Category Archives: Allmende & free to watch

Das Cabinet des Dr. Caligari

Wohl dem, der Englisch versteht: In den USA gibt es den Begriff „public domain“, der bedeutet, dass ein Werk nicht mehr unter das Copyright fällt und damit zur freien Nutzung zur Verfügung steht. Solche Werke darf man kopieren, weiterverbreiten und ganz oder in Teilen auch mit eigenen Ideen überarbeiten und das Ergebnis wiederum publizieren. Und um hier keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, gibt es zahlreiche Websites, die sich der Auflistung solcher Werke widmen, so findet man Filme, die unter public domain fallen, zum Beispiel auf der Wikipedia Website „List of Films in the public domain in the United States“, oder bei Open Culture, bei The Public Domain Review und vor allem im Internet Archiv, unter Archive.org (siehe auch hier).

In Deutschland, wie in der gesamten Europäischen Union, gilt hingegen das Urheberrecht, welches nicht mit dem englischen Begriff public domain identisch ist, grundsätzlich aber vorsieht, dass der Urheberrechtsschutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. – Eine entsprechende Website „Liste der gemeinfreien Werke in der BRD“ existiert, zumindest in der Wikipedia, allerdings nicht. Sucht man danach auf der Seite des Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann unter dem Abschnitt Medien, so findet man dort das Thema Urheberrecht in der Digitalen Welt, wo man einiges darüber lesen kann, wie wichtig der Schutz des Urheberrechts auch im Internet ist, und wer mit diesem beauftragt ist, etc., aber leider nichts darüber, welche Werke denn nun nicht mehr darunter fallen, bzw. der Allgemeinheit zur freien Weiterverwertung zur Verfügung stehen. Stattdessen liest man dort:

“Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich künftig per Mausklick kulturelle Schätze auf den heimischen Bildschirm holen. Damit werden Kultur und Wissen in früher nicht vorstellbarem Maße für jedermann zugänglich, unabhängig von Ort und Zeit“

gefolgt von einem Link auf die Deutsche Digitale Bibliothek, wo es wiederum heißt:

„Das kulturelle Erbe der Nation wird weitgehend kostenfrei für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht. Dieses Angebot wird 2012 zur Verfügung gestellt.“

Unabhängig davon, wann das Angebot denn nun tatsächlich zur Verfügung steht, gibt es aber auch hier keine Hinweise darauf, welche Werke denn nun tatsächlich aktuell nicht mehr unter den Urheberschutz fallen.

Also zurück zum Urheberrecht, wo zu lesen ist:

„(1) Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern (§8) zu, so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers.

(2) Bei Filmwerken und Werken, die ähnlich wie Filmwerke hergestellt werden, erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik.“

Dementsprechend müsste der deutsche Klassiker des Expressionismus von 1920, „Das Cabinet des Dr. Caligari“ eigentlich mittlerweile gemeinfrei sein. Dies sieht allerdings die Website „Filmportal.de“ ganz anders: dort ist als Rechteinhaber die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung eingetragen, welche das genauso sieht, und den Film ebenfalls nicht zum freien Download zur Verfügung stellt:

„Die Filme der Murnau-Stiftung sind in einer Auswahl repräsentativer Titel als Home-Videos oder DVDs allgemein im Handel erhältlich. Verzeichnis der lieferbaren Filmtitel sowie Händlerverzeichnis erhalten Sie bei BMG-Video/Universum sowie BlackHill. Video-Kopierung und Versand von Filmen unseres Bestandes, die nicht im freien Handel erhältlich sind, ist aus lizenzrechtlichen Gründen leider nicht möglich.“

Und so kommt es, dass man einen der wichtigsten Filme der deutschen Filmgeschichte zwar auf englischen Websites, mit englischen Zwischentiteln anschauen und herunterladen kann (zum Beispiel hier), aber eben nicht auf deutsch. (Ausführliche Hinweise zum Thema ‚Urheberrecht im Internet‘ finden sich zum Beispiel bei iRights.info.)

(Das Cabinet des Dr. Caligari, Deutschland 1920; Regie: Robert Wiene.)

Charade

„How do you shave in there?“ Es war der letzte Film, in dem Cary Grant den romantischen Helden gab, und eigentlich hatte er diese Rolle wohl auch schon gar nicht mehr übernehmen wollen, er selbst Ende fünfzig, Audrey Hepburn erst 33 Jahre alt und damit 26 Jahre jünger als er…

Aber Peter Stone, der Drehbuchautor, fand eine pragmatische Lösung: er strich einfach alle Dialogzeilen aus Grants Rolle, in denen dieser sein Interesse an Hepburns Charakter allzu eindeutig erkennen lässt und schrieb sie Audrey Hepburns Rolle zu. Somit war es nicht mehr der ältere Herr, der sich an die deutlich jüngere Frau heranmacht, sondern umgekehrt, wobei Cary Grant in der Duschszene auch noch den Anzug anlassen durfte und der Rolle von Audrey Hepburn unter anderem durch das Alter ihres verstorbenen Ehemannes, eine generelle Vorliebe für ältere Männer ins Drehbuch geschrieben wurde. – Immerhin ein Fortschritt, denn als für Audrey Hepburn neun Jahre vorher mit dem Film Sabrina und dem dreißig Jahre älteren Humphrey Bogart eine ganze Serie von Filmen begann, in denen sie – selbst erst Anfang zwanzig – jeweils die eine Hälfte von Liebespaaren spielte, deren männliche Partner locker ihre Väter hätten sein können, schien man das in Hollywood noch völlig in Ordnung zu finden und niemand machte sich die Mühe, die Drehbücher hin zu mehr weiblicher Selbstbestimmung umzuschreiben.

Es waren wohl auch nicht zuletzt die selbstbewusst angelegte Rolle Hepburns und die eher zurückhaltende Cary Grants, die Charade zu einem Erfolg machten – wobei in der Freude darüber anscheinend vergessen wurde, das Copyright korrekt zu beantragen, weshalb der Film, nicht aber die Musik von Henry Mancini und das Originalmanuskript von Peter Stone, schon kurz nach seiner Premiere in die Public Domain übergingen (mehr dazu hier) und heute bei Archive.org zum Download zur Verfügung steht.

(Charade, USA 1963; Regie: Stanley Donen.)

The 39 Steps

Ein MacGuffin kann ein Koffer sein, eine Aktentasche oder ein Päckchen. In Agentenfilmen sehr beliebt sind auch Mikrofilme mit geheimen Informationen oder gleich der ‚Weltenformel‘, es kann sich aber auch um außerirdische Steine handeln, den Inhalt einer Flasche, einen Schlitten, einen Teppich oder den Heiligen Gral – eigentlich kann es alles sein, denn ein McGuffin ist nach Alfred Hitchcock ein Objekt, das die Handlung eines Films zwar auslöst und entwickelt, selbst dabei aber völlig bedeutungslos bleiben kann.

Stets aber ist es ein Objekt der Begierde, das die handelnden Personen veranlasst, ihm hinterher- oder es sich gegenseitig abzujagen, was zu kriminellen Handlungen, Flucht, Verfolgung und Verrat führt und wobei – je nach Drehbuch und/oder Budget – eine unterschiedliche Menge an Material, Autos und Protagonisten auf der Strecke bleiben.

In diesem Fall verbirgt sich der MacGuffin gleich im Titel und was es damit auf sich hat, kann oder auch nicht am Ende aufgeklärt werden, ist aber auf alle Fälle sehenswert, da es sich hier um einen frühen, aber typischen Hitchcock handelt, inklusive dem unschuldig verfolgten Helden und der eigenwilligen Blondine, die ihn mehr oder weniger unfreiwillig auf seiner Flucht begleitet sowie einem Cameo-Auftritt des Meisters bei Minute 7. Und das alles gibt es zum Download bei Archive.org.

(The 39 Steps, Großbritannien 1935; Regie: Alfred Hitchcock.)

The Mystery of the Marie Celeste

Von der Schauspielerin Paula Maxa heißt es, sie sei im Verlaufe ihrer Karriere von 1917 bis in die 1930er Jahre auf mehr als 60 verschiedene Arten und über 10.000 mal auf der Bühne ermordet worden. Diese jahrelange intensive Ausübung des Opferrollenfachs ergab sich zwangsläufig daraus, dass sie die berühmteste Darstellerin des Grand Guignol war, einem kleinen, aber sehr beliebten Theater in Paris, dass sich von 1897 bis 1962 in einer ehemaligen Kapelle im Vergnügungsviertel Pigalle auf drastische Horror- und Gruselstücke spezialisiert hatte. Bis weit über die Grenzen Frankreichs hinaus wurden sie damit derart bekannt, dass das Théâtre du Grand Guignol heute als Vorläufer und Inspirationsquelle zahlreicher späterer Horror- und Splatterfilme gilt. Allen voran jenen der legendären Hammer Productions, denen wir die schaurig-blutigen Film-Serien über Dracula und Frankenstein mit Christopher Lee und Peter Cushing sowie nahezu unzählige weitere Horrorfilme mit Mumien, Werwölfen und Zombies verdanken. Diese erfreuten sich nicht nur beim Publikum über viele Jahre andauernder Begeisterung, sondern wurden von jenen Kritikern, die schon früh etwas mit dem Wort Kultfilm anfangen konnten, auch für ihren einzigartigen visuellen Stil gelobt.

Einer der ersten Hammer Filme überhaupt, The Mystery of the Marie Celeste aus dem Jahr 1936, steht bei Archive.org zum Download bereit: Es ist die auf Tatsachen beruhende Geschichte des amerikanischen Segelschiffs Marie Celeste, das am 4. Dezember 1872 im Atlantischen Ozean, nahe der Meerenge von Gibraltar, führerlos treibend aufgefunden wurde. Trotz guten Wetters – die Segel waren aufgezogen und kein Notsignal gehisst – fehlte vom Kapitän Benjamin Briggs, seiner Ehefrau Sarah und seiner zweijährigen Tochter Sophia, die sich als Passagiere an Bord befunden hatten, ebenso wie von den sieben Mitgliedern der Besatzung, jede Spur. Einen knappen Monat zuvor hatte das Handelsschiff mit einer Fracht von 1701 Fässern Industriealkohol, den Hafen von New York City in Richtung Genua verlassen. Der Kapitän und seine Mannschaft waren erfahrene Seeleute, es gab keinerlei Anzeichen von Gewalt, vielmehr wurde das Schiff in segeltauglichem Zustand mit ausreichend Proviant für die nächsten sechs Monate an Bord angetroffen und auch im Logbuch fanden sich keine Hinweise auf die Vorkommnisse, die zum spurlosen Verschwinden der Besatzung geführt hatten.

Auch in den folgenden Jahren tauchte keiner der Vermissten wieder auf und so wurde das Rätsel trotz zahlreicher ausgefeilter Theorien, von Piraten über Tsunamis bis zur Entführung durch Außerirdische, nie befriedigend gelöst, was die Marie Celeste bis heute zu einem der berühmtesten Geisterschiffe der Geschichte macht. Ein idealer Plot also, für eine Verfilmung durch die Hammer Productions: hier fließt das Blut zwar noch in schwarzweiß und ohne Vampire und Monster, dafür aber spielt Bela Lugosi eine der Hauptrollen. Gut, der Film erhielt seinerzeit miserable Kritiken, aber jene Kritiker und Filmemacher, die sich und ihre Arbeit vielleicht manchmal ein bisschen zu ernst nehmen, konnten mit den Hammer Filmen ja noch nie etwas anfangen.

(The Mystery of the Marie Celeste, Großbritannien 1936; Regie: Denison Clift.)

Night of the Living Dead

„..the unburied dead rise to find human victims, eating their flesh..“

Das Genre der klassischen Zombiefilme beginnt stilecht auf einem Friedhof. Zwar gab es schon früher Filme mit dem Wort „Zombie“ im Titel, während in diesem hier das Wort nicht nur im Titel fehlt, sondern im ganzen Film kein einziges Mal fällt, aber vor Night of the Living Dead hatte man unter einem Zombie das willenlose Opfer eines Vodoo-Priesters zu verstehen, während magische Praktiken, egal welcher Art, hier keinerlei Rolle spielen. Vielmehr handelt es sich nun um Widergänger, Tote, die zurückkommen um die Lebenden zu meucheln, und erst hier werden die wesentlichen Merkmale des Zombie-Genres etabliert: von nun an werden wir sie am – teilweise erheblich fortgeschrittenen – Verwesungszustand ihres Äußeren erkennen, wir werden wissen, dass sie auch dann wiederkommen, wenn wir meinen, sie nun wirklich getötet zu haben, dass sie ansteckend sind, dass sie das Fleisch der Lebenden essen und dass man ihr Gehirn zerstören muss, um sie endgültig außer Gefecht zu setzen. Und wir werden uns fragen, sind wir drinnen und sie draußen, oder umgekehrt?

Unklar hingegen bleibt hier, wie in den meisten folgenden Zombiefilmen auch, woran sie ihre Artgenossen erkennen, denn gegenseitig greifen sie sich nicht an, was die Frage aufwirft, ob es wohl reichen würde, einen schleppenden Gang zum hängendem Kopf zu simulieren und man käme davon?

Warum man, einmal angegriffen und überwältigt, zu Ihresgleichen wird, bleibt hier ebenfalls offen, in späteren Zombie-Filmen wird der Auslöser vorzugsweise ein Virus sein, in diesem Film kommen Radio und Fernsehen offiziell mit einer anderen Erklärung daher, aber die Medien präsentieren uns ja bekanntermaßen ständig irgendwelche obskuren Erklärungen für Dinge, die ihre Journalisten selbst nicht verstanden haben und so vertrauen wir lieber auf die Aussage von Regisseur und Drehbuchautor Romero, dass die tatsächliche Ursache hier nicht enthüllt wird.

Während jedenfalls die wiederauferstandenen Toten auf Menschenjagd gehen, gehen diese wiederum auf Zombiejagd: Bürgerwehren werden organisiert, die sich mit unverhohlener Begeisterung daran machen, dem dysfunktionalen Teil der Bevölkerung zu zeigen, wo sein Platz ist: nämlich tot, verbrannt und begraben unter der Erde. Wozu allerdings auch nicht allzuviel Mut nötig ist, da sich die reichlich derangierten und entsprechend langsamen Gestalten nicht unbedingt als gefährliche Gegner erweisen (Field Reporter: Are they slow-moving, chief? – Sheriff McClelland: Yeah, they’re dead. They’re all messed up.)

Es sei denn natürlich, sie sind in der Überzahl.

(Night of the Living Dead, USA 1968; Regie: George A. Romero.)

Un Chien Andalou

„Dieser Film ging aus einer Begegnung zweier Träume hervor. Dalí hatte mich eingeladen, ein paar Tage bei ihm in Figueras zu verbringen, und als ich dort ankam, erzählte ich ihm, dass ich kurz vorher geträumt hätte, wie eine langgezogene Wolke den Mond durchschnitt und wie eine Rasierklinge ein Auge aufschlitzte. Er erzählte mir seinerseits, dass er in der voraufgehenden Nacht im Traum eine Hand voller Ameisen gesehen habe, und fügte hinzu: ‚Und wenn wir daraus einen Film machten?‘“

So erzählt es Luis Buñuel im Kapitel Un Chien Andalou seiner Erinnerungen „Mein letzter Seufzer“. Dort erfährt man auch, dass das Drehbuch „in weniger als einer Woche nach einer sehr einfachen Regel“ geschrieben wurde: „keine Idee, kein Bild zuzulassen, zu dem es eine rationale, psychologische oder kulturelle Erklärung gäbe; die Tore des Irrationalen weit zu öffnen; nur Bilder zuzulassen, die sich aufdrängen, ohne in Erfahrung bringen zu wollen, warum.“ Kein Wunder also, dass Buñuel nach Abschluss des Drehbuchs feststellte, „dass es sich um einen höchst ungewöhnlichen, provozierenden Film handeln würde, den kein normales Produktionssystem akzeptierte.“ Also leiht er sich Geld von seiner Mutter, und nachdem er die Hälfte davon in verschiedenen Bars in Paris durchgebracht hat, macht er sich an die Dreharbeiten, welche 14 Tage dauern, von denen Dali allerdings die meisten in seinem Atelier damit verbringt, „Pech in die Augen der ausgestopften Eselsköpfe zu gießen“.

Dennoch kam es auf Betreiben von Man Ray 1929 sogar zu einer öffentlichen Premiere, bei der nicht nur die Gruppe der Surrealisten, u. a. Max Ernst, Hans Arp und René Magritte vollständig vertreten waren, sondern auch nahezu die gesamte intellektuelle und kreative Szene von Paris, inklusive Picasso, Le Corbusier, und Cocteau. Buñuel selbst war natürlich einigermaßen aufgeregt und hatte, so behauptet er, sich Steine in die Taschen gelegt, um im Falle eines Misserfolgs das Publikum damit zu bewerfen. Dazu kam es glücklicherweise nicht, der Film war ein Erfolg und zudem noch ein derart dauerhafter, dass er über acht Monate im Kino lief und ständig ausverkauft war, was Buñuel nicht nur Geld einbrachte, sondern auch eine Menge Ärger, denn während die Einen forderten, man solle Un Chien Andalou verbieten, verlangten die Surrealisten eine Erklärung von Buñuel, wie es passieren konnte, dass der als Skandal gedachte Film plötzlich so erfolgreich – noch dazu auch kommerziell! – sein konnte…?

Seither wurde er von vielen Regisseuren zitiert, darunter so unterschiedliche wie Hitchcock (Spellbound 1945 und North by Northwest 1959), Henri-Georges Clouzot (Les Diaboliques 1955), James Cameron (The Terminator 1984), David Lynch (Blue Velvet 1986), Pedro Almodóvar (Mujeres al Borde de un ataque de nervios 1988), Jonathan Demme (The silence of the lambs 1991), Krzysztof Kieslowski (La double vie de Véronique 1991), Andy und Lana Wachowsky (Matrix 1999), Gore Verbinsky (Ring 2002) und Chan-wok Park (Oldboy 2003), um nur einige wenige zu nennen, eine ausführliche, aber vermutlich immer noch nicht vollständige Liste findet sich z. B. hier.

Man sieht also, es lohnt sich durchaus, die 16 Minuten Zeit zu investieren, die Un Chien Andalou dauert, zudem man ihn ganz einfach und legal im Netz anschauen kann, z. B. hier oder hier.

(Un Chien Andalou, Frankreich 1929; Regie: Luis Buñuel.)

Der Mann mit der Kamera

Es beginnt mit viel Text in russischen Buchstaben (und im Falle der hier besprochenen Version, auch mit der Übersetzung ins Englische, die da lautet):

„Man with a Movie Camera/A6 reel record on film/Produced by VUFKU in 1929/ATTENTION VIEWER:/This film is an experiment/in cinematic communication of real events/Without the help of Intertitels/Without the help of a story/Without the help of theatre/This experimental work aims at creating a truly international language/of cinema based on its absolute separation/from the language of theatre and literature“

Man sieht, der Regisseur Dziga Vertov meint es ernst, mit dem Film und dem Kino. Was dann aber kommt, ist eine schnelle und abwechslungsreiche Abfolge von durchaus unterhaltsamen Bildern und Szenen, eingefangen mit nahezu allen damals zur Verfügung stehenden Aufnahmetechniken plus noch ein paar mehr, die der Filmemacher bei dieser Gelegenheit einführte. Nicht nur deshalb gilt er bis heute als wegweisend, darüber hinaus ist er ein schönes Dokument seiner Zeit, nichts wurde von Schauspielern gestellt, versicherte der Regisseur, alle sind echt und stellen nur sich selbst und ihre tatsächliche jeweilige Tätigkeit dar.

Das alles ist zudem so gut gelungen, dass es über die Jahre hinweg zahlreiche Musiker veranlasst hat, eine Filmmusik zu komponieren. Wie damals üblich, wurde der Stummfilm bei seiner Premiere 1929 ebenso, wie bei den späteren Aufführungen im Kino, zunächst von einem Klavierspieler begleitet. Die Anweisungen, die Dziga Vertov dazu geschrieben hatte, nahm z. B. der norwegische Ambient-Musiker Geir Jenssen, Künstlername Biosphere, als Grundlage seiner Version, die 1996 beim norwegischen Tromsö International Festival uraufgeführt wurde und als Musik-CD erschienen ist. Ein paar Jahre später erhielt die britische Jazz/Electronica Band The Cinematic Orchestra den Auftrag, zum Festival der Kulturhauptstadt Porto 2000 ebenfalls eine Filmmusik zu komponieren, die sowohl als Musik-CD, aber auch als DVD mit Film erschien, und im Jahr 2002 gab das British Film Institute eine DVD des Films mit Musik von Michael Nyman heraus. Und dies sind nur drei von vielen weiteren Filmmusiken.

Man kann sich Man with a Movie Camera aber auch ohne musikalische Untermalung bei archive.org ansehen und herunterladen. Vielleicht findet man ja eine passende Musik von entsprechender Länge in der eigenen Sammlung, oder man macht sich eben selbst ans Komponieren.

(Chelovek s kino-apparatom, UdSSR 1929; Regie: Dziga Vertov.)

The Mummy

How could you do that?“ – „Had to! Science, you know!“

Wenn man im Lexikon des Internationalen Films das Zitat „Vom deutschen Expressionismus beeinflusster Horrorfilm mit einer schauspielerischen Glanzleistung von Boris Karloff“ in Zusammenhang mit einem Mumienfilm liest, kann man sich schon fragen, wie bitteschön denn eine „schauspielerische Glanzleistung“ darin liegen kann, wenn ein bis zur völligen Unkenntlichkeit komplett in Binden eingewickelter Darsteller mit ausgestreckten Armen langsam hinter seinen Opfern her schlürft und vielleicht hin und wieder ein Grunzen von sich gibt. Mimik? Gestik? Überzeugende Dialoge???

Aber anders als in vielen späteren Mumienfilmen, wo Mumien sich tatsächlich überwiegend durch die Szenen schleppen, um sich im Auftrag altägyptischer Götter, Priester oder Flüche an Jenen zu rächen, die ihre Gräber plündern, ist im Film The Mummy von 1932 die Mumie nur einmal, und zwar ganz am Anfang, in der klassischen Bandagenoptik zu sehen. Danach wird sie stets als Ardath Bey in menschlicher, wenn auch mit viel Aufwand und stundenlanger Maske auf sehr, sehr alt getrimmter, Gestalt erscheinen.

Und Boris Karloff ist tatsächlich großartig. Ebenso wie die expressionistischen Aufnahmen von Karl Freund, der, bevor er als Regisseur zu arbeiten begann, als einer der besten Kameramänner der Stummfilmzeit galt. Vor seinem Weggang nach Amerika hatte er in Deutschland für Friedrich Wilhelm Murnau 1924 Der letzte Mann gedreht und zwei Jahre später Metropolis für Fritz Lang. Und wenn man sich dann von der gruseligen aber ohne große Schock-Effekte souverän erzählten Geschichte nicht allzu sehr ablenken lässt, kann man zudem auch noch einiges über Archäologie lernen:

Method is everything in archeology, my boy. We always deal with our finds of the day in order. We didn‘t come to dig in Egypt for medals. Much more is to learn from studying bits of broken pottery, than from all the sensational finds. Our job is to increase the human knowledge of the past, not to satisfy our own curiosity!“

Der komplette Film kann bei Archive.org kostenlos angeschaut und heruntergeladen werden.

(The Mummy, USA 1932; Regie: Karl Freund.)