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Hero

„Wenn man sich nach einigen Jahren an Hero erinnert, dann wird man sich an die Farben erinnern. Man wird sich an zwei Frauen in einem Meer von goldenen Blättern erinnern, die in roter Kleidung durch die Luft tanzen. Man wird sich an zwei Männer erinnern, die auf einem spiegelglatten See ihre Schwerter nutzen, um ihre Traurigkeit auszudrücken.“

Vielleicht sollte man diesen Worten des Regisseurs Zhang Yimou der besseren Anschaulichkeit halber noch hinzufügen, dass allein die erwähnte See-Szene fast drei Wochen in Anspruch nahm, weil er darauf bestand, nur bei absolut ruhiger Wasseroberfläche zu drehen, was bei diesem speziellen See nur an zwei Stunden pro Tag der Fall war, und dass für die andere erwähnte Szene der goldenen Blätter, zunächst abgewartet werden musste, bis die tatsächlichen, in der Natur vorhandenen, nicht etwa am Computer digital eingefärbten, Blätter sich gelb färbten. Als es soweit war, wurden eigens Blattsammler angeheuert, deren alleinige Aufgabe darin bestand, ausreichend Blätter der richtigen Farbe einzusammeln, die dann in vier Kategorien sortiert wurden, um entsprechend ihrer Farbe, Frische und Sauberkeit, zum Einsatz zu kommen.

Für die, ebenfalls in dieser Szene zu sehende, rote Kleidung musste wiederum ein spezieller roter Farbstoff aus England importiert werden, nachdem zahlreiche, von der Kostümbildnerin Emi Wada vorgeschlagene Proben vom Regisseur verworfen worden waren, da sie nicht exakt seiner Vorstellung entsprachen – Emi Wada durfte sich also zusätzlich zur Auswahl der Stoffe und dem Design der Kleider auch mit dem Einfärben derselben befassen. Und es blieb nicht nur bei Stoffen: mehr als 300 Pferde wurden ebenfalls schwarz eingefärbt, da sie so angeblich eher den ‚historischen Vorgaben‘ (will meinen: den farblichen Vorstellungen des Regisseurs) entsprachen, während wir von den ungefähr 18000 eingesetzten Statisten zwar annehmen dürfen, dass sie nur eingekleidet und nicht auch umgefärbt wurden, aber auch hier waltete Perfektionismus: zum Beispiel wurden alle der unüberschaubar vielen Soldaten der Qin-Armee von tatsächlichen Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee dargestellt.

Man könnte immer so weitermachen: Mit Jet Li und Donnie Yen wurden zwei Martial-Arts-Legenden angeheuert, wobei nicht nur deren Action-Szenen vom eigens dafür hinzu geholten Martial-Arts-Action-Szenen-Guru Siu-Tung Ching choreographiert wurden, der von „A Chinese Ghost Story“ über diverse Jet Li-Filme bis zu „House of the Flying Daggers“ mittlerweile so ziemlich alle Varianten des Wuxia durchgespielt hat. Die bereits erwähnte japanische Kostümbildnerin Emi Wada hatte schon die Kostüme für Akira Kurosawas Ran entworfen und neben vielen anderen Auszeichnungen hierfür den Oscar erhalten, während sich Zhang Yimou von Wong Kar-Wai nicht nur den ebenfalls zigfach ausgezeichneten Kameramann Christopher Doyle auslieh, sondern auch Maggie Cheung Man-Yuk und Tony Leung Chiu-Wai, die zu den ganz großen Stars, nicht nur des chinesischen Kinos, zählen und hier auch nicht zum ersten Mal ein Liebespaar geben.

Kein Wunder also, dass Hero diesen Film hier als teuersten chinesischen Film aller Zeiten ablöste und den Titel bis heute verteidigen konnte. Nur, dass es eben bei aller Schönheit der Bilder in beiden Filmen, dem Regisseur Chen Kaige gelungen ist, seinem Film eine eindeutige politische Aussage mitzugeben, während die von Zhang Yimou gedrehte, deutlich abstraktere Behandlung desselben Themas zu vollkommen unterschiedlichen Interpretationen hinsichtlich der politischen Aussage führte.

(Hero, China 2002; Regie: Zhang Yimou.)

Jing Ke ci Qin Wang

„It is a country that has no past. Political regimes systematically robbed us of history and it’s only now that we are beginning to get it back.“ Der Regisseur Chen Kaige, der dies über sein Heimatland China sagt, hat ebenso wie Zhang Yimou, die sogenannte Kulturrevolution in China als Teenager erlebt. Beide gehörten später zum ersten Jahrgang der 1978 wieder eröffneten Pekinger Filmakademie. Wobei es Chen Kaige war, der als Regisseur gleich mit seinem ersten Film „Gelbe Erde“ internationalen Erfolg hatte, während Zhang Yimou hier den Kameramann machte.

In einem anderen Interview sagte Kaige, dass historische Themen bei den Filmemachern in China auch deshalb sehr beliebt seien, weil man es bei zeitgenössischen Themen immer mit der Politik zu tun kriege. Ganz besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei die Geschichte des ersten Kaisers von China, dem es nach Jahrhunderten mit ständigen Kriegen gelang, die vormals sieben Königreiche zu unterwerfen und zu einem einzigen, großen Kaiserreich zusammenzufügen. Dass er dabei weniger auf gutes Zureden und Diplomatie setzte, sondern auf Waffen und Gewalt, ist wohl naheliegend, allerdings wird seine Geschichte so erzählt, dass er dabei auch weit über das notwendige Maß hinaus zerstörerisch und brutal bis hin zur Grausamkeit sein konnte. Das perfekte Thema also, um sich mit so zeitlos aktuellen Fragen wie Menschenwürde, Machtstreben und Verantwortung, Allgemeinwohl contra Freiheit des Individuums und der Rechtfertigung von Gewalt auseinanderzusetzen.

Sollte Chen Kaige aber tatsächlich angenommen haben, dass er hier einen guten Weg gefunden hatte, seinem Land einerseits mit den Mitteln des Films einen Teil seiner Geschichte zurückzugeben, und gleichzeitig weitgehend unbehelligt von der chinesischen Zensurbehörde zu bleiben, so lag er falsch: es gab eine ganze Menge an Hindernissen zu überwinden, wobei die wirkungsvollste Methode, einen Monumentalfilm zu verhindern natürlich immer darin besteht, ihm das Geld zu streichen, was wiederum dazu führte, dass „Jing Ke ci Qin Wang“ (The Emperor and the Assassin) zwar für einige Jahre der teuerste Film war, der in China von einem chinesischen Regisseur gedreht worden war – allerdings überwiegend finanziert mit Geld aus Japan und Frankreich.

Als aktuell teuerster und aufwendigster chinesischer Film gilt laut IMDB zur Zeit übrigens der Film von Kaiges oben schon erwähnten Kollegen Zhang Yimou, den dieser vier Jahre später zu genau demselben Thema drehte, allerdings sieht hier das Ergebnis vollkommen anders aus

(Jing Ke ci Qin Wang, China 1998; Regie: Chen Kaige.)

Leben!

Als Mao Zedong 1966 mit der Kampagne begann, die als chinesische Kulturrevolution in die Geschichte eingehen sollte, war sie angeblich nur für einen Zeitraum von ca. einem halben Jahr geplant gewesen. Als sie nach seinem Tod im Jahre 1976 langsam ihr Ende fand, war in der chinesischen Gesellschaft nichts mehr wie vorher.

Zu den von der Kulturrevolution direkt Betroffenen gehörte auch die Familie von Zhang Yimou. Sein Vater war Dermatologe, aus der Perspektive der regierenden Kommunistischen Partei ein Angehöriger der falschen gesellschaftlichen Klasse und hatte, ebenso wie einer seiner Brüder und einer seiner Söhne schon im chinesischen Bürgerkrieg auf der falschen Seite gestanden. So wurde Zhang Yimou, wie viele andere, statt die Schule zu beenden, zur Arbeit aufs Land und in eine Fabrik geschickt. Später sagte er über diese Zeit:

„The Cultural Revolution was a very special period of Chinese history, unique in the world. It was part of my youth. It happened between when I was 16 and when I was 26. During those 10 years, I witnessed so many terrible and tragic things. For many years, I have wanted to make movies about that period – to discuss the suffering and to talk about fate and human relationships in a world which people couldn’t control and which was very hostile. I would like to make not just one but many movies, both autobiographical and drawing on other people’s stories. I’ll just have to wait.“ ( IMDb, Yimou Zhang, Personal Quotes)

Und tatsächlich schaffte er es nach dem Ende der Kulturrevolution, seinem familiären Hintergrund zum Trotz, und obwohl er das Zulassungsalter schon überschritten hatte und ihm überdies auch die nötige akademische Qualifikation fehlte, 1978 an der gerade erst wieder eröffneten Bejing Film Akademie angenommen zu werden. Dort machte er 1982 seinen Abschluss, gleichzeitig mit Tian Zhuangzhuang, Chen Kaige, Zhang Junzhao und anderen, die gemeinsam als sogenannte Fünfte Generation das Kino in China grundlegend verändern und darüber hinaus auch internationale Anerkennung erringen sollten. Schon der erste Film von Zhang Yimou (Rotes Kornfeld) wurde auf der Berlinale von 1988 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Seine nächsten Filme waren für den Oscar nominiert (Ju Dou und Rote Laterne), oder erhielten den Goldenen Löwen von Venedig (Die Geschichte der Qiu Ju). Überhaupt ist er seit Beginn seiner Arbeit als Filmemacher ständig auf internationalen Film-Festivals vertreten, gerne auch mal als Mitglied der Jury.

Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb, hatte Zhang Yimou, ebenso wie die anderen Filmemacher seiner Generation, mit der chinesischen Staatsbehörde für Radio, Film und Fernsehen zu kämpfen. Und auch, wenn sich sein Verhältnis zu Regierung und Zensurbehörde in China anscheinend mittlerweile deutlich entspannt hat – immerhin war Zhang Yimou 2008 hochoffiziell mit der Regie der Eröffnungs- und Abschlussfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Bejing betraut – war dies nicht immer so, denn während z.B. sein Film Leben! unter anderen internationalen Auszeichnungen im Jahr 1994 den Großen Preis der Jury in Cannes und 1995 den British Academy Award erhielt, durfte er in China nicht öffentlich gezeigt werden.

(Huozhe, Volksrepublik China & Hong Kong 1992; Regie: Zhang Yimou.)