Wilde Erdbeeren

Es gibt zahlreiche internationale Filmfestivals, die meisten davon finden jährlich statt und fast alle vergeben Preise, wobei Kategorien wie „Bester Film“ und „Bester Regisseur“ selbstverständlich immer vertreten sind. Folglich ist im Laufe der Zeit so Einiges zusammengekommen, an ‚ausgezeichneten‘ Filmen, wie auch an ebensolchen Filmemachern. Wenn aber eine Jury aus ihrerseits preisgekrönten Filmregisseuren einen „Besten Filmregisseur aller Zeiten“ kürt, so wie 1997, anlässlich des 50. Jubiläums der Filmfestspiele von Cannes geschehen, dann liegt es wohl in der Natur der Sache, dass dieser Preis nicht gerade dazu geeignet ist, inflationär zu werden.

Selbst für Ingmar Bergman, der damals fast 80 Jahre alt war und in seinem Leben viele Auszeichnungen, nicht nur in Cannes, erhalten hatte, dürfte dies wohl eine besondere Art der Ehrung gewesen sein. Trotzdem machte er sich nicht die Mühe, selbst nach Cannes zu reisen, um sich dort feiern zu lassen, lieber schickte er einen Fernsehfilm als Beitrag („Lamar och gör sig till“/ „Dabei: ein Clown“) und seine Tochter Linn Ulmann um die „Palme der Palmen“ unter dem Applaus von 28 Filmregisseuren, jeder davon ebenfalls im Besitz mindestens einer Goldenen Palme, entgegen zu nehmen.

Er selbst hingegen zog es vor, daheim zu bleiben, in seinem Haus auf der Insel Farö, das nach seinen Vorstellungen gestaltet war und wo er, wie er ein paar Jahre später in einem Interview erzählte, zwar manchmal tagelang mit niemandem ein Wort wechselte, sich aber dennoch nicht als einsam empfand (Zitat ab 4:25 min).

Ein zurückgezogenes Leben in einem schönen Haus, Jemand, der sich um den Haushalt kümmert, ansonsten nicht allzu viel menschlicher Kontakt, so lernen wir auch Professor Isaak Borg kennen, den Protagonisten aus Wilde Erdbeeren – allerdings wurde dieser Film bereits 40 Jahre vor besagter Preisverleihung in Cannes gedreht und Bergman war damals erst Ende Dreißig. Sein Hauptdarsteller, Victor Sjöström, hingegen, ehemals selbst ein gefeierter Hollywood-Regisseur der Stummfilmzeit, brachte mit knapp 80 Jahren durchaus das erforderliche Alter und die nötige Reife für diese, seine letzte Rolle, mit. Was die Zusammenarbeit der beiden aber wohl auch nicht immer vereinfachte, zumindest erzählte Bergman später gerne, dass Sjöström während der Dreharbeiten hauptsächlich an seinem frühen Feierabend sowie dem dazugehörigen, pünktlich servierten Glas Whisky gelegen war.

Der schwedische Originaltitel des so im Jahre 1957 entstandenen Films lautet Smultronstället, was nicht nur, wie der deutsche Titel, Wilde Erdbeeren bedeutet, sondern auch einen vielleicht unscheinbaren, aber besonderen Ort meinen kann, an dem persönliche Erinnerungen hängen. Auch der Vorname des Helden, Isaak, hat seine spezielle Bedeutung, aus dem Hebräischen übersetzt heißt er „Gott möge lächeln“, was man bei Ingmar Bergman, Sohn eines lutherischen Pastors, der in vielen seiner Filme seine Bibelfestigkeit unter Beweis stellte, wohl als gewusst und beabsichtigt voraussetzen darf.

Und, ja, selbstverständlich wurde auch dieser Film mehrfach ausgezeichnet, wenn auch nicht in Cannes, aber 1958 mit dem Goldenen Bären in Berlin, 1959 mit dem Astor de Oro als „Bester Film“ und Victor Sjöström als „Bester Darsteller“ beim Mar del Plata in Argentinien und im Jahr 1960 in Los Angeles bei der Verleihung der Golden Globes mit dem Samuel Goldwyn International Award.

(Smultronstället, Schweden 1957; Regie: Ingmar Bergman.)