Category Archives: Film zum Buch

The Ice Harvest

Weihnachten: „what a wonderful season – so full of mutual understanding!“ Und welche Zeit könnte auch besser geeignet sein für das perfekte Verbrechen, als diese? Während die Einen das Fest der Liebe im trauten Kreise der Familie begehen, und die Anderen zu diesem Zweck Strip-Bars oder Bordelle aufsuchen, haben die Dritten freie Bahn um große Mengen Geldes an sich zu bringen.

Als „The Ice Harvest“ im November 2005 in die amerikanischen Kinos kam, war sein Einspiel-Ergebnis schon am ersten Wochenende dermaßen miserabel, dass er nach nur drei Wochen wieder aus selbigen verschwand; außerhalb der USA war er überhaupt fast nur im Rahmen von Film Festivals im Kino zu sehen und selbst die DVD findet sich – wenn überhaupt – dann oft nur sehr weit hinten und tief unten im Regal der Videotheken. Die bei weitem meisten Kritiker mochten den Film nicht, in der IMDB kommt er aktuell auf gerade einmal 6.2 Punkte und bei Rotten Tomatoes nur auf vernichtende 46%. Und das bei einem Film, der nicht nur mit John Cusack, Billy Bob Thornton und Oliver Platt in den Hauptrollen, sondern auch in nahezu jeder noch so kleinen Nebenrolle mehr als überzeugend besetzt ist, bei dem Harold Ramis Regie geführt hat (Ghostbusters: Schauspieler und Drehbuch; Groundhog Day: Regie und Drehbuch), und in dem man nebenbei auch noch allerlei Wissenswertes über die Vorzüge deutscher Autos gegenüber jenen amerikanischer Bauweise erfahren kann.

Vielleicht weckte die Vorweihnachtszeit als Starttermin aber auch die falschen Erwartungen, denn ein Weihnachtsfilm für die ganze Familie ist The Iceharvest wohl eher nicht. Oder, um es ausführlicher zu sagen, nämlich mit der amerikanischen Website, deren vielsagender Titel „commonsensemedia“ lautet und die Eltern Empfehlungen für kindgerechten Medienkonsum gibt („We are the nation’s leading independent non-profit advocating for kids“):

„Parents need to know that this movie isn’t for kids. (…) it shows repeated arguments among friends and family members: one man argues with his wife; a young boy yells at his father; another man shoots his wife (off screen); two best friends eventually bond over their mutual hatred of the woman they have both married, one after the other. Characters lie, cheat, fight, and vomit. They drink to drunkenness (one from a flask while driving), smoke cigarettes, and hang out in strip clubs. Acts of violence involve handguns, shotguns, knives, and cars.

Eben. Nicht geeignet also, um Besinnlichkeit an den Festtagen herbeizuführen, aber pure Therapie für alle, die genau das vermeiden möchten. Ho, ho, fucking ho!

(The Ice Harvest, USA 2005; Regie: Harold Ramis.)

The Innocents

„Horror-Movies come in two styles, visually: One of them in your face and the other at the corner of the retina.“

Novelle, Theaterstück, Oper und Film: „The Turn of the Screw“ von Henry James erschien im Jahr 1898 zunächst als Fortsetzungsgeschichte in einem amerikanischen Magazin, bevor sie 1908 als Novelle publiziert wurde. Ungefähr ein halbes Jahrhundert später machte William Archibald daraus ein Theaterstück, das seine Premiere 1950 am Broadway feierte, und 1954 hatte Benjamin Brittens gleichnamige Oper in zwei Akten in Venedig ihre Uraufführung. – Reichlich Vorlagen, also mit denen sich Regisseur Jack Clayton auseinander zu setzen hatte, als er wenige Jahre später daran ging, auch noch einen Film aus der Geschichte zu machen. Gleich mehrere professionelle Drehbuchschreiber wurden herangezogen, wobei Clayton später betonte, dass 90% der im Film enthaltenen Ideen auf Truman Capote zurückgehen, der nicht nur Untertöne á la Freud in die Handlung einbrachte, sondern in zahlreichen Bildern auch eines seiner Lieblingsthemen – die Dekadenz, den Zerfall hinter der Schönheit – unterbringen konnte.

Eine größere Schwierigkeit ergab sich daraus, dass – wie damals bei allen Filmen des Studio Fox – in Cinemascope gedreht werden musste, in eben jenem Format, von dem Fritz Lang bei Godard sagt, es sei nur für Schlangen und Beerdigungen geeignet. Hier aber war es der Kameramann Freddy Francis, der Mittel fand, um das ungeliebte Format in den Griff zu kriegen: z. B. indem er viel Licht einsetzte, um entweder ganze Szenen durchgehend strahlend hell zu erleuchten, oder andererseits einen Tunnel-Effekt erzielte, indem er das Licht auf die handelnden Personen in der Mitte konzentrierte, während die Ränder dunkel blieben. Darüber hinaus fügte er zahlreiche vertikale Linien ein, die den weiten Cinemascope-Rahmen unterteilten: z. B. Bettpfosten, Säulen und Statuen.

Beides konnte allerdings auch missverstanden werden, denn wenn des nächtens Frauen in langen weißen Nachthemden mit tropfenden Kandelabern in der Hand durch die dunklen Flure großer, düsterer Schlösser laufen, erwartet man heute wie damals unwillkürlich, dass Dracula oder einer seiner Genossen auftaucht, da dieses Klischee, ebenso wie wehende Vorhänge, tickende Großvateruhren und grimmig blickende pseudo-antike Statuen, zum Stil-Katalog der damals sehr populären Hammer Film Productions gehörte, die auch heute noch, nicht zuletzt dank zahlreicher Fernseh-Wiederholungen, fest im Bewusstsein der Zuschauer verankert sind.

Dies war allerdings eine Parallele, die Clayton gar nicht recht war, denn anders als Freddie Francis, der nach „The Innocents“ einige Jahre als Regisseur für die Hammer Film Productions arbeitete, wollte Clayton seinen Film keineswegs in dieser Ecke angesiedelt wissen, sondern suchte vielmehr die Nähe zu den deutlich subtileren Horrorfilmen der 30er und 40er Jahre, was sich unter anderem auch darin äußerte, dass er auf Technicolor verzichtete und seinen Film in schwarz-weiß drehte. Was wiederum bei Kritikern wie Publikum oft nicht richtig ankam: während die Anhänger der Hammer-Filme sich langweilten und die Schockeffekte vermissten, sahen die Vertreter der anderen Richtung wiederum für ihren Geschmack entschieden zu viel Hammer-Style. (Wobei es natürlich auch andere Meinungen gab – Francois Truffaut z. B., soll Jack Clayton, als sie sich zufällig in einem Restaurant begegneten, die seine schriftlich auf einer Serviette überreicht haben: dies sei der beste britische Film, seit Alfred Hitchcocks Übersiedlung in die USA – was vermutlich das höchste Lob war, das Truffaut überhaupt zu vergeben hatte.)

Den bleibenden Eindruck, den „The Innocents“ im Genre der Horror-Filme hinterlassen hat, sieht man aber vor allem daran, dass er über die Jahrzehnte immer wieder von anderen zitiert wurde. Stanley Kubricks „Shining“ z. B. zeigt einige Parallelen: das große Haus mit den vielen Zimmern im Kontrast zum labyrinthisch angelegten Garten, die Geistererscheinung und vor allem bei der Schluss-Szene. Alejandro Amenábar hingegen scheint hier nicht nur reichlich Anregung, sondern auch den Titel für seinen Film gefunden zu haben: „We‘ve got the whole house to ourselves. – More or less. There are still… the others.“ Und in der amerikanischen Verfilmung von „Ring“ ist sogar eine kleine Hommage versteckt, denn das singende Kind, dass auf dem Video zu hören ist, stammt ebenfalls aus „The Innocents“ .

Überhaupt kann man Ideen und Motive aus „The Innocents“ in vielen späteren Filmen entdecken, möglicherweise in sehr vielen Filmen, wobei natürlich nicht ganz auszuschließen ist, dass man hier Verbindungen sieht, die gar nicht da sind, denn: „Sometimes you can‘t help imagining things…“

(The Innocents, Großbritannien 1961; Regie: Jack Clayton.)

Ring

„You know what, Mum? – Yes? – Tomo-chan watched the cursed video!“

Diesen Film sollte man sich eigentlich auf Video ansehen, vielleicht sollte man sein Telefon vorher ausschalten und vermutlich wird man seinen Fernseher anschließend mit anderen Augen sehen, aber eine DVD ist hier eigentlich nicht das passende Medium.

Der japanische Film Ring oder Ringu aus dem Jahr 1998 gilt noch immer als erfolgreichster japanischer Horrorfilm, sowohl in Japan selbst, als auch international. Und auch wenn Kouji Suzuki, der Autor der zugrunde liegenden Geschichte, durchaus schon einmal erzählt, er habe sich von Poltergeist (1982) inspirieren lassen, so hat der Film doch in erster Linie seinen ganz eigenen, unverkennbaren und mittlerweile oft kopierten Stil, der nicht nur zwei Sequels, ein Prequel und eine koreanische Neuverfilmung nach sich zog, sondern eigentlich, ebenso wie dieser Film hier, gleich ein ganzes Genre begründet hat, woran auch die Tatsache, dass das Medium, auf das er sich bezieht, schon lange nicht mehr allgemein gebräuchlich ist, bis heute nichts geändert hat.

Selbstverständlich gibt es auch ein Hollywood-Remake, das in diesem, aber auch nur in diesem Falle, sogar sehenswert ist, denn die amerikanische Fassung The Ring von 2002 von wurde nicht nur mit allerlei Zitaten und Metaphern ausgestattet – was Letztere angeht, regnet es zum Beispiel viel in diesem Film, so wie Wasser hier überhaupt allgegenwärtig ist, und auch Ringe als Motiv, egal ob als Zahlen auf Türen oder als Muster auf Hemden, wurden geradezu obsessiv verteilt – darüber hinaus erfährt aber auch die Geschichte selbst einige Abwandlungen und was beide Filme im Vergleich gesehen, über die Gesellschaften aussagen, in denen sie sich abspielen, ist ebenfalls sehr aufschlussreich.

Wobei letzten Endes natürlich für beide Filme sowie sämtliche Sequels, Remakes und Nachahmungen, dasselbe gilt, was für Horrorfilme, ebenso wie für Gespenstergeschichten, schon immer galt: „This kind of thing… it doesn’t start by one person telling a story. It’s more like everyone’s fear just takes on a life of its own Fear… – Or maybe it isn’t our fear, maybe it’s what we secretly hope is true.“

(Ring, Japan 1998; Regie: Hideo Nakata & The Ring, USA 2002; Regie: Gore Verbinski.)

Tengoku to Jigoku

Akira Kurosawa hatte bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben, bevor er seinen ersten Film als Regisseur drehte, dementsprechend wichtig waren ihm diese auch von Anfang an bei seinen eigenen Filmen. In seinen 1975 durch die Toho Company, deren langjähriger Angestellter er war, veröffentlichten Ratschlägen an junge Aspiranten des Filmgewerbes, heißt es z. B.: „Mit einem guten Drehbuch kann ein guter Regisseur ein Meisterwerk produzieren; mit dem selben Drehbuch kann ein mittelmäßiger Regisseur einen passablen Film machen. Aber aus einem schlechten Drehbuch kann nicht einmal ein guter Regisseur einen guten Film machen.“

In seiner Autobiographie empfiehlt Kurosawa zudem, man solle Drehbücher stets in kleinen Gruppen von mindestens drei Leuten schreiben, um mehrere, verschiedene Perspektiven zu erhalten. Er selbst arbeitete regelmäßig mit denselben fünf Drehbuchautoren zusammen: Eijirō Hisaita, Ryuzo Kikushima, Shinobu Hashimoto, Hideo Oguni und Masato Ide, die auch schon mal gruppenweise so lange in einem japanischen Onsen versammelt und von jeglicher Ablenkung ferngehalten wurden, bis Kurosawa zufrieden war und ein verwertbares Script hatte.

Damit nicht genug, verfasste Kurosawa aber auch noch, so schreibt es zumindest Stuart Galbraith in seinem Buch The Emperor and the Wolf: The Lives and Films of Akira Kurosawa and Toshiro Mifune (2002) zu manchen seiner Filme umfangreiche, Detail versessene Ausführungen, die keine Fragen über die Umsetzung seiner Vorstellungen mehr offen ließen, bis hin zu ausführlichen Genealogien der Hauptfiguren und der Art und Weise, wie bestimmte Charaktere gehen, grüßen, oder sich ihre Schuhe zubinden sollten.

Auch wenn Kurosawa für seine Drehbücher auf literarische Vorlagen zurückgriff, war er wählerisch – und ausgesprochen vielseitig: es konnte sich dabei sowohl um zeitgenössische japanische Romane, als auch um Shakespeares Macbeth handeln, den er ins Japan der Feudalzeit verlegte, oder er verfilmte Maxims Gorkis Theaterstück Nachtasyl. Im Falle von Tengoku to Jigoku (zu deutsch: Himmel und Hölle), kam die Vorlage allerdings von dem amerikanischen Krimiautor Ed McBain, der im selben Jahr, als Akira Kurosawa auf der Grundlage seines Krimis „King‘s Ransom“ den Film Tengoku to Jigoku drehte, seinerseits wiederum nach einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier für Alfred Hitchcock das Drehbuch zu Die Vögel schrieb…

(Tengoku to Jigoku, Japan 1963; Regie: Akira Kurosawa.)

Oldboy

Selbst in Cannes dürfte es wohl nicht alle Tage vorkommen, dass ein Regisseur, nachdem er den Großen Preis der Jury entgegengenommen hat, neben Cast und Crew auch den vier Oktopoden dankt, die für seinen Film ihr Leben gelassen haben. Dass Park Chan-wook dies im Jahr 2004 tat, war allerdings durchaus angebracht, vor allem, wenn man die betreffende Szene kennt und weiß, dass Min-sik Choi, der Hauptdarsteller, bekennender Buddhist und Vegetarier ist – allerdings sollte man berücksichtigen, dass das Gericht, von dem hier die Rede ist, in Korea als Delikatesse gilt und tatsächlich in spezialisierten Restaurants serviert wird – wenn auch, wie die Frage der Köchin es im Film andeutet, normalerweise in geschnittener Form.

Alle weiteren Szenen des Films, eingeschlossen jene mit expliziter Gewalt, dürften in Europa aber genauso wenig missverständlich sein, wie in allen anderen Teilen der Welt und man muss auch nicht unbedingt wissen, dass die Geschichte lose auf dem gleichnamigen japanischen Manga von Tsuchiya Garon und Minegishi Nobuaki beruht, auch wenn dieser ebenfalls ausgezeichnet wurde. Ebenso wenig muss man wissen, dass es sich hier um den mittleren Teil der sogenannten „Rache-Trilogie“ von Chan-wook Park handelt, denn diese drei Filme haben nur das Thema gemeinsam, beziehen sich inhaltlich aber nicht weiter aufeinander.

Wesentlich aufschlussreicher ist es da schon, wenn man weiß, dass Park Chan-wook  von sich sagt, er habe kein Vergnügen an Filmen, die den Zuschauer zur Entspannung einladen, wenn man diese nötig habe, solle man doch besser einen Wellness-Tag einlegen. Auch, dass er von sich behauptet, regelmäßig nachts im Bett zu liegen und sich in übelsten Peinigungsszenen auszumalen, wie man das Leben eines Menschen aufs Gründlichste ruinieren kann, um danach mit einem Lächeln auf den Lippen einzuschlafen und dies – solange es im Bereich der Fantasie bleibt! – sogar als heilsam empfiehlt, könnte ebenfalls ein Schlüssel zum Verständnis seiner Filme sein. Andererseits muss man wohl nicht unbedingt alles glauben, was Chan-wook Park auf Pressekonferenzen erzählt, so sagte er z. B. auch, zur Rache-Trilogie sei es nur gekommen, weil ihn nach der Premiere von Oldboy die wiederholten Fragen der koreanischen Journalisten, warum er sich einem solch hässlichen Thema gleich zweimal hintereinander gewidmet habe, so provozierten, dass er spontan verkündete, er werde noch einen dritten Teil zum Thema Rache drehen, was eigentlich ganz und gar nicht seine Absicht gewesen sei, vielmehr habe er seine Ankündigung anschließend bereut, es aber dennoch umgesetzt, weil er es nicht mehr zurücknehmen konnte.

Absolut glaubwürdig ist Park Chan-wook hingegen, wenn er sagt: „I have principles and rules. I deal very carefully with acts of violence and make sure that audiences understand how much suffering these acts cause.“

Und wenn man Oldboy gesehen hat, glaubt man ihm auch dies aufs Wort: „Basically, I’m throwing out the question ‘When is such violence justified?’ To get that question to touch the audience physically and directly – that’s what my goal is. In the experience of watching my film, I don’t want the viewer to stop at the mental or the intellectual. I want them to feel my work physically. And because that is one of my goals, the title ‘exploitative’ will probably follow me around for a while.“

(Oldeuboi, Südkorea 2003; Regie: Park Chan-wook.)

Silentium

Eine kleine, böse Würdigung der Salzburger Festspiele. Und die zweite von drei Verfilmungen der gleichnamigen Krimis von Wolf Haas. Der erste Teil aus dem Jahr 2000, Komm süßer Tod, und der bislang letzte Teil von 2009, Der Knochenmann, sind auch schön anzuschauen. Alle sind mit Josef Hader, aber nur dieser ist mit Christoph Schlingensief.

(Silentium, Österreich 2004; Regie: Wolfgang Murnberger.)

Leben!

Als Mao Zedong 1966 mit der Kampagne begann, die als chinesische Kulturrevolution in die Geschichte eingehen sollte, war sie angeblich nur für einen Zeitraum von ca. einem halben Jahr geplant gewesen. Als sie nach seinem Tod im Jahre 1976 langsam ihr Ende fand, war in der chinesischen Gesellschaft nichts mehr wie vorher.

Zu den von der Kulturrevolution direkt Betroffenen gehörte auch die Familie von Zhang Yimou. Sein Vater war Dermatologe, aus der Perspektive der regierenden Kommunistischen Partei ein Angehöriger der falschen gesellschaftlichen Klasse und hatte, ebenso wie einer seiner Brüder und einer seiner Söhne schon im chinesischen Bürgerkrieg auf der falschen Seite gestanden. So wurde Zhang Yimou, wie viele andere, statt die Schule zu beenden, zur Arbeit aufs Land und in eine Fabrik geschickt. Später sagte er über diese Zeit:

„The Cultural Revolution was a very special period of Chinese history, unique in the world. It was part of my youth. It happened between when I was 16 and when I was 26. During those 10 years, I witnessed so many terrible and tragic things. For many years, I have wanted to make movies about that period – to discuss the suffering and to talk about fate and human relationships in a world which people couldn’t control and which was very hostile. I would like to make not just one but many movies, both autobiographical and drawing on other people’s stories. I’ll just have to wait.“ ( IMDb, Yimou Zhang, Personal Quotes)

Und tatsächlich schaffte er es nach dem Ende der Kulturrevolution, seinem familiären Hintergrund zum Trotz, und obwohl er das Zulassungsalter schon überschritten hatte und ihm überdies auch die nötige akademische Qualifikation fehlte, 1978 an der gerade erst wieder eröffneten Bejing Film Akademie angenommen zu werden. Dort machte er 1982 seinen Abschluss, gleichzeitig mit Tian Zhuangzhuang, Chen Kaige, Zhang Junzhao und anderen, die gemeinsam als sogenannte Fünfte Generation das Kino in China grundlegend verändern und darüber hinaus auch internationale Anerkennung erringen sollten. Schon der erste Film von Zhang Yimou (Rotes Kornfeld) wurde auf der Berlinale von 1988 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Seine nächsten Filme waren für den Oscar nominiert (Ju Dou und Rote Laterne), oder erhielten den Goldenen Löwen von Venedig (Die Geschichte der Qiu Ju). Überhaupt ist er seit Beginn seiner Arbeit als Filmemacher ständig auf internationalen Film-Festivals vertreten, gerne auch mal als Mitglied der Jury.

Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb, hatte Zhang Yimou, ebenso wie die anderen Filmemacher seiner Generation, mit der chinesischen Staatsbehörde für Radio, Film und Fernsehen zu kämpfen. Und auch, wenn sich sein Verhältnis zu Regierung und Zensurbehörde in China anscheinend mittlerweile deutlich entspannt hat – immerhin war Zhang Yimou 2008 hochoffiziell mit der Regie der Eröffnungs- und Abschlussfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Bejing betraut – war dies nicht immer so, denn während z.B. sein Film Leben! unter anderen internationalen Auszeichnungen im Jahr 1994 den Großen Preis der Jury in Cannes und 1995 den British Academy Award erhielt, durfte er in China nicht öffentlich gezeigt werden.

(Huozhe, Volksrepublik China & Hong Kong 1992; Regie: Zhang Yimou.)

Lawrence of Arabia

„…denn ich möchte mal wissen, welcher Film auf dieser Welt, einen Oscar erhält, in dem die weibliche Hauptrolle fehlt.“

Marlon Brando hatte ihn spielen sollen, Anthony Perkins oder Montgomery Clift, auch Alec Guiness war im Gespräch für die Hauptrolle, ebenso wie Horst Buchholz und Alain Delon für die wichtigste Nebenrolle – am Ende wurden es aber die damals noch unbekannten Peter O‘Toole und Omar Sharif.

Die Geschichte um die Rolle des Briten beim Aufstand der arabischen Stämme gegen das Osmanische Reich darf man, spätestens nach zahlreichen Wiederholungen im Fernsehen, wohl als bekannt voraussetzen, weniger bekannt ist vielleicht, dass der historische Thomas E. Lawrence als Archäologe in Syrien und Palästina unterwegs war, bevor er zum britischen Geheimdienst ging, wobei sich beide Tätigkeiten schon früh gegenseitig ergänzten.

Berühmt und zum „Lawrence of Arabia“ wurde er aber erst durch den amerikanischen Kriegsberichterstatter, Lowell Thomas der zahlreiche Berichte über ihn in die amerikanischen Zeitungen brachte und nach dem Krieg mit seinen Fotos und Filmmaterial, ergänzt um tanzende Frauen in bunten Kostümen, Räucherwerk und was eben sonst gerade an Exotismen en vogue war, in einer großen Show durch die englischsprachige Welt tourte. Mit spektakulären Reiseberichten ließ sich damals viel Geld verdienen.

Noch mehr Geld ließ sich ca. 40 Jahre später mit Kinofilmen verdienen, vor allem, wenn sich Männer wie der Produzent Sam Spiegel und der Regisseur David Lean des Themas annahmen: Der Film Lawrence of Arabia wurde ein Welterfolg und ist es bis heute, auch wenn der echte Thomas E. Lawrence durch die Darstellung von Peter O‘Toole dermaßen gut weg kam, dass selbst sein eigener Bruder ihn im Film nirgendwo wieder erkennen konnte. Überhaupt war Arnold W. Lawrence, der selbst Klassische Archäologie in Cambridge lehrte, der Ansicht, der ganze Film, der immerhin auf der Autobiographie seines Bruders beruhte, sei von vorne bis hinten reine Fiktion.

Dass es Regisseur David Lean tatsächlich mehr um die Darstellung großer Gefühle, am liebsten vor eindrucksvoller Landschaft, als um wissenschaftliche oder politische Korrektheit bei der Darstellung von historischem Geschehen ging, zeigte sich auch drei Jahre später wieder, als 1965 sein nächstes Großprojekt in die Kinos kam: aber Dr. Schiwago stand immerhin eine weibliche Hauptrolle zur Seite. Genau genommen sogar zwei, von diversen weiblichen Nebenrollen einmal abgesehen, während in Lawrence of Arabia, auf über 3 ½ Stunden Filmlänge Frauen in so gut wie keiner Szene auch nur zu sehen sind und schon gar nicht zu Wort kommen, was ihn bis heute zum vermutlich längsten und erfolgreichsten Kinofilm aller Zeiten macht, in dem Frauen nichts zu sagen haben und die eingangs zitierte Frage der Fantastischen Vier mit ‚nicht nur einen, sondern sieben‘ beantwortet.

(Lawrence of Arabia, Großbritannien 1962; Regie: David Lean.)

Fahrenheit 451

Well, it’s a job just like any other. Good work with lots of variety. Monday, we burn Miller; Tuesday, Tolstoy; Wednesday, Walt Whitman; Friday, Faulkner; and Saturday and Sunday, Schopenhauer and Sartre. We burn them to ashes and then burn the ashes. That’s our official motto.“

Die Kritiker mochten ihn nicht, das Publikum wollte ihn nicht sehen und der Regisseur hätte ihn später auch lieber nicht gedreht haben wollen. Tatsächlich ist es nicht der beste Film von Francois Truffaut und dass, obwohl es sein erster Farbfilm war und Farben hier sehr bewusst eingesetzt werden, und ihn die Geschichte von Ray Bradbury immerhin so fasziniert hatte, dass er entgegen seiner früheren Aussagen, er werde niemals einen Science Fiction Film drehen, es hiermit eben doch tat und zudem noch sechs Jahre lang Zeit und Nerven investierte, um die dazu nötigen Finanzen aufzutreiben.

Das Ensemble war zumindest vielversprechend: Mit Oskar Werner hatte Truffaut wenige Jahre zuvor bei seinem Film Jules und Jim erfolgreich zusammen gearbeitet, Julie Christie hatte gerade erst einen Oscar erhalten (nein, nicht für Doktor Schiwago), die Kamera führte Nicolas Roeg, der wenig später auch als Regisseur erfolgreich werden sollte (Wenn die Gondeln Trauer tragen, ebenfalls mit Julie Christie) und die Musik schrieb Bernard Herrmann, der Komponist zahlreicher Filme (u.a. Vertigo, Psycho) des von Truffaut so überaus verehrten Meisters Alfred Hitchcock.

Allein, es haperte schon an der Sprache. Um das Projekt finanzieren zu können, ließ Truffaut sich mit Hollywood ein – zum ersten und letzten Mal. Gedreht wurde in England, in den Pinewood Studios, von denen er nicht viel hielt, mit englischen Schauspielern, für die eigentlich dasselbe galt. Des Englischen selbst nicht mächtig, wollte Truffaut aber doch Drehbuch und Dialoge weitgehend selbst schreiben und dass, obwohl er schon für die tägliche Zusammenarbeit mit einem Großteil seiner Crew auf eine Dolmetscherin zurückgreifen musste. Außerhalb der Dreharbeiten zog er sich soweit wie möglich zurück, ja, er soll nach seiner Rückkehr Freunden auf die Frage, wie London denn sei, geantwortet haben, dass wisse er nicht, er habe in seiner Freizeit das Hilton nicht verlassen und sich sogar seine Mahlzeiten auf das Zimmer bringen lassen.

Schlussendlich war es dann aber wohl Oskar Werner, mit dem Truffaut bis zu diesem Film befreundet gewesen war, der ihn nahezu zur Verzweiflung trieb. Truffaut, der eher dafür bekannt war, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen und sein Hauptdarsteller Werner waren völlig unterschiedlicher Auffassung wie die Rolle Werners zu interpretieren sei, Truffaut wollte einen devoten Anti-Helden, einen Mitläufer, Werner stellte sich das genaue Gegenteil vor. Das Ganze ging dann angeblich soweit, dass Werner Truffauts Anweisungen schlicht ignorierte und ganze Szenen sabotierte, inklusive der Tatsache, dass er absichtlich einen Continuity-Fehler herbei führte, in dem er sich die Haare schneiden ließ.

Und doch. Schon die gesprochenen Eingangstitel, zu denen Antennen auf Hausdächern gezeigt werden, geben uns einen Eindruck, womit wir es hier zu tun haben: die ganze Welt ist eine einzige Kleinstadt, und wer nicht arbeitet, hängt vor der Glotze. Bücher sind verboten, Zigaretten und alle Arten von Drogen, am liebsten in Form bunter Pillen dafür erlaubt. Narzissmus und Passivität sind gesellschaftlich erwünscht, Individualität und Zurückgezogenheit erwecken Argwohn. Dementsprechend schwierig gestaltet sich das Privatleben unseres Helden: mal kommt er nach Hause, um seine völlig apathische Frau vor dem riesigen Fernsehschirm im Wohnzimmer anzutreffen, die auf seine Nachricht, er werde wohl befördert nur den Wunsch nach einem weiteren wandgroßen Fernsehschirm, zärtlich „family wall“ genannt, äußert, während sie sich beim nächsten Mal mit den Pillen, die ihr Entspannung und Gleichgültigkeit garantieren, vergiftet hat. – Kein Problem allerdings, in dieser Gesellschaft ist Abhilfe in solchen Fällen reine Routine und am nächsten Tag ist die Gattin wie neu.

Auch wie Truffaut sich über das Fernsehen lustig macht und nebenbei zeigt, wie man ganz einfach und bequem auch vom heimischen Wohnzimmer aus einen Auftritt in der eigenen Lieblingsserie bewerkstelligen kann, ist sehenswert.

Und immerhin einer war hochzufrieden mit Fahrenheit 451: Ray Bradbury, der Autor der zugrunde liegenden Science Fiction-Geschichte, dessen Werke oft verfilmt wurden, teilweise mit weit mehr Aufwand und Budget, war überdies der Ansicht, der Film werde von Jahr zu Jahr besser. Und er musste es ja eigentlich wissen.

(Fahrenheit 451, Großbritannien 1966; Regie: Francois Truffaut.)