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Seong Chun-hyang

Auf das insgesamt umfangreiche Schaffen von Shin Sang-ok wurde hier bereits an anderer Stelle eingegangen, aber einer seiner Filme soll noch zusätzlich gewürdigt werden.

Es handelt sich um eine in Korea mehrfach verfilmte klassische Sage, und im Jahr 1961 waren gleich zwei Regisseure angetreten, um jeweils ihre Version davon in die koreanischen Kinos zu bringen. Der eine war Hong Seong-ki, damals bereits ein etablierter Filmemacher, dessen Werke zuverlässig die Kinos füllten und der andere war Shin Sang-ok, der zwar auch schon eine ganze Reihen von Filmen gedreht hatte, aber an Hong Seong-ki reichte er damit nicht heran und konnte nach allgemeiner Ansicht bei diesem Wettstreit nur verlieren.

Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte, denn zum einen hatte Shin Sang-ok mit Choi Eun-hee als Hauptdarstellerin einen bereits bewährten Publikumsliebling, während die wesentlich jüngere Kim Jee-mi in der konkurrierenden Fassung noch am Anfang ihrer Karriere stand, zum anderen waren es die ersten koreanischen Filme in Cinemascope und Farbe und wenn schon die Geschichte eigentlich jedem Kind in Korea bekannt war und von daher nicht viel Spannung bieten konnte, so sollte es doch wenigstens schön bunt auf der Leinwand werden.

Und hier trug Shin Sang-ok in jeder Hinsicht möglichst dick auf. Schon die eigentlich tragische Geschichte wurde derart übertrieben, und zusätzlich mit komödiantischen Elementen angereichert, dass sie über weite Teile eher fröhlich wirkt, aber vor allem bei Cinemascope und Farbe legte er sich richtig ins Zeug: knallbunte Kleidung bei Damen wie Herren, kaum weniger farbenfrohe Architektur und Requisiten, ergänzt um kleine Theater- und Schwertkampf-Einlagen und selbst tragische Szenen in Gefängnissen wurden durch den Einsatz farbiger Scheinwerfer bunt ausgeleuchtet. Gedreht auf Kodak Film und weiterverarbeitet in Tokyo, bei der darauf spezialisierten japanischen Post-Production Firma Imagica.

Dagegen sah die Version von Hong Seong-ki pastellfarben und blass aus.

Somit hatte Korea seinen ersten offiziellen und dokumentierten box office hit, dessen Zuschauerrekord erst sieben Jahre später von diesem Film geschlagen werden sollte (und aktuell seit vielen Jahren völlig zurecht von diesem Film gehalten wird), Shin-Song-ok hatte seinen endgültigen Durchbruch und wir haben mit der vom Koreanischen Filmarchiv auf youtube zur Verfügung gestellten Fassung, für deren Restaurierung offenbar mehrere unterschiedlich gut erhaltene Kopien zusammengefügt wurden, die Möglichkeit uns einen abwechslungsreich bunten koreanischen Abend zu machen.

(Seong Chun-hyang, Südkorea 1961; Regie: Shin Sang-ok.)

The Flower in Hell

Unter den drei Regisseuren, die auf dem vom Korean Film Archive eingerichteten youtube channel eine eigene Playlist erhalten haben, musste Shin Sang-ok schon deshalb vertreten sein, weil man an der schieren Menge an Filmen, die er als Regisseur und Produzent hinterlassen hat, einfach nicht vorbeikommt. Wobei der bei weitem größte Teil seiner Filme in Südkorea entstand, ein paar wenige allerdings auch in Nordkorea – wenn auch nicht ganz freiwillig.

Geboren wurde er 1926 in Chongjin, das heute zu Nordkorea gehört und sich damals, wie ganz Korea, unter japanischer Herrschaft befand. Sein Studium absolvierte er an der Hochschule der Künste in Tokyo und kehrte anschließend nach Korea zurück, diesmal in den südlichen Teil des Landes, wo er bei der Produktion von Viva Freedom! (1946) mitwirkte, dem ersten Film, der nach Abzug der Japaner in Korea gedreht wurde.

Bald danach eröffnete er ein eigenes Filmstudio und wurde für die nächsten 20 Jahre der fleißigste Filmemacher (Süd-)Koreas. Dabei bediente er nahezu alle Genres, von Historienfilmen, über Familienkomödien und Liebesdramen, bis zu Fantasy-Horror-Filmen, wobei Letztere zwar gerne vorführten, was an Tricktechnik damals in Südkorea möglich war, inhaltlich aber mitunter etwas wirr ausfielen. Überhaupt litt die Qualität der einzelnen Filme bisweilen unter der Menge an Produktionen, dennoch blieben Preise und Ehrungen nicht aus, denn als 1962 zum ersten Mal der koreanische Filmpreis Grand Bell Award verliehen wurde, erhielt Shin Sang-ok nicht nur als erster die Auszeichnung Bester Film für Prince Yeonsan (1961), sondern auch als Bester Regisseur für Mother and a Guest (1961).

Stets mit von der Partie war dabei Choi Eun-hee, eine in Südkorea gefeierte Filmschauspielerin, die bereits in diesem frühen koreanischen Film eine Hauptrolle hatte. Im Privatleben war sie mit Shin Sang-ok verheiratet, leitete gemeinsam mit ihm das Studio und spielte in den meisten seiner Filme eine führende Rolle, wobei sie meist sittsame, leidensfähige und durch und durch gute Frauen gab, ein Stereotyp, aus dem sie nur gelegentlich ausbrach.

Erst in den 1970er Jahren ließ der Erfolg des Studios nach, das Paar trennte sich und Shin Sang-ok bekam zunehmend Probleme mit der Zensurpolitik seines Landes, bis er sich schließlich 1978 mit dem damaligen Militärdiktator Südkoreas, Park Chung-hee, überwarf, was die Schließung seines Studios zur Folge hatte.

Im selben Jahr wurde Choi Eun-hee unter dem Vorwand eines Filmangebotes nach Hong Kong gelockt, wo sie im Auftrag von Kim Jong Il entführt wurde, der mit ihrer Hilfe und der ihres Ex-Gatten, den er wenige Monate später ebenfalls entführen ließ, eine ebenso prosperierende Filmindustrie in Nordkorea aufbauen wollte, wie die beiden sie viele Jahre in Südkorea betrieben hatten.

Ein Plan, der vermutlich besser aufgegangen wäre, hätte man Shin Sang-ok nicht nach einem gescheiterten Fluchtversuch für vier Jahre in ein nordkoreanisches Gefängnislager gesteckt. Nach seiner Freilassung drehte er zwar noch sechs Filme in Nordkorea, wieder mit Choi Eun-hee in den Hauptrollen, aber an der Premiere des letzten – Pulgasari (1985) , einer nordkoreanischen Variante dieses japanischen Films – nahmen sie schon nicht mehr teil, da ihnen vorher in Wien die Flucht gelungen war.

Auch Pulgasari findet sich auf youtube, wenn auch nicht beim Korean Film Archive, wo aber acht andere Filme von Shin Sang-ok zu sehen sind, unter ihnen The Flower in Hell (1958) und Mother and a Guest (1961), beide mit Choi Eun-hee in der Hauptrolle, die hier zwei sehr unterschiedliche Frauenbilder verkörpert.

(The Flower in Hell, Südkorea 1958; Regie: Shin Sang-ok.)

 

A Hometown in Heart

Von Filmen aus Korea war hier an der einen oder anderen Stelle bereits die Rede, wobei es sich bislang stets um Produktionen der Republik Korea, also Südkorea handelte, schon weil diese sich in Europa, nachdem sie einige Jahre als Geheimtipps auf Festivals gehandelt wurden, mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen und sowohl in Videotheken als auch im Kino keine Seltenheit mehr darstellen. Die Filme der Demokratischen Volksrepublik Korea, aka Nordkorea, sind hingegen sowohl hierzulande, als auch im Internet generell eher schwer zu finden, vor allem, wenn man auf Fassungen mit englischen Untertiteln angewiesen ist.

Entsprechend wird sich die Zahl der hier aufgeführten südkoreanischen Filme sicher noch um einiges erhöhen, zudem vor einigen Monaten das in der Hauptstadt von Südkorea, Seoul, ansässige Korean Film Archive so freundlich war, bei youtube einen eigenen Kanal einzurichten, auf dem man zur Zeit über 70 koreanische Filme, sieben davon in HD Qualität, legal, kostenlos und bei Bedarf auch mit englischen Untertiteln anschauen kann, was zumindest im Augenblick für nordkoreanische Produktionen so wohl eher nicht abzusehen ist.

Wenn wir aber der Einfachheit halber beim chronologisch ältesten der dort zur Verfügung stehenden Filme beginnen, dann ist dies mit A Hometown in Heart ein Film aus dem Jahr 1949, also aus der Zeit vor dem Koreakrieg und damit der Teilung in eine Republik und eine Demokratische Volksrepublik Korea.

Wobei der Regisseur selbst in beiden Koreas tätig war, denn nicht allzu lange nach der Premiere von A Hometown in Heart, verließ Yoon Yong-Kyu, so steht es auf der diesem Film gewidmeten website des Korean Film Archive, den südlichen Teil des Landes, um nach Nordkorea zu gehen, wo er nach dem Krieg noch viele Jahre weiter Filme drehte, die allerdings, wie oben bereits angedeutet, nicht ganz so einfach zu erreichen sind, wie A Hometown in Heart.

(A Hometown in Heart, Korea 1949; Regie: Yoon Yong-Kyu.)

Three… (Nightmares & Extremes)

Vom südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook wissen wir ja schon, dass er nicht viel davon hält, Filme zur Entspannung zu drehen oder auch nur anzuschauen, aber ganz offensichtlich teilen eine ganze Reihe seiner asiatischen Kollegen diese Einstellung: Kim Jee-Woon zum Beispiel, ebenfalls aus Südkorea, Nonsi Nimibut aus Thailand sowie Peter Chan und Fruit Chan aus Hong Kong und, nicht zu vergessen, der beim Thema Horrorfilme nahezu unvermeidliche Japaner Miike Takashi. Jeder der sechs Regisseure hat jeweils einen Film von um die 40 Minuten Länge zum Thema beigetragen, die inhaltlich nicht zusammenhängen und die alle in technischer wie erzählerischer Hinsicht sehr verschieden geraten sind, aber für einen erholsamen, besinnlichen Abend ist keiner von ihnen wirklich geeignet.

Die beiden Episodenfilme Three… Extremes I und II bzw. Saam gang (2002) und Saam gang yi (2004)  sind vielmehr Horrorgeschichten für Erwachsene: weitgehend frei von Masken und Sägen, werden hier keine Teenager gemeuchelt, zumindest nicht reihenweise, überhaupt gibt es vergleichsweise wenig Geschrei und auch das Filmblut fließt nicht unbedingt literweise, aber das macht sie nicht unbedingt harmloser, sondern eher noch beunruhigender.

(Saam gang, Südkorea, Thailand, Hong Kong 2002; Regie: Kim Jee-Woon, Nonsi Nimibut und Peter Chan & Saam gang yi, Hong Kong, Südkorea, Japan 2004; Regie: Fruit Chan, Park Chan-wook und Miike Takashi.)

Oldboy

Selbst in Cannes dürfte es wohl nicht alle Tage vorkommen, dass ein Regisseur, nachdem er den Großen Preis der Jury entgegengenommen hat, neben Cast und Crew auch den vier Oktopoden dankt, die für seinen Film ihr Leben gelassen haben. Dass Park Chan-wook dies im Jahr 2004 tat, war allerdings durchaus angebracht, vor allem, wenn man die betreffende Szene kennt und weiß, dass Min-sik Choi, der Hauptdarsteller, bekennender Buddhist und Vegetarier ist – allerdings sollte man berücksichtigen, dass das Gericht, von dem hier die Rede ist, in Korea als Delikatesse gilt und tatsächlich in spezialisierten Restaurants serviert wird – wenn auch, wie die Frage der Köchin es im Film andeutet, normalerweise in geschnittener Form.

Alle weiteren Szenen des Films, eingeschlossen jene mit expliziter Gewalt, dürften in Europa aber genauso wenig missverständlich sein, wie in allen anderen Teilen der Welt und man muss auch nicht unbedingt wissen, dass die Geschichte lose auf dem gleichnamigen japanischen Manga von Tsuchiya Garon und Minegishi Nobuaki beruht, auch wenn dieser ebenfalls ausgezeichnet wurde. Ebenso wenig muss man wissen, dass es sich hier um den mittleren Teil der sogenannten „Rache-Trilogie“ von Chan-wook Park handelt, denn diese drei Filme haben nur das Thema gemeinsam, beziehen sich inhaltlich aber nicht weiter aufeinander.

Wesentlich aufschlussreicher ist es da schon, wenn man weiß, dass Park Chan-wook  von sich sagt, er habe kein Vergnügen an Filmen, die den Zuschauer zur Entspannung einladen, wenn man diese nötig habe, solle man doch besser einen Wellness-Tag einlegen. Auch, dass er von sich behauptet, regelmäßig nachts im Bett zu liegen und sich in übelsten Peinigungsszenen auszumalen, wie man das Leben eines Menschen aufs Gründlichste ruinieren kann, um danach mit einem Lächeln auf den Lippen einzuschlafen und dies – solange es im Bereich der Fantasie bleibt! – sogar als heilsam empfiehlt, könnte ebenfalls ein Schlüssel zum Verständnis seiner Filme sein. Andererseits muss man wohl nicht unbedingt alles glauben, was Chan-wook Park auf Pressekonferenzen erzählt, so sagte er z. B. auch, zur Rache-Trilogie sei es nur gekommen, weil ihn nach der Premiere von Oldboy die wiederholten Fragen der koreanischen Journalisten, warum er sich einem solch hässlichen Thema gleich zweimal hintereinander gewidmet habe, so provozierten, dass er spontan verkündete, er werde noch einen dritten Teil zum Thema Rache drehen, was eigentlich ganz und gar nicht seine Absicht gewesen sei, vielmehr habe er seine Ankündigung anschließend bereut, es aber dennoch umgesetzt, weil er es nicht mehr zurücknehmen konnte.

Absolut glaubwürdig ist Park Chan-wook hingegen, wenn er sagt: „I have principles and rules. I deal very carefully with acts of violence and make sure that audiences understand how much suffering these acts cause.“

Und wenn man Oldboy gesehen hat, glaubt man ihm auch dies aufs Wort: „Basically, I’m throwing out the question ‘When is such violence justified?’ To get that question to touch the audience physically and directly – that’s what my goal is. In the experience of watching my film, I don’t want the viewer to stop at the mental or the intellectual. I want them to feel my work physically. And because that is one of my goals, the title ‘exploitative’ will probably follow me around for a while.“

(Oldeuboi, Südkorea 2003; Regie: Park Chan-wook.)

The Host (Gwoemul)

Seit vielen Jahren schon sind Regisseure aus Südkorea regelmäßig mit ihren Filmen zu Gast auf europäischen und internationalen Filmfestivals, wo sie ebenso regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet werden, so zum Beispiel Lee Chang-dong, Park Chan-wook, Kim Ki-duk, und Hong Sang-soo.

Einer der vergleichsweise jüngeren von ihnen ist Bong Joon-ho. Angefangen hat er mit Kurzfilmen, sein erster längerer Spielfilm, Barking dogs never bite (Flandersui gae) feierte seine Premiere im Jahr 2000 und schon sein zweiter, Memories of Murder (Salinui chueok) von 2003, für den er auch das Drehbuch schrieb, war nicht nur in Südkorea, sondern auch international einer der erfolgreichsten koreanischen Filme überhaupt. 2006 übertraf er dies noch mit The Host: ausgezeichnet mit 18 Preisen und weiteren 10 Nominierungen ist er in Südkorea noch immer der Besucher stärkste Film aller Zeiten, mit immerhin über 13 Millionen verkauften Tickets bei 48 Millionen Einwohnern.

Zumindest die Eingangsszene basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit, was wir vom Rest des Films allerdings lieber nicht hoffen wollen. Der englische Titel The Host bedeutet sowohl Gastgeber, als auch Wirt und zwar durchaus auch im Sinne von Parasiten oder Viren, während der koreanische Originaltitel Gwoemul lautet, was ganz einfach Monster heißt, und ebenfalls ganz passend ist, denn es handelt sich hier zweifellos um einen Monsterfilm. Darüber hinaus aber auch um eine Familiengeschichte und ein verdrehtes Heldenepos, wobei hier jeder der Helden und Heldinnen spezielle Fähigkeiten mitbringt oder entwickelt, ganz besonders aber auch der Titelheld, denn was Laufen, Springen, Schwimmen und seinen anderen artistischen Fähigkeiten angeht, ist er in der Kategorie „Monster und fiese Kreaturen“ eigentlich kaum noch zu übertreffen.

(The Host, Südkorea 2006, Regie: Bong Joon-ho.)