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Lawrence of Arabia

„…denn ich möchte mal wissen, welcher Film auf dieser Welt, einen Oscar erhält, in dem die weibliche Hauptrolle fehlt.“

Marlon Brando hatte ihn spielen sollen, Anthony Perkins oder Montgomery Clift, auch Alec Guiness war im Gespräch für die Hauptrolle, ebenso wie Horst Buchholz und Alain Delon für die wichtigste Nebenrolle – am Ende wurden es aber die damals noch unbekannten Peter O‘Toole und Omar Sharif.

Die Geschichte um die Rolle des Briten beim Aufstand der arabischen Stämme gegen das Osmanische Reich darf man, spätestens nach zahlreichen Wiederholungen im Fernsehen, wohl als bekannt voraussetzen, weniger bekannt ist vielleicht, dass der historische Thomas E. Lawrence als Archäologe in Syrien und Palästina unterwegs war, bevor er zum britischen Geheimdienst ging, wobei sich beide Tätigkeiten schon früh gegenseitig ergänzten.

Berühmt und zum „Lawrence of Arabia“ wurde er aber erst durch den amerikanischen Kriegsberichterstatter, Lowell Thomas der zahlreiche Berichte über ihn in die amerikanischen Zeitungen brachte und nach dem Krieg mit seinen Fotos und Filmmaterial, ergänzt um tanzende Frauen in bunten Kostümen, Räucherwerk und was eben sonst gerade an Exotismen en vogue war, in einer großen Show durch die englischsprachige Welt tourte. Mit spektakulären Reiseberichten ließ sich damals viel Geld verdienen.

Noch mehr Geld ließ sich ca. 40 Jahre später mit Kinofilmen verdienen, vor allem, wenn sich Männer wie der Produzent Sam Spiegel und der Regisseur David Lean des Themas annahmen: Der Film Lawrence of Arabia wurde ein Welterfolg und ist es bis heute, auch wenn der echte Thomas E. Lawrence durch die Darstellung von Peter O‘Toole dermaßen gut weg kam, dass selbst sein eigener Bruder ihn im Film nirgendwo wieder erkennen konnte. Überhaupt war Arnold W. Lawrence, der selbst Klassische Archäologie in Cambridge lehrte, der Ansicht, der ganze Film, der immerhin auf der Autobiographie seines Bruders beruhte, sei von vorne bis hinten reine Fiktion.

Dass es Regisseur David Lean tatsächlich mehr um die Darstellung großer Gefühle, am liebsten vor eindrucksvoller Landschaft, als um wissenschaftliche oder politische Korrektheit bei der Darstellung von historischem Geschehen ging, zeigte sich auch drei Jahre später wieder, als 1965 sein nächstes Großprojekt in die Kinos kam: aber Dr. Schiwago stand immerhin eine weibliche Hauptrolle zur Seite. Genau genommen sogar zwei, von diversen weiblichen Nebenrollen einmal abgesehen, während in Lawrence of Arabia, auf über 3 ½ Stunden Filmlänge Frauen in so gut wie keiner Szene auch nur zu sehen sind und schon gar nicht zu Wort kommen, was ihn bis heute zum vermutlich längsten und erfolgreichsten Kinofilm aller Zeiten macht, in dem Frauen nichts zu sagen haben und die eingangs zitierte Frage der Fantastischen Vier mit ‚nicht nur einen, sondern sieben‘ beantwortet.

(Lawrence of Arabia, Großbritannien 1962; Regie: David Lean.)

Fahrenheit 451

Well, it’s a job just like any other. Good work with lots of variety. Monday, we burn Miller; Tuesday, Tolstoy; Wednesday, Walt Whitman; Friday, Faulkner; and Saturday and Sunday, Schopenhauer and Sartre. We burn them to ashes and then burn the ashes. That’s our official motto.“

Die Kritiker mochten ihn nicht, das Publikum wollte ihn nicht sehen und der Regisseur hätte ihn später auch lieber nicht gedreht haben wollen. Tatsächlich ist es nicht der beste Film von Francois Truffaut und dass, obwohl es sein erster Farbfilm war und Farben hier sehr bewusst eingesetzt werden, und ihn die Geschichte von Ray Bradbury immerhin so fasziniert hatte, dass er entgegen seiner früheren Aussagen, er werde niemals einen Science Fiction Film drehen, es hiermit eben doch tat und zudem noch sechs Jahre lang Zeit und Nerven investierte, um die dazu nötigen Finanzen aufzutreiben.

Das Ensemble war zumindest vielversprechend: Mit Oskar Werner hatte Truffaut wenige Jahre zuvor bei seinem Film Jules und Jim erfolgreich zusammen gearbeitet, Julie Christie hatte gerade erst einen Oscar erhalten (nein, nicht für Doktor Schiwago), die Kamera führte Nicolas Roeg, der wenig später auch als Regisseur erfolgreich werden sollte (Wenn die Gondeln Trauer tragen, ebenfalls mit Julie Christie) und die Musik schrieb Bernard Herrmann, der Komponist zahlreicher Filme (u.a. Vertigo, Psycho) des von Truffaut so überaus verehrten Meisters Alfred Hitchcock.

Allein, es haperte schon an der Sprache. Um das Projekt finanzieren zu können, ließ Truffaut sich mit Hollywood ein – zum ersten und letzten Mal. Gedreht wurde in England, in den Pinewood Studios, von denen er nicht viel hielt, mit englischen Schauspielern, für die eigentlich dasselbe galt. Des Englischen selbst nicht mächtig, wollte Truffaut aber doch Drehbuch und Dialoge weitgehend selbst schreiben und dass, obwohl er schon für die tägliche Zusammenarbeit mit einem Großteil seiner Crew auf eine Dolmetscherin zurückgreifen musste. Außerhalb der Dreharbeiten zog er sich soweit wie möglich zurück, ja, er soll nach seiner Rückkehr Freunden auf die Frage, wie London denn sei, geantwortet haben, dass wisse er nicht, er habe in seiner Freizeit das Hilton nicht verlassen und sich sogar seine Mahlzeiten auf das Zimmer bringen lassen.

Schlussendlich war es dann aber wohl Oskar Werner, mit dem Truffaut bis zu diesem Film befreundet gewesen war, der ihn nahezu zur Verzweiflung trieb. Truffaut, der eher dafür bekannt war, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen und sein Hauptdarsteller Werner waren völlig unterschiedlicher Auffassung wie die Rolle Werners zu interpretieren sei, Truffaut wollte einen devoten Anti-Helden, einen Mitläufer, Werner stellte sich das genaue Gegenteil vor. Das Ganze ging dann angeblich soweit, dass Werner Truffauts Anweisungen schlicht ignorierte und ganze Szenen sabotierte, inklusive der Tatsache, dass er absichtlich einen Continuity-Fehler herbei führte, in dem er sich die Haare schneiden ließ.

Und doch. Schon die gesprochenen Eingangstitel, zu denen Antennen auf Hausdächern gezeigt werden, geben uns einen Eindruck, womit wir es hier zu tun haben: die ganze Welt ist eine einzige Kleinstadt, und wer nicht arbeitet, hängt vor der Glotze. Bücher sind verboten, Zigaretten und alle Arten von Drogen, am liebsten in Form bunter Pillen dafür erlaubt. Narzissmus und Passivität sind gesellschaftlich erwünscht, Individualität und Zurückgezogenheit erwecken Argwohn. Dementsprechend schwierig gestaltet sich das Privatleben unseres Helden: mal kommt er nach Hause, um seine völlig apathische Frau vor dem riesigen Fernsehschirm im Wohnzimmer anzutreffen, die auf seine Nachricht, er werde wohl befördert nur den Wunsch nach einem weiteren wandgroßen Fernsehschirm, zärtlich „family wall“ genannt, äußert, während sie sich beim nächsten Mal mit den Pillen, die ihr Entspannung und Gleichgültigkeit garantieren, vergiftet hat. – Kein Problem allerdings, in dieser Gesellschaft ist Abhilfe in solchen Fällen reine Routine und am nächsten Tag ist die Gattin wie neu.

Auch wie Truffaut sich über das Fernsehen lustig macht und nebenbei zeigt, wie man ganz einfach und bequem auch vom heimischen Wohnzimmer aus einen Auftritt in der eigenen Lieblingsserie bewerkstelligen kann, ist sehenswert.

Und immerhin einer war hochzufrieden mit Fahrenheit 451: Ray Bradbury, der Autor der zugrunde liegenden Science Fiction-Geschichte, dessen Werke oft verfilmt wurden, teilweise mit weit mehr Aufwand und Budget, war überdies der Ansicht, der Film werde von Jahr zu Jahr besser. Und er musste es ja eigentlich wissen.

(Fahrenheit 451, Großbritannien 1966; Regie: Francois Truffaut.)