Category Archives: Heimatfilm

Eins, zwei, drei

„Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondenschein: er glänzt, aber er stinkt!“

Billy Wilder hatte ein denkbar schlechtes Timing mit einem Film, in dem das Brandenburger Tor eine der Hauptrollen spielen sollte: eines Morgens, es war der 13. August 1961, stand das Filmteam buchstäblich vor verschlossener Türe – die Sektorengrenze zwischen Ost- und West-Berlin und damit auch das Brandenburger Tor waren im Auftrag der Regierung der DDR über Nacht abgeriegelt worden und nun für die Crew nicht mehr passierbar. Plötzlich konnte einem, wie es der Erzähler am Anfang von Eins, Zwei, Drei ausdrückt, „..der vergangene Juli schon wie die gute alte Zeit vorkommen, gewiss, Berlin war auch damals schon eine geteilte Stadt, aber für diesen Zustand verlief das Leben verhältnismäßig normal – man konnte durchs Brandenburger Tor fahren, ja, man konnte sogar wieder zurück. Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig, dafür waren andere unartig und böswillig.“

Für das Filmteam bedeutete dies die Abreise aus Berlin nach München, wo auf dem Gelände der Bavaria Film Studios eine Attrappe des unteren Teils des Brandenburger Tores errichtet wurde, um die noch fehlenden Szenen drehen zu können.

Für die Premiere des Film bedeutete es aber auch, dass die Menschen nicht nur in Berlin, nur wenige Monate nach dem Mauerbau nicht wirklich empfänglich für den teilweise schmerzhaft treffenden Witz des Films waren, zudem eben ein Großteil der Geschichte auf dem schnellen Hin und Her zwischen West- und Ost-Berlin, immer mitten durch das Brandenburger Tor, beruhte, das zu dem Zeitpunkt, als der Film in den Kinos lief schon nicht mehr möglich war. Zwar wurde Eins, Zwei, Drei 1962 in den USA für einen Oscar und zwei Golden Globes nominiert, aber beim Publikum, in Deutschland, wie in den USA, fiel er weitgehend durch, woran auch Liselotte Pulvers Einsatz als personifiziertes ‚Fräuleinwunder‘ nichts ändern konnte.

Erst nach über 20 Jahren, als Eins, Zwei, Drei im Jahr 1985 erneut in die deutschen Kinos kam, fand er ein begeistertes Publikum, ganz besonders in West-Berlin, wo er sich in manchen Filmtheatern zum Dauerbrenner entwickelte. – Die Zeiten hatten sich geändert und schon wenige Jahre später sollten ja auch die Berliner Mauer Geschichte und das Brandenburger Tor wieder ungehindert passierbar sein.

(One, Two, Three, USA 1961; Regie: Billy Wilder.)

Monsoon Wedding

Tropisches Wetter in Neu-Delhi, Temperaturen um die 43°C im Schatten und nur 30 Drehtage sind nicht unbedingt die optimalen Bedingungen um einen Spielfilm von knapp 2 Stunden Dauer zu drehen. Schon gar nicht, wenn es sich um einen Film mit zahlreichen Darstellern in Haupt- wie Nebenrollen, vielen verschiedenen Drehorten und noch dazu Gesang- und Tanzeinlagen handelt. Wenn dann auch noch wesentliche der frisch gedrehten Szenen den Röntgen-Strahlen der Flughafen-Kontrolle zum Opfer fallen, wird die Situation auch nicht gerade entspannter.

Dabei war die Idee einen Film zu drehen, der einerseits typische Bollywood-Elemente enthält, aber andererseits Hand-Kameras einzusetzen und ihn so in weiten Teilen eher wie eine Dokumentation wirken zu lassen, tatsächlich gut.

Also wird einer von sechs Handlungssträngen gestrichen, es muss wieder Geld aufgetrieben werden (was Monate dauert), um die verlorenen Szenen nachdrehen zu können (in zehn Drehtagen, für mehr reicht das Geld nicht), und… die gesamte Familie wird eingespannt. Gut, wenn diese dann auch zahlreich zur Verfügung steht und ebenso willig wie einsetzbar ist und so ist es dann in jeder Hinsicht ein Familienunternehmen geworden: inhaltlich, wie in der Umsetzung, und ein erfolgreiches zudem, denn 44 Jahre nach Aparajito von Satyajit Ray war Monsoon Wedding erst der zweite indische Film, der in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde und darüber hinaus war die Regisseurin Mira Nair im Jahr 2001 die erste Frau überhaupt, die den Goldenen Löwen erhielt.

(Monsoon Wedding, Indien 2001; Regie: Mira Nair.)

Silentium

Eine kleine, böse Würdigung der Salzburger Festspiele. Und die zweite von drei Verfilmungen der gleichnamigen Krimis von Wolf Haas. Der erste Teil aus dem Jahr 2000, Komm süßer Tod, und der bislang letzte Teil von 2009, Der Knochenmann, sind auch schön anzuschauen. Alle sind mit Josef Hader, aber nur dieser ist mit Christoph Schlingensief.

(Silentium, Österreich 2004; Regie: Wolfgang Murnberger.)

Schwarze Katze, Weißer Kater

Emir Kusturica ist ein eigenwilliger Mann. Der 1954 in Sarajevo geborene Filmregisseur hat die serbische und französische Staatsbürgerschaft, eine eigene Band (The No Smoking Orchestra), und gründete nebenher ein seltsames Dorf inklusive eigenem Filmfestival. Seine politische Haltung ist äußerst umstritten und auch sein Umgang mit Kritik ist in dieser Hinsicht nicht eben entspannt.

Dennoch wird er als Filmemacher in Europa viel geehrt: Schon sein erster Film Sjecaš li se Dolly Bell? (Erinnerst Du Dich an Dolly Bell?) erhielt 1981 in Venedig den Goldenen Löwen für das gelungenste Filmdebüt. Gleich sein nächster Film, Otac na službenom putu (Papa ist auf Dienstreise), wurde 1985 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, ebenso wie sein Film Podzemlje, Bila jednom jedna zemlja (Underground) im Jahr 1995. Wiederum 10 Jahre später, 2005, war er Präsident der Jury in Cannes und bei den gerade angelaufenen diesjährigen Filmfestspielen von Cannes leitet er die Sektion ‚Un Certain Regard‘.

Für Crna Macka Beli Makor (Schwarze Katze, Weißer Kater) erhielt Emir Kusturica 1998 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig den Silbernen Löwen als bester Regisseur und mindestens dieser ist auf alle Fälle verdient, schon weil es nur schwer vorstellbar ist, wie er bei diesem Spektakel den Überblick behalten konnte: die meisten Bilder sind bis zum Rand vollgestopft mit allem möglichen Plunder und Seltsamem, Buntem und Schrägem, ständig ist irgendetwas in Bewegung und fährt, schwimmt, stolpert, fällt oder fliegt durch die Szene.

Musikalisch unterlegt ist das Ganze zudem mit ausgelassenen Balkan Beats, und so lärmt es hier nur so vor Lebensfreude und Energie vor sich hin, was über weite Strecken den Eindruck einer einzigen wilden Party vermittelt: mit viel schräger Musik, ziemlich üblen Witzen, noch gruseligeren Geschenken und ebenso sehenswerten, wenn auch keineswegs ungefährlichen Gästen!

(Crna Macka Beli Makor, Deutschland, Frankreich, Jugoslawien 1998; Regie: Emir Kusturica.)

8 1/2

„Ich wollte einen ehrlichen Film machen. Ohne jede Lüge. Ich glaubte, ich hätte etwas so Einfaches zu sagen. Ein Film, der für alle irgendwie von Nutzen sein könnte, der helfen könnte, für immer alles zu begraben, was wir an Totem in uns tragen. Dabei bin vor allem ich es, dem der Mut fehlt, irgendetwas zu begraben. Und jetzt weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht und hab diesen Turm am Hals. Wer weiß, wieso das alles so gekommen ist. Wann genau habe ich den falschen Weg eingeschlagen? Ich hab halt einfach nichts zu sagen. Und trotzdem möchte ich etwas sagen.“

Ja, Guido Anselmi (Marcello Mastroianni), der bekannte und bislang erfolgreiche Regisseur, steckt in einer Krise. Sein aktueller Film ist eigentlich schon in der Produktion, die Finanzierung steht jedenfalls und auch ein Teil der Kulisse wurde bereits mit großem Aufwand und Kosten errichtet. Nun wollen die Schauspieler ihre Rollen und Anweisungen, wie sie zu spielen sind, der Produzent den raschen Drehbeginn und -Fortschritt, und die Presse Informationen über Inhalt und Bedeutung des Films, ebenso, wie über die politischen und religiösen Ansichten des Regisseurs. Kurz, alle haben Erwartungen, Fragen und Wünsche an ihn, aber: ihm fällt nichts mehr ein. Gut, vielleicht wäre sein Leben etwas einfacher, wenn er ein bisschen weniger egozentrisch und narzisstisch wäre, und wenn er nicht immer alles auf einmal haben wollte, auch im Privatleben, die Ehefrau, die Geliebte, ja eigentlich alle Frauen, oder auch wieder gar keine, weil sie ja doch alle so anstrengend und fordernd sind. Aber er ist nun mal, wie er ist und auf diese Weise kann er weder seinen Film, noch alles andere in den Griff kriegen.

„Nicht vergessen: dies ist eine Komödie“ soll Federico Fellini sich beim Dreh zur Erinnerung an die Kamera gepinnt haben und ganz offensichtlich hat er darauf gehört, denn immer dann, wenn unser Held, der natürlich auch irgendwie Fellini selbst ist, all zu sehr in seiner Schwermut aufgeht, korrumpiert er ihn mit Szenen von skurriler Komik.

Nach seiner eigenen Zählung (sechs Spielfilme, zwei Kurzfilme und einmal Co-Regie) war dies Fellinis Film Nummer otto e mezzo (achteinhalb), daher der Titel, obwohl der Arbeitstitel „La Bella Confusione“ (Die schöne Verwirrung) auch sehr passend gewesen wäre. Fellini führte aber nicht nur die Regie, sondern er schrieb auch das Drehbuch, und legte dabei auch gleich die denkbar härteste Kritik dem Drehbuchautor selbst in den Mund: „Eins ist mir bei der Lektüre des Drehbuches sofort aufgefallen, der Mangel an jeglicher Problematik, oder, wenn Sie so wollen, an einer philosophischen Grundlage. Das macht den Film zu einer Folge von unzusammenhängenden Episoden. Ich will durchaus nicht bestreiten, dass sie sehr unterhaltsam sein können, in ihrem zweideutigen Realismus, aber, man fragt sich, was wollen sie eigentlich, die Autoren? Wollen sie uns zum Nachdenken anregen, oder wollen sie uns Angst einjagen? Die Story enthüllt von Anfang bis Ende eine solche Armut an dichterischen Einfällen, entschuldigen Sie, aber für mich ist sie einer der eklatantesten und erschütterndsten Beweise dafür, dass der Film im Vergleich zu den anderen Kunstformen um 50 Jahre im Rückstand ist. Das Sujet hat nicht einmal den Wert, der manchmal einen avantgardistischen Film auszeichnet, auch wenn es alle seine sonstigen Schwächen aufweist.“

Dies wäre, wollte man es tatsächlich auf 8 ½ beziehen, natürlich unerhört tiefgestapelt, und könnte nur als reine Koketterie verstanden werden. Noch dazu für einen Film, in den Fellini einfach alles hineingepackt hat, sogar eine Rumba tanzende Saraghina und einen steppenden Matrosen!

(8 ½, Italien 1963; Regie: Federico Fellini.)