Category Archives: Spezielle Fähigkeiten

Mind Game

Vom japanischen Anime Studio 4°C war hier schon im Zusammenhang mit Genius Party die Rede. Einer der schönsten Beiträge dieser Kurzfilm-Anthologie ist „Happy Machine“, dessen Regisseur Masaaki Yuasa vier Jahre vorher ebenfalls für das Studio 4°C beim abendfüllenden Animefilm „Mind Game“ Regie geführt hatte. Unterstützt wurde er dabei von Koji Morimoto und Shinchiro Watanabe, die mit „Dimension Bomb“ und „Baby Blue“ später ebenfalls Beiträge zu Genius Party bzw. Genius Party Beyond lieferten.

Auch bei Mind Game sind, wie bei den zwei Genius Party Filmen, verschiedene Animations- und Zeichenstile in einem Film versammelt, allerdings nicht in mehreren in sich geschlossenen Episoden verschiedener Autoren, sondern um nur eine einzige, fortlaufende, in sich verschachtelte Geschichte zu erzählen, die auf der gleichnamigen Manga-Serie von Robin Nishi beruht. Zusätzlich kamen Schauspieler zum Einsatz, die teilweise überzeichnet oder mit Animationen kombiniert wurden. Überhaupt sind die verschiedenen Stile hier nicht fein säuberlich von einander getrennt, sondern wechseln sich in rascher Folge ab, fließen ineinander, überlagern und ergänzen sich, was ebenso bunt, einfallsreich und skurril ist, wie die Geschichte, die sie erzählen, und das, obwohl es doch eigentlich um sehr ernste Themen geht: um das Überwinden von Ängsten und Hindernissen, um Liebe, das Leben und den ganzen Rest. Und Gott kommt auch zu Wort.

(Mind Game, Japan 2004; Regie: Masaaki Yuasa.)

All About Eve

„Fasten your seatbelts. It’s going to be a bumpy night.“ belegt auf der Liste des American Film Institute der 100 besten Sprüche in us-amerikanischen Filmen den 9. Platz (nach diesem und vor diesem Satz) und ist, ebenso wie der Filmtitel, in zahlreichen Filmen zitiert, variiert und veralbert worden. Dass es mit Bette Davis als Hauptdarstellerin auf alle Fälle ‚bumpy‘ Dreharbeiten werden würden, davon waren jedenfalls eine ganze Reihe der Leute überzeugt, die bereits vorher mit ihr zusammen gearbeitet hatten, unter ihnen der Regisseur Edmund Goulding, der seinen Kollegen Joseph L. Mankiewicz anrief um ihn zu warnen: Bette Davis würde ihn zermahlen, bis nur noch ein Häufchen feiner Staub von ihm übrig bliebe.

Mankiewicz, der nicht nur Regie führte, sondern auch für das Drehbuch verantwortlich war, hatte die Rolle ursprünglich für Clodette Colbert geschrieben, die aber nun infolge eines Unfalles nicht einsatzfähig war, und als dann noch noch eine nach der anderen der Frage kommenden Schauspielerinnen ausfielen, weil sie entweder zu jung oder zu deutsch waren, seltsame Forderungen hatten oder schlicht nicht verfügbar waren, fiel die Wahl auf Bette Davis, die als eigensinnig und schwierig galt, aber auch dafür bekannt war, viel Einsatz zu zeigen. (Und dabei für eine Hollywood-Schauspielerin ungewöhnlich wenig Eitelkeit an den Tag legte, wenn sie hier zum Beispiel zum ersten Mal zu sehen ist, hat sie eine dicke Fettschicht im Gesicht.)

Tatsächlich hatte Bette Davis keineswegs vor, Mankiewicz das Leben schwer zu machen, denn nach Jahren voll mit Streitigkeiten und einem Prozess gegen ihr Studio Warner Brothers sowie unglücklich ausgewählten Rollen in wenig erfolgreichen Filmen, war dies, so erzählte sie noch viele Jahre später in einem Interview, ihre „Auferstehung von den Toten“. Und auch Mankiewicz sagte über sie, sie sei eine der professionellsten und umgänglichsten Schauspielerinnen gewesen, mit denen er je gearbeitet habe.

Gelohnt hat es sich für Mankiewicz auf alle Fälle, denn bei der Oscar-Verleihung im Jahr 1951 machte All About Eve Joseph L. Mankiewicz nach John Ford (1940 und 1941) zum bislang einzigen Titelverteidiger beim Academy Award für die beste Regie (nach A letter to three Wives von 1949). Überhaupt kam der Film bei Publikum wie Kritikern gut an, und das, obwohl fast alle Charaktere ständig rauchen und gelegentlich zu viel trinken, vor allem aber hemmungslos ihren Narzissmus ausleben und trotzdem sämtlich wie intelligente und erwachsene Menschen erscheinen. Sogar Marilyn Monroe hat hier nicht nur einen frühen, aber für sie typischen Auftritt, sondern auch Momente der Erkenntnis.

Dementsprechend war er bei der Oscar-Verleihung des Jahres 1951 nicht nur im Hinblick auf Mankiewicz als Regisseur erfolgreich. Zum ersten Mal in der Geschichte der Academy Awards wurden zwei Schauspielerinnen aus demselben Film als beste Hauptdarstellerinnen nominiert, was aber vielleicht gar keine so gute Idee war, denn schließlich ging der Oscar an keine von beiden, sondern an Judy Holliday für Born Yesterday.

Trotzdem erhielt All About Eve insgesamt sechs Oscars: für den besten Film, Regie, Drehbuch, männliche Nebenrolle (George Sanders), Kostüme und den besten Ton. Bei den Nominierungen erzielte er mit 14 zudem einen Rekord, der 46 Jahre lang nicht wiederholt wurde, bis im Jahr 1997 ausgerechnet dieser Film gleichzog. Den Rekord der meisten Oscar-Nominierungen für weibliche Rollen (neben Bette Davis und Anne Baxter für die Hauptrolle waren auch Celeste Holm und Thelma Ritter für die beste weibliche Nebenrolle nominiert), hält er allerdings bis heute.

(All About Eve, USA 1950; Regie: Joseph L. Mankiewicz.)

Sita sings the Blues

Wenn man auch am Beispiel dieses Films sehen kann, dass es zur Zeit ganz hilfreich ist, englisch zu verstehen, um deutsche Klassiker im Internet anzuschauen, so soll dies natürlich keineswegs bedeuten, dass die in den USA geltenden Copyright-Regelungen es den Filmschaffenden einfacher machen würden. Denn auch, wenn man den Film komplett selbst macht, die Musik bei Freunden in Auftrag gibt und sich versichert, dass auf die Lieder, die man zusätzlich verwenden möchte, kein Copyright mehr besteht, so heißt das noch lange nicht, dass niemand in den USA Forderungen stellen kann, von der deutschen GEMA mal ganz zu schweigen…

Aber fangen wir von vorne an: Das Ramayana ist eine der großen epischen Erzählungen der indischen Mythologie. Es handelt von den Prüfungen und Erlebnissen des Prinzen Rama und seiner Frau Sita und wurde, nachdem es Jahrhunderte lang überwiegend mündlich überliefert worden war, vor etwa 2000 Jahren in seiner heute bekannten Fassung schriftlich niedergelegt, was es ausgesprochen schwierig macht, darauf ein wie auch immer geartetes Copyright anzumelden. Wenn nun die Amerikanerin Nina Paley dieses mit sehr zeitgemäßen eigenen Erlebnissen verknüpft und in fünf Jahre langer Arbeit am heimischen Computer daraus einen Animations-Film macht, dann sollte man eigentlich davon ausgehen, dass alle daraus resultierenden Rechte ausschließlich bei ihr liegen.

Auch dann noch, wenn sie ihren Film mit Liedern der in den 1920ern und frühen 30er Jahre populären Jazz-Sängerin Annette Hanshaw unterlegt, da sie sich vorher versichert hatte, dass auf diese kein Copyright besteht. Was Annette Hanshaw anging, so lag Nina Paley damit auch richtig, allerdings gibt es in den USA noch eine ganze Reihe darüber hinaus gehender Copyrights, zum Beispiel Rechte auf die Aufnahmen, auf die Komposition und den Liedtext sowie das Recht, die Aufnahmen mit Bildern zu unterlegen (mehr dazu hier), welche sie nicht eingeholt hatte, was dazu führte, dass mit der Publikation ihres Filmes Forderungen von annähernd 220.000 Dollar auf sie zukamen. Nach langen Verhandlung einigte man sich darauf, die Rechte gegen eine Gebühr von immer noch 50.000 Dollar an Nina Paley zu vermieten und ‚Sita sings the Blues‘ konnte seine Premiere im Jahr 2008 auf der Berlinale feiern.

Da die Künstlerin selbst eine engagierte Vertreterin der Free Culture Idee ist, hat sie ihren Film zudem unter eine Creative Commons Lizenz gestellt, weshalb er legal und kostenlos sowohl auf ihrer eigenen Website, als auch bei Archive.org angeschaut und heruntergeladen werden kann. Und weil es ein wirklich schöner und origineller Film ist, wurde er verdientermaßen in den letzten Jahren mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.

Soweit hätten nun also eigentlich alle Beteiligten zufrieden sein können, hätte nicht eines Tages die GEMA ‚Sita sings the Blues‘ bei Youtube entdeckt, einen Urheberrechtsverstoß gewähnt und den Film für Deutschland kurzerhand und ohne bei der Urheberin nachzufragen, bei Youtube sperren lassen. Was wiederum dazu führte, dass Nina Paley selbst einen Film bei Youtube einstellte, in welchem sie die ganze Rechtelage erneut erklärte und zusätzlich den Lizenzvertrag in die Kamera hielt: „…it does say: ‚Licensed Territory: The world‘ – it does not say, the world except Germany, where GEMA can block whatever they want.“

Es scheint gewirkt zu haben, denn auch, wenn die GEMA ihrerseits weder einen Film bei Youtube einstellen ließ, in welchem sie ihr Vorgehen erklärt, noch einen, in dem sie sich offiziell für den Fehler entschuldigt, so ist ‚Sita sings the Blues‘ – zumindest bis auf Weiteres – auch dort wieder abrufbar. Den Download und weitere Hinweise sowie Links auf andere Websites und Formate findet man aber übersichtlicher zusammengestellt auf der von Nina Paley selbst eingerichteten Website: sitasingstheblues.com.

(Sita sings the Blues, USA 2008; Regie: Nina Paley.)

Das Cabinet des Dr. Caligari

Wohl dem, der Englisch versteht: In den USA gibt es den Begriff „public domain“, der bedeutet, dass ein Werk nicht mehr unter das Copyright fällt und damit zur freien Nutzung zur Verfügung steht. Solche Werke darf man kopieren, weiterverbreiten und ganz oder in Teilen auch mit eigenen Ideen überarbeiten und das Ergebnis wiederum publizieren. Und um hier keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, gibt es zahlreiche Websites, die sich der Auflistung solcher Werke widmen, so findet man Filme, die unter public domain fallen, zum Beispiel auf der Wikipedia Website „List of Films in the public domain in the United States“, oder bei Open Culture, bei The Public Domain Review und vor allem im Internet Archiv, unter Archive.org (siehe auch hier).

In Deutschland, wie in der gesamten Europäischen Union, gilt hingegen das Urheberrecht, welches nicht mit dem englischen Begriff public domain identisch ist, grundsätzlich aber vorsieht, dass der Urheberrechtsschutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. – Eine entsprechende Website „Liste der gemeinfreien Werke in der BRD“ existiert, zumindest in der Wikipedia, allerdings nicht. Sucht man danach auf der Seite des Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann unter dem Abschnitt Medien, so findet man dort das Thema Urheberrecht in der Digitalen Welt, wo man einiges darüber lesen kann, wie wichtig der Schutz des Urheberrechts auch im Internet ist, und wer mit diesem beauftragt ist, etc., aber leider nichts darüber, welche Werke denn nun nicht mehr darunter fallen, bzw. der Allgemeinheit zur freien Weiterverwertung zur Verfügung stehen. Stattdessen liest man dort:

“Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich künftig per Mausklick kulturelle Schätze auf den heimischen Bildschirm holen. Damit werden Kultur und Wissen in früher nicht vorstellbarem Maße für jedermann zugänglich, unabhängig von Ort und Zeit“

gefolgt von einem Link auf die Deutsche Digitale Bibliothek, wo es wiederum heißt:

„Das kulturelle Erbe der Nation wird weitgehend kostenfrei für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht. Dieses Angebot wird 2012 zur Verfügung gestellt.“

Unabhängig davon, wann das Angebot denn nun tatsächlich zur Verfügung steht, gibt es aber auch hier keine Hinweise darauf, welche Werke denn nun tatsächlich aktuell nicht mehr unter den Urheberschutz fallen.

Also zurück zum Urheberrecht, wo zu lesen ist:

„(1) Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern (§8) zu, so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers.

(2) Bei Filmwerken und Werken, die ähnlich wie Filmwerke hergestellt werden, erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik.“

Dementsprechend müsste der deutsche Klassiker des Expressionismus von 1920, „Das Cabinet des Dr. Caligari“ eigentlich mittlerweile gemeinfrei sein. Dies sieht allerdings die Website „Filmportal.de“ ganz anders: dort ist als Rechteinhaber die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung eingetragen, welche das genauso sieht, und den Film ebenfalls nicht zum freien Download zur Verfügung stellt:

„Die Filme der Murnau-Stiftung sind in einer Auswahl repräsentativer Titel als Home-Videos oder DVDs allgemein im Handel erhältlich. Verzeichnis der lieferbaren Filmtitel sowie Händlerverzeichnis erhalten Sie bei BMG-Video/Universum sowie BlackHill. Video-Kopierung und Versand von Filmen unseres Bestandes, die nicht im freien Handel erhältlich sind, ist aus lizenzrechtlichen Gründen leider nicht möglich.“

Und so kommt es, dass man einen der wichtigsten Filme der deutschen Filmgeschichte zwar auf englischen Websites, mit englischen Zwischentiteln anschauen und herunterladen kann (zum Beispiel hier), aber eben nicht auf deutsch. (Ausführliche Hinweise zum Thema ‚Urheberrecht im Internet‘ finden sich zum Beispiel bei iRights.info.)

(Das Cabinet des Dr. Caligari, Deutschland 1920; Regie: Robert Wiene.)

Genius Party

„Taken from the fact that water is at its densest at that temperature, 4°C represents STUDIO 4°C‘s creative manifesto to ‚create only works that are dense with substance and extreme quality‘.“ So ist es zu lesen auf der website des japanischen Anime-Studios 4°C und ein schönes Beispiel für die angestrebte ‚Dichte an Substanz‘ ist die Produktion des Studios mit dem auch nicht eben bescheidenen Titel „Genius Party“: insgesamt zwölf Anime-Kurzfilme von zwölf verschiedenen Regisseuren.

Einige der Beteiligten waren schon vorher als Anime-Regisseure erfolgreich, zum Beispiel Mahiro Maeda, der vorher für das Studio Ghibli tätig war und Koji Morimoto, der vorher ebenfalls für einen der ganz Großen des japanischen Animes, Katsuhiro Otomo, gearbeitet hatte und zudem u.a. für das Video zu „Extra“ von Ken Ishii verantwortlich war; auch hatten beide Segmente zum 2003 erschienenen Film „The Animatrix“ von Studio 4°C beigesteuert. Oder Masaaki Yuasa, der beim – ebenfalls von Studio 4°C produzierten – abendfüllenden Anime „Mind Game“ von 2004 die Regie führte und Kazuto Nakazawa, der für die Animation des auf MTV im Jahr 2004 ausgesprochen beliebten Musikvideos „Breaking the Habit“ von Linkin Park verantwortlich war. Andere, wie Shinji Kimura und Yoji Fukuyama hatten sich bereits als Zeichner oder künstlerische Leiter bei anderen Projekten einen guten Ruf erworben, gaben hier aber ihr Debüt als eigenverantwortliche Anime-Regisseure.

Ihnen allen – dies betonte man im Studio 4°C – ließ man, soweit wie möglich, freie Hand für ihre Ideen, es gab lediglich als Vorgabe das Thema „Energie“, aber wie dies zeichnerisch oder erzählerisch umzusetzen war, blieb den Künstlern überlassen. Und so sind zwölf in jeder Hinsicht sehr unterschiedliche Anime-Kurzfilme entstanden, von denen die ersten sieben im Jahr 2007 unter dem Titel „Genius Party“ erschienen und die nächsten fünf 2008 als „Genius Party Beyond“ folgten.

Welche von diesen nun auch das Prädikat „genial“ verdient haben, mag man beim Zuschauen für jeden einzeln entscheiden, aber sehenswert sind sie sicherlich alle.

(Genius Party, Japan 2007; Regie: Atsuko Fukushima, Shoji Kawamori, Shinji Kimura, Yoji Fukuyama, Hideki Futamura, Masaaki Yuasa, Shin’ichiro Watanabe und Genius Party Beyond, Japan 2008; Regie: Mahiro Maeda, Koji Morimoto, Kazuto Nakazawa, Shin’ya Ohira, Tatsuyuki Tanaka.)

The Fifth Element

„Sind Sie… von der Erde?“ versus „Are you Germans?“ – Nein, es sind die Mondoshawan.

Die Geschichte ist weder neu, noch besonders originell: die Erde ist mal wieder in Gefahr, von bösen Mächten zerstört zu werden, und nun wird dringend ein Held gebraucht, der den Planeten rettet. Dass der nun ausgerechnet von Bruce Willis (erster Vorname Walter, Geburtsort Ida-Oberstein) dargestellt wird, ist ebenfalls nicht wirklich ausgefallen und dass hinter kapitalistischem Großunternehmertum auf der Basis von Waffenhandel (und in diesem Falle: einer Taxi-Firma) nur das ultimative Erzböse stecken kann, hatten wir sowieso schon immer geahnt.

Gut und Böse sind hier jedenfalls klar aufgeteilt, der Angreifer ist selbstverständlich übermächtig, und eine sexy Heldin in knapper Bekleidung gibt es auch. Es ist also absolut glaubhaft, wenn Regisseur Luc Besson erzählt, er habe sich die Handlung zumindest in groben Zügen schon als Teenager in der High School ausgedacht. Was derselbe Teenager aber auch tat, war fleißig Comics (pardon: Graphic Novels) zu lesen und das ist es, was den Film wirklich zu etwas Besonderem macht, denn Besson heuerte seine persönlichen Favoriten, zwei der berühmtesten französischen Comic-Autoren an, um den visuellen Stil des Films zu erschaffen: Jean Giraud, alias Moebius und Jean-Claude Mézières. Moebius hatte schon vorher an Filmen mitgewirkt und beide hatten zahlreiche Filme inspiriert, wobei Letzteres aber keineswegs immer honoriert worden war. Die beiden Zeichner kannten sich vom Studium an der Académie des Beaux-Arts in Paris, hatten aber noch nie zusammen gearbeitet und machten sich nun gemeinsam daran, in zahlreichen detaillierten Zeichnungen und Storyboards die Optik der Zukunft zu entwerfen: von Straßenschluchten mit fliegenden Taxis und China-Imbissen über Raumschiffe und Vergnügungsplaneten bis zum Aussehen von Aliens und Menschen, der Apartments in denen sie leben und der Form der Zigaretten, die sie rauchen.

Und da es im Comic ja möglich ist, mit wenigen Strichen, Settings und Ereignisse zu schaffen, deren Umsetzung im Film (zumindest im Jahre 1996 noch), eine sehr teure Angelegenheit werden können, uferte das Ganze bisweilen ein wenig aus: eine der Szenen zeigt z. B. die größte „Indoor-Explosion“, die jemals gefilmt wurde und zudem beinahe außer Kontrolle geraten wäre. Überhaupt war er mit 80 Millionen Dollar allein für die Special-Effects, zu seiner Zeit der teuerste Film, der bis dahin in Europa produziert worden war. Aber auch dort, wo das Medium Comic an seine Grenzen stößt, und der Film seine Möglichkeiten entfaltet, waren Spezialisten am Werk: Mit Thierry Arbogast war jener Kameramann dabei, der bislang am häufigsten für den französischen Filmpreis César nominiert wurde, Jean Paul Gaultier höchstselbst entwarf 954 Kostüme und der Soundtrack stammt von Éric Serra, einem nicht nur von Luc Besson gerne gebuchten Filmkomponisten.

Bei dieser geballten Ansammlung französischer Kreativität konnte es natürlich nicht anders sein, dass „The Fifth Element“ 1997 als Eröffnungsfilm bei den Festspielen in Cannes lief, wo er überwiegend positiv aufgenommen wurde, während nämlich einige wenige Kritiker nach tieferem Sinn und Logik suchten, ließen die anderen sich schlichtweg unterhalten, denn das Ganze ist laut, hektisch, bunt und knallig, und macht einfach Spaß anzuschauen, vor allem Gary Oldman als Nietzsche zitierender („Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“) Ausbeuter-Kapitalist, der selbstgefällige Monologe über Zerstörung als Triebfeder der Ökonomie hält, was im Übrigen eine zwar immer noch beliebte, aber dennoch falsche Argumentation ist, wie schon Frédéric Bastiat wusste.

(The Fifth Element, Frankreich 1997; Regie: Luc Besson.)

A Chinese Ghost Story

Selbstverständlich haben weder Japan noch Großbritannien das Geisterfilmwesen in Serie alleine gepachtet – auch das Hong Kong Kino hat hier seinen Beitrag geleistet: A Chinese Ghost Story z. B. bringt es bisher auf zwei Fortsetzungen, ein Remake und eine Fernsehserie, wobei einige der hier wiederholt eingesetzten Motive auch in europäischen und amerikanischen Horrorfilmen sehr beliebt sind: allerdings wehen hier nicht nur Vorhänge, sondern große Mengen von Stoff durch die Nacht, ebenso wie bleiche Fräuleins mit Untertemperatur in langen weißen Gewändern. Es gibt verräterische Blutflecken und natürlich Kerzen, die im falschen Moment verlöschen, was wiederum außer Wölfen auch Zombie-Mumien und Geister in bester Stop-Motion Animation auf den Plan ruft, wie sie selbst von Ray Harryhausen kaum ansprechender hätten gestaltet werden können.

Auch die Figur des etwas naiven, aber anständigen jungen Mannes, der sich all dem beherzt entgegen stellt, fehlt ebenso wenig wie der erfahrene und mit allen notwendigen Mitteln und Techniken vertraute Geisterjäger, der ihm dabei zur Seite steht. Allerdings ist Letzterer hier ein mit allen Wassern gewaschener Tao-Priester, der nicht nur als Schwertkämpfer ein Virtuose ist, sondern auch durch Bäume hüpfen kann und sogar Feuerkugeln aus seinen Handinnenflächen schießt: das konnte Dr. van Helsing nie, egal in welcher Verfilmung.

Wir haben es hier also mit einem wilden Genremix zu tun, einer Fantasy-Horror-Liebes-Komödie mit reichlich Wuxia-Einlagen, deren Geschichte kurzzeitig auch schon mal etwas ins Wirre abgleitet, was aber bei dem Tempo, den der Film vorlegt, eigentlich nicht weiter auffällt. In China, Südkorea und Japan kam das Ende der 1980er Jahre beim Publikum gut an, wurde zudem beim Hong Kong Film Award mehrfach ausgezeichnet und machte den Regisseur und Martial Arts Choreographen Ching Siu-Tung bis heute zu einem vielbeschäftigten Mann.

(A Chinese Ghost Story, Hong Kong 1987; Regie: Ching Siu-Tung.)

Interstella 5555

„We are delighted to be able to share with you one of our childhood dreams, which has now become a reality.“

Vom Toei Animations-Studio in Tokyo war hier bereits in anderem Zusammenhang die Rede. Auch davon, welche Bereicherungen das deutsche Fernsehen ihm in den 70er Jahren zu verdanken hatte. Zwei, die ihre Kindheit anscheinend auch mit Heidi und Captain Future, wenn auch in diesem Falle vor Fernsehern in Frankreich verbracht haben, sind Guy-Manuel de Homem Christo und Thomas Bangalter.

Welche Spuren dies bei den beiden hinterlassen hatte, zeigte sich viele Jahre später, als sie bereits die Mitglieder des Electronic Music Duos Daft Punk waren. Schon für die Single-Auskopplungen ihres Debütalbums Homework von 1997 waren Musikvideos von Michel Gondry (Around the World), Spike Jones (Da Funk) und Roman Coppola (Revolution 909) gedreht worden, was allen drei Stücken einen dauerhaften Platz in der MTV-Rotation sicherte.

Um dies mit ihrem zweiten Album zu toppen, mussten sie sich etwas einfallen lassen: „It was during the early sessions for our second album Discovery that we came up with the notion of an animated musical, mixing science-fiction with the decadent world of show business, limousines with spaceships. So we began, alongside the music, to write the story with our friend and collaborator Cédric-Hervet. As all three of us grew up with the enigmatic, poetic universe of „Albator“, we dreamt of a possible collaboration with Leiji Matsumoto, and in the summer of 2000, we flew to meet him, taking our album and the completed synopsis. In Tokyo, Leiji welcomed us warmly. Enthused when he heard the music, he joined the team right away. At last we are ready to blast off into his baroque intergalactic universe.“

Matsumoto machte aus Discovery einen waschechten japanischen Manga: Interstella 5555. Die Optik erinnert stark an die auch in Europa bekannten Fernsehserien von Toei Animation, die Musik von Daft Punk passt dazu ganz hervorragend und ein dauerhafter Platz für die dem Film entnommenen Musikvideos in der MTV-Rotation war selbstverständlich auch wieder gesichert.

(Interstella 5555, Japan und Frankreich 2003; Regie: Leiji Matsumoto.)

Tonari no Totoro

Ein Katana ist ein japanisches Langschwert mit einer sehr scharfen, leicht gebogenen Klinge, eine gefährliche Waffe und fester Bestandteil der Ausrüstung der japanischen Samurai. Wenn man ein solches Schwert zugeschickt bekommt, ist dies nicht unbedingt als Freundschaftsgabe zu verstehen, auch dann nicht, wenn der Empfänger es Ende der 1990er in den USA erhält, sein Name Harvey Weinstein lautet und er einer der einflussreichsten amerikanischen Filmproduzenten ist. Aber dass der Absender zu derart eindringlichen Argumenten griff, hatte durchaus seinen Grund, denn Toshio Suzuki, der Chefproduzent des japanischen Studio Ghibli, ebenso wie die beiden Gründer Hayao Miyazaki und Isao Takahata waren es leid, mitansehen zu müssen, wie ihre Filme in kaum wieder erkennbaren Fassungen, gekürzt, umgeschnitten und mit völlig verfremdeter Handlung, in die Kinos der USA kamen, nur weil die dortigen Produzenten dies für publikumsverträglicher hielten.

Dabei wussten Hayao Miyazaki und Isao Takahata ganz genau, wie ihre Filme aussehen sollten und es konnte auch niemand besser wissen als sie, waren sie doch beide schon seit vielen Jahren als Autoren, Zeichner und Regisseure von japanischen Zeichentrickfilmen/Animes, sehr erfolgreich. Beide hatten Erfahrungen in verschiedenen japanischen Zeichentrickstudios gesammelt, schon bevor sie sich im Studio Toei Animation in Tokyo kennenlernten, welches seine Anime-Serien und Filme schon damals weltweit verkaufte, u.a. auch an das deutsche Fernsehen. Bei Toei Animation stießen sie auch auf Toshio Suzuki und gründeten 1985 gemeinsam eine eigene Produktionsfirma, das Studio Ghibli. Die finanzielle Grundlage hierfür hatte der Erfolg von Miyazakis Film Nausikaä aus dem Tal der Winde begründet, und eben dieser kam unter dem Titel Warriors of the Wind in den USA in einer derart verstümmelten Version in die Kinos, das Toshio Suzuki sich stellvertretend für das Studio Ghibli dazu veranlasst fühlte, sich öffentlich von ihr zu distanzieren.

Zunächst beschloss man bei Ghibli keine Verträge mehr mit westlichen Verleihfirmen abzuschließen und konzentrierte sich jahrelang hauptsächlich auf den japanischen Markt. Mit großem Erfolg, was selbstverständlich erneut das Interesse amerikanischer Film-Vermarkter weckte. 1996 gingen sowohl die Kino- als auch alle weiteren Vermarktungs- und Vertriebsrechte an die Walt Disney Company bzw. Miramax, aber nicht ohne eine spezielle Klausel, die jede Art von ungenehmigten Eingriffen in die Filme von vornherein ausschloss. Als aber dennoch Miramax in Person von Harvey Weinstein bei einem Treffen mit Hayao Miyazaki aggressiv auf Änderungen bei ihrem damals gerade fertiggestellten Film, Prinzessin Monoke, insistierte, da war es Zeit für das oben erwähnte Packet. Immerhin scheint die Botschaft angekommen zu sein, die da lautete: „No cuts!“ Keine Kürzungen!

Denn sowohl Prinzessin Mononoke als auch alle folgenden Produktionen des Studio Ghibli kamen in den USA und Europa in ungeschnittenen Fassungen auf den Markt, mehrheitlich hatte man auf den DVDs die Wahl zwischen dem Original mit Untertiteln oder aufwendig gemachten Synchronisationen mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern. Man darf wohl auch bezweifeln, dass andernfalls Prinzessin Monoke in seinem Erscheinungsjahr 1997 zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten geworden wäre, und das Gleiche gilt wohl auch für Chihiros Reise ins Zauberland von 2001, der Prinzession Monoke nicht nur als erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten weltweit ablöste, sondern 2002 auch mit dem Goldenen Bären in Berlin sowie 2003 in Los Angeles mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Tonari no Totoro, zu deutsch: Mein Nachbar Totoro, ist einer der frühesten Filme des Studio Ghibli, Hayao Miyazaki und viele andere haben unter seiner Leitung zwei Jahre lang daran gearbeitet, ohne Computer-Einsatz, mit von Hand gezeichneten Folien und gemalten Hintergründen in Aquarell-Technik. Als er 1988 in die Kinos kam, befürchtete Hayao Miyazaki einen Flop und damit das Ende des Ghibli-Studios, aber hier irrte er sich, Totoro ist vielmehr bis heute das Markenzeichen von Studio Ghibli.

(Tonari no Totoro, Japan 1988; Regie: Hayao Miyazaki.)

The Host (Gwoemul)

Seit vielen Jahren schon sind Regisseure aus Südkorea regelmäßig mit ihren Filmen zu Gast auf europäischen und internationalen Filmfestivals, wo sie ebenso regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet werden, so zum Beispiel Lee Chang-dong, Park Chan-wook, Kim Ki-duk, und Hong Sang-soo.

Einer der vergleichsweise jüngeren von ihnen ist Bong Joon-ho. Angefangen hat er mit Kurzfilmen, sein erster längerer Spielfilm, Barking dogs never bite (Flandersui gae) feierte seine Premiere im Jahr 2000 und schon sein zweiter, Memories of Murder (Salinui chueok) von 2003, für den er auch das Drehbuch schrieb, war nicht nur in Südkorea, sondern auch international einer der erfolgreichsten koreanischen Filme überhaupt. 2006 übertraf er dies noch mit The Host: ausgezeichnet mit 18 Preisen und weiteren 10 Nominierungen ist er in Südkorea noch immer der Besucher stärkste Film aller Zeiten, mit immerhin über 13 Millionen verkauften Tickets bei 48 Millionen Einwohnern.

Zumindest die Eingangsszene basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit, was wir vom Rest des Films allerdings lieber nicht hoffen wollen. Der englische Titel The Host bedeutet sowohl Gastgeber, als auch Wirt und zwar durchaus auch im Sinne von Parasiten oder Viren, während der koreanische Originaltitel Gwoemul lautet, was ganz einfach Monster heißt, und ebenfalls ganz passend ist, denn es handelt sich hier zweifellos um einen Monsterfilm. Darüber hinaus aber auch um eine Familiengeschichte und ein verdrehtes Heldenepos, wobei hier jeder der Helden und Heldinnen spezielle Fähigkeiten mitbringt oder entwickelt, ganz besonders aber auch der Titelheld, denn was Laufen, Springen, Schwimmen und seinen anderen artistischen Fähigkeiten angeht, ist er in der Kategorie „Monster und fiese Kreaturen“ eigentlich kaum noch zu übertreffen.

(The Host, Südkorea 2006, Regie: Bong Joon-ho.)