and family members: one man argues with his wife; a young boy yells at his father; another man shoots his wife (off screen); two best friends eventually bond over their mutual hatred of the woman they have both married, one after the other. Characters lie, cheat, fight, and vomit. They drink to drunkenness (one from a flask while driving), smoke cigarettes, and hang out in strip clubs. Acts of violence involve handguns, shotguns, knives, and cars.

Eben. Nicht geeignet also, um Besinnlichkeit an den Festtagen herbeizuführen, aber pure Therapie für alle, die genau das vermeiden möchten. Ho, ho, fucking ho!

(The Ice Harvest, USA 2005; Regie: Harold Ramis.)

Three… (Nightmares & Extremes)

Vom südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook wissen wir ja schon, dass er nicht viel davon hält, Filme zur Entspannung zu drehen oder auch nur anzuschauen, aber ganz offensichtlich teilen eine ganze Reihe seiner asiatischen Kollegen diese Einstellung: Kim Jee-Woon zum Beispiel, ebenfalls aus Südkorea, Nonsi Nimibut aus Thailand sowie Peter Chan und Fruit Chan aus Hong Kong und, nicht zu vergessen, der beim Thema Horrorfilme nahezu unvermeidliche Japaner Miike Takashi. Jeder der sechs Regisseure hat jeweils einen Film von um die 40 Minuten Länge zum Thema beigetragen, die inhaltlich nicht zusammenhängen und die alle in technischer wie erzählerischer Hinsicht sehr verschieden geraten sind, aber für einen erholsamen, besinnlichen Abend ist keiner von ihnen wirklich geeignet.

Die beiden Episodenfilme Three… Extremes I und II bzw. Saam gang (2002) und Saam gang yi (2004)  sind vielmehr Horrorgeschichten für Erwachsene: weitgehend frei von Masken und Sägen, werden hier keine Teenager gemeuchelt, zumindest nicht reihenweise, überhaupt gibt es vergleichsweise wenig Geschrei und auch das Filmblut fließt nicht unbedingt literweise, aber das macht sie nicht unbedingt harmloser, sondern eher noch beunruhigender.

(Saam gang, Südkorea, Thailand, Hong Kong 2002; Regie: Kim Jee-Woon, Nonsi Nimibut und Peter Chan & Saam gang yi, Hong Kong, Südkorea, Japan 2004; Regie: Fruit Chan, Park Chan-wook und Miike Takashi.)

La Règle du Jeu

„Das ist auch ein Zeichen unserer Zeit, heutzutage lügt jeder: die Pharmaprospekte, die Regierungen, das Radio, die Filme, die Zeitungen. Also warum sollten einfache Leute wie wir nicht auch lügen?“

Es waren schlimme Zeiten, als La Règle du Jeu (Die Spielregel) 1939 seine Premiere in Paris hatte, Europa stand am Anfang des Zweiten Weltkrieges und die Franzosen erwarteten den Einmarsch der Deutschen – nicht wirklich die richtigen Umstände um feinsinnige Komödien zu würdigen: Das Publikum tobte, buhte und schrie und es ist überliefert, dass einer der Zuschauer gar eine Zeitung in Brand setzte, in der Absicht, das ganze Kino niederzubrennen.

Auch die französischen Behörden hielten Jean Renoirs Film für „kapriziös“ und „demoralisierend“, was Grund genug war, seine Aufführung zu verbieten und dass im kurze Zeit später besetzten Frankreich die Nazis erst recht keinen Grund sahen, ihn wieder freizugeben, dürfte wohl nicht nur daran gelegen haben, dass Renoir 1940 in die USA, nach Hollywood, geflüchtet war, um dort antifaschistische Filme zu drehen.

Erst als nach dem Krieg einzelne Stücke von Kopien des Negativs mühsam wieder zu einer geschlossenen Fassung restauriert wurden – das Original war während eines Bombenangriffs der Alliierten zerstört worden – fand der Film sein Publikum und wurde auch von Regisseuren wie z.B. Francois Truffaut und Jacques Rivette als einer der besten Filme aller Zeiten und großes Vorbild für eigene Arbeiten gefeiert.

Das mit dem Vorbild sah dann viele Jahre später Robert Altman genauso, der mit seinem Film Gosford Park aus dem Jahr 2001 zwar eine im Detail ganz andere Geschichte verfilmte, aber kein Geheimnis daraus machte, dass er Schauplatz und Situation der Geschichte ebenso übernommen hatte, wie einige filmische Techniken, z.B. die ständig bewegte Kamera und den sogenannten ‚deep focus‘, der zur Folge hat, dass das Hintergrundgeschehen ebenso betont wird, wie das im Vordergrund.

Beide Filme erzählen von Jagdgesellschaften auf den Schlössern reicher Adliger, und beide, soviel darf hier wohl noch von der Handlung verraten werden, zeigen die ‚Herrschaften‘ einerseits und die ‚Dienerschaft‘ andererseits, aber während es bei „La Règle du Jeu“ die französische ‚bessere Gesellschaft‘ ist, die nicht eben gut wegkommt, ist es bei „Gosford Park“ die englische Aristokratie, die von Robert Altman noch ein ganzes Stück spöttischer in Szene gesetzt wird.

(La Règle du Jeu, Frankreich 1939; Regie: Jean Renoir.)

Interstella 5555

„We are delighted to be able to share with you one of our childhood dreams, which has now become a reality.“

Vom Toei Animations-Studio in Tokyo war hier bereits in anderem Zusammenhang die Rede. Auch davon, welche Bereicherungen das deutsche Fernsehen ihm in den 70er Jahren zu verdanken hatte. Zwei, die ihre Kindheit anscheinend auch mit Heidi und Captain Future, wenn auch in diesem Falle vor Fernsehern in Frankreich verbracht haben, sind Guy-Manuel de Homem Christo und Thomas Bangalter.

Welche Spuren dies bei den beiden hinterlassen hatte, zeigte sich viele Jahre später, als sie bereits die Mitglieder des Electronic Music Duos Daft Punk waren. Schon für die Single-Auskopplungen ihres Debütalbums Homework von 1997 waren Musikvideos von Michel Gondry (Around the World), Spike Jones (Da Funk) und Roman Coppola (Revolution 909) gedreht worden, was allen drei Stücken einen dauerhaften Platz in der MTV-Rotation sicherte.

Um dies mit ihrem zweiten Album zu toppen, mussten sie sich etwas einfallen lassen: „It was during the early sessions for our second album Discovery that we came up with the notion of an animated musical, mixing science-fiction with the decadent world of show business, limousines with spaceships. So we began, alongside the music, to write the story with our friend and collaborator Cédric-Hervet. As all three of us grew up with the enigmatic, poetic universe of „Albator“, we dreamt of a possible collaboration with Leiji Matsumoto, and in the summer of 2000, we flew to meet him, taking our album and the completed synopsis. In Tokyo, Leiji welcomed us warmly. Enthused when he heard the music, he joined the team right away. At last we are ready to blast off into his baroque intergalactic universe.“

Matsumoto machte aus Discovery einen waschechten japanischen Manga: Interstella 5555. Die Optik erinnert stark an die auch in Europa bekannten Fernsehserien von Toei Animation, die Musik von Daft Punk passt dazu ganz hervorragend und ein dauerhafter Platz für die dem Film entnommenen Musikvideos in der MTV-Rotation war selbstverständlich auch wieder gesichert.

(Interstella 5555, Japan und Frankreich 2003; Regie: Leiji Matsumoto.)

Welt am Draht

Das muss man sich auch erst einmal leisten können: Während Rainer Werner Fassbinder international noch immer als einer der wichtigsten deutschen Filmemacher gilt, wurde und wird sein Werk in seinem Heimatland eher kontrovers aufgenommen: zwar erhielt er auch in Deutschland zahlreiche Auszeichnungen, aber bis zu einer Academy Award Nominierung kam es z. B. nie, was auch kaum möglich war, da von seinen vielen Filmen (44 in 13 Jahren) überhaupt nur ein einziger (Lili Marleen, 1981) für den Wettbewerb um den Besten Fremdsprachigen Film aus Deutschland eingereicht wurde.

Andere schafften es gar nicht erst in die Kinos, schon nicht in die deutschen, von Europa oder den USA ganz zu schweigen: Fassbinders von einem Goldmann Taschenbuch inspirierter, zweiteiliger Science-Fiction Film „Welt am Draht“ wurde beispielsweise 1973 für ca. 950.000 DM unter Einsatz von zahlreichen Schauspielern (sowohl des ‚Fassbinder-Ensembles‘, als auch von deutschen Schauspieler-Größen damals schon eher vergangener Tage…) und einiger ziemlich origineller Special Guests (z. B. Rainer Langhans, Eddie Constantine, Werner Schroeter, Christine Kaufmann) im Auftrag des WDR produziert. Die Uraufführung gab es dementsprechend am 14. und 16.10.1973 im Westdeutschen Rundfunk Köln, wo er trotz überwiegend positiver Kritiken auch weiterhin verblieb: im Fernsehen, wo er von sehr seltenen Wiederholungen einmal abgesehen, schlicht nicht zu sehen war. Und auch die Tatsache, dass Rainer Werner Fassbinder in den darauffolgenden Jahren im In- und Ausland mehr und mehr zu einem geachteten und geehrten Filmemacher wurde, änderte daran nichts. „Welt am Draht“ kam nicht in die Kinos, er war nicht auf VHS und auch später nicht auf DVD erhältlich.

Erst als sich Jahrzehnte später die Rainer Werner Fassbinder Foundation anlässlich des 65. Geburtstages von Fassbinder und des 75. Geburtstages von Michael Ballhaus, daran machte, eine restaurierte und digitalisierte Fassung zu erstellen, was immerhin auch das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) für förderungswürdig hielt, und die im Rahmen der Berlinale 2010 ihre Uraufführung hatte, kam eben diese Fassung auch als DVD auf den Markt und in den USA in die Kinos, wo er, auch viele Jahre nach seiner Entstehung, gleich wieder inspirierend wirkte.

(Welt am Draht, Deutschland 1973/2010; Regie: Rainer Werner Fassbinder.)

Eins, zwei, drei

„Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondenschein: er glänzt, aber er stinkt!“

Billy Wilder hatte ein denkbar schlechtes Timing mit einem Film, in dem das Brandenburger Tor eine der Hauptrollen spielen sollte: eines Morgens, es war der 13. August 1961, stand das Filmteam buchstäblich vor verschlossener Türe – die Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin und damit auch das Brandenburger Tor waren im Auftrag der Regierung der DDR über Nacht abgeriegelt worden und nun für die Crew nicht mehr passierbar. Plötzlich konnte einem, wie es der Erzähler am Anfang von Eins, Zwei, Drei ausdrückt, „..der vergangene Juli schon wie die gute alte Zeit vorkommen, gewiss, Berlin war auch damals schon eine geteilte Stadt, aber für diesen Zustand verlief das Leben verhältnismäßig normal – man konnte durchs Brandenburger Tor fahren, ja, man konnte sogar wieder zurück. Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig, dafür waren andere unartig und böswillig.“

Für das Filmteam bedeutete dies die Abreise aus Berlin nach München, wo auf dem Gelände der Bavaria Film Studios eine Attrappe des unteren Teils des Brandenburger Tores errichtet wurde, um die noch fehlenden Szenen drehen zu können.

Für die Premiere des Film bedeutete es aber auch, dass die Menschen nicht nur in Berlin, nur wenige Monate nach dem Mauerbau nicht wirklich empfänglich für den teilweise schmerzhaft treffenden Witz des Films waren, zudem eben ein Großteil der Geschichte auf dem schnellen Hin und Her zwischen West- und Ost-Berlin, immer mitten durch das Brandenburger Tor, beruhte, das zu dem Zeitpunkt, als der Film in den Kinos lief schon nicht mehr möglich war. Zwar wurde Eins, Zwei, Drei 1962 in den USA für einen Oscar und zwei Golden Globes nominiert, aber beim Publikum, in Deutschland, wie in den USA, fiel er weitgehend durch, woran auch Liselotte Pulvers Einsatz als personifiziertes ‚Fräuleinwunder‘ nichts ändern konnte.

Erst nach über 20 Jahren, als Eins, Zwei, Drei im Jahr 1985 erneut in die deutschen Kinos kam, fand er ein begeistertes Publikum, ganz besonders in West-Berlin, wo er sich in manchen Filmtheatern zum Dauerbrenner entwickelte. – Die Zeiten hatten sich geändert und schon wenige Jahre später sollten ja auch die Berliner Mauer Geschichte und das Brandenburger Tor wieder ungehindert passierbar sein.

(One, Two, Three, USA 1961; Regie: Billy Wilder.)

Tengoku to Jigoku

Akira Kurosawa hatte bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben, bevor er seinen ersten Film als Regisseur drehte, dementsprechend wichtig waren ihm diese auch von Anfang an bei seinen eigenen Filmen. In seinen 1975 durch die Toho Company, deren langjähriger Angestellter er war, veröffentlichten Ratschlägen an junge Aspiranten des Filmgewerbes, heißt es z. B.: „Mit einem guten Drehbuch kann ein guter Regisseur ein Meisterwerk produzieren; mit dem selben Drehbuch kann ein mittelmäßiger Regisseur einen passablen Film machen. Aber aus einem schlechten Drehbuch kann nicht einmal ein guter Regisseur einen guten Film machen.“

In seiner Autobiographie empfiehlt Kurosawa zudem, man solle Drehbücher stets in kleinen Gruppen von mindestens drei Leuten schreiben, um mehrere, verschiedene Perspektiven zu erhalten. Er selbst arbeitete regelmäßig mit denselben fünf Drehbuchautoren zusammen: Eijirō Hisaita, Ryuzo Kikushima, Shinobu Hashimoto, Hideo Oguni und Masato Ide, die auch schon mal gruppenweise so lange in einem japanischen Onsen versammelt und von jeglicher Ablenkung ferngehalten wurden, bis Kurosawa zufrieden war und ein verwertbares Script hatte.

Damit nicht genug, verfasste Kurosawa aber auch noch, so schreibt es zumindest Stuart Galbraith in seinem Buch The Emperor and the Wolf: The Lives and Films of Akira Kurosawa and Toshiro Mifune (2002) zu manchen seiner Filme umfangreiche, Detail versessene Ausführungen, die keine Fragen über die Umsetzung seiner Vorstellungen mehr offen ließen, bis hin zu ausführlichen Genealogien der Hauptfiguren und der Art und Weise, wie bestimmte Charaktere gehen, grüßen, oder sich ihre Schuhe zubinden sollten.

Auch wenn Kurosawa für seine Drehbücher auf literarische Vorlagen zurückgriff, war er wählerisch – und ausgesprochen vielseitig: es konnte sich dabei sowohl um zeitgenössische japanische Romane, als auch um Shakespeares Macbeth handeln, den er ins Japan der Feudalzeit verlegte, oder er verfilmte Maxims Gorkis Theaterstück Nachtasyl. Im Falle von Tengoku to Jigoku (zu deutsch: Himmel und Hölle), kam die Vorlage allerdings von dem amerikanischen Krimiautor Ed McBain, der im selben Jahr, als Akira Kurosawa auf der Grundlage seines Krimis „King‘s Ransom“ den Film Tengoku to Jigoku drehte, seinerseits wiederum nach einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier für Alfred Hitchcock das Drehbuch zu Die Vögel schrieb…

(Tengoku to Jigoku, Japan 1963; Regie: Akira Kurosawa.)

The Good, the Bad and the Ugly

Gäbe es eine offizielle Liste der schlechtesten Übertragungen von Filmtiteln ins Deutsche, so wären dort „Der irre Flic mit dem heißen Blick“ und „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ gut aufgehoben. Wie aus „Revenge of the Pink Panther“ erstere Fehlbetitelung werden konnte, möchte man lieber nicht wissen, während es sich beim zweiten Beispiel zwar um die wörtliche Übersetzung des englischen Romantitels von James M. Cain handelt, der als Drehbuch-Vorlage diente („The Postman always rings twice“), dieser aber als Sprichwort zu verstehen ist, im Sinne von „man sieht sich immer zweimal im Leben“ oder auch „es gibt immer eine zweite Chance“, wohingegen weder im Roman noch in einer der bisher fünf Verfilmungen, der Oper, oder dem Theaterstück, jemals ein Postbote eine Rolle spielte, geschweige denn, dass er zweimal klingelt.

Ob wiederum die Bezeichnungen „glorreich“ und „Halunken“ auf die Hauptrollen des Films mit dem deutschen Titel „Zwei glorreiche Halunken“ wirklich zutreffend sind, mag noch dahingestellt bleiben, ganz entschieden aber handelt es sich nicht um zwei, sondern um drei Personen, die mit durchaus unterschiedlichen Motiven und Charakteristika ausgestattet sind, weshalb der italienische Originaltitel auch deutlich differenzierter „Il buono, il brutto, il cattivo“ lautet – zu deutsch: der Gute, der Hässliche und der Böse. Wobei Hässlichkeit, ebenso wie Schönheit natürlich immer im Auge des Betrachters liegt, und darüber, wer hier eigentlich wie gut oder böse ist, kann man vielleicht auch geteilter Meinung sein.

Auf alle Fälle handelt es sich aber um den dritten Teil der sogenannten Dollar-Trilogie von Sergio Leone, mit der er den patriotischen US-Western der John-Wayne-Kategorie mal so richtig zeigte, mit wie wenig Budget man so was in Europa drehen kann und anschließend sieht es auch noch besser aus. Wobei die richtigen Vorbilder durchaus hilfreich sein können und mitunter aus Japan kommen, aber anders, als beim ersten Teil hatte Leone es hier nicht mehr nötig, Kurosawa nachzustellen. Einige Elemente ziehen sich durch alle drei Filme, die Kameraeinstellungen z. B., die gerne in langen Nahaufnahmen die Gesichter, manchmal nur die Augen zeigen, Clint Eastwood als einer der Hauptdarsteller und nicht zuletzt die unverwechselbar stilbildende Musik von Ennio Morricone, die nicht nur die Handlung, sondern auch gleich die Dialoge trägt und weiterführt. Und auch hier ist Leone nicht zimperlich, manche Szenen sind brutal, und wir sind trotzdem in Großaufnahme dabei, aber etwas ist hier anders als in seinen früheren Filmen: denn egal was die handvoll Männer, an deren keineswegs lauteren Absichten kein Zweifel bestehen kann, einander antun, und egal, wer von ihnen schließlich gewinnt oder verliert – vor dem Hintergrund des Krieges, in den sie hier immer wieder geraten, ist es geradezu harmlos.

(Il buono, il brutto, il cattivo, Italien 1966; Regie: Sergio Leone.)