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Arachnophobia

Die moderne Naturwissenschaft und ihre Wunder: Unerschrockene Menschen ziehen hinaus in entlegene Teile der Welt, um alles zu erforschen, das ihren Weg kreuzt. Verbreitungs-Karten werden angelegt, vertikale und räumliche Populationsdichten ermittelt, Statistiken erhoben, Proben entnommen – es wird seziert, gezeichnet und katalogisiert. Und an Bäumen geschüttelt… klik, klak, klik-klik-klik, klak, klak, KLONK.

Der Titel dieses Films umschreibt seinen Inhalt tatsächlich ganz zutreffend, falls man also selbst an einer ausgeprägten solchen leidet, ist es vielleicht ganz hilfreich, gelegentlich das Teppichmuster oder die Tapete zu studieren, obwohl es sich eigentlich um eine Art heiteren Familienfilm handelt.

Ob sich hier im günstigsten Falle vielleicht sogar eine heilende Wirkung infolge von Reizüberflutung erzielen lässt, ist zwar nicht mit Sicherheit zu sagen, möglicherweise aber betrachtet man die eigene, harmlos in der Zimmerecke sitzende Hausspinne anschließend mit anderen Augen, ja, man könnte sogar Freundschaft mit ihr schließen, denn es hätte entschieden schlimmer kommen können. Auf alle Fälle aber sollte man wohl jede Chance nutzen, zur… Therapie.

(Arachnophobia, USA 1990; Regie: Frank Marshall.)

Les Diaboliques

Nur um wenige Stunden war Georges-Henry Clouzot angeblich schneller als Alfred Hitchcock gewesen, aber diese reichten aus, um ihm die Filmrechte am Roman „Celle qui n’était plus“ (übersetzt: Sie, die nicht mehr war; deutscher Titel des Buches: Tote sollen schweigen, bzw. wie der deutsche Titel des Films: Die Teuflischen), zu sichern. Dass die Autoren Pierre Boileau und Thomas Narcejac hier die perfekte Vorlage für einen Thriller geschrieben hatten, war demnach nicht nur einem bedeutenden Regisseur aufgefallen und so wurde der Film, der 1955 in die Kinos kam, eben kein Hitchcock, sondern ein Clouzot, keine Hollywood-Produktion, sondern ein französischer Film (das us-amerikanische Remake mit dem Titel „Diabolique“ von 1996 können wir hier vernachlässigen) und die Hauptrollen gingen an Simone Signoret und Vera Clouzot, statt… wer auch immer es bei Alfred Hitchcock wohl gewesen wäre?

Hitchcock ging aber ebenfalls nicht leer aus, denn zum einen machten sich die Autoren des so begehrten Werkes gleich wieder an die Arbeit und schrieben eine neue Vorlage exklusiv für ihn, womit sie die Grundlage schufen, auf der Hitchcock 1957 einen seiner besten Filme, Vertigo, drehte. Zum anderen war das, was Georges-Henry Clouzot aus den von ihm gekauften Filmrechten machte, so überzeugend, dass Hitchcock das Ergebnis nicht nur für sehr gelungen hielt, sondern sich, wie man an seinen eigenen späteren Werken sehen kann, von ihm auch inspirieren ließ.

Mehr sollte man zu Les Diaboliques wohl auch nicht sagen. Am besten, man sieht ihn selbst.

(Les Diaboliques, Frankreich 1955; Regie: Henri-Georges Clouzot.)

Tonari no Totoro

Ein Katana ist ein japanisches Langschwert mit einer sehr scharfen, leicht gebogenen Klinge, eine gefährliche Waffe und fester Bestandteil der Ausrüstung der japanischen Samurai. Wenn man ein solches Schwert zugeschickt bekommt, ist dies nicht unbedingt als Freundschaftsgabe zu verstehen, auch dann nicht, wenn der Empfänger es Ende der 1990er in den USA erhält, sein Name Harvey Weinstein lautet und er einer der einflussreichsten amerikanischen Filmproduzenten ist. Aber dass der Absender zu derart eindringlichen Argumenten griff, hatte durchaus seinen Grund, denn Toshio Suzuki, der Chefproduzent des japanischen Studio Ghibli, ebenso wie die beiden Gründer Hayao Miyazaki und Isao Takahata waren es leid, mitansehen zu müssen, wie ihre Filme in kaum wieder erkennbaren Fassungen, gekürzt, umgeschnitten und mit völlig verfremdeter Handlung, in die Kinos der USA kamen, nur weil die dortigen Produzenten dies für publikumsverträglicher hielten.

Dabei wussten Hayao Miyazaki und Isao Takahata ganz genau, wie ihre Filme aussehen sollten und es konnte auch niemand besser wissen als sie, waren sie doch beide schon seit vielen Jahren als Autoren, Zeichner und Regisseure von japanischen Zeichentrickfilmen/Animes, sehr erfolgreich. Beide hatten Erfahrungen in verschiedenen japanischen Zeichentrickstudios gesammelt, schon bevor sie sich im Studio Toei Animation in Tokyo kennenlernten, welches seine Anime-Serien und Filme schon damals weltweit verkaufte, u.a. auch an das deutsche Fernsehen. Bei Toei Animation stießen sie auch auf Toshio Suzuki und gründeten 1985 gemeinsam eine eigene Produktionsfirma, das Studio Ghibli. Die finanzielle Grundlage hierfür hatte der Erfolg von Miyazakis Film Nausikaä aus dem Tal der Winde begründet, und eben dieser kam unter dem Titel Warriors of the Wind in den USA in einer derart verstümmelten Version in die Kinos, das Toshio Suzuki sich stellvertretend für das Studio Ghibli dazu veranlasst fühlte, sich öffentlich von ihr zu distanzieren.

Zunächst beschloss man bei Ghibli keine Verträge mehr mit westlichen Verleihfirmen abzuschließen und konzentrierte sich jahrelang hauptsächlich auf den japanischen Markt. Mit großem Erfolg, was selbstverständlich erneut das Interesse amerikanischer Film-Vermarkter weckte. 1996 gingen sowohl die Kino- als auch alle weiteren Vermarktungs- und Vertriebsrechte an die Walt Disney Company bzw. Miramax, aber nicht ohne eine spezielle Klausel, die jede Art von ungenehmigten Eingriffen in die Filme von vornherein ausschloss. Als aber dennoch Miramax in Person von Harvey Weinstein bei einem Treffen mit Hayao Miyazaki aggressiv auf Änderungen bei ihrem damals gerade fertiggestellten Film, Prinzessin Monoke, insistierte, da war es Zeit für das oben erwähnte Packet. Immerhin scheint die Botschaft angekommen zu sein, die da lautete: „No cuts!“ Keine Kürzungen!

Denn sowohl Prinzessin Mononoke als auch alle folgenden Produktionen des Studio Ghibli kamen in den USA und Europa in ungeschnittenen Fassungen auf den Markt, mehrheitlich hatte man auf den DVDs die Wahl zwischen dem Original mit Untertiteln oder aufwendig gemachten Synchronisationen mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern. Man darf wohl auch bezweifeln, dass andernfalls Prinzessin Monoke in seinem Erscheinungsjahr 1997 zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten geworden wäre, und das Gleiche gilt wohl auch für Chihiros Reise ins Zauberland von 2001, der Prinzession Monoke nicht nur als erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten weltweit ablöste, sondern 2002 auch mit dem Goldenen Bären in Berlin sowie 2003 in Los Angeles mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Tonari no Totoro, zu deutsch: Mein Nachbar Totoro, ist einer der frühesten Filme des Studio Ghibli, Hayao Miyazaki und viele andere haben unter seiner Leitung zwei Jahre lang daran gearbeitet, ohne Computer-Einsatz, mit von Hand gezeichneten Folien und gemalten Hintergründen in Aquarell-Technik. Als er 1988 in die Kinos kam, befürchtete Hayao Miyazaki einen Flop und damit das Ende des Ghibli-Studios, aber hier irrte er sich, Totoro ist vielmehr bis heute das Markenzeichen von Studio Ghibli.

(Tonari no Totoro, Japan 1988; Regie: Hayao Miyazaki.)

Die Verachtung (Le Mépris)

Als Jean-Luc Godard im Februar 2011 mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden sollte, reiste er nicht zur Verleihung nach Hollywood und auf die Frage, was ihm dieser Preis bedeute, antwortete er: „Nichts.“ Und weiter: „Wenn das der Academy gefällt, soll sie es tun. Aber ich finde es seltsam. Welche Filme von mir haben die gesehen?, fragte ich mich. Kennen die meine Filme überhaupt?”. Eine durchaus berechtigte Frage, sollte man meinen, denn vermutlich haben auch außerhalb der Academy of Motion Picture, Arts and Science sehr viel mehr Menschen vom Filmregisseur Godard irgendwie mal gehört, dass er sehr bedeutend ist, als tatsächlich seine Filme gesehen. Und auch wenn er von anderen Regisseuren gerne als großes Vorbild bezeichnet wird, hat man bisweilen den Eindruck, es gehe diesen in erster Linie darum, ihre eigene Intellektualität durch solche gut zitierbaren Äußerungen zu unterstreichen.

Doch Jean-Luc Godard, der Filmkritiker, -Theoretiker und Regisseur, macht es einem auch nicht immer leicht. Man kann seine Filme unverständlich finden, langweilig oder aufgeblasen, aber man kann sich auch darauf einlassen und mit etwas gutem Willen lernt man nicht nur erstaunlich viel über das Kino, sondern kriegt mitunter auch einen überraschend schönen Film zu sehen, wie z.B. diesen: Le Mépris (Die Verachtung) von 1963. Zwar wird auch hier, wie überhaupt gerne bei Godard, das Ende des Kinos schon bei Minute 6:40 ausgerufen, doch tatsächlich hat er wieder sehr viel zum Thema beizutragen – in Form von Zitaten, Allegorien und Doppeldeutigkeiten, ebenso wie durch wunderschöne Bilder.

Mehr Sinn für die Schönheit der Hauptdarstellerin Brigit Bardot, als für den Film hatten allerdings seine Produzenten. Denn während Godard noch in den 1950ern einer der engagiertesten Vertreter des ‚Autorenkinos‘ war, dem französischen Gegenentwurf zum ‚Produzentenkino‘ a la Hollywood, wollte er Anfang der 1960er Jahre auch einmal einen Film mit einem großen Budget drehen. Und einem richtigen Star. So kam er an die Produzenten George de Beauregard, Carlo Ponti und an das Geld des amerikanischen Produzenten Joseph E. Levine. Es sollte seine einzige Produktion dieser Art bleiben und nicht zuletzt der Film selbst zeigt auf anschauliche Weise warum.

Zwar gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Michel Piccoli in seiner ersten Hauptrolle, durchaus harmonisch und vor allem bekam Godard auf diese Weise die Gelegenheit, mit Fritz Lang zu arbeiten, der, damals 73 Jahre alt, ganz einfach sich selbst darstellte und offensichtlich großen Spaß dabei hatte. Auf der anderen Seite versuchten die Produzenten allerdings massiv in Godards Arbeit einzugreifen, was für ihn sicherlich enervierend war, für das Publikum aber ausgesprochen unterhaltsam ist, da er seine Erfahrungen mehr oder minder ungebremst in den Film einfließen ließ. So wurde er z.B. genötigt in Cinemascope zu drehen, was er im Film entsprechend kommentieren lässt (Paul: I like Cinemascope very much. – Fritz Lang: Oh, it wasn‘t meant for human beings. Just for snakes – and funerals.). Zudem bestanden die Produzenten auf Nacktszenen mit Brigitte Bardot, die Godard schließlich ebenso unwillig wie demonstrativ einbaute, während er zugleich die Darstellung des fiesen Produzenten im Film um weitere authentische Details bereicherte.

Immerhin, das Kinopublikum hatte 1963 wohl doch andere Vorlieben als die Produzenten, denn auf der Liste der erfolgreichsten Filme seines Erscheinungsjahres schaffte es Le Mépris selbst in Frankreich nur auf Platz sieben, trotz Brigit Bardot in nackig, und war damit offiziell ein Kassen-Flop, für Jean-Luc Godard allerdings ist es bis heute, wenn auch nur in finanzieller Hinsicht, sein größter Erfolg.

(Le Mépris, Frankreich, Italien 1963; Regie: Jean-Luc Godard.)

The Host (Gwoemul)

Seit vielen Jahren schon sind Regisseure aus Südkorea regelmäßig mit ihren Filmen zu Gast auf europäischen und internationalen Filmfestivals, wo sie ebenso regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet werden, so zum Beispiel Lee Chang-dong, Park Chan-wook, Kim Ki-duk, und Hong Sang-soo.

Einer der vergleichsweise jüngeren von ihnen ist Bong Joon-ho. Angefangen hat er mit Kurzfilmen, sein erster längerer Spielfilm, Barking dogs never bite (Flandersui gae) feierte seine Premiere im Jahr 2000 und schon sein zweiter, Memories of Murder (Salinui chueok) von 2003, für den er auch das Drehbuch schrieb, war nicht nur in Südkorea, sondern auch international einer der erfolgreichsten koreanischen Filme überhaupt. 2006 übertraf er dies noch mit The Host: ausgezeichnet mit 18 Preisen und weiteren 10 Nominierungen ist er in Südkorea noch immer der Besucher stärkste Film aller Zeiten, mit immerhin über 13 Millionen verkauften Tickets bei 48 Millionen Einwohnern.

Zumindest die Eingangsszene basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit, was wir vom Rest des Films allerdings lieber nicht hoffen wollen. Der englische Titel The Host bedeutet sowohl Gastgeber, als auch Wirt und zwar durchaus auch im Sinne von Parasiten oder Viren, während der koreanische Originaltitel Gwoemul lautet, was ganz einfach Monster heißt, und ebenfalls ganz passend ist, denn es handelt sich hier zweifellos um einen Monsterfilm. Darüber hinaus aber auch um eine Familiengeschichte und ein verdrehtes Heldenepos, wobei hier jeder der Helden und Heldinnen spezielle Fähigkeiten mitbringt oder entwickelt, ganz besonders aber auch der Titelheld, denn was Laufen, Springen, Schwimmen und seinen anderen artistischen Fähigkeiten angeht, ist er in der Kategorie „Monster und fiese Kreaturen“ eigentlich kaum noch zu übertreffen.

(The Host, Südkorea 2006, Regie: Bong Joon-ho.)

Schwarze Katze, Weißer Kater

Emir Kusturica ist ein eigenwilliger Mann. Der 1954 in Sarajevo geborene Filmregisseur hat die serbische und französische Staatsbürgerschaft, eine eigene Band (The No Smoking Orchestra), und gründete nebenher ein seltsames Dorf inklusive eigenem Filmfestival. Seine politische Haltung ist äußerst umstritten und auch sein Umgang mit Kritik ist in dieser Hinsicht nicht eben entspannt.

Dennoch wird er als Filmemacher in Europa viel geehrt: Schon sein erster Film Sjecaš li se Dolly Bell? (Erinnerst Du Dich an Dolly Bell?) erhielt 1981 in Venedig den Goldenen Löwen für das gelungenste Filmdebüt. Gleich sein nächster Film, Otac na službenom putu (Papa ist auf Dienstreise), wurde 1985 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, ebenso wie sein Film Podzemlje, Bila jednom jedna zemlja (Underground) im Jahr 1995. Wiederum 10 Jahre später, 2005, war er Präsident der Jury in Cannes und bei den gerade angelaufenen diesjährigen Filmfestspielen von Cannes leitet er die Sektion ‚Un Certain Regard‘.

Für Crna Macka Beli Makor (Schwarze Katze, Weißer Kater) erhielt Emir Kusturica 1998 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig den Silbernen Löwen als bester Regisseur und mindestens dieser ist auf alle Fälle verdient, schon weil es nur schwer vorstellbar ist, wie er bei diesem Spektakel den Überblick behalten konnte: die meisten Bilder sind bis zum Rand vollgestopft mit allem möglichen Plunder und Seltsamem, Buntem und Schrägem, ständig ist irgendetwas in Bewegung und fährt, schwimmt, stolpert, fällt oder fliegt durch die Szene.

Musikalisch unterlegt ist das Ganze zudem mit ausgelassenen Balkan Beats, und so lärmt es hier nur so vor Lebensfreude und Energie vor sich hin, was über weite Strecken den Eindruck einer einzigen wilden Party vermittelt: mit viel schräger Musik, ziemlich üblen Witzen, noch gruseligeren Geschenken und ebenso sehenswerten, wenn auch keineswegs ungefährlichen Gästen!

(Crna Macka Beli Makor, Deutschland, Frankreich, Jugoslawien 1998; Regie: Emir Kusturica.)

The Mummy

How could you do that?“ – „Had to! Science, you know!“

Wenn man im Lexikon des Internationalen Films das Zitat „Vom deutschen Expressionismus beeinflusster Horrorfilm mit einer schauspielerischen Glanzleistung von Boris Karloff“ in Zusammenhang mit einem Mumienfilm liest, kann man sich schon fragen, wie bitteschön denn eine „schauspielerische Glanzleistung“ darin liegen kann, wenn ein bis zur völligen Unkenntlichkeit komplett in Binden eingewickelter Darsteller mit ausgestreckten Armen langsam hinter seinen Opfern her schlürft und vielleicht hin und wieder ein Grunzen von sich gibt. Mimik? Gestik? Überzeugende Dialoge???

Aber anders als in vielen späteren Mumienfilmen, wo Mumien sich tatsächlich überwiegend durch die Szenen schleppen, um sich im Auftrag altägyptischer Götter, Priester oder Flüche an Jenen zu rächen, die ihre Gräber plündern, ist im Film The Mummy von 1932 die Mumie nur einmal, und zwar ganz am Anfang, in der klassischen Bandagenoptik zu sehen. Danach wird sie stets als Ardath Bey in menschlicher, wenn auch mit viel Aufwand und stundenlanger Maske auf sehr, sehr alt getrimmter, Gestalt erscheinen.

Und Boris Karloff ist tatsächlich großartig. Ebenso wie die expressionistischen Aufnahmen von Karl Freund, der, bevor er als Regisseur zu arbeiten begann, als einer der besten Kameramänner der Stummfilmzeit galt. Vor seinem Weggang nach Amerika hatte er in Deutschland für Friedrich Wilhelm Murnau 1924 Der letzte Mann gedreht und zwei Jahre später Metropolis für Fritz Lang. Und wenn man sich dann von der gruseligen aber ohne große Schock-Effekte souverän erzählten Geschichte nicht allzu sehr ablenken lässt, kann man zudem auch noch einiges über Archäologie lernen:

Method is everything in archeology, my boy. We always deal with our finds of the day in order. We didn‘t come to dig in Egypt for medals. Much more is to learn from studying bits of broken pottery, than from all the sensational finds. Our job is to increase the human knowledge of the past, not to satisfy our own curiosity!“

Der komplette Film kann bei Archive.org kostenlos angeschaut und heruntergeladen werden.

(The Mummy, USA 1932; Regie: Karl Freund.)

8 1/2

„Ich wollte einen ehrlichen Film machen. Ohne jede Lüge. Ich glaubte, ich hätte etwas so Einfaches zu sagen. Ein Film, der für alle irgendwie von Nutzen sein könnte, der helfen könnte, für immer alles zu begraben, was wir an Totem in uns tragen. Dabei bin vor allem ich es, dem der Mut fehlt, irgendetwas zu begraben. Und jetzt weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht und hab diesen Turm am Hals. Wer weiß, wieso das alles so gekommen ist. Wann genau habe ich den falschen Weg eingeschlagen? Ich hab halt einfach nichts zu sagen. Und trotzdem möchte ich etwas sagen.“

Ja, Guido Anselmi (Marcello Mastroianni), der bekannte und bislang erfolgreiche Regisseur, steckt in einer Krise. Sein aktueller Film ist eigentlich schon in der Produktion, die Finanzierung steht jedenfalls und auch ein Teil der Kulisse wurde bereits mit großem Aufwand und Kosten errichtet. Nun wollen die Schauspieler ihre Rollen und Anweisungen, wie sie zu spielen sind, der Produzent den raschen Drehbeginn und -Fortschritt, und die Presse Informationen über Inhalt und Bedeutung des Films, ebenso, wie über die politischen und religiösen Ansichten des Regisseurs. Kurz, alle haben Erwartungen, Fragen und Wünsche an ihn, aber: ihm fällt nichts mehr ein. Gut, vielleicht wäre sein Leben etwas einfacher, wenn er ein bisschen weniger egozentrisch und narzisstisch wäre, und wenn er nicht immer alles auf einmal haben wollte, auch im Privatleben, die Ehefrau, die Geliebte, ja eigentlich alle Frauen, oder auch wieder gar keine, weil sie ja doch alle so anstrengend und fordernd sind. Aber er ist nun mal, wie er ist und auf diese Weise kann er weder seinen Film, noch alles andere in den Griff kriegen.

„Nicht vergessen: dies ist eine Komödie“ soll Federico Fellini sich beim Dreh zur Erinnerung an die Kamera gepinnt haben und ganz offensichtlich hat er darauf gehört, denn immer dann, wenn unser Held, der natürlich auch irgendwie Fellini selbst ist, all zu sehr in seiner Schwermut aufgeht, korrumpiert er ihn mit Szenen von skurriler Komik.

Nach seiner eigenen Zählung (sechs Spielfilme, zwei Kurzfilme und einmal Co-Regie) war dies Fellinis Film Nummer otto e mezzo (achteinhalb), daher der Titel, obwohl der Arbeitstitel „La Bella Confusione“ (Die schöne Verwirrung) auch sehr passend gewesen wäre. Fellini führte aber nicht nur die Regie, sondern er schrieb auch das Drehbuch, und legte dabei auch gleich die denkbar härteste Kritik dem Drehbuchautor selbst in den Mund: „Eins ist mir bei der Lektüre des Drehbuches sofort aufgefallen, der Mangel an jeglicher Problematik, oder, wenn Sie so wollen, an einer philosophischen Grundlage. Das macht den Film zu einer Folge von unzusammenhängenden Episoden. Ich will durchaus nicht bestreiten, dass sie sehr unterhaltsam sein können, in ihrem zweideutigen Realismus, aber, man fragt sich, was wollen sie eigentlich, die Autoren? Wollen sie uns zum Nachdenken anregen, oder wollen sie uns Angst einjagen? Die Story enthüllt von Anfang bis Ende eine solche Armut an dichterischen Einfällen, entschuldigen Sie, aber für mich ist sie einer der eklatantesten und erschütterndsten Beweise dafür, dass der Film im Vergleich zu den anderen Kunstformen um 50 Jahre im Rückstand ist. Das Sujet hat nicht einmal den Wert, der manchmal einen avantgardistischen Film auszeichnet, auch wenn es alle seine sonstigen Schwächen aufweist.“

Dies wäre, wollte man es tatsächlich auf 8 ½ beziehen, natürlich unerhört tiefgestapelt, und könnte nur als reine Koketterie verstanden werden. Noch dazu für einen Film, in den Fellini einfach alles hineingepackt hat, sogar eine Rumba tanzende Saraghina und einen steppenden Matrosen!

(8 ½, Italien 1963; Regie: Federico Fellini.)

To be or not to be

„What would Lubitsch have done?“ soll auf einem Schild im Büro von Billy Wilder gestanden haben. Wilder, der selbst für einige der besten Komödien der Geschichte Hollywoods verantwortlich war, war nicht nur ein Freund und Bewunderer von Ernst Lubitsch, sondern hatte auch verschiedene Drehbücher für ihn verfasst. Beide waren in Berlin geboren, lernten sich aber erst nach ihrer Emigration in die USA kennen. Lubitsch hatte seine Karriere als Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin begonnen, wo er ab 1911 unter dem damaligen Intendanten Max Reinhardt engagiert war, ging aber nach ein paar Jahren dazu über, eigene Drehbücher zu verfassen und hauptsächlich als Regisseur zu arbeiten. 1922 siedelte er nach Hollywood über, das er auf einer früheren Reise kennengelernt hatte und dessen finanzielle wie technische Möglichkeiten er deutlich höher einschätzte, als jene, die ihm bisher zur Verfügung gestanden hatten.

Dort spezialisierte er sich bald auf Komödien, und entwickelte den damals schon viel gerühmten, sprichwörtlichen „Lubitsch-Touch“: einen speziellen Witz, der auf Timing und schlagfertigen, raschen Dialogen beruhte, angereichert mit Anzüglichkeiten, die gerne auch ein wenig deutlicher sein durften, aber nie vulgär.

To be or not to be war einer der letzten Filme von Ernst Lubitsch und ist bis heute einer seiner bekanntesten. Er war ebenfalls der größte Film-Erfolg in der Karriere von Hauptdarsteller Jack Benny, der später zu einem der beliebtesten amerikanischen Komiker des 20. Jahrhunderts werden sollte, und der letzte Film von Hauptdarstellerin Carol Lombard, die noch vor der Premiere bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Das Drehbuch wurde von Edwin Justus Mayer nach einer Geschichte von Lubitschs ungarischem Freund Menyhért Lengyel geschrieben und erzählt davon, wie eine Gruppe Theater-Schauspieler sich in Polen zu Beginn des zweiten Weltkrieges recht erfolgreich gegen die Nazi-Besatzer zur Wehr setzt. Als der Film 1942 und damit mitten im Krieg in die Kinos kam, waren einige Kritiker der Ansicht, dies sei keineswegs der richtige Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus, aber auch schon damals gab es viele andere, die meinten, Lubitsch habe mit seiner ganz speziellen Art und Weise durchaus den richtigen Ton getroffen. Ähnlich sah dies wohl nicht nur Mel Brooks, der 1983 seine Neuverfilmung in die Kinos brachte, sondern ganz offensichtlich auch die us-amerikanische Nationalbibliothek, die „Libary of Congress“, die ihn 1996 in das Verzeichnis besonders erhaltenswerter amerikanischer Filme, die „National Film Registry“ aufnahm.

(To be or not to be, USA 1942; Regie: Ernst Lubitsch.)

In the Mood for Love

„Y así pasan los días, y yo desesperando, y tú, tú, contestando, quizás, quizás, quizás?“

Hong Kong im Jahr 1962. Die nach dem Einmarsch der Kommunisten 1949 aus Shanghai geflüchteten Bewohner der Stadt bilden eine eigene, abgeschottete Gemeinschaft, weitgehend ohne Kontakt zur kantonesischen Bevölkerung Hong Kongs, deren Sprache die meisten von ihnen nicht einmal verstehen. Sie wohnen in eigenen Vierteln, wo sie nach ihren mitgebrachten Regeln und Ritualen leben, ihre Lebensmittel in speziellen Läden kaufen, mit denen sie die Speisen der Küche Shanghais zubereiten, ja, sie haben sogar ihre eigenen Kinos, in denen die Filme in ihrer Sprache, Mandarin gezeigt werden. Der Regisseur Wong Kar-Wei stammt selbst aus diesem Milieu, er war 5 Jahre alt, als seine Eltern seine Geburtsstadt Shanghai verließen und nach Hong Kong gingen und es ist diese Zeit und diese spezielle Gesellschaft, die er in seinem Film detailgetreu wiedererstehen lässt.

Nicht alles ist dabei für europäische Zuschauer verständlich, wie er in einem Interview erzählt, manches habe eben bei der Übersetzung gelitten, andere Details würden spezielle Kenntnisse voraussetzen, so z.B. dass die Küche Shanghais sich immer genau nach den Jahreszeiten richte, und man so im Film an den Speisen erkennen könne, ob es März oder Juni ist. Überhaupt: Speisen. Ganz am Anfang sei es eine Geschichte über Essen in drei Kapiteln, von ca. 30 Minuten Länge gewesen, konzentriert auf ein Restaurant und einen Nudel-Shop. Denn auch, wenn Sprache nicht immer einfach zu übersetzen ist, Speisen und Essgewohnheiten, in die richtigen Bilder gefasst, erschließen sich da schon leichter. Ebenso wie Musik, die auch eine wichtige Rolle spielt. Latino-Musik z.B., sei in den 1960ern in Hong Kong sehr populär gewesen und überall in den Restaurants gespielt worden. Aber auch chinesische Oper und Mandarin-Popsongs hört man im Film, eben alles, was damals beliebt war.

Allein die Dreharbeiten dauerten 15 Monate. Zu lang für Christopher Doyle, den bevorzugten Kameramann von Wong Kar-Wei, der nur an einem Drittel des Films beteiligt war. Die beiden Hauptdarsteller hingegen, Maggie Cheung und Tony Leung Chiu Wai, zur Entstehungszeit des Films eigentlich beide schon vielbeschäftigte Stars, blieben die ganze Zeit dabei. Ungewöhnlich, dass Schauspieler sich soviel Zeit für ein Projekt nehmen und verschiedene Dinge ausprobieren, sagt Wong Kar-Wei. Und ausprobiert wurde wohl viel, denn wie immer gab es bei ihm kein Drehbuch, Geschehen und Stimmung wurden vielmehr gemeinsam entwickelt. Zudem gab es nur wenige Dialoge, die Schauspieler waren also weitgehend auf ihre Körpersprache und Mimik angewiesen. Farben, Formen und Musik, Architektur und Mode, alles sorgfältig ausgewählt und zusammengestellt, tun dabei ihr Übriges.

Auch die Zeit, die sich die Beteiligten für den Film genommen haben, ist spürbar: Das Tempo ist langsam, alles sehr ruhig, sagt Wong Kar-Wei, so wie das musikalische Hauptthema, ein langsamer Walzer, der den ganzen Film bestimmt, und wie die beiden Hauptpersonen, die gewissermaßen auch einen langsamen Walzer miteinander tanzen, immer wieder vor und zurück. Vielleicht seien ihm manche Details schöner geraten, als es die Wirklichkeit war, sagt er. Und wahrscheinlich hat er da recht, denn schön ist dieser Film in jeder Hinsicht, aber das hat Kino ja noch nie geschadet.

(In the Mood for Love, Hong Kong 2000; Regie: Wong Kar-Wei.)