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And Now for Something Completely Different

Wenn ist das Nurnstuck git und Slotermeyer? Ja! Feierhund das oder die Flipperwaldt gersput!“

Auch wenn das Lesen oder Hören dieser Zeilen gewisse Gesundheitsrisiken birgt, so ist es nun, spätestens nach dem an dieser Stelle bereits gewisse Parallelen zu erkennen waren, an der Zeit, auch Monty Pythons Schaffen zu würdigen.

Dies soll exemplarisch mit „And Now for Something Completely Different“ geschehen, ihrem ersten Kino-Film, der zwischen der ersten und zweiten Staffel ihrer TV-Serie Monty Pythons Flying Circus gedreht wurde, und der eigentlich dazu gedacht war, sie dem amerikanischen Publikum bekannt zu machen. Finanziert und produziert wurde das Ganze vom Playboy Magazin und der einen oder anderen Episode sieht man auch an, dass Monty Python sich der daraus resultierenden Verantwortung durchaus bewusst waren. Vor allem John Cleese scheute sich nicht, sich ganz im Geiste des damals populären Magazins zu präsentieren.

Dennoch war man in den USA zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht reif für diese spezielle Form von Humor, andererseits wurden Film und Fernsehserie in Großbritannien und Deutschland dafür umso freudiger aufgenommen, wo sie rasch zu eben jenen Klassikern avancierten, die sie bis heute sind. Bleibt nur noch, darauf hinzuweisen, dass einige der Sketche des Films ganz offiziell im Monty Python Channel auf youtube zu sehen sind, zum Beispiel hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier, oder hier… und natürlich auch andere, die ebenfalls (wieder-)sehenswert sind und bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

(And Now for Something Completely Different, Großbritannien 1971; Regie: Ian MacNaughton.)

 

The Cat and the Canary

Hier haben wir den Beweis, dass das Grusel-Horror-Geister-Film Genre sein stilgerechtes Medium nicht nur im schwarz/weiß, sondern auch im Stummfilm hat.

Zunächst einmal ist alles vorhanden, was man von dieser Art Film und einem Regisseur, der gerade erst vom deutschen Expressionismus in die USA übergesiedelt war, erwarten darf: ein einsam gelegenes, unheilvolles Haus mit vielen dunklen Schatten, finsteren Ecken und langen düsteren Korridoren (mit wehenden Vorhängen!) und natürlich Treppen, Geheimtüren, -fächer und -gänge und nicht zu vergessen, das überdimensionierte Mobiliar, welches seinerseits wieder schöne, lange, schwarze Schatten wirft und alles zusammen bildet einen effektvollen Kontrast zu den Gesichtern der Menschen, die sich darin bewegen – hell und weiß und meist mit weit aufgerissenen Augen

Überdies spielt die Geschichte natürlich bei Nacht und spätestens hier ist vollkommen klar: in Farbe sähe all dies bei weitem nicht so eindrucksvoll aus (oder schlimmer noch, so albern, wie in der Neuverfilmung von 1978).

Aber auch, dass es sich um einen Stummfilm handelt, ist unbedingt von Vorteil, denn an den Stellen, wo es sinnvoll war, zeigte sich Regisseur Paul Leni ausgesprochen kreativ darin, Ton in Bilder umzusetzen, sei es zum Beispiel beim Schlagen einer Uhr oder auch bei der Gestaltung von Zwischentiteln, die es in ihrer Aussagekraft teilweise durchaus mit Comic-Sprache aufnehmen könnten, während die Tatsache, dass man die ganze Schreierei nur sieht und nicht hört, wiederum recht angenehm ist.

Und wer nun Laune bekommen hat, sich einen Klassiker des Grusel-Genres anzuschauen, kann dies ohne Umstände tun, denn wie so vieles Schöne und Spannende steht auch The Cat and the Canary bei archive.org zu Ansicht und Download bereit. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen, denn die von Hugo Riesenfeld komponierte ist nicht dabei, aber vielleicht wird man ja hier fündig, oder hier…?

(The Cat and the Canary, USA 1927; Regie: Paul Leni.)

 

Häxan

Anders als bei diesem Film, bei dem nicht wirklich erkennbar ist, warum seine Uraufführung im Jahr 1948 durch die Zensurbehörde von New York verboten wurde, kann man beim Stummfilm Häxan recht schnell darauf kommen, warum es nach seiner Premiere im Jahr 1922 in praktisch jedem Land, in dem er gezeigt wurde, zu Protesten und/oder Aufführungsverboten kam: Die detailverliebte Darstellung von Folter, Nacktheit und sexuellen Praktiken, insbesondere im Rahmen von Schwarzen Messen und Blasphemie zieht auch heute noch in vielen Teilen der Welt ähnliche Reaktionen nach sich.

Dabei war es dem dänischen Filmemacher Benjamin Christensen doch nur um eine historisch fundierte, filmische Dokumentation des Hexenwesens gegangen, allerdings, nachdem sämtliche Historiker, deren Expertise und Beratung er angefragt hatte, die Zusammenarbeit ablehnten, weil sie mit seinem Film nicht Verbindung gebracht werden wollten, machte er sich höchst selbst ans Werk, las einen ganzen Stapel Bücher zum Thema, vor allem den berüchtigten Hexenhammer, und ging dann daran, das Gelesene möglichst anschaulich, mit viel Aufwand und sich selbst in der Rolle des Satans, in Szene zu setzen.

Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf seinen Film – immerhin der teuerste Stummfilm, der je in Skandinavien produziert wurde – recht gemischt ausfielen, aber während die einen ihn verbieten lassen wollten, feierten ihn die anderen: in Deutschland wurde Christensen wegen dieses Werkes als Regisseur zur UFA geholt und auch seiner späteren Karriere als Filmemacher in den USA stand Häxan nicht im Wege, obwohl er dort lange Zeit gar nicht aufgeführt werden durfte.

Mittlerweile ist Häxan – wie könnte es anders sein? – zum Kultfilm avanciert. 1968 erschien eine mit Jazz und William S. Burroughs unterlegte, wenn auch gekürzte und zu schnell ablaufende Fassung und 2001 brachte The Criterion Collection eine restaurierte, allerdings auch gekürzte Version auf DVD heraus.

Die ungekürzte, volle 104 Minuten lange, Originalfassung von Häxan gibt es aber bei archive.org: zur Ansicht und zum Download – inklusive aller der Zensur zum Opfer gefallenen Szenen.

(Häxan, Dänemark 1922; Regie: Benjamin Christensen.)

 

The Private Life of a Cat

Subversion, ebenso wie Anstand und Moral, mögen ja, wie so Vieles andere, im Auge des Betrachters liegen. Dass es aber die New Yorker Zensurbehörde tatsächlich schaffte, diesen Film des Avantgarde-Regisseurs Alexander Hammid und seiner damaligen Frau, Maya Deren, die bis heute als eine der wichtigsten amerikanischen Avantgarde-Künstlerinnen gilt, als „unanständig“ einzustufen und gleichzeitig ein Verbot der öffentlichen Aufführung verhängte, ist doch noch immer erstaunlich.

Aber, so berichtet es Amos Vogel sowohl in diesem Film, als auch in seinem Buch, eben dieses war der Fall, als The Private Life of a Cat im Jahr 1948 im Rahmen von Cinema 16 zum ersten Mal aufgeführt werden sollte. Begründet wurde die Entscheidung der Zensurbeamten damit, dass im Film eine Geburt gezeigt wird. Da es sich um einen Stummfilm handelt ohne Ton und in schwarz-weiß, aber von sehr nah.

Allerdings war es nicht nur so, dass der zu diesem glücklichen Ereignis führende, vorherige Zeugungsakt von den Filmemachern schamhaft weggelassen, weder gezeigt oder auch nur erwähnt wurde, sondern es handelt sich darüber hinaus, wie der Titel schon sagt: um Katzen.

Nun, immerhin in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten geändert: Katzencontent ist heutzutage im Internet an der einen oder anderen Stelle zu finden und auch The Private Live of a Cat ist bei archive.org zu Ansicht und Download bereitgestellt. Und so steht es jedem frei, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob die gezeigten Bilder tatsächlich so unanständig sind, dass ihre Aufführung verboten gehörte, oder einfach nur unfassbar putzig.

(The Private Life of a Cat, USA 1944; Regie: Alexander Hammid.)

 

Film as a subversive Art:

L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat

Was den Herrn, von dem dieser Film handelt, weit über die Grenzen New Yorks hinaus bekannt machte, war aber nicht sein Avantgarde-Filmclub, sondern das Buch, das 1974 unter dem Titel Film as a subversive Art in der amerikanischen Originalausgabe erschien und einige Jahre später auf Französisch, Niederländisch und Deutsch.

Mehr als 600 Filme wurden hier von Amos Vogel besprochen, viele davon mit einem Szenenfoto illustriert, und obwohl es mittlerweile längst die technischen Möglichkeiten gäbe, diese Filme allen zugänglich zu machen, ist der bei weitem größte Teil damals wie heute kaum öffentlich zugänglich. Einige wenige sind heute Klassiker, die gelegentlich Gegenstand von Retrospektiven sind, oder neu aufgelegt wurden und manche sind sogar im Internet zu finden.

Einer dieser Filme, und der älteste, auf der Liste von Amos Vogel, ist L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat von 1896. Ein früher Film der Brüder Auguste und Louis Lumière, dessen Aufführung zwar entgegen der schön erfundenen Legende wohl doch nicht dazu führte, dass die Zuschauer in Panik den Vorführraum, in diesem Falle ein Café verließen, der aber wohl auch ohne diese Geschichte als Klassiker der Filmgeschichte gelten darf und den man zur Zeit tatsächlich auch auf Youtube ansehen kann.

Um dies zu würdigen ist das Movie of the Week diesmal nur etwa 50 Sekunden lang, allerdings mit Hinweis darauf, dass einige andere der von Amos Vogel als subversiv empfohlenen Filme an dieser Stelle bereits besprochen wurden: zum Beispiel hier, oder hier, und hier, sowie hier und hier, oder auch hier und hier

Diese, und alle weiteren, die noch hinzukommen, werden von nun an hier zu finden sein.

(L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat, Frankreich 1896; Regie: Auguste und Louis Lumière.)

 

Film as a subversive Art:

Amos Vogel and Cinema 16

You know there is something I call visual sensibility. A sensibility for form, shape, abstract images. And this is really what made me love these very art films. I mean surrealist-films, abstract films and many other types. All kinds of avantgarde films. I was very taken by them. I always felt that if I have this sensibility – obvioulsly I‘m not unique – and I would think that there would be other people who would like to see these films, too.“

…eine Annahme, mit der Amos Vogel unbedingt recht behalten sollte, denn als er im Jahr 1947 mit Cinema 16 den ersten New Yorker Avantgarde Film Club gründete, fand dieser rasch Interesse und brachte es bis 1963 – so lange betrieb Amos Vogel Cinema 16 gemeinsam mit seiner Frau Marcia – auf stolze 7000 Mitglieder, mit regelmäßigen Filmvorführungen in einem Kino, das 1600 Plätze hatte. Und weil dies nicht reichte, fanden die meisten Veranstaltungen zweimal am selben Tag statt.

Fast 40 Jahre nach dem Ende von Cinema 16, im Jahr 2004 zog Paul Cronin, ein britischer Dokumentar-Filmer los, um über den damals 82jährigen Amos Vogel einen Interview-Film zu drehen und mehr muss man dazu eigentlich auch gar nicht sagen, das erzählt Amos Vogel hier alles schon selbst. Bleibt also nur noch darauf hinzuweisen, dass Paul Cronin so freundlich war, seinen Film an dieser Stelle legal und kostenfrei zur Ansicht zur Verfügung zu stellen und dreimal den Buzzer zu betätigen: „Look at the screen immediatelty!”

(Film as a subversive Art: Amos Vogel and Cinema 16, Großbritannien 2004; Regie: Paul Cronin.)

 

Dōngfāng hóng

Der erste Farbfilm in chinesischer Sprache erschien im Jahr 1965 in Beijing, nur ein Jahr bevor in Hong Kong dieser Film, ebenfalls in Farbe, anlief. Seine Uraufführung hatte er bereits im Jahr zuvor, am 2. Oktober 1964, zur Feier des 15. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China in der Großen Halle des Volkes am historisch bedeutsamen Tian’anmen-Platz und beides, Entstehungszeit wie Anlass, sind dem Film auch unschwer anzusehen.

Wie sehr sich die Zeiten und damit, ganz unabhängig von Farbe oder Schwarz/Weiß, auch die Filme geändert hatten, wird ganz besonders deutlich, wenn man ihn zum Beispiel mit einem Film vergleicht, der in Shanghai mehr als 15 Jahre früher, also kurz vor der Gründung der Volksrepublik China gedreht und dann für lange Zeit nicht mehr aufgeführt wurde.

Aber da sich seither die Zeiten weiter geändert haben, stehen heute beide Filme, sowohl Spring in a Small Town, als auch Dōngfāng hóng, bzw. The East is Red bei Archive.org zur Ansicht und zum Download zur Verfügung.

(Dōngfāng hóng, China 1965; Regie: Ping Wang.)

 

Spring in a Small Town

Im Jahr 2005 feierte man in Hong Kong das 100jährige Bestehen des chinesischen Films. Aus diesem Anlass wurde bei der 24. Verleihung der Hong Kong Film Awards eine Liste der Best 100 Chinese Motion Pictures vorgestellt, wobei es sich genauer gesagt um die 103 besten chinesischen Filme handelt, da diese drei Filme wohl unbedingt noch mit auf die Liste sollten: The Puppetmaster von Hou Hsiao-Hsien (101), Summer Snow von Ann Hui (102) und Not one Less von Zhang Yimou (103).

Die Filme wurden fein säuberlich getrennt nach Produktionsort Hong Kong, China oder Taiwan aufgeführt, und angesichts der Tatsache, dass sie von einer Jury aus 101 Filmemachern und Kritikern, überwiegend der Hong Konger Filmindustrie, gewählt wurden, ist es wohl nicht weiter überraschend, dass der bei weitem größte Teil der Chinese Motion Pictures dieser Auswahl aus Hong Kong stammt: 61 Filme, während es aus China nur 24 Filme, und nur 16 aus Taiwan (sowie 2 Co-Produktionen) auf die Liste schafften.

Ebenfalls wenig überraschend ist, dass auch von den ersten drei der Besten-Liste zwei Filme in Hong Kong produziert wurden, aber während selbst dieser Film, der bei der Verleihung der Hong Kong Film Awards im Jahr 1997 noch mit einer bis heute nicht übertroffenen Anzahl von Preisen ausgezeichnet wurde, auf der Liste von 2005 schon ‚nur‘ noch auf Platz 28 landete, wurde der erste Platz an einen Film vergeben, als dessen Produktionsort China genannt wird und der in Mandarin gedreht gedreht wurde. Wobei mit China in diesem Falle Shanghai gemeint ist und der Film aus dem Jahr 1948 stammt, einer Zeit, als die Filmindustrie in Hong Kong noch in ihren Anfängen steckte, während sich Shanghai gerade im zweiten Goldenen Zeitalter seines Films befand.

Von Shanghai ist bei Spring in a Small Town auch gelegentlich die Rede, davon dort hinzugehen um dort zu leben und zu studieren und damit auch gleich ein wenig von der großen Welt zu sehen, die in der kleinen Stadt, in der die Geschichte spielt, sehr weit weg zu sein scheint. Es ist die Zeit kurz nach dem großen Krieg und vor der Kommunistischen Revolution, aber Politik kommt hier nur am Rande zur Sprache, was den Film kurze Zeit nach seinem Erscheinen, im mittlerweile kommunistischen China, von der Bildfläche verschwinden ließ: zu unpolitisch, möglicherweise gar reaktionär und nicht geeignet zur damals angestrebten Volkserziehung beizutragen.

Erst Jahrzehnte später, als Anfang der 1980er das China Film Archive in Beijing öffentlich zugänglich wurde, erschien eine Kopie des heute verlorenen Originals von Spring in a Small Town, die in den folgenden Jahren, sowohl in China als auch weltweit, ein wachsendes Publikum und viel Lob fand. Und wer sich nun ebenfalls sein eigenes Urteil bilden möchte, kann diese Kopie im Internet Archive finden, wo sie zu eben diesem Zweck bereit gestellt ist.

(Spring in a Small Town, China 1948; Regie: Fei Mu.)


 

Lady Windermere‘s Fan

Nachdem Oscar Wilde bereits einige Jahre lang erfolgreich die viktorianische feine Gesellschaft seiner Zeit durch seine Texte, Reden und sein gesamtes öffentliches Auftreten, inklusive seiner Art sich zu kleiden, provoziert hatte, entdeckte er mit dem Theater eine ganz neue Möglichkeit, für Aufregung zu sorgen. Seine ersten Stücke, melodramatische Tragödien, zeigten zwar noch nicht den rechten Erfolg, aber dies änderte sich, als er einen anderen, subtileren Weg fand, indem er zu vorgeblich leichteren, aber ebenso gesellschaftskritischen Stücken wechselte. Romantische Salonkomödie nannte man so etwas und es war für Wilde genau die richtige Spielwiese, um die Eigenarten der Upper Class treffend zu karikieren und vorzuführen. Das erste Stück dieser Art und auch gleich eines seiner erfolgreichsten, hieß „Lady Windermere‘ s Fan – A play about a good woman“ und feierte 1892 in London seine Premiere. Wobei die Entscheidung darüber, wer, und nach welchem Maßstab, die gute, oder besser: anständige Frau in diesem Stück ist, dem Publikum überlassen blieb, das zugleich die Möglichkeit erhielt, sich über die moralischen Zustände ein wenig zu entrüsten.

Wildes Komödien sind durch Schlagfertigkeit und temporeiche Dialoge gekennzeichnet, ebenso wie die Filme von Ernst Lubitsch mit dem speziellen ‚Lubitsch-Touch‘, vom dem hier bereits an anderer Stelle die Rede war. Umso eigenwilliger war also eigentlich die Idee, ein Stück von Oscar Wilde ausgerechnet in einen Stummfilm zu verwandeln. (Wobei Ernst Lubitsch damit noch nicht einmal der erste war, schon 1916 hatte es eine britische Stummfilmfassung unter der Regie von Fred Paul gegeben.) Aber Lubitsch versuchte gar nicht erst, die Dialoge aus Wildes Theaterstück in Zwischentiteln unterzubringen, sondern wählte einen ganz anderen Ansatz, indem er auf Mimik und Gestik ebenso wie spezielle Bildkompositionen setzte: mal eingerahmt durch ein Labyrinth, mal aus verschiedenen Perspektiven, sieht das Publikum oft mehr als die handelnden Personen und kann die daraus resultierenden Missverständnisse und Verwicklungen so auch ohne ausführliche Erklärung nachvollziehen.

Wer aber nun die später oft persiflierte, übertriebene Stummfilm-Mimik und -Gestik mit rollenden Augen und ohnmächtig zu Boden sinkenden Damen vor sich sieht, irrt, denn nicht nur das Treffsichere, sondern auch das Subtile, das sowohl für Wilde als auch für Lubitsch typisch ist, blieb hier in vollem Umfang erhalten.

Lady Windermere‘s Fan steht bei Archive.org zum freien und kostenlosen Download zur Verfügung. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen.

(Lady Windermere‘s Fan, USA 1925; Regie: Ernst Lubitsch.)

Sita sings the Blues

Wenn man auch am Beispiel dieses Films sehen kann, dass es zur Zeit ganz hilfreich ist, englisch zu verstehen, um deutsche Klassiker im Internet anzuschauen, so soll dies natürlich keineswegs bedeuten, dass die in den USA geltenden Copyright-Regelungen es den Filmschaffenden einfacher machen würden. Denn auch, wenn man den Film komplett selbst macht, die Musik bei Freunden in Auftrag gibt und sich versichert, dass auf die Lieder, die man zusätzlich verwenden möchte, kein Copyright mehr besteht, so heißt das noch lange nicht, dass niemand in den USA Forderungen stellen kann, von der deutschen GEMA mal ganz zu schweigen…

Aber fangen wir von vorne an: Das Ramayana ist eine der großen epischen Erzählungen der indischen Mythologie. Es handelt von den Prüfungen und Erlebnissen des Prinzen Rama und seiner Frau Sita und wurde, nachdem es Jahrhunderte lang überwiegend mündlich überliefert worden war, vor etwa 2000 Jahren in seiner heute bekannten Fassung schriftlich niedergelegt, was es ausgesprochen schwierig macht, darauf ein wie auch immer geartetes Copyright anzumelden. Wenn nun die Amerikanerin Nina Paley dieses mit sehr zeitgemäßen eigenen Erlebnissen verknüpft und in fünf Jahre langer Arbeit am heimischen Computer daraus einen Animations-Film macht, dann sollte man eigentlich davon ausgehen, dass alle daraus resultierenden Rechte ausschließlich bei ihr liegen.

Auch dann noch, wenn sie ihren Film mit Liedern der in den 1920ern und frühen 30er Jahre populären Jazz-Sängerin Annette Hanshaw unterlegt, da sie sich vorher versichert hatte, dass auf diese kein Copyright besteht. Was Annette Hanshaw anging, so lag Nina Paley damit auch richtig, allerdings gibt es in den USA noch eine ganze Reihe darüber hinaus gehender Copyrights, zum Beispiel Rechte auf die Aufnahmen, auf die Komposition und den Liedtext sowie das Recht, die Aufnahmen mit Bildern zu unterlegen (mehr dazu hier), welche sie nicht eingeholt hatte, was dazu führte, dass mit der Publikation ihres Filmes Forderungen von annähernd 220.000 Dollar auf sie zukamen. Nach langen Verhandlung einigte man sich darauf, die Rechte gegen eine Gebühr von immer noch 50.000 Dollar an Nina Paley zu vermieten und ‚Sita sings the Blues‘ konnte seine Premiere im Jahr 2008 auf der Berlinale feiern.

Da die Künstlerin selbst eine engagierte Vertreterin der Free Culture Idee ist, hat sie ihren Film zudem unter eine Creative Commons Lizenz gestellt, weshalb er legal und kostenlos sowohl auf ihrer eigenen Website, als auch bei Archive.org angeschaut und heruntergeladen werden kann. Und weil es ein wirklich schöner und origineller Film ist, wurde er verdientermaßen in den letzten Jahren mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.

Soweit hätten nun also eigentlich alle Beteiligten zufrieden sein können, hätte nicht eines Tages die GEMA ‚Sita sings the Blues‘ bei Youtube entdeckt, einen Urheberrechtsverstoß gewähnt und den Film für Deutschland kurzerhand und ohne bei der Urheberin nachzufragen, bei Youtube sperren lassen. Was wiederum dazu führte, dass Nina Paley selbst einen Film bei Youtube einstellte, in welchem sie die ganze Rechtelage erneut erklärte und zusätzlich den Lizenzvertrag in die Kamera hielt: „…it does say: ‚Licensed Territory: The world‘ – it does not say, the world except Germany, where GEMA can block whatever they want.“

Es scheint gewirkt zu haben, denn auch, wenn die GEMA ihrerseits weder einen Film bei Youtube einstellen ließ, in welchem sie ihr Vorgehen erklärt, noch einen, in dem sie sich offiziell für den Fehler entschuldigt, so ist ‚Sita sings the Blues‘ – zumindest bis auf Weiteres – auch dort wieder abrufbar. Den Download und weitere Hinweise sowie Links auf andere Websites und Formate findet man aber übersichtlicher zusammengestellt auf der von Nina Paley selbst eingerichteten Website: sitasingstheblues.com.

(Sita sings the Blues, USA 2008; Regie: Nina Paley.)