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Lady Windermere‘s Fan

Nachdem Oscar Wilde bereits einige Jahre lang erfolgreich die viktorianische feine Gesellschaft seiner Zeit durch seine Texte, Reden und sein gesamtes öffentliches Auftreten, inklusive seiner Art sich zu kleiden, provoziert hatte, entdeckte er mit dem Theater eine ganz neue Möglichkeit, für Aufregung zu sorgen. Seine ersten Stücke, melodramatische Tragödien, zeigten zwar noch nicht den rechten Erfolg, aber dies änderte sich, als er einen anderen, subtileren Weg fand, indem er zu vorgeblich leichteren, aber ebenso gesellschaftskritischen Stücken wechselte. Romantische Salonkomödie nannte man so etwas und es war für Wilde genau die richtige Spielwiese, um die Eigenarten der Upper Class treffend zu karikieren und vorzuführen. Das erste Stück dieser Art und auch gleich eines seiner erfolgreichsten, hieß „Lady Windermere‘ s Fan – A play about a good woman“ und feierte 1892 in London seine Premiere. Wobei die Entscheidung darüber, wer, und nach welchem Maßstab, die gute, oder besser: anständige Frau in diesem Stück ist, dem Publikum überlassen blieb, das zugleich die Möglichkeit erhielt, sich über die moralischen Zustände ein wenig zu entrüsten.

Wildes Komödien sind durch Schlagfertigkeit und temporeiche Dialoge gekennzeichnet, ebenso wie die Filme von Ernst Lubitsch mit dem speziellen ‚Lubitsch-Touch‘, vom dem hier bereits an anderer Stelle die Rede war. Umso eigenwilliger war also eigentlich die Idee, ein Stück von Oscar Wilde ausgerechnet in einen Stummfilm zu verwandeln. (Wobei Ernst Lubitsch damit noch nicht einmal der erste war, schon 1916 hatte es eine britische Stummfilmfassung unter der Regie von Fred Paul gegeben.) Aber Lubitsch versuchte gar nicht erst, die Dialoge aus Wildes Theaterstück in Zwischentiteln unterzubringen, sondern wählte einen ganz anderen Ansatz, indem er auf Mimik und Gestik ebenso wie spezielle Bildkompositionen setzte: mal eingerahmt durch ein Labyrinth, mal aus verschiedenen Perspektiven, sieht das Publikum oft mehr als die handelnden Personen und kann die daraus resultierenden Missverständnisse und Verwicklungen so auch ohne ausführliche Erklärung nachvollziehen.

Wer aber nun die später oft persiflierte, übertriebene Stummfilm-Mimik und -Gestik mit rollenden Augen und ohnmächtig zu Boden sinkenden Damen vor sich sieht, irrt, denn nicht nur das Treffsichere, sondern auch das Subtile, das sowohl für Wilde als auch für Lubitsch typisch ist, blieb hier in vollem Umfang erhalten.

Lady Windermere‘s Fan steht bei Archive.org zum freien und kostenlosen Download zur Verfügung. Nur Musik muss man sich selbst dazu auflegen.

(Lady Windermere‘s Fan, USA 1925; Regie: Ernst Lubitsch.)

All About Eve

„Fasten your seatbelts. It’s going to be a bumpy night.“ belegt auf der Liste des American Film Institute der 100 besten Sprüche in us-amerikanischen Filmen den 9. Platz (nach diesem und vor diesem Satz) und ist, ebenso wie der Filmtitel, in zahlreichen Filmen zitiert, variiert und veralbert worden. Dass es mit Bette Davis als Hauptdarstellerin auf alle Fälle ‚bumpy‘ Dreharbeiten werden würden, davon waren jedenfalls eine ganze Reihe der Leute überzeugt, die bereits vorher mit ihr zusammen gearbeitet hatten, unter ihnen der Regisseur Edmund Goulding, der seinen Kollegen Joseph L. Mankiewicz anrief um ihn zu warnen: Bette Davis würde ihn zermahlen, bis nur noch ein Häufchen feiner Staub von ihm übrig bliebe.

Mankiewicz, der nicht nur Regie führte, sondern auch für das Drehbuch verantwortlich war, hatte die Rolle ursprünglich für Clodette Colbert geschrieben, die aber nun infolge eines Unfalles nicht einsatzfähig war, und als dann noch noch eine nach der anderen der Frage kommenden Schauspielerinnen ausfielen, weil sie entweder zu jung oder zu deutsch waren, seltsame Forderungen hatten oder schlicht nicht verfügbar waren, fiel die Wahl auf Bette Davis, die als eigensinnig und schwierig galt, aber auch dafür bekannt war, viel Einsatz zu zeigen. (Und dabei für eine Hollywood-Schauspielerin ungewöhnlich wenig Eitelkeit an den Tag legte, wenn sie hier zum Beispiel zum ersten Mal zu sehen ist, hat sie eine dicke Fettschicht im Gesicht.)

Tatsächlich hatte Bette Davis keineswegs vor, Mankiewicz das Leben schwer zu machen, denn nach Jahren voll mit Streitigkeiten und einem Prozess gegen ihr Studio Warner Brothers sowie unglücklich ausgewählten Rollen in wenig erfolgreichen Filmen, war dies, so erzählte sie noch viele Jahre später in einem Interview, ihre „Auferstehung von den Toten“. Und auch Mankiewicz sagte über sie, sie sei eine der professionellsten und umgänglichsten Schauspielerinnen gewesen, mit denen er je gearbeitet habe.

Gelohnt hat es sich für Mankiewicz auf alle Fälle, denn bei der Oscar-Verleihung im Jahr 1951 machte All About Eve Joseph L. Mankiewicz nach John Ford (1940 und 1941) zum bislang einzigen Titelverteidiger beim Academy Award für die beste Regie (nach A letter to three Wives von 1949). Überhaupt kam der Film bei Publikum wie Kritikern gut an, und das, obwohl fast alle Charaktere ständig rauchen und gelegentlich zu viel trinken, vor allem aber hemmungslos ihren Narzissmus ausleben und trotzdem sämtlich wie intelligente und erwachsene Menschen erscheinen. Sogar Marilyn Monroe hat hier nicht nur einen frühen, aber für sie typischen Auftritt, sondern auch Momente der Erkenntnis.

Dementsprechend war er bei der Oscar-Verleihung des Jahres 1951 nicht nur im Hinblick auf Mankiewicz als Regisseur erfolgreich. Zum ersten Mal in der Geschichte der Academy Awards wurden zwei Schauspielerinnen aus demselben Film als beste Hauptdarstellerinnen nominiert, was aber vielleicht gar keine so gute Idee war, denn schließlich ging der Oscar an keine von beiden, sondern an Judy Holliday für Born Yesterday.

Trotzdem erhielt All About Eve insgesamt sechs Oscars: für den besten Film, Regie, Drehbuch, männliche Nebenrolle (George Sanders), Kostüme und den besten Ton. Bei den Nominierungen erzielte er mit 14 zudem einen Rekord, der 46 Jahre lang nicht wiederholt wurde, bis im Jahr 1997 ausgerechnet dieser Film gleichzog. Den Rekord der meisten Oscar-Nominierungen für weibliche Rollen (neben Bette Davis und Anne Baxter für die Hauptrolle waren auch Celeste Holm und Thelma Ritter für die beste weibliche Nebenrolle nominiert), hält er allerdings bis heute.

(All About Eve, USA 1950; Regie: Joseph L. Mankiewicz.)

Charade

„How do you shave in there?“ Es war der letzte Film, in dem Cary Grant den romantischen Helden gab, und eigentlich hatte er diese Rolle wohl auch schon gar nicht mehr übernehmen wollen, er selbst Ende fünfzig, Audrey Hepburn erst 33 Jahre alt und damit 26 Jahre jünger als er…

Aber Peter Stone, der Drehbuchautor, fand eine pragmatische Lösung: er strich einfach alle Dialogzeilen aus Grants Rolle, in denen dieser sein Interesse an Hepburns Charakter allzu eindeutig erkennen lässt und schrieb sie Audrey Hepburns Rolle zu. Somit war es nicht mehr der ältere Herr, der sich an die deutlich jüngere Frau heranmacht, sondern umgekehrt, wobei Cary Grant in der Duschszene auch noch den Anzug anlassen durfte und der Rolle von Audrey Hepburn unter anderem durch das Alter ihres verstorbenen Ehemannes, eine generelle Vorliebe für ältere Männer ins Drehbuch geschrieben wurde. – Immerhin ein Fortschritt, denn als für Audrey Hepburn neun Jahre vorher mit dem Film Sabrina und dem dreißig Jahre älteren Humphrey Bogart eine ganze Serie von Filmen begann, in denen sie – selbst erst Anfang zwanzig – jeweils die eine Hälfte von Liebespaaren spielte, deren männliche Partner locker ihre Väter hätten sein können, schien man das in Hollywood noch völlig in Ordnung zu finden und niemand machte sich die Mühe, die Drehbücher hin zu mehr weiblicher Selbstbestimmung umzuschreiben.

Es waren wohl auch nicht zuletzt die selbstbewusst angelegte Rolle Hepburns und die eher zurückhaltende Cary Grants, die Charade zu einem Erfolg machten – wobei in der Freude darüber anscheinend vergessen wurde, das Copyright korrekt zu beantragen, weshalb der Film, nicht aber die Musik von Henry Mancini und das Originalmanuskript von Peter Stone, schon kurz nach seiner Premiere in die Public Domain übergingen (mehr dazu hier) und heute bei Archive.org zum Download zur Verfügung steht.

(Charade, USA 1963; Regie: Stanley Donen.)

The Ice Harvest

Weihnachten: „what a wonderful season – so full of mutual understanding!“ Und welche Zeit könnte auch besser geeignet sein für das perfekte Verbrechen, als diese? Während die Einen das Fest der Liebe im trauten Kreise der Familie begehen, und die Anderen zu diesem Zweck Strip-Bars oder Bordelle aufsuchen, haben die Dritten freie Bahn um große Mengen Geldes an sich zu bringen.

Als „The Ice Harvest“ im November 2005 in die amerikanischen Kinos kam, war sein Einspiel-Ergebnis schon am ersten Wochenende dermaßen miserabel, dass er nach nur drei Wochen wieder aus selbigen verschwand; außerhalb der USA war er überhaupt fast nur im Rahmen von Film Festivals im Kino zu sehen und selbst die DVD findet sich – wenn überhaupt – dann oft nur sehr weit hinten und tief unten im Regal der Videotheken. Die bei weitem meisten Kritiker mochten den Film nicht, in der IMDB kommt er aktuell auf gerade einmal 6.2 Punkte und bei Rotten Tomatoes nur auf vernichtende 46%. Und das bei einem Film, der nicht nur mit John Cusack, Billy Bob Thornton und Oliver Platt in den Hauptrollen, sondern auch in nahezu jeder noch so kleinen Nebenrolle mehr als überzeugend besetzt ist, bei dem Harold Ramis Regie geführt hat (Ghostbusters: Schauspieler und Drehbuch; Groundhog Day: Regie und Drehbuch), und in dem man nebenbei auch noch allerlei Wissenswertes über die Vorzüge deutscher Autos gegenüber jenen amerikanischer Bauweise erfahren kann.

Vielleicht weckte die Vorweihnachtszeit als Starttermin aber auch die falschen Erwartungen, denn ein Weihnachtsfilm für die ganze Familie ist The Iceharvest wohl eher nicht. Oder, um es ausführlicher zu sagen, nämlich mit der amerikanischen Website, deren vielsagender Titel „commonsensemedia“ lautet und die Eltern Empfehlungen für kindgerechten Medienkonsum gibt („We are the nation’s leading independent non-profit advocating for kids“):

„Parents need to know that this movie isn’t for kids. (…) it shows repeated arguments among friends and family members: one man argues with his wife; a young boy yells at his father; another man shoots his wife (off screen); two best friends eventually bond over their mutual hatred of the woman they have both married, one after the other. Characters lie, cheat, fight, and vomit. They drink to drunkenness (one from a flask while driving), smoke cigarettes, and hang out in strip clubs. Acts of violence involve handguns, shotguns, knives, and cars.

Eben. Nicht geeignet also, um Besinnlichkeit an den Festtagen herbeizuführen, aber pure Therapie für alle, die genau das vermeiden möchten. Ho, ho, fucking ho!

(The Ice Harvest, USA 2005; Regie: Harold Ramis.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)

Night of the Living Dead

„..the unburied dead rise to find human victims, eating their flesh..“

Das Genre der klassischen Zombiefilme beginnt stilecht auf einem Friedhof. Zwar gab es schon früher Filme mit dem Wort „Zombie“ im Titel, während in diesem hier das Wort nicht nur im Titel fehlt, sondern im ganzen Film kein einziges Mal fällt, aber vor Night of the Living Dead hatte man unter einem Zombie das willenlose Opfer eines Vodoo-Priesters zu verstehen, während magische Praktiken, egal welcher Art, hier keinerlei Rolle spielen. Vielmehr handelt es sich nun um Widergänger, Tote, die zurückkommen um die Lebenden zu meucheln, und erst hier werden die wesentlichen Merkmale des Zombie-Genres etabliert: von nun an werden wir sie am – teilweise erheblich fortgeschrittenen – Verwesungszustand ihres Äußeren erkennen, wir werden wissen, dass sie auch dann wiederkommen, wenn wir meinen, sie nun wirklich getötet zu haben, dass sie ansteckend sind, dass sie das Fleisch der Lebenden essen und dass man ihr Gehirn zerstören muss, um sie endgültig außer Gefecht zu setzen. Und wir werden uns fragen, sind wir drinnen und sie draußen, oder umgekehrt?

Unklar hingegen bleibt hier, wie in den meisten folgenden Zombiefilmen auch, woran sie ihre Artgenossen erkennen, denn gegenseitig greifen sie sich nicht an, was die Frage aufwirft, ob es wohl reichen würde, einen schleppenden Gang zum hängendem Kopf zu simulieren und man käme davon?

Warum man, einmal angegriffen und überwältigt, zu Ihresgleichen wird, bleibt hier ebenfalls offen, in späteren Zombie-Filmen wird der Auslöser vorzugsweise ein Virus sein, in diesem Film kommen Radio und Fernsehen offiziell mit einer anderen Erklärung daher, aber die Medien präsentieren uns ja bekanntermaßen ständig irgendwelche obskuren Erklärungen für Dinge, die ihre Journalisten selbst nicht verstanden haben und so vertrauen wir lieber auf die Aussage von Regisseur und Drehbuchautor Romero, dass die tatsächliche Ursache hier nicht enthüllt wird.

Während jedenfalls die wiederauferstandenen Toten auf Menschenjagd gehen, gehen diese wiederum auf Zombiejagd: Bürgerwehren werden organisiert, die sich mit unverhohlener Begeisterung daran machen, dem dysfunktionalen Teil der Bevölkerung zu zeigen, wo sein Platz ist: nämlich tot, verbrannt und begraben unter der Erde. Wozu allerdings auch nicht allzuviel Mut nötig ist, da sich die reichlich derangierten und entsprechend langsamen Gestalten nicht unbedingt als gefährliche Gegner erweisen (Field Reporter: Are they slow-moving, chief? – Sheriff McClelland: Yeah, they’re dead. They’re all messed up.)

Es sei denn natürlich, sie sind in der Überzahl.

(Night of the Living Dead, USA 1968; Regie: George A. Romero.)

Eins, zwei, drei

„Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondenschein: er glänzt, aber er stinkt!“

Billy Wilder hatte ein denkbar schlechtes Timing mit einem Film, in dem das Brandenburger Tor eine der Hauptrollen spielen sollte: eines Morgens, es war der 13. August 1961, stand das Filmteam buchstäblich vor verschlossener Türe – die Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin und damit auch das Brandenburger Tor waren im Auftrag der Regierung der DDR über Nacht abgeriegelt worden und nun für die Crew nicht mehr passierbar. Plötzlich konnte einem, wie es der Erzähler am Anfang von Eins, Zwei, Drei ausdrückt, „..der vergangene Juli schon wie die gute alte Zeit vorkommen, gewiss, Berlin war auch damals schon eine geteilte Stadt, aber für diesen Zustand verlief das Leben verhältnismäßig normal – man konnte durchs Brandenburger Tor fahren, ja, man konnte sogar wieder zurück. Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig, dafür waren andere unartig und böswillig.“

Für das Filmteam bedeutete dies die Abreise aus Berlin nach München, wo auf dem Gelände der Bavaria Film Studios eine Attrappe des unteren Teils des Brandenburger Tores errichtet wurde, um die noch fehlenden Szenen drehen zu können.

Für die Premiere des Film bedeutete es aber auch, dass die Menschen nicht nur in Berlin, nur wenige Monate nach dem Mauerbau nicht wirklich empfänglich für den teilweise schmerzhaft treffenden Witz des Films waren, zudem eben ein Großteil der Geschichte auf dem schnellen Hin und Her zwischen West- und Ost-Berlin, immer mitten durch das Brandenburger Tor, beruhte, das zu dem Zeitpunkt, als der Film in den Kinos lief schon nicht mehr möglich war. Zwar wurde Eins, Zwei, Drei 1962 in den USA für einen Oscar und zwei Golden Globes nominiert, aber beim Publikum, in Deutschland, wie in den USA, fiel er weitgehend durch, woran auch Liselotte Pulvers Einsatz als personifiziertes ‚Fräuleinwunder‘ nichts ändern konnte.

Erst nach über 20 Jahren, als Eins, Zwei, Drei im Jahr 1985 erneut in die deutschen Kinos kam, fand er ein begeistertes Publikum, ganz besonders in West-Berlin, wo er sich in manchen Filmtheatern zum Dauerbrenner entwickelte. – Die Zeiten hatten sich geändert und schon wenige Jahre später sollten ja auch die Berliner Mauer Geschichte und das Brandenburger Tor wieder ungehindert passierbar sein.

(One, Two, Three, USA 1961; Regie: Billy Wilder.)

Arachnophobia

Die moderne Naturwissenschaft und ihre Wunder: Unerschrockene Menschen ziehen hinaus in entlegene Teile der Welt, um alles zu erforschen, das ihren Weg kreuzt. Verbreitungs-Karten werden angelegt, vertikale und räumliche Populationsdichten ermittelt, Statistiken erhoben, Proben entnommen – es wird seziert, gezeichnet und katalogisiert. Und an Bäumen geschüttelt… klik, klak, klik-klik-klik, klak, klak, KLONK.

Der Titel dieses Films umschreibt seinen Inhalt tatsächlich ganz zutreffend, falls man also selbst an einer ausgeprägten solchen leidet, ist es vielleicht ganz hilfreich, gelegentlich das Teppichmuster oder die Tapete zu studieren, obwohl es sich eigentlich um eine Art heiteren Familienfilm handelt.

Ob sich hier im günstigsten Falle vielleicht sogar eine heilende Wirkung infolge von Reizüberflutung erzielen lässt, ist zwar nicht mit Sicherheit zu sagen, möglicherweise aber betrachtet man die eigene, harmlos in der Zimmerecke sitzende Hausspinne anschließend mit anderen Augen, ja, man könnte sogar Freundschaft mit ihr schließen, denn es hätte entschieden schlimmer kommen können. Auf alle Fälle aber sollte man wohl jede Chance nutzen, zur… Therapie.

(Arachnophobia, USA 1990; Regie: Frank Marshall.)

The Mummy

How could you do that?“ – „Had to! Science, you know!“

Wenn man im Lexikon des Internationalen Films das Zitat „Vom deutschen Expressionismus beeinflusster Horrorfilm mit einer schauspielerischen Glanzleistung von Boris Karloff“ in Zusammenhang mit einem Mumienfilm liest, kann man sich schon fragen, wie bitteschön denn eine „schauspielerische Glanzleistung“ darin liegen kann, wenn ein bis zur völligen Unkenntlichkeit komplett in Binden eingewickelter Darsteller mit ausgestreckten Armen langsam hinter seinen Opfern her schlürft und vielleicht hin und wieder ein Grunzen von sich gibt. Mimik? Gestik? Überzeugende Dialoge???

Aber anders als in vielen späteren Mumienfilmen, wo Mumien sich tatsächlich überwiegend durch die Szenen schleppen, um sich im Auftrag altägyptischer Götter, Priester oder Flüche an Jenen zu rächen, die ihre Gräber plündern, ist im Film The Mummy von 1932 die Mumie nur einmal, und zwar ganz am Anfang, in der klassischen Bandagenoptik zu sehen. Danach wird sie stets als Ardath Bey in menschlicher, wenn auch mit viel Aufwand und stundenlanger Maske auf sehr, sehr alt getrimmter, Gestalt erscheinen.

Und Boris Karloff ist tatsächlich großartig. Ebenso wie die expressionistischen Aufnahmen von Karl Freund, der, bevor er als Regisseur zu arbeiten begann, als einer der besten Kameramänner der Stummfilmzeit galt. Vor seinem Weggang nach Amerika hatte er in Deutschland für Friedrich Wilhelm Murnau 1924 Der letzte Mann gedreht und zwei Jahre später Metropolis für Fritz Lang. Und wenn man sich dann von der gruseligen aber ohne große Schock-Effekte souverän erzählten Geschichte nicht allzu sehr ablenken lässt, kann man zudem auch noch einiges über Archäologie lernen:

Method is everything in archeology, my boy. We always deal with our finds of the day in order. We didn‘t come to dig in Egypt for medals. Much more is to learn from studying bits of broken pottery, than from all the sensational finds. Our job is to increase the human knowledge of the past, not to satisfy our own curiosity!“

Der komplette Film kann bei Archive.org kostenlos angeschaut und heruntergeladen werden.

(The Mummy, USA 1932; Regie: Karl Freund.)

To be or not to be

„What would Lubitsch have done?“ soll auf einem Schild im Büro von Billy Wilder gestanden haben. Wilder, der selbst für einige der besten Komödien der Geschichte Hollywoods verantwortlich war, war nicht nur ein Freund und Bewunderer von Ernst Lubitsch, sondern hatte auch verschiedene Drehbücher für ihn verfasst. Beide waren in Berlin geboren, lernten sich aber erst nach ihrer Emigration in die USA kennen. Lubitsch hatte seine Karriere als Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin begonnen, wo er ab 1911 unter dem damaligen Intendanten Max Reinhardt engagiert war, ging aber nach ein paar Jahren dazu über, eigene Drehbücher zu verfassen und hauptsächlich als Regisseur zu arbeiten. 1922 siedelte er nach Hollywood über, das er auf einer früheren Reise kennengelernt hatte und dessen finanzielle wie technische Möglichkeiten er deutlich höher einschätzte, als jene, die ihm bisher zur Verfügung gestanden hatten.

Dort spezialisierte er sich bald auf Komödien, und entwickelte den damals schon viel gerühmten, sprichwörtlichen „Lubitsch-Touch“: einen speziellen Witz, der auf Timing und schlagfertigen, raschen Dialogen beruhte, angereichert mit Anzüglichkeiten, die gerne auch ein wenig deutlicher sein durften, aber nie vulgär.

To be or not to be war einer der letzten Filme von Ernst Lubitsch und ist bis heute einer seiner bekanntesten. Er war ebenfalls der größte Film-Erfolg in der Karriere von Hauptdarsteller Jack Benny, der später zu einem der beliebtesten amerikanischen Komiker des 20. Jahrhunderts werden sollte, und der letzte Film von Hauptdarstellerin Carol Lombard, die noch vor der Premiere bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Das Drehbuch wurde von Edwin Justus Mayer nach einer Geschichte von Lubitschs ungarischem Freund Menyhért Lengyel geschrieben und erzählt davon, wie eine Gruppe Theater-Schauspieler sich in Polen zu Beginn des zweiten Weltkrieges recht erfolgreich gegen die Nazi-Besatzer zur Wehr setzt. Als der Film 1942 und damit mitten im Krieg in die Kinos kam, waren einige Kritiker der Ansicht, dies sei keineswegs der richtige Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus, aber auch schon damals gab es viele andere, die meinten, Lubitsch habe mit seiner ganz speziellen Art und Weise durchaus den richtigen Ton getroffen. Ähnlich sah dies wohl nicht nur Mel Brooks, der 1983 seine Neuverfilmung in die Kinos brachte, sondern ganz offensichtlich auch die us-amerikanische Nationalbibliothek, die „Libary of Congress“, die ihn 1996 in das Verzeichnis besonders erhaltenswerter amerikanischer Filme, die „National Film Registry“ aufnahm.

(To be or not to be, USA 1942; Regie: Ernst Lubitsch.)